Endabrechnung des Architekten nach vorzeitiger Kündigung

VonRA Moegelin

Endabrechnung des Architekten nach vorzeitiger Kündigung

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1. Solange der Auftragnehmer im Prozess über die Rückzahlung von Abschlags- bzw. Vorauszahlungen von Architektenhonorar keine endgültige Abrechnung vorlegt, kann es auf die Frage, ob eine Kündigung aus wichtigem Grund oder lediglich eine sog. freie Kündigung vorliegt, nicht entscheidungserheblich ankommen. Denn der Auftragnehmer hat nicht nur im Falle einer Kündigung aus wichtigem Grund durch Legung einer Endabrechnung darzulegen (und ggf. zu beweisen), dass er die vereinnahmten Vorauszahlungen endgültig behalten darf. Vielmehr gilt dies grundsätzlich ebenso im Falle einer freien Kündigung.
2. Auch im letzteren Falle hat der Auftragnehmer seine gesamten Leistungen, also die erbrachten wie die nicht erbrachten insgesamt abzurechnen und in diese Abrechnung die geleisteten Abschlagszahlungen einzustellen. Zudem hat er zu beziffern, was er sich an ersparten Aufwendungen bzw. als Erwerb durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft anzurechnen lassen hat.
3. Auch im Falle des Streits zwischen den Vertragsparteien über das Vorliegen einer außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund oder einer freien Kündigung muss der Auftragnehmer von seinem Standpunkt aus eine entsprechende Abrechnung zunächst vornehmen.
4. Solange er dies nicht tut, kann der Auftraggeber bei schlüssiger eigener Berechnung einen etwaigen Überschuss zurückverlangen, ohne dass es auf einer Klärung der Kündigungsfrage ankommt.

Volltext des Urteils des OLG Celle vom 06.10.2021 – 14 U 153/20:

Tenor

1. Auf die Berufung der Kläger wird das am 26.08.2020 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 14. Zivilkammer des Landgerichts Hannover – Az. 14 O 139/18 – unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und neu gefasst wie folgt:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Kläger als Gesamtgläubiger 8.559,41 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15.04.2021 zu zahlen.

Im Ãœbrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen tragen die Kläger zu 5 % und der Beklagte zu 95 %.

3. Das angefochtene Urteil des Landgerichts Hannover und dieses Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

5. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 10.240,00 € (Klage i. H. v. 9.000,00 € + Hilfsaufrechnung i. H. v. 1.240,00 €) festgesetzt.

Gründe

1

(abgekürzt gem. §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO)

I.

2

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Kläger hat in der Sache in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet.

3

1. Den Klägern steht als Gesamtgläubiger ein Anspruch auf Rückzahlung von überzahlten Abschlags- bzw. Vorauszahlungen aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Architektenvertrag in Höhe von 8.559,41 € zu.

4

Zwischen den Parteien ist ein Architektenvertrag mit wirksamer Vereinbarung eines Pauschalpreises von 11.000,00 € für die Leistungsphasen 5 – 8, die vorliegend allein im Streit stehen, zustande gekommen. Wie das Landgericht unter Ziffer 1. seines Hinweisbeschlusses vom 26.09.2019 (Bl. 127 d. A.) zutreffend ausgeführt hat, ist die Vereinbarung des Pauschalpreises wirksam, unabhängig davon, ob die sich aus § 7 HOAI 2013 ergebenden Parameter mit Rücksicht auf die Entscheidung des EuGH vom 04.07.2019 (C-377/17, juris) herangezogen werden könnten (vgl. dazu ausführlich: Senat, Beschl. v. 09.12.2020 – 14 U 92/20 – juris).

