Diskriminierung durch Forderung nach Gleichwertigkeitsgutachten

VonRA Moegelin

Diskriminierung durch Forderung nach Gleichwertigkeitsgutachten

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Ein Gleichwertigkeitsgutachten das für einen Hochschulabschluss aus Rumänien erbracht werden muss, stellt eine mittelbare Diskriminierung dar. Daraus folgt, dass dem Stellenbewerber eine Entschädigung gemäß §§ 15 Abs. 2, 3 Abs. 2 AGG zu zahlen ist.

Volltext des Urteils des LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 22.01.2020 – 5 Sa 1163/19

Leitsatz

  1. Vorliegend wirkt sich die Regel, dass unaufgefordert ein Gleichwertigkeitsgutachten für einen Hochschulabschluss auch aus dem Land Rumänien erbracht werden muss, im Wesentlichen gegenüber Personen aus, die rumänischer Herkunft sind. Erfahrungsgemäß sind es diese Personen, die rumänische Hochschulabschlüsse erwerben. Insofern ist von einer mittelbaren Diskriminierung auszugehen.
  2. Der EuGH leitet aus der Grundfreiheit der Freizügigkeit von Arbeitnehmern nach Art. 45 AEUV ab, dass eine einstellende Behörde selbst eine Prüfung der Gleichwertigkeit bei Hochschulabschlüssen innerhalb der EU vorzunehmen hat (EuGH 06.10.2015 – C-298/14 – Rn. 54,57).

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Potsdam vom 05. März 2019, Aktenzeichen – 7 Ca 1043/18 – teilweise abgeändert:

I. Das beklagte Land wird verurteilt, an die Klägerin eine Entschädigung gemäß § 15 Abs. 2 AGG in Höhe von 4.075,76 Euro zu zahlen.

II. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

III. Von den Kosten des Rechtstreits haben die Klägerin 74 % und das beklagte Land 26 % zu tragen.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1 Die Parteien streiten darüber, ob das beklagte Land verpflichtet ist, der Klägerin eine Entschädigung wegen Diskriminierung in Höhe von 3 Bruttomonatsentgelten auf der Basis einer Vergütung nach der Entgeltgruppe 13 TV-L, Stufe 5 (insgesamt 15.898,47 €) zu zahlen.

2 Die 1974 in Rumänien geborene und dort aufgewachsene Klägerin hat zwischen Oktober 1995 und Juni 2000 an der Universität Cluj-Napoca (Klausenburg) studiert. Sie hat das Studium mit einem Diplom in Nutztierwissenschaften abgeschlossen. Nach einer weiteren Studienphase von Oktober 2000 bis Februar 2002 an der gleichen Universität erwarb die Klägerin ein Masterdiplom (Anlagen K1). Nach einer Übersiedlung nach Deutschland studierte die Klägerin zwischen Juli 2002 bis März 2004 an der Fachhochschule Weihenstephan (Abschluss: Master of Business in Agriculture). Der entsprechende Studiengang wurde erstmalig zum 28.06.2004 akkreditiert (Anl. B1, Bl. 213 d.A.). Von April 2004 bis Juli 2010 promovierte die Klägerin erfolgreich im Bereich Agrarwissenschaften der Humboldt-Universität zu Berlin. Seit Herbst 2007 ist die Klägerin auch deutsche Staatsbürgerin. Von November 2016 bis Dezember 2017 war die Klägerin als Projektmanagerin für die Erarbeitung eines Tierschutzplanes für das Land Brandenburg beim L.-Institut für Agrartechnik und Bioökonomie e.V. tätig. Seit März 2017 ist die Klägerin als wissenschaftliche Mitarbeiterin in einem Drittmittelprojekt im Fachgebiet Tierhaltungssysteme und Verfahrenstechnik der H.-Universität zu Berlin beschäftigt. Sie erhält eine Vergütung nach der Vergütungsgruppe E 13, Stufe 4 TV-L und seit Juli 2018 nunmehr der Stufe 5.

