Frage nach der Schwerbehinderung im bestehenden Arbeitsverhältnis

VonRA Moegelin

Frage nach der Schwerbehinderung im bestehenden Arbeitsverhältnis

Share

TDSDas Fragerecht des Arbeitgebers ist bei Einstellungen bekanntermaßen eingeschränkt, soweit es z.B. um die Frage nach einer etwaigen Schwangerschaft geht. Im dem vom BAG zu entscheidenden Fall ging es aber um die Frage, inwieweit ein Fragerecht in einem bestehenden Arbeitsverhältnis zu beurteilen ist.

Der mit einem Behinderungsgrad von 60 schwerbehinderte Arbeitnehmer und spätere Kläger stand in einem bis zum 31.10.09 befristeten Arbeitsverhältnis. Am 08.01.09 wurde der Beklagte zum vorläufigen Insolvenzverwalter über das Vermögen der Arbeitgeberin bestellt. Während des Insolvenzeröffnungsverfahrens erbat der Beklagte in einem Fragebogen zur Vervollständigung bzw. Überprüfung der ihm vorliegenden Daten unter anderem Angaben zum Vorliegen einer Schwerbehinderung bzw. Gleichstellung mit einem Schwerbehinderten. Der Kläger verneinte seine Schwerbehinderung. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens kündigte der Beklagte als Insolvenzverwalter dem Kläger zum 30.06.09.

Der Kläger, der erst in der Klageschrift seine Schwerbehinderung mitgeteilt hat, hält die Kündigung für unwirksam, weil das Integrati­onsamt ihr nicht zugestimmt habe.

Das Arbeitsgericht ist dem gefolgt und hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat dagegen angenommen, der Kläger könne sich auf den Kündigungsschutz für Schwerbehinderte nicht berufen, weil er die Frage nach der Schwerbehinderung wahrheitswidrig verneint habe.

Die Revision des Klägers hatte keinen Erfolg.

Im bestehenden Arbeitsverhältnis ist jedenfalls nach sechs Monaten, also nach dem Erwerb des Sonderkündigungsschutzes für behinderte Menschen, die Frage des Arbeitgebers nach der Schwerbehinderung zulässig. Das gilt insbesondere zur Vorbereitung von beabsichtigten Kündigungen (BAG, Urteil vom 16. Februar 2012 – 6 AZR 553/10).

Das BAG führt dazu aus, dass die Frage nach der Schwerbehinderung im Vorfeld einer vom Arbeitgeber beabsichtigten Kündigung im Zusammenhang steht mit der Pflichtenbindung des Arbeitgebers durch die Anforderungen des § 1 Abs. 3 KSchG, der die Berücksichtigung der Schwerbehinderung bei der Sozialauswahl verlangt, sowie durch den Sonderkündigungsschutz nach § 85 SGB IX, wonach eine Kündigung der vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes bedarf. Sie soll es dem Arbeitgeber ermöglichen, sich rechtstreu zu verhalten. Die Frage diskriminiert behinderte Arbeitnehmer nicht gegenüber solchen ohne Behinderung. Auch datenschutzrechtliche Belange stehen der Zulässigkeit der Frage nicht entgegen. Infolge der wahrheitswidrigen Beantwortung der ihm rechtmäßig gestellten Frage nach seiner Schwerbehinderung ist es dem Kläger unter dem Gesichtspunkt widersprüchlichen Verhaltens verwehrt, sich im Kündigungsschutzprozess auf seine Schwerbehinderteneigenschaft zu berufen.

Volltext des Urteils des Bundesarbeitsgerichts: BAG, Urteil vom 16. Februar 2012 – 6 AZR 553/10

Share

Ãœber den Autor

RA Moegelin administrator

Blogverzeichnis TopBlogs.de das Original - Blogverzeichnis | Blog Top Liste Blogverzeichnis Bloggerei.de