5

Die Kläger haben auf das vereinbarte Pauschalhonorar nach übereinstimmendem Vortrag der Parteien Abschlags- bzw. Vorauszahlungen in Höhe von insgesamt 9.760,00 € geleistet. Von diesen Abschlags- bzw. Vorauszahlungen steht ihnen ein Rückzahlungsanspruch in Höhe von 8.559,41 € zu, nachdem das Vertragsverhältnis durch die Kündigung der Kläger mit Schreiben vom 21.08.2017 (Anlage B 1 – Anlagenband Beklagte) vorzeitig beendet worden ist und sie diesen Anspruch nach erfolgtem Hinweis des Senats mit Hinweisbeschluss vom 03.03.2021 (Bl. 237 ff. d. A.) schlüssig dargelegt haben, jedoch der Beklagte diesem Vorbringen im Anschluss nicht erheblich entgegengetreten ist. Im Einzelnen:

6

Ein Anspruch auf Rückerstattung überzahlter Abschläge ergibt sich aus dem Vertrag selbst, wenn die Parteien eines Bau- bzw. Architektenvertrages – wie hier – Voraus- oder Abschlagszahlungen vereinbart haben und sich ein Überschuss nach endgültiger Abrechnung ergibt.Vereinbaren die Vertragsparteien Voraus- oder Abschlagszahlungen, dann hat der Besteller ein berechtigtes Interesse daran, dass der Unternehmer die ihm nach einer Kündigung des Vertrages oder nach Abnahme zustehende endgültige Vergütung unter Berücksichtigung geleisteter Voraus- oder Abschlagszahlungen in einer endgültigen Rechnung abrechnet. Die Verpflichtung des Unternehmers, dem Besteller die genannte Rechnung zu erteilen, folgt aus dem vorläufigen Charakter der Voraus- oder Abschlagszahlungen (vgl. BGH, Urt. v. 08.01.2015 – VII ZR 6/14 – juris Rn. 13 f m. w. N.). Daher ist der Auftragnehmer nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichthofes verpflichtet, seine Leistungen nach Abnahme oder Beendigung des Vertrages abzurechnen und einen etwaigen Überschuss auszuzahlen (vgl. BGH, Urt. v. 11.02.1999 – VII ZR 399/97 – juris Rn 24; Urt. v. 22.11.2007 – VII ZR 130/06, juris Rn 16). Wie das Landgericht im Grundsatz zurecht angenommen hat (vgl. Hinweisbeschluss v. 11.06.2019, Bl. 107 d. A.), trägt der Auftragnehmer die Beweislast für seinen Vergütungsanspruch, was auch dann gilt, wenn der Auftraggeber den Auftragnehmer in einem Prozess auf Zahlung eines Überschusses in Anspruch nimmt, da für eine Beweislastumkehr kein Grund besteht (vgl. BGH, Urt. v. 11.02.1999 – VII ZR 399/97 – juris Rn 31). Die Vorschriften des Bereicherungsrechts und die dort geltenden Darlegungs- und Beweislastgrundsätze finden auf einen Anspruch auf Rückzahlung überzahlter Honorarvorauszahlungen nach vorzeitiger Beendigung keine Anwendung (vgl. BGH, Urt. v. 08.01.2015 – VII ZR 6/14 – juris Rn 13/16 m. w. N.; Urt. v. 22.11.2007 – VII ZR130/06 – juris Rn 16). Die vorgenannten Grundsätze gelten sowohl für Bau- als auch entsprechend für Architektenverträge (vgl. BGH, a.a.O., Rn 17).

