Die fristlose Kündigung wegen Veröffentlichung von Gerichtsschriftsätzen im Betrieb ist ohne vorherige Abmahnung gerechtfertigt, wenn dabei personenbezogene Daten, z.B. Gesundheitsdaten, offengelegt werden.
Volltext des Urteils des LAG Baden-Württemberg vom 25.03.2022 – 7 Sa 63/21:
Leitsätze
Die in einem gerichtlichen Verfahren von den Parteien gefertigten und zur Gerichtsakte eingereichten Schriftsätze sind zweckbestimmt. Sie sind gerichtsöffentlich, nicht aber für die Allgemeinheit oder die Betriebsöffentlichkeit bestimmt. Wer solche Schriftsätze, in denen Daten, insbesondere auch besondere Kategorien personenbezogener Daten (Gesundheitsdaten), verarbeitet werden, bewusst und gewollt der Betriebsöffentlichkeit durch die Verwendung eines durch eine E-Mail zur Verfügung gestellten Links offenlegt und darüber hinaus den Adressatenkreis auffordert, die Weiterverbreitung der verlinkten E-Mail zu veranlassen, ohne dafür einen rechtfertigenden Grund zu haben, verletzt rechtswidrig und schuldhaft Persönlichkeitsrechte der in diesen Schriftsätzen namentlich benannten Personen. Eine solche Verhaltensweise ist geeignet, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen.
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 04.08.2021 – 25 Ca 1048/19 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten zweitinstanzlich zuletzt über die Wirksamkeit einer außerordentlichen verhaltensbedingten Kündigung der Beklagten vom 18. Januar 2019 und davon abhängig über die Weiterbeschäftigung des Klägers.
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Wegen des erstinstanzlichen unstreitigen und streitigen Vorbringens der Parteien einschließlich ihrer Rechtsansichten wird, soweit vorliegend von Interesse, auf den nicht mit einem Berichtigungsantrag angegriffenen Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Bezug genommen und verwiesen.
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Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 4. August 2021 die Klage abgewiesen. Wegen der Begründung des Arbeitsgerichts wird auf die Entscheidungsgründe unter II. 1. und 2. Bezug genommen und verwiesen.
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Der Kläger hat gegen das ihm am 12. August 2021 zugestellte Urteil mit beim Berufungsgericht am 1. September 2021 eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und sie innerhalb der mit Verfügung vom 3. September 2021 bis zum 12. November 2021 verlängerten Begründungsfrist mit beim Landesarbeitsgericht am 12. November 2021 eingegangenem Schriftsatz ausgeführt.
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Er rügt auf der Grundlage seines Begründungsschriftsatzes vom 12. November 2021, der Gegenstand der Berufungsverhandlung war und auf den Bezug genommen und verwiesen wird, näher bestimmt fehlerhafte Rechtsanwendung des Arbeitsgerichts insbesondere insoweit, als sein Verhalten keinen kündigungsrelevanten Datenschutzverstoß beinhalte. Die Datenschutzgrundverordnung finde angesichts der Haushaltsausnahme keine Anwendung, jedenfalls fehle es an einer unrechtmäßigen Verarbeitung, insbesondere von besonderen Kategorien personenbezogener Daten, Letzteres sei jedoch auch von der Ausnahmeregelung gemäß Art. 9 Abs. 2 DSGVO getragen, zumindest sei sein Verhalten nach Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO gerechtfertigt. Außerdem handele es sich um keinen besonders schwerwiegenden Verstoß, von einem schuldhaften Verstoß könne auch nicht ausgegangen werden, da er sich in einem Rechtsirrtum befunden habe, er habe auf die Richtigkeit seines damaligen Rechtsbeistandes vertraut. Im Übrigen liege auch kein Verstoß gegen Art. 14 DSGVO vor, jedenfalls aber führe ein Verstoß hiergegen nicht zur Rechtswidrigkeit der Datenverarbeitung. Er habe auch mitnichten die allgemeinen Persönlichkeitsrechte der durch die Veröffentlichung der Schriftsätze betroffenen Personen verletzt. In diesem Kontext sei es ihm nämlich um die Verteidigung gegen die ungerechtfertigten Vorwürfe der sexuellen Belästigung gegangen und insofern könne er sich auf das Grundrecht der Meinungsfreiheit berufen. Der Vorwurf der massiven Störung des Betriebsfriedens sei bereits deswegen nicht gerechtfertigt, weil die Beklagte hierfür nichts Konkretes vorgetragen habe. Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts liege hinsichtlich der behaupteten Pflichtverstöße, die der vorliegenden Kündigung und der Kündigung vom 13. Februar 2018 zu Grunde liegen, keine Gleichartigkeit vor, so dass die unwirksame Kündigung vom 13. Februar 2018 nicht in eine Abmahnung „umgedeutet“ werden könne. Außerdem habe das Arbeitsgericht auch die Interessenabwägung rechtsfehlerhaft durchgeführt und die Ordnungsgemäßheit der Betriebsratsanhörung fehlerhaft bewertet.
