Bedrohliches Verhalten als Kündigungsgrund

VonRA Moegelin

Bedrohliches Verhalten als Kündigungsgrund

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Eine schwerwiegende Pflichtverletzung des Arbeitnehmers rechtfertigt eine verhaltensbedingte Kündigung des Arbeitnehmers.
Eine Geste wie ein erhobener Zeigefinger wirkt befremdlich und kann auch für eine zart besaitete Person als Bedrohung empfunden werden. Objektiv betrachtet lässt sich aber ein konkretes Fehlverhalten schwerwiegender Art nicht feststellen.

Volltext des Urteils des Arbeitsgerichts Augsburg vom 12. März 2020- 3 Ca 2478/19:

Tenor

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder
durch die außerordentliche noch die hilfsweise ordentliche Kündigung
der Beklagten vom 04.10.2019 beendet wird.
2. Die Beklagten werden verurteilt, den Kläger bis zum rechtskräftigen
Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten
arbeitsvertraglichen Bedingungen als studentische Hilfskraft
weiterzubeschäftigen.
3. Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits.
4. Der Streitwert wird auf 1.200,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweisen ordentlichen Kündigung sowie um die Weiterbeschäftigung des Klägers bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens. Der Kläger ist seit 26.06.2017 als studentische Hilfskraft bei den Beklagten angestellt. Er bezog bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 6 bis 10 Stunden durchschnittlich 300,- € monatlich. Die Beklagten beschäftigen regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer.
Der Kläger ist der subjektiven Auffassung, dass ihm ein Anspruch auf fixe Wochentage für seine Tätigkeit, welche er im Wesentlichen am Empfang erbringt – nämlich Mittwoch und Samstag -, zusteht. Wegen einer gelegentlich fehlenden Einteilung am Mittwoch suchte er immer wieder das Gespräch mit seinen Vorgesetzten, insbesondere mit der Beklagten zu 3). Ãœber den genauen Inhalt und Verlauf dieser Gespräche am 24.08. bzw. 28.08.2019 sowie am 25.09.2019 besteht zwischen den Parteien Streit.
Die Beklagten nahmen das Gespräch am 25.09.2019 zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 3) zum Anlass, das Arbeitsverhältnis außerordentlich, hilfsweise ordentlich zu kündigen. Die schriftliche Kündigung datiert vom 04.10.2019 (Anlage zur Klageschrift, BI. 4 f. d. A.).
Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Kündigungsschutzklage und begehrt seine Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens.

Der Kläger beantragt:
1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die außerordentliche noch die hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten vom 04.10.2019 beendet wird.
2. Die Beklagten werden verurteilt, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschlussdes Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als studentische Hilfskraft weiterzubeschäftigen.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
Sie tragen im Wesentlichen vor, dass der Kläger nach Abschluss der Arbeit am 25.09.2019 / die Beklagte zu 3) gezielt auf dem Gang abgefangen, den Weg versperrt und sie am Weitergehen gehindert habe. Er habe sich im kürzest möglichen Abstand vor ihr aufgebaut und sie den gesamten Gesprächsverlauf über auf eine e orm bedrohliche Art und Weise angeschaut. Gegenstand des Gesprächs sei erneut die von ihm gewünschte Dienstplaneinteilung gewesen. Darüber hinaus habe er sich über die Beklagte zu 3) sinngemäß abfällig geäußert dergestalt, dass diese kein Rückgrat habe. Die Beklagte zu 3) habe diese Situation als äußerst bedrohlich empfunden.
Dem vorausgegangen sei eine ähnliche Gesprächssituation des Klägers mit der Beklagten zu 3) im August 2019. Dabei habe diese aber dem Kläger keine bindenden Zusagen gemacht.
Des Weiteren berufen sich die Beklagten auf eine dem Kläger erteilte Abmahnung vom 23.04.2019 (insoweit wird auf Anlage B 2 [BI. 30 d. A.] Bezug genommen und verwiesen).
Diese Abmahnung wurde vom Kläger als sachlich unzutreffend bestritten.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Sachvortrags der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen und verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist vollumfänglich begründet.

1. Die außerordentliche Kündigung vom 04.10.2019 ist unwirksam. Es fehlt an einem wichtigen Grund i. S. v. § 626 Abs. 1 BGB.

a) Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann ein Arbeitsverhältnis vom Arbeitgeber aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Arbeitgeberunter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Der wichtige Grund i. S. v. § 626 Abs. 1 BGB ist in zwei systematisch zu trennenden Abschnitten zu prüfen. Zunächst ist festzustellen, ob ein bestimmter Sachverhalt ohne die besonderen Umstände des Einzelfalls an sich geeignet ist, einen wichtigen Grund zu bilden. Sodann ist zu prüfen, ob bei Berücksichtigung dieser Umstände und der Interessenabwägung die konkrete Kündigung gerechtfertigt ist.

b) Unter Anwendung dieses Prüfungsmaßstabs lässt sich eine schwerwiegende Pflichtverletzung des Klägers am 25.09.2019 nicht feststellen. Das Gespräch mit der Beklagten zu 3) war weder vom äußeren Verhalten des Klägers noch vom maßgeblichen Gesprächsverlauf unangemessen. Ein eklatantes Fehlverhalten des Klägers liegt nicht vor.
Subjektiv mag man das Verhalten des Klägers als unangemessen erachten und für manchen mag dieses auch bedrohlich wirken. Den Beklagten ist zuzugeben, dass der Kläger mit Nachdruck versucht, seinen Standpunkt und sein Anliegen zu vertreten. Auch im Rahmen der mündlichen Verhandlungen ließ sich der Kläger in seinem Redefluss nicht bremsen. Diesen unterstützt er noch mit zahlreichen Gesten wie erhobenem Zeigefinger und Ähnlichem. Dies wirkt, auch wenn seine Eigenwahrnehmung eine andere sein mag, äußerst befremdlich und kann auch für eine zart besaitete Person als Bedrohung empfunden werden. Objektiv betrachtet lässt sich aber ein konkretes Fehlverhalten des Klägers schwerwiegender Art nicht feststellen.

2. Gleiches gilt hinsichtlich einer sozialen Rechtfertigung der hilfsweise erklärten ordentlichen Kündigung vom 04.10.2019. Eine solche soziale Rechtfertigung gern. § 1 Abs. 2 KSchG ist nicht feststellbar. Der von den Beklagten vorgetragene Sachverhalt lässt keinen arbeitsvertraglichen Pflichtverstoß des Klägers erkennen. Somit ist auch diese Kündigung unwirksam.

3. Die Beklagten sind verpflichtet, den Kläger bis zur rechtskräftigen Entscheidung dieses Kündigungsschutzverfahrens weiterzubeschäftigen. Die Weiterbeschäftigungspflicht ergibt sich aufgrund der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Einer Weiterbeschäftigung entgegenstehende Gesichtspunkte sind von den Beklagten nicht vorgetragen.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf§ 91 Abs. 1 ZPO. Der Streitwert wurde auf vier Bruttomonatsgehälter festgesetzt, wobei für die Kündigungsschutzklage drei Bruttomonatsgehälter und für den Weiterbeschäftigungsantrag ein Bruttomonatsgehalt angesetzt wurden (§§ 42 Abs. 2 Satz 1 GKG, 3 ZPO).

5. Gegen dieses Urteil ist für die Beklagten das Rechtsmittel der Berufung an das Landesarbeitsgericht München statthaft. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die nachfolgendeRechtsmittelbelehrung verwiesen.

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