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Legt der Auftragnehmer – wie hier – in angemessener Frist keine Schlussrechnung vor, kann der Auftraggeber die Klage auf Zahlung eines Überschusses mit einer eigenen Berechnung begründen (vgl. BGH, Urt. v. 11.02.1999 – VII ZR 399/97 – juris Rn 28). Ausreichend ist eine Abrechnung, aus der sich ergibt, in welcher Höhe der Auftraggeber Voraus- und Abschlagszahlungen geleistet hat und dass diesen Zahlungen eine entsprechende endgültige Vergütung des Auftragnehmers nicht gegenübersteht. Soweit dem Auftraggeber eine nähere Darlegung dazu nicht möglich ist, kann er sich auf den Vortrag beschränken, der bei zumutbarer Ausschöpfung der ihm zur Verfügung stehenden Quellen seinem Kenntnisstand entspricht, und ist namentlich nicht verpflichtet, selbst eine prüffähige Abrechnung zu erstellen (vgl. BGH, a. a. O.; Urt. v. 22.11.2007 – VII ZR130/06 – juris Rn 19). Hat der Auftraggeber nach diesen Grundsätzen ausreichend vorgetragen, muss der Auftragnehmer darlegen und beweisen, dass er berechtigt ist, die Voraus- und Abschlagszahlungen endgültig zu behalten (vgl. BGH, Urt. v. 08.01.2015 – VII ZR 6/14 – juris Rn 15 m. w. N; Senat, Urt. v. 10.03.2010 – 14 U 128/09 – juris Rn 48 m. w. N.). Dies gilt auch, wenn – wie hier – ein Pauschalpreisvertrag gekündigt wird und zwischen den Parteien streitig ist, ob der Auftraggeber berechtigt war, den Architektenvertrag aus wichtigem Grund außerordentlich zu kündigen. Auch dann hat der Unternehmer zur Darlegung seiner Vergütung grundsätzlich die erbrachten und die nicht erbrachten Leistungen voneinander abzugrenzen (vgl. Senat, Urt. v. 08.01.2020 – 14 U 96/19 – juris Rn 68 f.).

In Bezug auf die nicht erbrachten Leistungen ermittelt sich der Vergütungsanspruch als Differenz zwischen der für die nicht ausgeführten Leistungen vereinbarten Vergütung einerseits und ersparten Aufwendungen und anderweitigem Erwerb andererseits (vgl. BGH, Urt. v. 06.03.2014 – VII ZR 349/12 – juris Rn 33). Die Abgrenzung zwischen erbrachten und nicht erbrachten Leistungen und deren Bewertung muss den Auftraggeber in die Lage versetzen, sich sachgerecht zu verteidigen (vgl. BGH, Urt. v. 16.10.2014 – VII ZR 176/12 – juris Rn 10; Urt. v. 06.03.2014 – VII ZR 349/12 – juris Rn 21; Urt. v. 25.07.2002 – VII ZR 263/01 – juris Rn 9; Urt. v. 04.05.2000 – VII ZR 53/99 – juris Rn 47).

9

Der Beklagte ist der Verpflichtung zur Vorlage einer abschließenden Abrechnung nicht nachgekommen, obwohl diese von den Klägern mit dem o. g. Kündigungsschreiben angefordert worden war. Nachdem die Kläger ihrerseits nach Hinweis durch den Senat nun mit Schriftsatz vom 08.04.2021 (Bl. 268 ff. d. A.) nach dem obigen Maßstab substantiiert aus Sicht ihres Standpunktes eine eigene Abrechnung vorgelegt haben, aus der sich ein Überschuss von Abschlagszahlungen zu ihren Gunsten i. H. v. 8.559,41 € ergibt, wäre der Beklagte – wenn er der Abrechnung der Kläger denn entgegentreten wollte – nun spätestens seinerseits gehalten gewesen, nach den obigen Maßstäben eine eigene Endabrechnung nachvollziehbar darzulegen (und deren inhaltliche Richtigkeit ggf. zu beweisen), aufgrund derer er berechtigt wäre, die von ihm vereinnahmten Vorschüsse endgültig behalten zu dürfen. Wegen der Einzelheiten der klägerischen Abrechnung wird auf den Schriftsatz vom 08.04.2021 (Bl. 268-271 d. A.) verwiesen.