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Der Kläger beantragt zuletzt,
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das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 04.08.2021, Az. 25 Ca 1058/19 abzuändern und
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1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die seitens der Beklagten und Berufungsbeklagten erklärte Kündigung vom 18.01.2019 nicht zum 18.01.2019 aufgelöst worden ist.
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2. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zur unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Entwicklungsingenieur weiter zu beschäftigen.
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Die Beklagte beantragt Zurückweisung der Berufung und verteidigt das erstinstanzliche Urteil auf der Grundlage ihres Schriftsatzes vom 17. Januar 2022, auf den und auf ihren weiteren Schriftsatz vom 18. März 2022 sowie auf die Schriftsätze des Klägers vom 20. Februar 2022 und 22. März 2022 einschließlich des Sitzungsprotokolles vom 25. März 2022 Bezug genommen und verwiesen wird.
Entscheidungsgründe
I.
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Die statthafte, frist- und formgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist mit Ablauf des 18. Januar 2019 beendet. Die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 18. Januar 2019 ist wirksam. Der Weiterbeschäftigungsantrag des Klägers ist als uneigentlicher Hilfsantrag nicht zur Entscheidung angefallen. Das hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt.
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1. Die Berufungskammer verweist zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG vollumfänglich auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts in seinen Entscheidungsgründen unter II. 1. und 2. und macht sich diese ausdrücklich zu eigen. Das Arbeitsgericht hat seiner Beurteilung die vom Bundesarbeitsgericht entwickelten Rechtssätze zur Beurteilung der Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung zu Grunde gelegt und eine von Rechts wegen nicht zu beanstandende Subsumtion des von ihm festgestellten, vom Kläger nicht angegriffenen und damit bindenden Sachverhaltes durchgeführt.
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2. Die Berufungsangriffe des Klägers rechtfertigen kein anderes Ergebnis. Sie wiederholen im Kern lediglich das erstinstanzliche Vorbringen, ohne neue rechtliche oder tatsächliche Gesichtspunkte aufzuzeigen. Die Berufungskammer sieht sich zu folgenden Ausführungen veranlasst.
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a) Nach Auffassung der Berufungskammer gilt vorliegend zusammengefasst Folgendes:
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Wer im Rahmen eines von ihm angestrengten Gerichtsverfahrens bestimmte, ausschließlich dem Verfahren gewidmete Schriftsätze der Gegenseite, in denen Daten, insbesondere auch besondere Kategorien personenbezogener Daten (Gesundheitsdaten), verarbeitet werden, bewusst und gewollt der Betriebsöffentlichkeit durch die Verwendung eines durch eine E-Mail zur Verfügung gestellten Links offenlegt und darüber hinaus den Adressatenkreis auffordert, die Weiterverbreitung der verlinkten E-Mail zu veranlassen (Bl.315 der ArbG-Akte), ohne dafür einen rechtfertigenden Grund zu haben, verletzt rechtswidrig und schuldhaft Persönlichkeitsrechte der in diesen Schriftsätzen namentlich benannten Personen mit der Folge, dass vorliegend die außerordentliche Kündigung der Beklagten interessenabgewogen wirksam ist. Die Wahrnehmung berechtigter Interessen des Klägers oder sonstiger sein Fehlverhalten rechtfertigende Umstände lagen jedenfalls insofern nicht vor, als die Entscheidungsgründe des Urteils des Arbeitsgerichts am Tage der Zurverfügungstellung des Links noch nicht vorlagen und dem Kläger auch noch die Möglichkeit offenstand, gegen das Urteil das Rechtsmittel der Berufung einzulegen, um in diesem Verfahren seinen Standpunkt darzulegen.