3 Anfang des Jahres 2018 schrieb das beklagte Land eine auf 2 Jahre befristete Stelle als Referentin/Referent zur Umsetzung des Tierschutzplanes aus (Anl. K4, Bl. 109f d.A.). Bei den Anforderungen war unter anderem angegeben: „Vorausgesetzt werden ein abgeschlossenes wissenschaftliches Hochschul- oder Masterstudium in einer einschlägigen Fachrichtung (z.B. Tierhaltung, Veterinärmedizin, Agrarwissenschaft).“ Die Vergütung sollte nach der Entgeltgruppe 13 TV-L erfolgen.

4 Am 07.03.2018 bewarb sich die Klägerin. Mit E-Mail vom 09.03.2018 erkundigte sich das beklagte Land bei der Klägerin, ob für den Fachhochschul-Masterstudiengang ein Akkreditierungsverfahren erfolgreich durchlaufen worden sei (Anl. K6, Bl. 133 d.A.). Mit E-Mail vom gleichen Tage (Anl. K7, Bl. 134 d.A.) antwortete die Klägerin, dass sie über 2 Hochschulabschlüsse aus Rumänien verfüge. Nach der Datenbank ANABIN seien diese Studienabschlüsse gleichwertig, wobei entsprechende Auszüge beigefügt worden waren. Diese Abschlüsse seien zu berücksichtigen. Sie verwies ferner darauf, dass sie den Studiengang an der Fachhochschule Weihenstephan nur lediglich zusätzlich und ergänzend absolviert habe.

5 Mit E-Mail vom 20.04.2018 teilte das beklagte Land der Klägerin mit, dass sie nicht ausgewählt worden sei. Unter dem 15.06.2018 hat die Klägerin Entschädigungsansprüche geltend gemacht (Anlage K 14, Bl. 146ff d.A.).

6 Mit der am 17.07.2018 beim Arbeitsgericht Berlin eingegangenen Klage verfolgt die Klägerin ihre Ansprüche weiter. Sie hat die Ansicht vertreten, sie sei wegen ihrer ethnischen Herkunft diskriminiert worden. Bzgl. des Abschlusses an der Fachhochschule Weihenstephan habe eine Akkreditierung zum Zeitpunkt der Bewerbung vorgelegen. Das Land habe in rechtswidriger Weise die rumänischen Abschlüsse ignoriert. Es habe keiner konstitutiven Feststellung der Gleichwertigkeit bedurft. Insofern hat die Klägerin auf eine Verlautbarung der Senatskanzlei von Berlin vom 31.08.2018 verwiesen, wonach für Behörden ein Auszug aus der Datei ANABIN bzgl. der Gleichwertigkeit ausreiche (Anlage K 16, Bl. 245f der Akte). Das Verfahren des beklagten Landes sei auch deswegen rechtswidrig, weil sie nie dazu aufgefordert worden sei, eine Gleichwertigkeitsbeurteilung beizubringen. Diese sei auch nicht notwendig gewesen. Der zuständige Referent des beklagten Landes habe im Gütetermin ausdrücklich erklärt, dass man sich mit den rumänischen Abschlüssen nicht befasst habe. Auch hätte das beklagte Land berücksichtigen müssen, dass nach der Promotionsordnung der Humboldt-Universität die Gleichwertigkeit des rumänischen Abschlusses durch den Präsidenten der Universität anerkannt worden sei.

7 Die Klägerin hat beantragt,

8 das beklagte Land zu verurteilen, an sie eine Entschädigung gemäß § 15 Abs. 2 AGG zu zahlen, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, einen Betrag i.H.v. 15.898,47 € allerdings nicht unterschreiten sollte, nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 07.07.2018.

9 Das beklagte Land hat beantragt,

10 die Klage abzuweisen.