10

Dieser in der Berufungsinstanz neue Vortrag der Kläger war nach § 531 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO zuzulassen. Hiernach sind neue Angriffs- und Verteidigungsmittel nur zuzulassen, wenn sie einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht des ersten Rechtszuges erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden ist. Das ist etwa dann der Fall, wenn das Erstgericht einen materiell-rechtlich unzutreffenden Lösungsweg beschritten hat, für jenen die neuen Angriffs-/ Verteidigungsmittel keine Rolle gespielt haben, es aber bei richtigem Lösungsweg einen Hinweis hätte geben müssen und darauf der fehlende erstinstanzliche Vortag beruht (vgl. Zöller-Heßler, ZPO, 33 Aufl. 2020, § 531 Rn 27 m. w. N.). So stellt es sich hier dar. Das Landgericht hat die Klage zu Unrecht mit der Begründung abgewiesen, der Vergütungsanspruch des Beklagten bleibe nach § 648 BGB (richtigerweise § 649 BGB a. F., da es sich um einen vor dem 01.01.2018 geschlossenen Vertrag handelt, Art. 229 § 39 EGBGB) bestehen, weil die von den Klägern erklärte Vertragskündigung als freie Kündigung zu bewerten sei. Solange indes der Auftragnehmer keine endgültige Abrechnung vorlegt, kann es auf die Frage, ob eine Kündigung aus wichtigem Grund, wie die Kläger meinen, oder lediglich eine sog. freie Kündigung vorliegt, nicht entscheidungserheblich ankommen. Denn der Auftragnehmer hat nicht nur im Falle einer Kündigung aus wichtigem Grund durch Legung einer Endabrechnung darzulegen (und ggf. zu beweisen), dass er die vereinnahmten Vorauszahlungen endgültig behalten darf. Vielmehr gilt dies grundsätzlich ebenso im Falle einer freien Kündigung (vgl. BGH, Urt. v. 06.03.2014 – VII ZR 349/12 – juris Rn 20 ff. u. 33; Urt. v. 08.02.1996 – VII ZR 219/94 – juris Rn 17 ff., jeweils m. w. N.). Auch im Falle der freien Kündigung hat der Auftragnehmer seine gesamten Leistungen, also die erbrachten wie die nicht erbrachten, insgesamt abzurechnen und in diese Abrechnung die geleisteten Abschlagszahlungen einzustellen. Zudem hat er zu beziffern, was er sich an ersparten Aufwendungen bzw. als Erwerb durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft anzurechnen lassen hat (vgl. BGH, jeweils a. a. O.). D. h., auch im Falle des Streits zwischen den Vertragsparteien über das Vorliegen einer außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund oder einer freien Kündigung muss der Auftragnehmer von seinem Standpunkt aus eine entsprechende Abrechnung erst einmal vornehmen. Solange er dies – wie hier – nicht tut, kann der Auftraggeber bei schlüssiger eigener Berechnung einen etwaigen Überschuss zurückverlangen, ohne dass es auf die Frage der Art der Kündigung ankommt. Lediglich ausnahmsweise bei einer geringfügigen Teilleistung muss der Auftragnehmer keine Differenzierung zwischen erbrachten und nicht erbrachten Leistungen vornehmen, was ihn indes nicht von einer Abrechnung insgesamt befreit. Dann kann er abrechnen, als hätte er bis zur Kündigung insgesamt keine Leistungen erbracht (BGH, Urt. v. 25.11.2004 – VII ZR 394/02 – juris Rn 18). Ein solcher Ausnahmefall liegt hier indes nicht vor.