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b) Soweit der Kläger versucht, die Verletzung der Persönlichkeitsrechts der in den von ihm ungeschwärzt veröffentlichten und zur Weiterverbreitung veranlassten Schriftsätzen der Beklagten namentlich benannten Personen insofern zu rechtfertigen, als es ihm vor allem um seine Verteidigung gegen die von der Beklagten erhobenen ungerechtfertigten Vorwürfe der sexuellen Belästigung im Zusammenhang mit seinem Aufenthalt im Flur vor den Umkleidekabinen gegangen sei, mithin sich seine verlinkte E-Mail vom 20. Dezember 2018 gegen die Beklagte selbst und nicht gegen Frau B. und Herrn A. gerichtet habe, folgt ihm die Berufungskammer nicht. Dagegen spricht der Umstand, dass er im Zeitpunkt der Fertigung der E-Mail am 20. Dezember 2018 die Begründung des Urteils des Arbeitsgerichts noch nicht kannte. Die Bearbeitung und Bewertung des vom Kläger in Abrede gestellten Vorwurfs durch das Arbeitsgericht war ebenso offen wie auch im Rahmen des dem Kläger zur Verfügung stehenden Rechtsmittels der Berufung. Das vollständig abgefasste Urteil wurde dem Kläger erst am 8 Mai 2019 zugestellt. Dem steht nicht entgegen, dass der Kammervorsitzende in der Verhandlung vom 14. Dezember 2018 den „Aufenthalt des Klägers nahe der Damenumkleide“ wohl nicht als geeignet ansah, einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB anzunehmen. Ob und gegebenenfalls wie und mit welchem Gewicht das Arbeitsgericht den Vorwurf im Rahmen des der außerordentlichen Kündigung zu Grunde zu legenden Programms der Prüfung der Wirksamkeit der Kündigung Relevanz beimaß, war zum damaligen Zeitpunkt nicht bekannt. Auch die Bewertung durch das Berufungsgericht war nicht vorhersehbar. Es war nicht ausgeschlossen, dass es den Vorwurf einer Beweisaufnahme zuführt und sich dadurch der Sachverhalt klärt. Ungeachtet dessen widerspricht die vom Kläger geltend gemacht „Stoßrichtung“ seinem tatsächlichen Vorgehen. Er hat unstreitig die kompletten Schriftsätze ungeschwärzt zur Verfügung gestellt. Seiner Begründung hätte es jedoch nur dann entsprochen, hätte er ausschließlich die Ausführungen zur Thematik „Umkleidekabine“ dem Verteilerkreis bekannt gemacht. Sein nicht auflösbarer Widerspruch ist ersichtlich Ausdruck einer Schutzbehauptung, die jedoch widerlegt ist.
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c) Zutreffend hat das Arbeitsgericht erkannt, dass der Kläger sein Fehlverhalten auch schuldhaft begangen hat (vgl. II. 1. c) der Entscheidungsgründe). Nach Ansicht der Berufungskammer besteht nach Durchführung und Befragung des Klägers in der mündlichen Verhandlung auch für einen Rechtsirrtum kein Anhalt. Die Kammer geht von einer vorsätzlichen Pflichtverletzung des Klägers aus. Es ist nach Überzeugung der Berufungsverhandlung nach Durchführung der Berufungsverhandlung davon auszugehen, dass der Kläger sehr wohl wusste, was er tat. Der Kläger ist seit 2006 Betriebsratsmitglied und war u.a. auch Mitglied im Personalausschuss des Betriebsrats, so dass er hinsichtlich des Umgangs mit personenbezogenen Daten geschult und vertraut war (vgl. §§ 102 Abs. 2 Satz 5, 99 Abs. 1 Satz 3 BetrVG). Diese Sonderkenntnisse werden bekräftigt durch die von ihm am 15. September 2011 als „[Name der Beklagten]-Mitarbeiter“ unterzeichnete Datenschutzerklärung. Im Übrigen wird diese Beurteilung auch insoweit belegt, als sich der Kläger in seiner Begründungsschrift vom 12. November 2021 auf Seite 23 selbst auf den Datenschutz in Bezug auf die von der Beklagten beanspruchte Preisgabe des Verteilerkreises beruft.
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d) Soweit der Kläger die Interessenabwägung des Arbeitsgerichts kritisiert, folgt ihm die Berufungskammer nicht.
