Jahressonderzahlung nach TV-L

VonRA Moegelin

Jahressonderzahlung nach TV-L

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Bestehen in einem Kalenderjahr nacheinander mehrere Arbeitsverhältnisse des Arbeitnehmers zum selben Arbeitgeber, bemisst sich die Jahressonderzahlung nach § 20 Absatz 3 TV-L auch dann ausschließlich nach dem am 1. Dezember des Jahres bestehenden Arbeitsverhältnis, wenn dieses zwar vor dem 1. September aber nach dem 1. Juli des Jahres begonnen hat.

Volltext des Urteils des LAG Berlin-Brandenburg Urteil vom 17.09.2020 – 21 Sa 2169/19:

Tenor

I. Auf die Berufung des beklagten Landes wird das Urteil des Arbeitsgerichts Cottbus vom 24. Oktober 2019 – 12 Ca 10716/18 – abgeändert und die Klage abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Höhe der der Klägerin für das Jahr 2015 zustehenden tariflichen Jahressonderzahlung.

2

Die Klägerin war bei dem beklagten Land, dem Land Brandenburg seit 1. August 2008 als Lehrkraft im Rahmen eines Altersteilzeitarbeitsverhältnis mit 50 % ihrer früheren Arbeitszeit im Teilzeitmodell beschäftigt. Das Altersteilzeitarbeitsverhältnis endete am 31. Juli 2015.

3

Unter dem 27. August 2015 schlossen die Parteien mit Wirkung ab dem 31. August 2015 einen bis zum 31. Januar 2016 befristeten Arbeitsvertrag. Im Rahmen dieses Arbeitsverhältnisses war die Klägerin bei dem beklagten Land als Lehrkraft zunächst mit 2,75 LWS (Lehrerwochenstunden) und ab dem 1. November 2015 mit 3,5 LWS von 27 LWS einer Vollzeitlehrkraft beschäftigt und in Entgeltgruppe 10 der Entgeltordnung (Anlage A) zum Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) eingruppiert. Arbeitsvertraglich waren die von der Tarifgemeinschaft der deutschen Länder (TdL) abgeschlossenen und für das beklagte Land geltenden Tarifverträge des öffentlichen Dienstes, darunter der TV-L, in ihrer jeweiligen Fassung in Bezug genommen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Ablichtungen des Arbeitsvertrages vom 27. August 2015 (Blatt 20 f. (folgende) der Akten) und des Änderungsvertrages vom 2. November 2015 (Blatt 22 der Akten) verwiesen.

4

§ 20 TV-L in der für 2015 geltenden Fassung lautet auszugsweise wie folgt:

5

㤠20

6

Jahressonderzahlung

7

(1) Beschäftigte, die am 1. Dezember im Arbeitsverhältnis stehen, haben Anspruch auf eine Jahressonderzahlung.

8

(2) 1Die Jahressonderzahlung beträgt bei Beschäftigten in den Entgeltgruppen

9

Tarifgebiet West

Tarifgebiet
Ost
im Kalenderjahr

2015

2016

2017

2018

ab 2019

E 9 bis E 11

64 v.H.

10

der Bemessungsgrundlage nach Absatz 3. …

11

(3) 1Bemessungsgrundlage im Sinne des Absatzes 2 Satz 1 ist das monatliche Entgelt, das den Beschäftigten in den Kalendermonaten Juli, August und September durchschnittlich gezahlt wird; … 2Der Bemessungssatz bestimmt sich nach der Entgeltgruppe am 1. September. 3Bei Beschäftigten, deren Arbeitsverhältnis nach dem 31. August begonnen hat, tritt an die Stelle des Bemessungszeitraums der erste volle Kalendermonat des Arbeitsverhältnisses; anstelle des Bemessungssatzes der Entgeltgruppe am 1. September tritt die Entgeltgruppe des Einstellungstages. …

12

Protokollerklärung zu § 20 Absatz 3:

13

1Bei der Berechnung des durchschnittlich gezahlten monatlichen Entgelts werden die gezahlten Entgelte der drei Monate addiert und durch drei geteilt; dies gilt auch bei einer Änderung des Beschäftigungsumfangs. 2Ist im Bemessungszeitraum nicht für alle Kalendertage Entgelt gezahlt worden, werden die gezahlten Entgelte der drei Monate addiert, durch die Zahl der Kalendertage mit Entgelt geteilt und sodann mit 30,67 multipliziert. …

14

(4) 1Der Anspruch nach den Absätzen 1 bis 3 vermindert sich um ein Zwölftel für jeden Kalendermonat, in dem Beschäftigte keinen Anspruch auf Entgelt oder Fortzahlung des Entgelts nach § 21 haben. …

15

(5) 1Die Jahressonderzahlung wird mit dem Tabellenentgelt für November ausgezahlt. …

16

…“

17

Im Juli 2015 belief sich die Vergütung der Klägerin auf 2.627,85 Euro brutto, im August 2015 auf 12,24 Euro brutto und im September 2015 auf 379,50 Euro brutto. Als Jahressonderzahlung für das Jahr 2015 zahlte das beklagte Land der Klägerin auf der Grundlage ihrer Vergütung für die Monate August und September 2015 im November 2015 einen Betrag in Höhe von 207,28 Euro brutto und im Februar 2016 einen weiteren Betrag in Höhe von 40,83 Euro brutto und damit insgesamt 248,11 Euro brutto.

18

Mit anwaltlichem Schreiben vom 9. Mai 2016 machte die Klägerin gegenüber dem beklagten Land die Zahlung einer höheren Jahressonderzahlung für 2015 geltend und nahm dabei unter anderem auf ein früheres Schreiben der Klägerin vom 22. Juli 2015 Bezug. Wegen der Einzelheiten des Schreibens vom 9. Mai 2016 und des Inhalts des Schreibens vom 22. Juli 2015 wird auf deren Ablichtungen (Blatt 29 f. und 121 der Akten) verwiesen. Mit Schreiben vom 27. Mai 2015 erläuterte das beklagte Land die Berechnung der gezahlten Jahressonderzahlung und wies im Übrigen den Anspruch zurück. Wegen der Einzelheiten, insbesondere der Berechnung der gezahlten Jahressonderzahlung wird auf die Ablichtung des Schreibens vom 27. Mai 2015 (Blatt 31 f. der Akten) verwiesen.

19

Mit der am 31. Dezember 2018 beim Arbeitsgericht Cottbus eingegangenen Klage hat die Klägerin den Anspruch weiterverfolgt und das beklagte Land auf Zahlung von weiteren 707,87 Euro brutto nebst Zinsen in Anspruch genommen.

20

Die Klägerin hat gemeint, das beklagte Land hätte in die Berechnung der Jahrsonderzahlung auch ihre Vergütung für den Monat Juli 2015 miteinbeziehen müssen. Die Ansicht des beklagten Landes, dass nur die Vergütung aus dem aktuellen Arbeitsverhältnis zu berücksichtigen sei, sei mit § 20 TV-L nicht zu vereinbaren.

21

Die Klägerin hat beantragt,

22

das beklagte Land zu verurteilen, an die Klägerin eine weitere Jahressonderzahlung in Höhe von 707,87 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. Dezember 2015 zu zahlen.

23

Das beklagte Land hat beantragt,

24

die Klage abzuweisen.

25

Das beklagte Land hat unter Bezugnahme auf die Durchführungshinweise der TdL zu § 20 TV-L (Blatt 41 ff. der Akten) die Auffassung vertreten, die Bemessung der Jahressonderzahlung richte sich ausschließlich nach dem am 1. Dezember bestehenden Arbeitsverhältnis. Daher sei in die Berechnung der Jahressonderzahlung der Klägerin für 2015 deren Vergütung für Juli 2015 aus dem vorangegangen Altersteilzeitarbeitsverhältnis nicht miteinzubeziehen gewesen.