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Hätte das Erstgericht diese Rechtslage beachtet, hätte es, wie der Senat nun in zweiter Instanz nachgeholt hat, die Kläger wie auch den Beklagten auf das Erfordernis einer jeweils eigenen Rechnung nach Maßgabe der obigen Ausführungen nach § 139 Abs. 1 ZPO hinweisen müssen. Bei Beachtung dieser Hinweispflicht wären die Kläger dem Erfordernis einer solchen eigenen Abrechnung nachgekommen, wie sie nun infolge des Senatshinweises gezeigt haben. Lediglich der Beklagte hat weiterhin keine Abrechnung vorgenommen, obgleich der Senat auch ihn auf dieses Erfordernis mit Hinweisbeschluss vom 03.03.2021 (dort insbes. ab Seite 2, letzter Absatz) hingewiesen hat. In der mündlichen Verhandlung des Senats vom 16.03.2021 (vgl. Protokoll – Bl. 259 ff. d. A.) ist der Sach- und Streitstand unter Bezugnahme auf diesen Hinweisbeschluss erörtert worden. Den Klägern ist daraufhin eine Erklärungsfrist eingeräumt worden, während der Beklagte sodann auf die klägerseits erfolgte Abrechnung eine gesonderte Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt bekommen hat, ohne entsprechend den Hinweisen des Senats seinerseits nun die erforderliche Abrechnung vorgenommen zu haben. Er hat sich lediglich auf seine rechtsfehlerhafte Auffassung zurückgezogen, seinerseits sei weiterhin keine Abrechnung notwendig, weil lediglich eine freie Kündigung der Kläger vorläge. Dies ist jedoch, wie aufgezeigt, unzutreffend. Es kommt mangels Abrechnung des Beklagten nicht darauf an, ob eine Kündigung aus wichtigem Grund oder lediglich eine freie Kündigung vorliegt.

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Nach der nun schlüssigen Abrechnung der Kläger hat sich unwidersprochen ein zurückzuzahlender Überschuss in Höhe von 8.559,41 € ergeben. Soweit die Kläger indes die Rückzahlung in Höhe von 9.000,00 € begehren, ist ein über 8.559,41 € hinausgehender Betrag weiterhin nicht schlüssig dargelegt, sodass sich die Klageabweisung durch das Landgericht in Höhe der Differenz von 440,59 € im Ergebnis als zutreffend erweist und die Berufung insoweit der Zurückweisung unterliegt. Soweit die Kläger einen Hilfsantrag in der nun zugesprochenen Höhe gestellt haben, kann diesem nur deklaratorische Wirkung beigemessen werden, weil ohnehin als rechtliches Minus zum Hauptantrag über 9.000,00 € ebenso zu befinden war, wie geschehen.

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2. Dieser Anspruch ist nicht durch die beklagtenseits bereits in erster Instanz mit Schriftsatz vom 23.10.2019 (Bl. 131 f. d. A.) erklärte und in zweiter Instanz mit Erklärung zu Protokoll vom 14.09.2021 (Bl. 312 f. d. A.) ausdrücklich aufrechterhaltene Hilfsaufrechnung über 1.240,00 €, über welche die Einzelrichterin nach ihrem Lösungsweg nicht zu befinden hatte, teilweise erloschen.

14

Dem Beklagten steht der zur Hilfsausrechnung gestellte Anspruch auf restliches Architektenhonorar i. H. v. 1.240,00 € aufgrund des o. g. zwischen den Parteien geschlossenen Architektenvertrages nicht aus § 631 Abs. 1 BGB i. V. m. § 649 BGB a. F. zu. Nach den vorstehenden Ausführungen ist der Beklagte mangels Vornahme einer eigenen Schlussabrechnung, zu der er vertraglich verpflichtet war, nicht berechtigt, die vereinnahmten Vorauszahlungen der Kläger im vollen Umfang endgültig zu behalten; vielmehr hat er sie überwiegend zurückzuzahlen. Dem folgend hat er erst Recht keinen weitergehenden Werklohnanspruch auf die Differenz zwischen den geleisteten Vorauszahlungen i. H. v. 9.760,00 € und dem ursprünglich vereinbarten Pauschalhonorar i. H. v. 11.000,00 €. Denn auch insoweit fehlt es an der notwendigen Schlussabrechnung des Beklagten.