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aa) Bei der Prüfung im Rahmen des § 626 Abs. 1 BGB, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen. Dabei lassen sich die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumindest bis zum Ende der Frist für eine ordentliche Kündigung zumutbar war oder nicht, nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf. Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind. Sie scheidet aus, wenn es ein „schonenderes“ Gestaltungsmittel – etwa Abmahnung, Versetzung, ordentliche Kündigung – gibt, das ebenfalls geeignet ist, den mit einer außerordentlichen Kündigung verfolgten Zweck – nicht die Sanktion des pflichtwidrigen Verhaltens, sondern die Vermeidung des Risikos künftiger Störungen des Arbeitsverhältnisses – zu erreichen. Beruht die Vertragspflichtverletzung auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann. Ordentliche und außerordentliche Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung setzen deshalb regelmäßig eine Abmahnung voraus. Einer solchen bedarf es nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach Abmahnung nicht zu erwarten steht, oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich – auch für den Arbeitnehmer erkennbar – ausgeschlossen ist (z.B. BAG 29. Juni 2017 – 2 AZR 302/16 – AP Nr. 261 zu § 626 BGB, zu I. 3. a) der Gründe = Rn. 26ff).
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bb) Danach ist Im Ergebnis die Interessenabwägung des Arbeitsgerichts auch unter Berücksichtigung der diesbezüglichen Berufungsangriffe von Rechts wegen nicht zu beanstanden.
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(1) Das Arbeitsgericht hat es mit Blick auf die Schwere der von ihm festgestellten Pflichtverletzungen gleichwohl nicht entschieden, ob eine Abmahnung überhaupt erforderlich war. Es hat darauf abgestellt, dass jedenfalls die am 13. Februar 2018 ausgesprochene, wegen fehlender Abmahnung vom Landesarbeitsgericht mit rechtskräftigem Urteil vom 21. Januar 2020 für unwirksam erachtete außerordentliche Kündigung die Funktion einer Abmahnung vorliegend erfüllt. Das ist von Rechts wegen nicht zu kritisieren. Die Rüge- und insbesondere die Warnfunktion der Abmahnung ist dadurch gewahrt. Das Arbeitsgericht legt seiner Subsumtion die einschlägigen, vom Bundesarbeitsgericht generierten Rechtssätze zu Grunde (BAG 19. April 2012 – 2 AZR 323/10 – AP Nr. 236 zu § 626 BGB, zu I. 3. c) aa) der Gründe = Rn. 31). Soweit der Kläger auch zweitinstanzlich die Ansicht vertritt, es handele sich gerade nicht um Pflichtverletzungen aus demselben Bereich, weshalb auch kein innerer Zusammenhang zwischen Abmahnung und potentiellen Kündigungsgründen existiere, verkennt er, dass es nicht darauf ankommt, ob das Tatgeschehen vergleichbar ist, sondern ob die dadurch verletzten Rechtsgüter vergleichbar sind. Der rechtskräftig festgestellte Vorwurf der Bedrohung von Frau B. und Herrn A. einerseits und der vorliegend der außerordentlichen Kündigung zu Grunde liegende Vorwurf der unbefugten Veröffentlichung weiter Teile der Prozessakte in der Betriebsöffentlichkeit anderseits verletzen jeweils die Persönlichkeitsrechte der in den verbreiteten Schriftsätzen namentlich benannten Personen.
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Nach Ansicht der Berufungskammer bedarf es vorliegend keiner vorherigen Abmahnung. Dafür spricht die Schwere der vorsätzlichen Pflichtverletzung des Klägers, die sich nicht nur in einem einmaligen Fehlverhalten zeigt, sondern vom Kläger bewusst darauf angelegt war, durch die gewollte Weiterverbreitung durch den Verteilerkreis die Verletzung des informationellen Selbstbestimmungsrechts der namentlich benannten Personen zu perpetuieren und infolgedessen zu intensivieren. Soweit der Kläger nunmehr in der Begründungsschrift sein in der E-Mail vom 20. Dezember 2018 (Bl. 315 der ArbG-Akte) an den bislang nicht offengelegten Verteilerkreis formuliertes Weiterverbreitungsverlangen versucht als „unglücklich formuliert“ zu relativieren, ist das unbehelflich. Maßgebend ist der Zeitpunkt der Abfassung der E-Mail am 20. Dezember 2018 und die darin ausdrücklich enthaltene Aufforderung, die Schriftsätze weiter zu verbreiten und daraus auch zu zitieren.