26

Mit Urteil vom 24. Oktober 2019, auf dessen Tatbestand (Blatt 67 – 69 der Akten) wegen des weiteren erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien verwiesen wird, hat das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben und sich zur Begründung im Wesentlichen auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 12. Dezember 2012 – 10 AZR 922/11 – zu § 20 Absatz 4 TV-L bezogen. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils (Blatt 69 – 71 der Akten) verwiesen.

27

Gegen dieses dem beklagten Land am 25. November 2019 zugestellte Urteil richtet sich die am 20. Dezember 2019 beim Landesarbeitsgericht eingegangene Berufung des beklagten Landes, welche es nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 25. Februar 2020 mit am 25. Februar 2020 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet hat.

28

Das beklagte Land setzt sich – unter teilweiser Wiederholung und teilweiser Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens – mit dem angefochtenen Urteil auseinander. Im Unterschied zu § 20 Absatz 4 TV-L enthalte § 20 Absatz 3 TV-L eine spezielle Regelung, die auf den Beginn des Arbeitsverhältnisses abstelle. Dieser könne entnommen werden, dass im Rahmen der Ermittlung der Bemessungsgrundlage nach § 20 Absatz 3 TV-L immer nur das aktuelle am 1. Dezember bestehende und nach § 20 Absatz 1 TV-L anspruchsbegründende Arbeitsverhältnis zu berücksichtigen sei. Außerdem stehe das neue befristete Arbeitsverhältnis in keinem Zusammenhang mit dem beendeten Altersteilzeitarbeitsverhältnis. Jedenfalls sei ein etwaiger Nachzahlungsanspruch verfallen, da die Klägerin den Anspruch im Geltendmachungsschreiben vom 9. Mai 2016 nach Grund und Höhe nicht ausreichend spezifiziert habe.

29

Das beklagte Land beantragt,

30

das Urteil des Arbeitsgerichts Cottbus vom 24. Oktober 2019 – 12 Ca 10716/18 – abzuändern und die Klage abzuweisen.

31

Die Klägerin beantragt,

32

die Berufung zurückzuweisen.

33

Die Klägerin verteidigt – unter teilweiser Wiederholung und teilweiser Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens – das angefochtene Urteil. Ergänzend trägt sie vor, eine erhebliche zeitliche Zäsur liege nicht vor, da bis zur Begründung des neuen Arbeitsverhältnisses nicht einmal ein Monat vergangen sei. Der Anspruch sei auch nicht verfallen. Wie sich nicht zuletzt auch aus der Rückantwort des beklagten Landes vom 27. Mai 2016 ergebe, sei dem beklagten Land aufgrund der Ausführungen im Schreiben vom 9. Mai 2015 klar gewesen, welcher konkrete Anspruch geltend gemacht wurde und wie sich dieser berechnet.

34

Wegen des weiteren zweitinstanzlichen Vorbringens der Parteien, wird auf die Schriftsätze des beklagten Landes vom 25. Februar 2020 (Blatt 105 – 108 der Akten) und 30. April 2020 (Blatt 131 der Akten) sowie den Schriftsatz der Klägerin vom 2. April 2020 (Blatt 123 – 126 der Akten) verwiesen.

Entscheidungsgründe

35

Die Berufung hat Erfolg.

36

I. Die Berufung ist zulässig. Sie ist nach § 64 Absatz 1 und 2 Buchstabe b ArbGG (Arbeitsgerichtsgesetz) statthaft sowie form- und fristgerecht im Sinne von § 66 Absatz 1 Satz 1, 2 und 5 ArbGG, §§ 519, 520 Absatz 1 und 3 ZPO (Zivilprozessordnung) eingelegt und begründet worden.

37

II. Die Berufung ist auch begründet. Die Klägerin hat nach § 20 TV-L keinen Anspruch auf eine höhere Jahressonderzahlung für das Jahr 2015. Das beklagte Land hat die Jahressonderzahlung der Klägerin für 2015 zutreffend berechnet. Bemessungsgrundlage für die Höhe der Jahressonderzahlung ist nach § 20 Absatz 3 TV-L – anders als für die Kürzung der Jahressonderzahlung nach § 20 Absatz 4 TV-L – nur das am 1. Dezember bestehende, nach § 20 Absatz 1 TV-L den Anspruch auf die Jahressonderzahlung begründende Arbeitsverhältnis.