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3. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 291, 288 Abs. 1 S. 2 BGB. Die Kläger haben ihren Anspruch erstmals mit ihrer Abrechnung im Schriftsatz vom 08.04.2021 schlüssig dargelegt. Erst mit Zugang dieser Abrechnung bei dem Beklagten bzw. seinem Prozessbevollmächtigten am 14.04.2021 ist der Rückforderungsanspruch fällig geworden, da diese Abrechnung Voraussetzung für die materiell-rechtliche Berechtigung der begehrten Rückforderung ist, sodass Verzugszinsen entsprechend § 187 Abs. 1 BGB ab dem darauffolgenden Tag geschuldet sind (vgl. dazu BGH, Urt. v. 10.10.2017 – XI ZR 549/16 – juris Rn 17). Ein weitergehender Zinsanspruch besteht nicht.

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4. Ein Anspruch auf Erstattung der den Klägern entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten gegen den Beklagten steht ihnen unter keinem erdenklichen Gesichtspunkt zu. Dieser ergibt sich nicht unter Verzugsgesichtspunkten, denn zum Zeitpunkt der vorgerichtlichen Tätigkeit des klägerischen Prozessbevollmächtigten bestand kein Verzug. Auch eine sonstige Anspruchsgrundlage ist mangels insoweit schlüssigen Vortages nicht ersichtlich. Hierauf mussten die Kläger nicht hingewiesen werden, da dieser Punkt lediglich eine Nebenforderung betrifft, § 139 Abs. 2 S. 1 ZPO.

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Der Senat hatte auch über die beanspruchten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu befinden, obgleich diese nicht gem. § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 ZPO im ursprünglichen Berufungsantrag in der Berufungsbegründung vom 20.11.2020 enthalten waren, sondern erst mit nicht mehr innerhalb der Berufungsbegründungsfrist eingegangenem und in der mündlichen Berufungsverhandlung sodann gestelltem erweiterten (Hilfs-)Antrag vom 15.03.2021 (Bl. 253 d. A.).Der Berufungskläger kann sein Rechtsmittel auch nach Ablauf der Begründungsfrist bis zum Schluss der Berufungsverhandlung erweitern, soweit die fristgerecht vorgetragenen Berufungsgründe die Antragserweiterung decken (vgl. z. B. BGH, Urt. v. 28.09.2000 – IX ZR 6/99 – juris Rn 11; Musielak/Voit-Ball, ZPO-Kommentar, § 520 Rn 25, jeweils m. w. N.). Dies ist hier der Fall, denn die Kläger haben mit ihrer fristgerecht eingegangenen Berufungsbegründung vorgebracht, dass sie ihren erstinstanzlichen Klageantrag, in dem die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten enthalten waren, weiterverfolgen und das Urteil des Landgerichts in vollem Umfang zur Überprüfung durch das Berufungsgericht gestellt werde.

18

5. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 92 Abs. 1 S. 1 ZPO. Den Klägern waren die Kosten ihres Rechtsmittels nicht insgesamt nach § 97 Abs. 2 ZPO aufzuerlegen, obgleich der überwiegende Erfolg der Berufung auf ihrem in zweiter Instanz erstmaligen neuen Vortrag zur eigenen Abrechnung beruht. Liegt es nahe, dass ein Kläger zu einem für die Schlüssigkeit seiner Anspruchsbegründung bedeutsamen Punkt nur deshalb erst im Berufungsrechtszug vorgetragen hat, weil das Erstgericht seinen Hinweispflichten aus § 139 ZPO nicht nachgekommen ist, besteht kein Anlass für eine Auferlegung von Kosten gemäß § 97 Abs. 2 ZPO (vgl. OLG Nürnberg, Urt. v. 13.10.2014 – 14 U 1533/14 – juris Rn 28). Dies gilt nach Auffassung des Senats auch, wenn – wie hier – aus Sicht des Erstgerichts aufgrund eines materiell-rechtlich fehlerhaften Lösungsweges kein Hinweis geboten war, solange jedenfalls nicht festzustellen ist, dass der rechtsfehlerhaft eingeschrittene Lösungsweg des Erstgerichts nicht auf einer Nachlässigkeit des Klägers beruht.

