Krim-Annexion – Jahrestag des Völkerrechtsverbrechens durch Putin

VonRA Moegelin

Krim-Annexion – Jahrestag des Völkerrechtsverbrechens durch Putin

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putinAm 18.03.2015 jährt sich die Krim-Annexion. Zum ersten Mal seit 1945 sind in Europa die Grenzen gegen den erklärten Willen eines anderen Staates willkürlich verschoben worden. Russland hat die zur Ukraine gehörende Krim durch einen Beschluss des Parlaments in seine Föderation eingegliedert. Die Vereinten Nationen haben diese Vorgehensweise nicht anerkannt. Russland hat hierfür und wegen der darauf folgenden Destabilisierung der Ost-Ukraine als Gegenmaßnahme zu Recht Sanktionen erhalten.  Nachfolgend wird Russlands Vorgehen im Zusammenhang mit der Krim unter rechtlichen Aspekten bewertet.

Vom Majdan zur Krimkrise

Die Proteste der Bürger in Kiew auf dem Majdan führten zur Flucht des ukrainischen Präsidenten Janukowitsch. Er setzte sich nach Russland ab. Um das Land in einem regierungsfähigen Zustand zu halten, wurde eine Übergangsregierung unter Premierminister Jazeniuk eingesetzt. Kurz danach entsendete Putin Soldaten auf die Krim, die maskiert und ohne Hoheitsabzeichen auftraten. In einer späteren Rede gab Putin zu, dass es sich hierbei um russische Soldaten handelte, die in ukrainisches Hoheitsgebiet eingedrungen sind. Mit Unterstützung von pro-russischen Kräften, insbesondere dem am 27. Februar 2014 an die Macht gekommene Ministerpräsident des Krim-Parlaments Aksionow, wurde in kürzester Zeit ein Referendum organisiert das am 16. März 2014 stattfand. Die Wahlkommission verkündete als Ergebnis die mehrheitliche Entscheidung einer Wiedervereinigung mit Russland. Nur zwei Tage später, am 18. März 2014, wurde der „Beitritt“ der Krim zur russischen Föderation im Eiltempo ratifiziert.

Kein Notwehrrecht für Russland

Professor Schachtschneider vertritt die These, es habe  eine Bedrohung Russlands durch die Politik des Westens gegeben, so dass die Annexion durch präventives Recht auf Selbstverteidigung gedeckt sei. Maßnahmen zum Schutz seines Flottenstützpunktes auf der Krim sollen von existentiellem russischen Interesse gegen den „zunehmend aggressiven“ Westen erforderlich gewesen sein. Die Maßnahmen sind nach seiner Meinung verhältnismäßig gewesen und sollen der Verteidigung der russischen Föderation gedient haben, basierend auf dem vermeintlichen Recht zur Selbstverteidigung, welches die präventive Selbstverteidigung jedenfalls einschließe.

Diese These ist abwegig. Schachtschneider erläutert nicht, inwieweit der Westen „aggressiv“ gewesen sein soll. Erst Recht nicht erläutert Schachtschneider, was konkret für Gefahr für Russlands Flottenstützpunkt bestanden haben soll durch die angebliche, nicht näher erläuterte „Aggression“. Zurückhaltend formuliert sind die Ausführungen Schachtschneiders blanker Unsinn. Der russische Flottenstützpunkt war zu keinem Zeitpunkt bedroht.

Wenn man -hypothetisch- eine Bedrohungslage unterstellen wollte, so war eine Annexion nicht im geringsten verhältnismäßig. Russland hätte die Möglichkeit gehabt, die Krim-Frage einschließlich der Frage der staatlichen Zugehörigkeit auf die internationale Agenda zu setzen, zum Beispiel im Rahmen der OSZE oder von Uno-Gremien, wie der Völkerrechtler Professor Saxer zutreffend darlegt.

Schlimmstenfalls hätte Russland einfach Truppen auf die Krim verlegen können und nach Abwehr etwaiger Bedrohungen die Krim wieder verlassen können. Absurd ist es, gleich das Land nur zur Gefahrenabwehr seinem eigenen Staatsgebiet einzuverleiben.

Annexion oder Sezession?

Unter einer Sezession versteht man die Abspaltung einzelner Landesteile aus einem bestehenden Staat mit dem Ziel, einen neuen souveränen Staat zu bilden. Ein bekanntes Beispiel für eine Sezession ist die Entstehung der USA, indem sie sich unabhängig von England machte.