11 Das beklagte Land hat die Ansicht vertreten, dass es eine Zeugnisbewertung nicht vornehmen könne. Bei ausländischen Abschlüssen müsse von den Bewerbern ein Nachweis über die Anerkennung als Gleichwertigkeit beigebracht werden. Die Klägerin sei nicht wegen ihrer Herkunft aus Rumänien nicht berücksichtigt worden, sondern wegen des fehlenden Nachweises über ein abgeschlossenes Hochschul- oder Masterstudium. Eine mittelbare Diskriminierung liege nicht vor, denn die entsprechenden Bescheinigungen werden von jedem Bewerber, auch einem deutschen, verlangt. Anders als das Bundesland Berlin verlange das hiesige Bundesland für sämtliche ausgeschriebenen Stellen des Ministeriums einen Nachweis der Gleichwertigkeit. Werde ein solcher Nachweis nicht beigefügt, werde der jeweilige Bewerber hierzu aufgefordert. Dies ergebe sich z.B. aus dem Ablauf eines Bewerbungsverfahrens mit Stand 07.09.2018 (Anl. B4, Bl. 119 der Akte).

12 Mit Urteil vom 05.03.2019 hat das Arbeitsgericht Potsdam die Klage abgewiesen. Es lägen keine hinreichenden Indiztatsachen für eine Diskriminierung vor. Insofern reiche es nicht aus, dass bei der Klägerin eines der verpönten Merkmale vorhanden sei. Die Nichtberücksichtigung habe nur daran gelegen, dass sie den notwendigen Akkreditierungsnachweis für den Studiengang an der Fachhochschule Weihenstephan nicht habe beibringen können. Auch sei von ihr kein Nachweis der Anerkennung der Gleichwertigkeit ihrer ausländischen Abschlüsse erfolgt.

13 Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin. Das Arbeitsgericht habe verkannt, dass der entsprechende rumänische Abschluss nicht als gleichwertig anerkannt werden müsse. Dafür gebe es keine Rechtsgrundlage. Das Arbeitsgericht habe auch übersehen, dass Herr M. als Vertreter des beklagten Landes beim Gütetermin bekundet habe, dass die rumänischen Abschlüsse für das Land nicht relevant gewesen seien. Beide Abschlüsse aus Rumänien entsprechen einem deutschen Hochschulabschluss auf Master-Ebene. Dies ergebe sich aus den inzwischen eingeholten zwei Bewertungen der Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen vom 01.08.2019 (Anlage K29, Bl. 663ff, Anlage K 30, Bl. 674ff d.A.). Auch der Abschluss an der Fachhochschule Weihenstephan hätte berücksichtigt werden müssen.

14 Die Klägerin beantragt,

15 das Urteil des Arbeitsgerichts Potsdam (7 Ca 1043/18) verkündet am 05.03.2019, zugestellt am 15.05.2019, abzuändern und das beklagte Land zu verurteilen, an sie eine Entschädigung gemäß § 15 Abs. 2 AGG zu zahlen, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, einem Betrag i.H.v. 15.898,47 € allerdings nicht unterschreiten sollte, nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 07.07.2018.

16 Das beklagte Land hat beantragt,

17 die Berufung zurückzuweisen.