19

6. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713, 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

20

7. Die Revision war nicht zuzulassen, weil keine Gründe i. S. v. § 543 Abs. 2 ZPO vorliegen. Dies gilt auch mit Blick auf die Frage der unionsrechtskonformen Auslegung der Vorschriften der HOAI, die Mindest- und Höchstsätze regeln, unter Berücksichtigung der Entscheidung des EuGH vom 04.07.2019 (C-377/17, juris). Die vorliegende Entscheidung stellt nicht auf die diesbezügliche Senatsauffassung ab, nach der eine Pauschalpreisvereinbarung unterhalb der Mindestsätze der HOAI 2013 zulässig ist (vgl. dazu u. a. Senat, Beschl. v. 09.12.2020 – 14 U 92/20 – juris). Die Entscheidungen sowohl zum Rückforderungsanspruch als auch zur Hilfsaufrechnung beruhen vorliegend auf einer mangelnden Schlussabrechnung des Beklagten bei vorzeitiger Beendigung des Vertrages, ohne dass sich der Senat insoweit in Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs setzt. Auf die oben aufgeführte Rechtsprechung wird Bezug genommen. Wenn man im hiesigen Fall den Standpunkt verträte, die Pauschalpreisabrede wäre wegen Unterschreitung der HOAI-Mindestpreissätze unwirksam, würde sich am Ergebnis nichts ändern. Auch dann hätte der Beklagte die vereinnahmten Vorschüsse der Kläger in der oben genannten Höhe nicht endgültig behalten dürfen, solange er keine Endabrechnung vorlegt, mag diese dann auch nicht auf Basis der Pauschalpreisabrede, sondern nach den diesbezüglichen HOAI-Preisregelungen zu erfolgen haben. Vorliegend hat sich der Beklagte nicht einmal auf eine Unwirksamkeit der Pauschalpreisabrede berufen. Vielmehr hat er die von ihm erklärte Hilfsaufrechnung selbst unter Berufung auf diese getroffene Preisabrede vorgenommen. Das ist zulässig und führt nicht dazu, dass seitens des Senats auf eine Abrechnung nach Mindestsätzen abzustellen wäre, wie der Bundesgerichtshof entschieden hat (BGH, Urt. v. 13.01.2005 – VII ZR 353/03, juris): Fordert der Architekt nach Kündigung eines Vertrages Honorar für die erbrachte Leistung, hat er in der Schlussrechnung die erbrachten (Teil-)Leistungen darzulegen und das sich auf der Grundlage der Honorarvereinbarung ermittelte anteilige Honorar. Der Architekt ist auch dann nicht gehindert, den sich auf der Grundlage der Honorarvereinbarung ermittelten Anteil eines Pauschalhonorars zu fordern, wenn die Honorarvereinbarung wegen unzulässiger Unterschreitung des Mindestsatzes unwirksam ist. Die Prüffähigkeit einer Schlussrechnung darf dann nicht mit der Begründung verneint werden, der Architekt habe keine an der HOAI orientierte Abrechnung nach Mindestsätzen vorgenommen (vgl. BGH aaO, insb. Rn. 10 ff.). Für den Auftraggeber gilt umgekehrt nichts anderes. Nur wenn der Beklagte eine eigene Schlussabrechnung nach Maßgabe der HOAI-Preisregelungen abweichend von der Pauschalpreisabrede vorgelegt hätte, hätte die vorgenannte Auffassung des Senats zur unionsrechtskonformen Auslegung der Vorschriften der HOAI zu den Mindest- und Höchstsätzen entscheidungserheblich zum Tragen kommen können.

II.

21

Die Festsetzung des Streitwertes für das Berufungsverfahren folgt aus §§ 3, 4 ZPO, 45 Abs. 3, 47 Abs. 1 GKG.

Verfahrensgang: vorgehend LG Hannover, 26. August 2020, Az: 14 O 139/18, Urteil

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