Der Unterschied zur Krim ist offensichtlich: Das Ziel war gerade nicht die Bildung eines neuen souveränen Staates, sondern die Integration in einen anderen Staat und zwar in die Russische Föderation. Damit hat die Krim jetzt de facto noch geringe Eigenständigkeit als zuvor. Denn gemäß Art. 134 der ukrainischen Verfassung hat die Krim den Status einer autonomen Republik. Diese Autonomie hat sie in Russland nicht.

Zutreffend wird in der überwiegenden Rechtslehre die Ansicht vertreten, dass eine Sezession grundsätzlich unzulässig ist. Allenfalls in Ausnahmefällen ist nach einer Minderansicht im Fall von fundamentalen Menschenrechtsverletzungen einer diskriminierten Minderheit ein Recht auf Sezession einzuräumen. Auf der Krim wurden die ethnischen Russen, die man schwerlich als Minderheit bezeichnen kann, zu keinem Zeitpunkt in ihren Menschenrechten verletzt. Es kann allenfalls von einer allgemeinen Unzufriedenheit bezüglich der Staatsangehörigkeit gesprochen werden. Die Sehnsucht zu Russland zu gehören, rechtfertigt nach einhelliger Ansicht in der Rechtslehre keine Sezession, so sie denn vorläge.

Allein Professor Schachtschneider vertritt ein generelles Recht auf Sezession, da nicht die Staaten, sondern die einzelnen Bürger souverän sein sollen. Er stützt seine These auf das Selbstbestimmungsrecht der Völker, dem Kern der Charta der Vereinten Nationen. Dieses Recht schützt nach seiner Meinung die Freiheit der Menschen, nicht spezifisch den Bestand von Staaten. Eine Begründung für seine These liefert Prof. Schachtschneider nicht. Das kann er auch nicht, da es keine Norm in der UN-Charta gibt, die einzelnen Bevölkerungsgruppen oder gar einzelnen Personen das Recht gibt, die staatliche Ordnung zu beseitigen oder sich von ihr loszulösen. Es wäre auch fatal, da so ein Prozess üblicherweise mit Gewalttätigkeit verbunden ist, was vor allem die Zivilbevölkerung trifft. Professor Schachtschneider behauptet lediglich eine „Sezession“, ohne auch nur ansatzweise deren Voraussetzungen darzulegen.

Die Frage, ob eine Sezession völkerrechtlich Bestand hat, kann somit auf sich beruhen, da schon per Definition keine Sezession vorliegt.

Die „Unabhängigkeitserklärung“ des Krim-Parlaments

Belanglos ist die unter dem Datum des 11. März vom Krim-Parlament beschlossene „Unabhängigkeitserklärung“. Der Inhalt dieser Erklärung bringt nicht den ernsthaften Willen zum Ausdruck, einen souveränen Staat zu bilden. Es nimmt Bezug auf das Referendum am 16. März 2014, indem erklärt wird im Fall eines mehrheitlichen Ergebnisses den Beitritt zur Russischen Föderation zu deklarieren. Nur 5 Tage nach dieser „Unabhängigkeitserklärung“ wurde der Beitritt vollzogen.

Formal gesehen ist überhaupt keine Unabhängigkeit erklärt worden. Es heißt:

„Wenn als Ergebnis des am 16. März 2014 stattfindenden Referendums der direkte Ausdruck der Völker der Krim zum Ausdruck kommt, dass die Krim (…) Russland beitreten soll, so wird ein unabhängiger und souveräner Staat mit einer republikanischen Staatsform deklariert werden. (…) Die Republik Krim wird im Falle eines solchen Ergebnisses der Volksabstimmung als unabhängiger und souveräner Staat und auf der Grundlage des Völkerrechts den Beitritt in die Russische Föderation beantragen und bei Zustimmung dessen ein neues Subjekt der Russischen Föderation.“

Es ist ein in sich unauflösbarer Widerspruch, dass das Volk der Krim über den Beitritt Russlands entscheiden soll, um bei einem positiven Ergebnis die Unabhängigkeit zu deklarieren, mit dem einzigen Ziel, diese unverzüglich wieder zu beenden.