18 Das beklagte Land ist weiterhin der Ansicht, dass kein Indiz für eine Diskriminierung der Klägerin wegen ihrer rumänischen Herkunft vorliege. Ihre rumänischen Studienabschlüsse seien nicht ignoriert worden. Wenn im Anforderungsprofil konstitutiv ein „abgeschlossenes Hochschulstudium“ verlangt werde, können ausländische Studienabschlüsse nur dann berücksichtigt werden, wenn diese nachweislich gleichwertig sind. Hierfür reiche ein Ausdruck aus der Datenbank ANABIN nicht aus. Erforderlich seine Zeugnisbewertung oder eine andere Gleichwertigkeitsbeurteilung von geeigneter Stelle. Nur weil die Gleichwertigkeit der rumänischen Studienabschlüsse nicht überprüft werden konnte, fanden diese in der E-Mail-Korrespondenz nicht weiter Erwähnung. Im Hinblick auf den gerichtlichen Hinweis vom 20.10.2019 (Bl. 718f d.A.) sei zu erwähnen, dass auch immer mehr Deutsche einen Abschluss im Ausland erlangten. Umgekehrt verfügten zunehmend nicht-deutsche Bewerber über deutsche Studienabschlüsse. Das hiesige Vorgehen sei sachlich gerechtfertigt, angemessen und erforderlich im Sinne der Rechtsprechung gewesen. Man sei zur Bewertung der ausländischen Studienabschlüsse auch nicht in der Lage. Genau aus diesem Grunde gebe es die bei der Kultusministerkonferenz eingerichtete Zentralstelle. Europarechtliche Bedenken bestünden nicht. Es wäre unpraktisch, unwirtschaftlich und kaum durchführbar, wenn jede Behörde selbst die Gleichwertigkeit von Abschlüssen prüfen müsste.

Entscheidungsgründe

A.

19 Die Berufung der Klägerin ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie setzt sich auch in genügender Weise mit den Erwägungen des angefochtenen Urteils auseinander. Sie ist daher zulässig.

B.

20 Im Ergebnis hat die Berufung jedoch nur zu einem geringeren Anteil Erfolg. Die Klägerin hat einen Anspruch darauf, dass an sie eine Entschädigung in Höhe von 4075,76 € (ein Gehalt der Entgeltgruppe E 13 TV-L, Stufe 2) wegen mittelbarer Diskriminierung (§§ 15 Abs. 2, 3 Abs. 2 AGG) zu zahlen ist. In diesem Umfang war das arbeitsgerichtliche Urteil abzuändern. Die weitergehende Berufung (3 Gehälter auf Basis der Stufe 5) hat jedoch keinen Erfolg, so dass sie insofern zurückzuweisen war.

I.

21 Der persönliche Anwendungsbereich i.S.d. § 6 AGG ist eröffnet. Die Klägerin ist als Bewerberin für ein Beschäftigungsverhältnis Beschäftigte. Das beklagte Land ist insofern Arbeitgeberin.

22

Der Anspruch der Klägerin scheitert nicht an formalen Voraussetzungen (§ 15 Abs. 4 AGG, § 61b Abs. 1 ArbGG), was zwischen den Parteien auch nicht streitig ist. Nachdem die Klägerin am 20.04.2018 erstmals eine Absage zu Ihrer Bewerbung erhalten hat, hat sie mit Telefaxschreiben vom 15.06.2018 Entschädigungsansprüche geltend gemacht. Die Klage ging dann am 17.07.2018 beim Arbeitsgericht ein.

II.

23 Ein Anspruch auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG kann nur mit Erfolg durchgesetzt werden, wenn ein Verstoß gegen das in § 7 Abs. 1 AGG geregelte Benachteiligungsverbot vorliegt. Insofern sind sowohl unmittelbare als auch mittelbare Benachteiligungen im Sinne des § 3 AGG verboten. Das Benachteiligungsverbot gemäß § 7 Abs. 1 AGG untersagt eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes, unter anderem auch wegen der ethnischen Herkunft.

24 1. Die Klägerin hat keine unmittelbare Benachteiligung wegen ihrer ethnischen Herkunft aus Rumänien erfahren.

25 Eine unmittelbare Benachteiligung scheidet schon deswegen aus, weil die vom beklagten Land geforderte Beibringung eines Gleichwertigkeitszeugnisses für den rumänischen Hochschulabschluss nicht direkt an der ethnischen Herkunft der Klägerin anknüpft. Das Gleiche gilt für den Nachweis der Akkreditierung des Fachhochschulabschlusses.

