Anspruch auf Schadensersatz gegen Putzfrau wegen MRT-Quench

VonRA Moegelin

Anspruch auf Schadensersatz gegen Putzfrau wegen MRT-Quench

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20140930-225320-PictomagoEine Reinigungskraft, die in einer Gemeinschaftspraxis für radiologische Diagnostik und Nuklearmedizin angestellt ist, verursachte einen schweren Schaden an einem medizinischen Gerät in einer ärztlichen Praxis. Nach Besuchsende hörte sie einen Alarmton, der von einem Magnetresonanztomographen (MRT) verursacht wurde. Um den Alarm auszuschalten, drückte die Putzfrau statt des hierfür vorgesehenen blauen Knopfes „alarm silence“ den roten Schaltknopf „magnet stop“ und löste hierdurch einen so genannten MRT-Quench aus. Die Kosten der Reparatur betrugen 30.843,01 Euro netto. Unter Berücksichtigung des vertraglich vereinbarten Selbstbehalts zahlte die Betriebsunterbrechungs-Schadensversicherung der Praxis für einen Ausfalltag Schadensersatz von 10.289,34 €. Neben den Reparaturkosten machen die Ärzte der Praxis gegen die Putzfrau einen weitereren, von der Versicherung nicht abgedeckten Nutzungsausfallschaden iHv. 18.390,00 € netto geltend. Den Klägern wurde zweitinstanzlich ein Schadensersatz von 12 Bruttomonatsgehälter (320 € x 12 ) zugesprochen. Mit der Revision fordern sie weitere 46.775,81 Euro nebst Zinsen von der beklagten Putzfrau.

Die Beklagte hat nach den Feststellungen des Gerichts, als sie statt des Schaltknopfes „alarm silence“ fehlerhaft den Schaltknopf „magnet stop“ drückte, ihre arbeitsvertragliche Nebenpflicht, den Arbeitgeber nicht zu schädigen, verletzt. Der Schaden am  für die Dauer der Reparatur, ist eine Verletzung des Eigentums gemäß § 823 Abs. 1 BGB. Da die Beklagte nach Ansicht des BAG schuldhaft, nämlich zumindest fahrlässig handelte und die fehlerhafte Bedienung unstreitig kausal für den entstandenen Schaden war, sind die Kläger grundsätzlich als Mitgläubiger berechtigt, von der Beklagten Schadensersatz zu verlangen gemäß § 432 Abs. 1 Satz 1 BGB.

Das Handeln der Beklagten erfolgte nach Meinung des BAG auf Grundlage des Arbeitsvertrages und war betrieblich veranlasst.

Als betrieblich veranlasst gelten nach der Rechtsprechung solche Tätigkeiten, die arbeitsvertraglich übertragen worden sind oder die der Arbeitnehmer im Interesse des Arbeitgebers für den Betrieb ausführt. Das Handeln braucht dabei nicht zum eigentlichen Aufgabengebiet des Beschäftigten gehören, ausreichend ist, wenn er im wohl verstandenen Interesse des Arbeitgebers tätig wird. Das Handeln ist betrieblich veranlasst, wenn bei objektiver Betrachtungsweise aus der Sicht des Schädigers im Betriebsinteresse zu handeln war, sein Verhalten unter Berücksichtigung der Verkehrsüblichkeit nicht untypisch war und keinen Exzess darstellte, auch wenn der Arbeitnehmer ggf.  grob fahrlässig oder vorsätzlich seine Verhaltenspflichten verletzt, auch wenn ein solches Verhalten grundsätzlich nicht im Interesse des Arbeitgebers liegt.

Die Handlung der Beklagten erfolgte außerhalb ihrer Arbeitszeit und damit nicht in direkter Verfolgung ihrer Hauptleistungspflicht. Aber gemäß ihrer allgemeinen Sorgfalts- und Obhutspflichten als Nebenpflichten aus dem Arbeitsverhältnis hatte sie Schaden von den Klägern abzuwenden, also auch  bei der Betriebsstörung zu helfen, so dass eine betrieblich veranlasste Tätigkeit zu bejahen ist (BAG, Urteil vom 28. Oktober 2010 – 8 AZR 418/09).

Nach der Rechtsprechung hat ein Arbeitnehmer vorsätzlich verursachte Schäden in vollem Umfang zu tragen, wobei es eine feste, summenmäßig beschränkte Obergrenze der Haftung nicht gibt. Bei leichtester Fahrlässigkeit haftet er dagegen nicht. Bei normaler Fahrlässigkeit ist der Schaden in aller Regel zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber zu verteilen, bei grober Fahrlässigkeit hat der Arbeitnehmer in aller Regel den gesamten Schaden zu tragen, jedoch können Haftungserleichterungen, die von einer Abwägung im Einzelfall abhängig sind, in Betracht kommen.

Nach den richterlichen Feststellungen liegt ein Höchstmaß an grober Fahrlässigkeit vor durch die wahllose Bedienung ohne die Bedeutung der einzelnen Schaltknöpfe zu kennen. Trotz der grob fahrlässigen Beschädigung des MRT beschränkt sich der Ersatzanspruch auf ein Jahresgehalt von 3.840 €.

Bei grober Fahrlässigkeit ist im Einzelfall eine Entlastung des Arbeitnehmers nicht ausgeschlossen. Abzuwägen sind gemäß der Rechtsprechung auf Seiten des Arbeitnehmers insbesondere die Höhe des Arbeitsentgelts, seine weitere Leistungsfähigkeit und der Grad des Verschuldens. Ein hoher Vermögensverlust wird um so mehr dem Betriebsrisiko zuzurechnen sein, als dieser einzukalkulieren oder durch Versicherungen ohne Rückgriffsmöglichkeit gegen den Arbeitnehmer abzudecken ist.

Nach der Abwägung des BAG wirkt der erhebliche Grad des Verschuldens der Beklagten haftungserhöhend, ebenso wie die wenig gefahrgeneigte Tätigkeit als Reinigungskraft.

Haftungsbegrenzend steht dagegen die geringe Vergütung der Beklagten gegenüber. Der eingetretene Schaden beläuft sich auf mehr als das Hundertfache eines Monatslohns der Beklagten, ist also ungewöhnlich groß. Bereits eine Haftungsbeschränkung auf zwölf Monatsgehälter für die Beklagte eine sehr große finanzielle Belastung darstellt, da sie bei ihrem „Mini-Job“ von 320 € brutto monatlich regelmäßig der gesamte Verdienst zur Existenzerhaltung braucht. Nach alldem war die Revision der Kläger zurückzuweisen.

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