Die Erklärung vom 11. März 2014 verstößt auch gegen ihre eigenen Vorgaben: Vorausgesetzt wird, dass die Krim in ihrer Eigenschaft als „unabhängiger und souveräner Staat“ den Beitritt in die Russische Föderation beantragen soll. Diese Voraussetzung ist gerade nicht erfüllt. Die Krim ist gemäß Art. 134 der ukrainischen Verfassung untrennbarer Bestandteil der Ukraine. Um den in der Erklärung vom 11. März 2014 selbst gesetzten Status von Unabhängigkeit und Souveränität als Voraussetzung für die Antragstellung zum Beitritt zu erfüllen, hätte zuvor entweder eine Verfassungsänderung oder eine  Volksabstimmung gemäß Art. 70 der ukrainischen Verfassung durchgeführt werden müssen und zwar von allen Bürgern der Ukraine und nicht nur von denjenigen auf der Krim. Es ist in Art. 73 der ukrainischen Verfassung ausdrücklich festgeschrieben, dass nur durch ein all-ukrainisches Referendum Fragen zur Gebietsveränderung der Ukraine durchgeführt werden können.

Diesen Aspekt übersieht Prof. Merkel in seinem Beitrag Die Krim und das Völkerrecht – Kühle Ironie der Geschichte. Er unterstellt schlicht eine „Sezession“ ohne deren tatbestandliche Voraussetzungen darzulegen oder gar zu beweisen.

Zu bemerken ist, dass die Machthaber auf der Krim keine Sezession wollten, sondern den Beitritt zu Russland. Dafür spricht nicht nur der verunglückte Wortlaut der Unabhängigkeitserklärung, sondern auch die extrem kurze Dauer der selbst deklarierten „Unabhängigkeit“ von gerade mal 5 Tagen.

Formaljuristisch handelt es sich nach alldem nicht um eine Unabhängigkeitserklärung, sondern um eine Beitrittserklärung zur Russischen Föderation unter der aufschiebenden Bedingung eines positiven Ergebnisses des später stattfindenden Referendums.

Das „Referendum“ – Mittel zur Vortäuschung einer demokratischen Abstimmung

Gemäß der „Unabhängigkeitserklärung“ fand am 16. März 2014 ein sogenanntes „Referendum“ statt. Es ist lediglich ein Referendum zum Schein gewesen, um die zuvor schon feststehende Annexion auf diese Weise legitim erscheinen zu lassen. Es kann demokratischen Standards in keiner Weise standhalten. Das sogenannte Referendum ist schon deswegen rechtswidrig, da es gegen Art. 73 der ukrainischen Verfassung verstößt. Nur die Bewohner der Krim konnten abstimmen. Erforderlich ist aber, dass bei Gebietsveränderungen das gesamte Volk der Ukraine abstimmen kann. Aus genau dem gleichen Grund wurde das von den Katalanen avisierte Referendum am 29.09.14 für verfassungswidrig erklärt, da am 09.11.14 nur die Katalanen hätten abstimmen können.

Unabhängig vom Verbot des Referendums durch die ukrainische Verfassung in der erfolgten Weise, liegt auch ein Verstoß gegen das Völkerrecht vor: Volksabstimmungen über die Regelung territorialer Statusfragen sind nur legitim, wenn sie auf Vereinbarungen mit dem betroffenen Staat beruhen. Daran fehlt es. Die Zentralregierung war natürlich nicht damit einverstanden, was Russland ignoriert hat.Völkerrechtlich besteht eine Pflicht von Staaten und internationalen Organisationen, Gebietsveränderungen als Folge der Anwendung oder Androhung von Gewalt nicht anzuerkennen, wie Professor Saxer zutreffend anmerkt. Die Androhung von Gewalt durch Entsendung russischer Soldaten auf die Krim erfolgte zum Zweck der Einschüchterung der Ukraine und der Durchsetzung der Annexion mit Mitteln von Gewalt, es falls es zu ukrainischem Widerstand gekommen wäre.

Russische Soldaten zur Durchsetzung des „Referendums“

Die Durchführung des „Referendums“ wurde sichergestellt durch die Anwesenheit von bewaffneten „Sicherheitskräften“, bei denen es sich -wie Putin später zugab- um russische Soldaten handelte, sind geeignet gewesen, beim potenziellen Wähler der gegen den Beitritt stimmen wollte, Angst vor Repressalien auszulösen. Demensprechend hält der Staatsrechtler Professor Heintze in Anbetracht der militärischen Druckausübung die Abstimmung ledig für eine unverbindliche Willensbekundung. Und auch nach Ansicht des Völkerrechtlers Professor Nolte kann man die russische Militäraktion nicht von der Volksabstimmung trennen. Einen Abspaltungsversuch, der durch die Bajonette einer fremden Gewalt veranlasst und ermöglicht wird, darf man nach seiner zutreffenden Ansicht nicht anerkennen.