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(2) Die Argumentation des Klägers, im Rahmen der Interessenabwägung sei zu seinen Gunsten zu berücksichtigen, dass die Beklagte den Kläger nicht sofort, die E-Mail des Klägers vom 20. Dezember 2018 ging nach der Feststellung des Arbeitsgerichts der Beklagten um 13:13 Uhr zu, sondern erst taggleich um 18:33 Uhr aufforderte, den Dropbox-Link zu löschen, beinhaltet eine Perversion des Rechts.
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(3) Soweit der Kläger wohl zum Ausdruck bringen will, es sei auch zu seinen Gunsten zu berücksichtigen, dass es ihm im vorherigen Kündigungsschutzverfahren verwehrt worden sei, die Vorwürfe der sexuellen Belästigung und den Sachverhalt in Bezug auf Herrn A. gegenbeweislich auszuräumen, verkennt er die Bindungswirkung des rechtskräftigen Urteils des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 21. Januar 2020 (8 Sa 30/19).
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(4) Die Kritik des Klägers, die Interessenabwägung sein insofern fehlerhaft, als das Arbeitsgericht zu seinen Lasten berücksichtigt habe, dass er die Beklagte mit der E-Mail vom 20. Dezember 2018 vor „vollendete Tatsachen“ stellte, namentlich weil er die E-Mail an einen weiteren Adressatenkreis versandt habe, den er bis heute nicht offenbart habe, obschon er hierzu aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht berechtigt sei, verkennt, dass das Arbeitsgericht damit zum Ausdruck bringt, dass sein Vorgehen inhaltlich und auch technisch dahingehend angelegt war, es unumkehrbar, ja sogar perpetuierend zu gestalten.
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e) Soweit der Kläger die Beurteilung des Arbeitsgerichts in Bezug auf das Verfahren auf Zustimmung des Betriebsrats zur streitgegenständlichen Kündigung beanstandet, ist ihm nicht zu folgen. Rechtsfehler bestehen insoweit nicht.
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aa) Zutreffend hat das Arbeitsgericht erkannt, dass von Rechts wegen davon auszugehen ist, dass der Betriebsrat entsprechend der Angabe im Anschreiben vom 28. Dezember 2018 die Anlagen 1 bis 12 erhalten hat. Der über der Unterschrift des Betriebsratsvorsitzenden vom 28. Dezember 2018 handschriftlich verfasste Text „Erhalt der Unterlagen bestätigt inklusive aller Anlagen“ trägt die vom Kläger nicht widerlegte Vermutung in sich, die im Anschreiben benannten Anlagen 1 bis 12 tatsächlich erhalten zu haben. Die Echtheit der Unterschrift des die Urkunde unterzeichneten Betriebsratsvorsitzenden hat der Kläger nicht nach Maßgabe des § 138 ZPO i.V.m. § 439 Abs. 1 ZPO in Abrede gestellt (vgl. §§ 416, 439 Abs. 3, 440 Abs. 2 ZPO; BGH 20. November 1990 – XI ZR 107/89 – NJW 1991, 487-489, zu I. 2. a) der Gründe = Rn. 13ff).
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bb) Soweit der Kläger die Sachverhaltsdarstellung der Beklagten gegenüber dem Betriebsrat zur „Öffentlichkeit“ und „Bekanntheit“ der Informationen über Frau B. und Herrn A. bezüglich deren Aussagen und Gesundheitszustand insofern als fehlerhaft rügt, als dies bereits öffentlich und somit auch betriebsöffentlich gewesen sei, steht dem bereits die nicht vom Kläger mit einem Berichtigungsantrag angegriffene und damit für die Berufungskammer bindende Feststellung des Gegenteils durch das Arbeitsgericht entgegen. Die entsprechenden Feststellungen im Tatbestand des angegriffenen Urteils lauten:
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„Weder in den Pressemitteilungen des Gerichts noch der der Beklagten bekannten Presseberichterstattung wurden die Namen der im Verfahren angehörten Zeugen oder sonstiger beteiligter Personen explizit genannt.
…
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Diese Details wurden – insofern unstreitig – weder in den öffentlichen Gerichtsverhandlungen noch in der Presse explizit benannt.“
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Insofern ist Sachverhaltsdarstellung der Beklagten in ihrem Schreiben an den Betriebsrat vom 28. Dezember 2018 objektiv zutreffend, sie enthält keine irreführenden Auslassungen.
II.
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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 516 Abs. 3 Satz 2 ZPO.
33
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
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