38

1. Nach § 20 Absatz 1 TV-L hat die Klägerin dem Grunde nach einen Anspruch auf eine Jahressonderzahlung für das Jahr 2015, da sie am 1. Dezember 2015 in einem Arbeitsverhältnis zu dem beklagten Land stand. Die Voraussetzungen für eine Kürzung der Jahressonderzahlung nach § 20 Absatz 4 TV-L lagen nicht vor, da die Klägerin in allen zwölf Monaten des Kalenderjahres 2015 einen Entgeltanspruch gegen das beklagte Land hatte und es insoweit nicht darauf ankommt, ob die Entgeltansprüche aus einem Arbeitsverhältnis oder mehreren nacheinander bestehenden Arbeitsverhältnissen herrühren (vergleiche dazu BAG (Bundesarbeitsgericht) 12. Dezember 2012 – 10 AZR 922/11 – Rn. (Randnummer) 9 ff.). Eine solche Kürzung hat das beklagte Land auch nicht vorgenommen.

39

2. Bestehen in einem Kalenderjahr nacheinander mehrere Arbeitsverhältnisse desselben oder derselben Arbeitnehmer*in zu demselben oder derselben Arbeitgeber*in bemisst sich die Jahressonderzahlung nach § 20 Absatz 3 TV-L nur nach dem am 1. Dezember bestehenden Arbeitsverhältnis, welches nach § 20 Absatz 1 TV-L den Grund für den Anspruch bildet (ebenso Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese TV-L Stand: April 2020 § 20 Rn. 81b; Litschen ua (und andere)/Dahl, KomTVöD (Kommentar zum Tarifvertrag öffentlicher Dienst – Verwaltung) Stand: März 2020 § 20 Rn. 17). Das ergibt sich aus der Auslegung der Tarifnorm.

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a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts folgt die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Auszugehen ist zunächst vom Tarifwortlaut. Zu erforschen ist der maßgebliche Sinn der Erklärung, ohne am Buchstaben zu haften. Dabei sind der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und damit der von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnorm mit zu berücksichtigen, soweit sie in den tariflichen Normen ihren Niederschlag gefunden haben. Auch auf den tariflichen Gesamtzusammenhang ist abzustellen. Verbleiben noch Zweifel, können weitere Kriterien berücksichtigt werden. Im Zweifel ist die Tarifauslegung zu wählen, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Lösung führt (siehe zum Beispiel BAG 20. Juni 2018 – 4 AZR 339/17 – Rn. 19 mwN (mit weiteren Nachweisen)).

41

b) In Anwendung dieser Grundsätze ist § 20 Absatz 3 TV-L dahin auszulegen, dass sich die Höhe der zu zahlenden Jahressonderzahlung nach dem am 1. Dezember bestehenden Arbeitsverhältnis richtet.

42

aa) Der Wortlaut der Tarifnorm, von dem vorrangig auszugehen ist, führt zu keinem eindeutigen Ergebnis.