26 2. Auch unter Berücksichtigung des Vorbringens des beklagten Landes im Berufungsverfahren liegen jedoch Indizien im Sinn des § 22 AGG vor, die für sich allein betrachtet oder in der Gesamtschau aller Umstände mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass zwischen der benachteiligenden Behandlung des unaufgeforderten beibringen eines Gleichwertigkeitszeugnisses und einem Grund im Sinne des § 1 AGG (hier die ethnische Herkunft) der nach § 7 Abs. 1 AGG erforderliche Kausalzusammenhang bestand.

27 2.1 Eine mittelbare Benachteiligung liegt gemäß § 3 Abs. 2 AGG vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich.

28 2.2 Eine mittelbare Diskriminierung kann statistisch nachgewiesen werden, sie kann sich aber auch aus anderen Umständen ergeben. Eine solche Diskriminierung kann insbesondere vorliegen, wenn Vorschriften im Wesentlichen oder ganz überwiegend Personen, die eines der verpönten Merkmale erfüllen, betreffen, wenn sie an Voraussetzungen anknüpfen, die von Personen, die von § 1 AGG nicht erfasst sind, leichter erfüllt werden oder wenn sich die Tatbestandsvoraussetzungen einer Norm besonders zum Nachteil von Personen, für die ein Merkmal des § 1 AGG gilt, auswirken (BAG 27.01.2011 – 6 AZR 526./09 – juris Rn. 27).

29 Vorliegend wirkt sich die Regel, dass unaufgefordert ein Gleichwertigkeitsgutachten für einen Hochschulabschluss auch aus dem Land Rumänien erbracht werden muss, im Wesentlichen gegenüber Personen aus, die rumänischer Herkunft sind. Erfahrungsgemäß sind es diese Personen, die rumänische Hochschulabschlüsse erwerben. Insofern ist von einer mittelbaren Diskriminierung auszugehen. Soweit das beklagte Land im Rahmen des Berufungsverfahrens vorgetragen hat, dass zunehmend auch Deutsche im Ausland studieren und ausländische Studierende in Deutschland Studienabschlüsse erwerben, wird dieser allgemeiner Erfahrungssatz hierdurch nicht erschüttert. Dies wäre allenfalls dann der Fall, wenn an rumänischen Universitäten genauso viele Personen mit deutscher Herkunft wie die mit rumänischer Herkunft studieren würden. Dies kann realistischer Weise nicht angenommen werden.

30 2.3 Die Benachteiligung der Klägerin ist auch nicht gemäß § 3 Abs. 2 AGG gerechtfertigt.

31 2.3.1 Zu Gunsten des beklagten Landes ist jedoch davon auszugehen, dass ein rechtmäßiges Ziel verfolgt wurde.

32 Dies können alle nicht diskriminierenden und auch sonst legalen Ziele sein. Darunter fallen auch privatautonom bestimmte Ziele des Arbeitgebers, z.B. betriebliche Notwendigkeiten und Anforderungen an persönliche Fähigkeiten des Arbeitnehmers (BAG 28.01.2010 – 2 AZR 764/08 – juris Rn. 19).

33 Geht man davon aus, dass der verlangte Hochschulabschluss im Hinblick auf die Anforderungen der zu besetzenden Stelle sachlich nachvollziehbar war (vergleiche BAG 12.09.2006 – 9 AZR 807/05 – juris Rn. 33), dann dient der Nachweis der Gleichwertigkeit eines im Ausland erworbenen Hochschulabschlusses dem legalen Ziel, die Chancengleichheit zwischen den Bewerbern zu sichern und somit der Bestenauslese nach Art 33 II GG gerecht zu werden.

34 2.3.2 Im Gegensatz zur Auffassung des beklagten Landes war das Mittel zur Erreichung dieses Ziels – dass unaufgeforderte Beibringen eines Gleichwertigkeitszertifikats – nicht erforderlich i.S.d. § 3 Abs. 2 AGG.

35 Erforderlich ist ein Mittel zur Erreichung eines Zieles dann, wenn das Ziel ohne das Mittel nicht erreicht werden kann (BAG 28.01.2010 – 2 AZR 764/08 – juris Rn. 22).