Referendum auf der Krim im Vergleich zu Schottland

In Schottland konnte beobachtet werden, wie ein Referendum über eine Abspaltung nach demokratischen Standards abläuft: Die Bevölkerung wurde in einem jahrelangen Prozess der Entscheidungsfindung auf die Abstimmung vorbereitet. Befürworter und Gegner der Abspaltung konnte frei Ihre Meinung äußern. Nichts davon gab es auf der Krim. Im „Hauruck-Verfahren“ wurde die Abstimmung durchgezogen. Diejenigen, die gegen die Abspaltung waren, mussten mit Repressalien rechnen, wenn sie in der Öffentlichkeit ihre Meinung äußern wollten.

In der Fragestellung kann man sehr klar den Unterschied erkennen zwischen einem demokratischen Referendum, z.B. in Schottland und einem „Referendum“, das demokratischen Standards nicht genügt:

„Soll Schottland ein unabhängiger Staat sein?“ So lautet die klare Fragestellung, die mit „ja“ oder „nein“ beantwortet werden konnte.

Auf der Krim dagegen gab es so eine Fragestellung nicht. Es gab nur die Wahl zwischen zwei Fragen, von denen eine angekreuzt werden konnte:

1. „Sind Sie für eine Wiedervereinigung der Krim mit Russland mit den Rechten eines Subjekts der Russischen Föderation?“ 2. “Sind Sie für eine Wiederherstellung der Gültigkeit der Verfassung der Republik Krim von 1992 und für einen Status der Krim als Teil der Ukraine?“

Man hatte also die Wahl, entweder für den Beitritt zur Russischen Föderation zu stimmen, oder „vielleicht…doch nicht“ in der Ukraine zu verbleiben. Die zweite Wahlmöglichkeit ist unklar gefasst. Die Verfassung von 1992 verlieh der Krim die Option einer Trennung von der Ukraine. Im Ergebnis bedeutet ein Kreuz hinter der zweiten Frage daher folgendes: Die Krim hätte durch Beschluss seines Parlaments selbst den Beitritt beschließen können. Keinesfalls hatte der Wähler die Möglichkeit, wie bisher für einen Verbleib der Krim in der Ukraine zu stimmen.

Im Ergebnis ist festzustellen, dass der Bürger keine ernsthafte Wahl hatte. Die Fragen waren so formuliert, dass man nur für einen sofortigen oder einem etwas späteren Beitritt zur Russischen Föderation hätte stimmen können. Denn die Absichten der Machthaber auf der Krim waren klar und unmissverständlich auf Beitritt zu Russland ausgerichtet. Zu Recht gab es keinen offiziellen Beobachter der OSZE beim „Referendum“, sondern ironischerweise nur inoffizielle Beobachter von Vertretern rechtspopulistischer Parteien aus gesamt Europa.

Imperialistisches Gedankengut als Motivation der Krim-Annexion

Die Unabhängigkeitserklärung war eine Farce, ebenso wie das Referendum. Demokratische Mittel wurden lediglich missbräuchlich eingesetzt, um bei der Annexion den Anstrich der Legitimation vorzutäuschen. Die Vorgehensweise Russlands kann als konkludente Kriegserklärung gegenüber der Ukraine gewertet werden. Es ist empörend, dass in der heutigen Zeit in Europa wieder Grenzen gegen den Willen eines anderen Staates verschoben werden. Es begründet sich auf der imperialistischen Denkweise Putins, die Ukraine nicht als souveränen Staat anzusehen, sondern lediglich als seine Einflusszone.

Anders als bei der Annexion des Sudetenlands 1938 durch Adolf Hitler, kommt es bei der Krim-Annexion in zynischer Weise zum Vortäuschen eines demokratischen Prozesses. Es ging ersichtlich nicht um „Volkes Wille“. Die Stimmungslage auf der Krim wurde geschickt ausgenutzt, um mit Hilfe eines Schein-Referendums die Annexion durchzusetzen. Initiator war also nicht das Volk, sondern lediglich ein einziger Mensch und zwar Putin. Der russische Präsident -und nicht das Volk auf der Krim- hat die Entscheidung getroffen, die Krim in die Russische Föderation einzugliedern. Hierzu bediente sich Putin seiner Helfer im Krim-Parlament.

In Anbetracht der militärischen Macht Russlands ist eine gewaltsame Beendigung der widerrechtlichen Besetzung der Krim unrealistisch. Wirtschaftliche Sanktionen konnten Russland nicht zum Einlenken bewegen. Ein Abzug von der besetzten Krim dürfte frühestens dann in Erwägung gezogen werden können, wenn Putin von seinem Amt als Präsident abgetreten ist und Russland daraufhin rechtsstaatliche Strukturen entwickelt.

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