43

(1) § 20 Absatz 3 Satz 1 TVöD stellt als Bemessungsgrundlage für die Höhe der Jahressonderzahlung nach § 20 Absatz 2 TV-L grundsätzlich auf das in den Kalendermonaten Juli, August und September durchschnittlich gezahlte monatliche Entgelt ab, wobei es nicht darauf ankommt, ob das Entgelt in den jeweiligen Monaten tatsächlich gezahlt worden ist, sondern darauf, welches Entgelt dem oder der Arbeitnehmer*in für die jeweiligen Monate zusteht (vergleiche BAG 16. November 2011
10 AZR 549/10 -; BeckOK (Beck´scher Online-Kommentar) TV-L/Schwill Stand: 1. September 2019 § 20 TV-L Jahressonderzahlung Rn. 21b). Dem Wortlaut des § 20 Absatz 3 Satz 1 TV-L ist dabei nicht zu entnehmen, ob auf das Entgelt aus dem am 1. Dezember bestehenden und nach § 20 Absatz 1 TV-L anspruchsbegründenden Arbeitsverhältnis abzustellen ist oder ob auch das Entgelt aus einem früheren beendeten Arbeitsverhältnis zu berücksichtigen ist. Zwar könnte der Umstand, dass § 20 Absatz 3 Satz 1 TV-L keine ausdrückliche Beschränkung auf das am 1. Dezember bestehende Arbeitsverhältnis beispielsweise durch den Zusatz „aus dem Arbeitsverhältnis nach Absatz 1“ enthält, darauf hindeuten, dass es bei mehreren nacheinander bestehenden Arbeitsverhältnissen innerhalb eines Kalenderjahres nicht darauf ankommt, aus welchem der Arbeitsverhältnisse der Entgeltanspruch stammt (vergleiche BAG 12. Dezember 2012 – 10 AZR 922/11 – Rn. 11). Das ist jedoch nicht zwingend. Denn eine eindeutige Regelung, dass das in den Kalendermonaten Juli, August und September durchschnittlich gezahlte Entgelt lediglich aus „einem“ Arbeitsverhältnis stammen muss, fehlt ebenfalls.

44

(2) § 20 Absatz 3 Satz 3 TV-L bestimmt, dass in den Fällen, in denen das am 1. Dezember bestehende Arbeitsverhältnis nach dem 31. August begonnen hat, an die Stelle des Bemessungszeitraums von Juli bis September nach § 20 Absatz 3 Satz 1 TV-L der erste volle Kalendermonat des Arbeitsverhältnisses und an Stelle des Bemessungssatzes der Entgeltgruppe am 1. September nach § 20 Absatz 3 Satz 2 TV-L die Entgeltgruppe des ersten Tages des nach dem 31. August begründeten Arbeitsverhältnis tritt. Das gilt auch dann, wenn dem am 1. Dezember bestehenden Arbeitsverhältnis in dem Kalenderjahr ein weiteres beendetes Arbeitsverhältnis vorausgegangen ist (vergleiche dazu BAG 22. März 2017 – 10 AZR 623/15 – Rn. 14 ff.) Die Regelung betrifft jedoch nicht den Fall, dass das am 1. Dezember bestehende Arbeitsverhältnis – wie hier – vor dem 1. September, also nicht nach dem 31. August begonnen hat.

45

(3) Auch die Protokollerklärung zu § 20 Absatz 3 TV-L enthält keinen eindeutigen Hinweis, auf welches Arbeitsverhältnis oder welche Arbeitsverhältnisse abzustellen ist. Nach Satz 1 der Protokollerklärung sind bei der Berechnung des durchschnittlich gezahlten monatlichen Entgelts die gezahlten Entgelte der drei Monate zu addieren und durch drei zu teilen; dies gilt auch bei einer Änderung des Beschäftigungsumfangs. Auf den ersten Blick könnte Letzteres darauf hindeuten, dass nach dem Willen der Tarifvertragsparteien bei der Bemessung der Jahressonderzahlung jedes in den Zeitraum von Juli bis September fallende Arbeitsverhältnis zu berücksichtigen ist. Jedoch kann es zu einer Änderung des Beschäftigungsumfangs nicht nur bei der Neubegründung eines Arbeitsverhältnisses kommen, sondern auch im bestehenden Arbeitsverhältnis. Ob auf die Monate Juli bis September auch dann abzustellen ist, wenn sich nicht nur der Beschäftigungsumfang, sondern auch die Beschäftigungsgrundlage geändert hat, dazu verhält sich die Protokollerklärung nicht.

46

bb) Gesamtzusammenhang und Systematik sprechen hingegen dafür, dass es nur auf das am 1. Dezember bestehende Arbeitsverhältnis ankommt.