36 Dies ist vorliegend nicht der Fall. Eine einstellende Behörde kann und muss vielmehr selbst prüfen, ob der vorgelegte Hochschulabschluss gleichwertig ist. Das dies möglich ist, zeigt die Praxis des Bundeslandes Berlin. Insofern räumt auch das beklagte Land ein, dass dort auf Basis der Datenbank ANABIN Gleichwertigkeitsbeurteilungen vorgenommen werden. Für die hiesige Kammer ist jedenfalls entscheidend, dass der EuGH aus der Grundfreiheit der Freizügigkeit von Arbeitnehmern nach Art. 45 AEUV ableitet, dass eine einstellende Behörde selbst eine Prüfung der Gleichwertigkeit bei Hochschulabschlüssen innerhalb der EU vorzunehmen hat (EuGH 06.10.2015 – C-298/14 – Rn. 54,57). Ergibt ein solcher Vergleich, dass Kenntnisse und Fähigkeiten einander nur teilweise entsprechen, so kann der Aufnahmemitgliedstaat von dem Betroffenen den Nachweis verlangen, dass er die fehlenden Kenntnisse und Fähigkeiten erworben hat. Insofern hätte das beklagte Land mit einer Prüfung jedenfalls beginnen müssen. Schon daran fehlt es.

37 Soweit das beklagte Land meint, die Rechtsprechung des EuGH könne auf den hiesigen Fall nicht angewendet werden, wird dies nicht geteilt. Das Land vertritt insofern die Ansicht, der EuGH habe über die Zulassung zu einem Beruf (Rn. 54) entschieden. Dies trifft zwar von der Wortwahl an dieser Stelle zu, aus dem Gesamtzusammenhang ergibt sich jedoch, dass es um die Einstellung eines Bewerbers als Referent bei einem belgischen Gericht ging (Rn. 13). Auch der dortigen Entscheidung lag ein Stellenbesetzungsverfahren zu Grunde. Der weitere Einwand des beklagten Landes, es sei unpraktisch und unwirtschaftlich, wenn jede Behörde die Gleichwertigkeit selbst prüfen müsse, rechtfertigt ebenfalls kein anderes Ergebnis. Sicherlich ist es einfacher, wenn Bewerber von sich aus schon ein Gleichwertigkeitsgutachten beibringen. Gerade der hiesige Fall zeigt allerdings, dass Bewerberinnen und Bewerber nicht zwangsläufig schon immer über dieses Gutachten verfügen. Bei Bearbeitungszeiten von 2-3 Monaten wäre dies auch nicht ohne weiteres beibringbar. Darüber hinaus ist jedenfalls nach der Rechtsprechung des EuGH eine andere Verfahrensweise geboten.

38 3. Das beklagte Land hat es nicht vermocht, die hier festgestellten Indizwirkungen zu beseitigen.

39 Liegen Indizien vor, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes vermuten lassen, trägt die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat. Insofern muss der Arbeitgeber Tatsachen vortragen und gegebenenfalls beweisen, aus denen sich ergibt, dass ausschließlich andere als die in § 1 AGG genannten Gründe zu einer ungünstigeren Behandlung geführt haben (BAG 16.05.2019 – 8 AZR 315/18 – juris Rn. 21). Ihm obliegt der Vollbeweis. Die Anknüpfung an ein verpöntes Merkmal darf insofern auch nicht im Rahmen eines Motivbündels (BAG 12.12.2013 – 8 AZR 838/12 – juris Rn. 22) eine Rolle spielen. Auf ein schuldhaftes Handeln oder gar eine Benachteiligungsabsicht kommt es nicht an (BAG a.a.O.).

40 Gemessen hieran hat das beklagte Land keinerlei Tatsachen vorgetragen, um einen gegenteiligen Vollbeweis zu erbringen. Es hat sich vielmehr bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung auf den Standpunkt gestellt, es hätte die rumänischen Abschlüsse nicht eigenständig prüfen brauchen.

