Geschlechtsbezogene Benachteiligung bei tariflichem Vorruhestand

VonRA Moegelin

Geschlechtsbezogene Benachteiligung bei tariflichem Vorruhestand

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F16Ein Flugsicherungsunternehmen zahlte im Rahmen einer Vorruhestandsregelung ein Übergangsgeld an seine ausgeschiedenen Mitarbeiter. Eine weibliche Ex-Mitarbeiterin wehrte sich gerichtlich, weil sie kürzer Übergangsgeld bekommt als männliche Anspruchsinhaber.

Die 1946 geborene Klägerin schied 2005 aus dem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten aus. Nach einem in dem Unternehmen der Beklagten bestehenden Tarifvertrag bezog die Klägerin im unmittelbaren Anschluss an das Arbeitsverhältnis ein Jahr lang Versorgungsleistungen in Form von Übergangsgeld. Nach den tarifvertraglichen Regelungen sollte das Versorgungsverhältnis zu dem Zeitpunkt enden, zu dem der Empfänger von Übergangsgeld vorzeitige Altersrente in Anspruch nehmen konnte. Dies war bei der Klägerin 2006, als sie das 60. Lebensjahres vollendete, der Fall. Die Klägerin verlangt, wie männliche Versorgungsempfänger behandelt zu werden, die das Übergangsgeld bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres erhalten.

Während das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen hat, hat das Landesarbeitsgericht der Klage stattgegeben. Das Bundesarbeitsgericht hat die Entscheidung des Hessischen LAG aufgehoben und die Sache zurückverwiesen.

Tarifvertragliche Regelungen, die Frauen wegen ihres Geschlechts benachteiligen, sind gemäß § 7 Abs. 2 AGG unwirksam. Eine solche Benachteiligung kann vorliegen, wenn ein Versorgungsverhältnis nach einer tarifvertraglichen Vorschrift zu dem Zeitpunkt endet, zu dem der Versorgungsempfänger vorzeitig Altersrente in Anspruch nehmen kann. Denn das gesetzliche Rentenrecht regelt die Möglichkeit, vorzeitige Altersrente zu beziehen, für Männer und Frauen unterschiedlich. Während Frauen bestimmter Geburtsjahrgänge gemäß § 237a Abs. 1 SGB VI nach Vollendung des 60. Lebensjahres vorzeitige Altersrente beanspruchen können, besteht diese Möglichkeit für Männer erst nach Vollendung des 63. Lebensjahres. Die Tarifvertragsparteien können diesen Nachteil beseitigen, indem sie für die kürzere Bezugsdauer einen finanziellen Ausgleich schaffen (BAG, Urteil vom 15. November 2011 – 9 AZR 584/09).

Hierzu führt das BAG wie folgt aus: Das tarifliche Übergangsgeld dient dazu, Versorgungslücken zu überbrücken, die dadurch entstehen, dass der Anspruchsberechtigte seine Erwerbstätigkeit beim Arbeitgeber beendet. Leistungen aus der betrieblichen Altersversorgung stehen den Berechtigten noch nicht zu, denn die Betroffenen scheiden nominell nicht aus dem Berufsleben aus. Nach dem Tarifvertrag sind die Berechtigten verpflichtet, sich für die Zeit des Bezugs von Übergangsgeld nicht arbeitslos zu melden. Die Übergangsversorgung hat damit den Charakter einer sozialen Absicherung bis zum Erreichen des Alters, ab dem Altersversorgungsleistungen erbracht werden. Die Flugdatenbearbeiter der Beklagten sollen wirtschaftlich so lange abgesichert werden, bis sie das Alter erreichen, ab dem Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung gewährt werden. Mit diesem tariflichen Regelungszweck ist es nicht zu vereinbaren, wenn die Anknüpfung an das gesetzliche Rentenversicherungsrecht dazu führt, dass Frauen und Männer nicht in gleicher Weise wirtschaftlich abgesichert werden.

Die Anknüpfung an das gesetzliche Rentenversicherungsrecht kann nach Ansicht des BAG für sich genommen die unterschiedliche Behandlung von Männern und Frauen also nicht rechtfertigen. Das LAG wird zu prüfen haben, ob die tariflichen Leistungen geeignet sind, den Nachteil des kürzeren Bezugszeitraums auszugleichen.

Volltext des Urteils des Bundesarbeitsgerichts: BAG, Urteil vom 15. Februar 2011- 9 AZR 584/09

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