47

(1) Nach § 20 Absatz 1 TV-L haben Beschäftigte Anspruch auf eine Jahressonderzahlung, wenn sie am 1. Dezember in einem Arbeitsverhältnis stehen (vergleiche zu der Stichtagsregelung BAG 12. Dezember 2012 – 10 AZR 718/11 – Rn. 11 ff.). Dabei ist es für die Erfüllung dieser (einzigen) Tatbestandsvoraussetzung unerheblich, ob bereits vorher ein Arbeitsverhältnis bestanden hat, ob das am 1. Dezember bestehende Arbeitsverhältnis befristet oder unbefristet ist, ob es gegebenenfalls noch im Dezember des Jahres endet oder bereits gekündigt ist. Besteht das Arbeitsverhältnis zum Stichtag, entsteht grundsätzlich ein Anspruch auf eine volle Jahressonderzahlung. Eine Kürzung des Anspruchs ist in § 20 Absatz 4
TV-L nur in den Fällen vorgesehen, in denen ein oder eine Beschäftigte*r in einem Kalendermonat des Jahres keinen Anspruch auf Entgelt oder Fortzahlung des Entgelts nach § 21 TV-L hatte (vergleiche zum Ganzen BAG 22. März 2017 – 10 AZR 623/15 – Rn. 17 mwN).

48

Das bedeutet, dass nach dem Willen der Tarifvertragsparteien kein Anspruch auf eine Jahressonderzahlung bestehen soll, wenn ein Arbeitsverhältnis, unabhängig davon, wann es begründet worden ist, vor dem Stichtag 1. Dezember geendet hat. Dass die Tarifvertragsparteien einen nicht bestehenden Anspruch aus einem beendeten Arbeitsverhältnis neu entstehen lassen wollten, wenn im Laufe des Kalenderjahres ein weiteres Arbeitsverhältnis begründet wird, ist fernliegend. Ebenso ist es fernliegend, dass ein beendetes Arbeitsverhältnis einen Anspruch auf Jahressonderzahlung aus dem am 1. Dezember bestehenden Arbeitsverhältnis beinträchtigen können soll. Dazu könnte es aber, je nachdem, in welchem der Arbeitsverhältnisse der oder die Beschäftigte mehr verdient hat, kommen, wenn bei der Bemessung der Jahressonderzahlung nicht nur das Entgelt aus dem anspruchsbegründenden Arbeitsverhältnis zu berücksichtigen wäre, sondern gegebenenfalls auch das aus einem vorangegangenen beendeten Arbeitsverhältnis.

49

(2) Die Höhe der Jahressonderzahlung ist nach § 20 Absatz 2 TV-L – anders als früher nach dem Tarifvertrag über eine Zuwendung für Angestellte (TV Zuwendung) – nicht nur von der Höhe der Vergütung des oder der jeweiligen Beschäftigten (Bemessungsgrundlage) abhängig, sondern hinsichtlich des Bemessungssatzes zusätzlich nach Entgeltgruppen gestaffelt. Es bedarf deshalb nicht nur der Bestimmung des Referenzzeitraums zur Ermittlung der zugrunde zu legenden Vergütungshöhe, sondern auch des Zeitpunkts für die Ermittlung der für den Bemessungssatz maßgeblichen Entgeltgruppe. Beides ist in § 20 Absatz 3 TV-L festgelegt. Dabei stellt die Norm für den Regelfall nicht auf den Stichtag 1. Dezember ab, sondern nach § 20 Absatz 3 Satz 1 und 2 TV-L auf die durchschnittliche Vergütung in den Monaten Juli bis September und die Eingruppierung am 1. September. Aus diesen beiden Faktoren berechnet sich die konkrete Höhe der Sonderzahlung. § 20 Absatz 3 Satz 3 TV-L regelt eine Ausnahme hiervon für Beschäftigte, „deren Arbeitsverhältnis nach dem 31. August begonnen hat“. Für diese wird der erste volle Kalendermonat des Bestehens des Arbeitsverhältnisses als Bemessungsgrundlage herangezogen und für den Bemessungssatz ist die Entgeltgruppe des Einstellungstags maßgeblich (BAG 22. März 2017 – 10 AZR 623/15 – Rn. 18 f.). Mangels anderer Anhaltspunkte liegt es dabei nahe, dass § 20 Absatz 3 Satz 3 TV-L mit dem Begriff des Arbeitsverhältnisses das Arbeitsverhältnis meint, das nach § 20 Absatz 1 TV-L den Anspruch auf die Jahressonderzahlung begründet (BAG 22. März 2017 – 10 AZR 623/15 – Rn. 19; ähnlich bereits BAG 12. Dezember 2012 – 10 AZR 922/11 – Rn. 17).