III.

41 Die Höhe der Entschädigung war auf ein Monatsgehalt (4075,46 €) zu beschränken. In dieser Höhe ist sie ausreichend und angemessen.

42 Nach der Rechtsprechung des BAG muss die Entschädigung einen tatsächlichen und wirksamen rechtlichen Schutz der aus dem Unionsrecht hergeleiteten Rechte gewährleisten. Die Schwere des Verstoßes muss sich in der Höhe der Sanktionen widerspiegeln, aber auch den allgemeinen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahren. Hierbei sind alle Umstände des Einzelfalles – wie etwa die Art und Schwere der Benachteiligung, ihre Dauer und Folgen, der Anlass und der Beweggrund des Handelns – und der Sanktionszweck der Entschädigungsnorm zu berücksichtigen (BAG 22.05.2014 – 8 AZR 662/13 – juris Rn. 44).

43 Der Verstoß ist hier als weniger schwerwiegend einzuschätzen. Die Rechtsprechung des EuGH ist relativ speziell und durchaus nicht allgemein bekannt. Das beklagte Land hat nicht bewusst eine Diskriminierung herbeiführen wollen, sondern die langjährige Praxis für ausreichend erachtet. Da die Klägerin keine Tatsachen dafür vorgetragen hat, dass sie bei benachteiligungsfreier Auswahl eingestellt worden wäre, beträgt der Höchstrahmen für eine Entschädigung 3 Monatsgehälter (§ 15 Absatz 2 AGG). Es handelt sich um einen einmaligen Verstoß. Insofern ist eine Entschädigung in Höhe von eine Monatsgehalt auch unter Berücksichtigung der Situation der Klägerin ausreichend.

44 Im Gegensatz zur Auffassung der Klägerin ist das Entgelt auch nicht nach der Stufe 5 zu bemessen. Zutreffend ist vielmehr die Stufe 2.

45 Die Klägerin war zuvor nie beim beklagten Land selbst beschäftigt. Nach § 16 Abs. 2 Satz 3 TV-L erfolgt dann die Einstellung in die Stufe 2, wenn die einschlägige Berufserfahrung von mindestens einem Jahr in einem Arbeitsverhältnis zu einem anderen Arbeitgeber erworben worden war. Bei einer Einstellung nach dem 31.01.2010 und Vorliegen einer einschlägigen Berufserfahrung von mindestens 3 Jahren erfolgt die Einstufung in die Stufe 3.

46 Auch bei Berücksichtigung des schriftsätzlichen Vorbringens der Klägerin ergibt sich damit bei einer fiktiven Einstellung nur die Zuordnung zur Stufe 2, da sie zwar über eine einschlägige einjährige Berufserfahrung bei einem anderen Arbeitgeber verfügte, jedoch nicht Zeiten im Umfang von 3 Jahren zu berücksichtigen sind. Die Klägerin hat sich insofern darauf berufen, sie habe bei einem anderen Arbeitgeber den Tierschutzplan für das Land Brandenburg entwickelt. Dies betrifft jedoch nur einen Zeitraum von 14 Monaten. Bei einer von der Klägerin angenommenen Einstellung im Juli 2018 hätte die Tätigkeit bei der H.-Universität, auf die die Klägerin ebenfalls im Schriftsatz vom 21.10.2019 Bezug genommen hat, nur weitere 16 Monate betragen. Damit sind allenfalls 30 Monate zu berücksichtigungsfähig.

C.

47 Die Parteien haben die Kosten des Verfahrens anteilig zu ihrem Obsiegen und Unterliegen zu tragen (§ 92 ZPO).

48 Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 72 Abs. 2 ArbGG) liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung, die sich an der Rechtsprechung des BAG orientiert. Insofern ist gegen dieses Urteil ein Rechtsmittel nicht gegeben.

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