50

Wenn aber die Tarifvertragsparteien in § 20 Absatz 3 Satz 3 TV-L für die Bemessung der Jahressonderzahlung auf das anspruchsbegründende Arbeitsverhältnis abstellen, spricht dies dafür, dass dies auch für den in § 20 Absatz 3 Satz 1 und 2 TV-L geregelten Normalfall, dass das anspruchsbegründende Arbeitsverhältnis vor dem 1. September begründet wurde, gelten soll. Denn in der Regelung kommt der Gedanke zum Ausdruck, dass für die Jahressonderzahlung maßgeblich sein soll, was zwischen den Arbeitsvertragsparteien aktuell vereinbart ist.

51

(3) Außerdem haben die Tarifvertragsparteien, indem sie in § 20 Absatz 3 Satz 1 und 2 TV-L für die Bemessung der Jahressonderzahlung einen Referenzzeitraum in der zweiten Jahreshälfte festgelegt haben, zum Ausdruck gebracht, dass sich die Höhe der Jahressonderzahlung nicht am zufälligen Bestand am für den Anspruch maßgeblichen Stichtag 1. Dezember orientieren, sondern das anspruchsbegründende Arbeitsverhältnis abbilden soll. Zugleich haben sie aber auch darauf verzichtet, das gesamte Kalenderjahr exakt nach Umfang der Arbeitsleistung und Eingruppierung heranzuziehen. (vergleiche BAG 22. März 2017 – 10 AZR 623/15 – Rn. 22).

52

(4) § 20 Absatz 4 TV-L, der in bestimmten Fällen die Möglichkeit der Kürzung des Anspruchs (Zwölftelung) vorsieht, steht dem nicht entgegen. Denn im Unterschied zu den Absätzen 2 und 3 stellt die Vorschrift nicht auf „das Arbeitsverhältnis“ ab, sondern auf einen Anspruch des oder der Beschäftigten auf Entgelt oder Entgeltfortzahlung in den einzelnen Kalendermonaten (vergleiche BAG 22. März 2017 – 10 AZR 623/15 – Rn. 20).

53

cc) Nach § 20 Absatz 3 TV-L kommt es auch nicht darauf an, ob sich das anspruchsbegründende Arbeitsverhältnis unmittelbar an das vorausgegangene, im laufenden Kalenderjahr beendete Arbeitsverhältnis anschloss oder zwischen beiden Arbeitsverhältnissen zumindest ein enger sachlicher Zusammenhang bestand oder nicht (vergleiche BAG 22 März 2017 – 10 AZR 623/15 – Rn. 24 ff.).

54

3. Die der Klägerin nach § 20 Absatz 1 und 2 in Verbindung mit dem Absatz 3 Satz 1 und 2 TV-L unter Berücksichtigung ihrer Vergütung für August und September 2015 zustehende Jahressonderzahlung hat das beklagte Land nach den hier maßgeblichen Regelungen für das Tarifgebiet Ost zutreffend nach der Berechnungsregel im Satz 2 der Protokollerklärung zu § 20 Absatz 3 TV-L berechnet und der Klägerin ausgezahlt. Hiergegen hat die Klägerin auch keine Einwendungen erhoben.

55

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Absatz 1 ZPO. Danach hat die Klägerin als unterlegene Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

56

IV. Die Revision ist nach § 72 Absatz 2 Nr. 1 ArbGG wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen.

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