Altersdiskriminierung bei der Sozialauswahl der betriebsbedingten Kündigung

VonRA Moegelin

Altersdiskriminierung bei der Sozialauswahl der betriebsbedingten Kündigung

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Petroglyph-Old-man-of-the-dallesEine Produktionsmitarbeiterin in einem Unternehmen für Tiernahrung erhielt die betriebsbedingte Kündigung. Vorausgegangen war der Beschluss des später beklagten Arbeitgebers, im Produktionsbereich 31 Stellen abzubauen.

Die Beklagte vereinbarte mit dem Betriebsrat einen Interessenausgleich mit einer Namensliste mit den Namen von 31 zu kündigenden Arbeitnehmern, darunter den der betreffenden Produktionsmitarbeiterin und späteren Klägerin.

Die Vereinbarung sah vor, die soziale Auswahl in mehreren Stufen zu vollziehen. Es wurden vier Altersgruppen gebildet: Lebensalter 25 bis 34 Jahre, 35 bis 44 Jahre, 45 bis 54 Jahre und über 55 Jahre. Die eigentliche Sozialauswahl wurde innerhalb der Altersgruppen nach einem Punkteschema durchgeführt. Dazu sind unter anderem für die Betriebszugehörigkeit in den ersten zehn Dienstjahren je Dienstjahr ein Punkt, ab dem 11. Dienstjahr zwei Punkte (maximal 70 Punkte) und für jedes volle Lebensjahr ein Punkt (maximal 55 Punkte) in Ansatz zu bringen.

Die Altersgruppen seien nach Ansicht der Klägerin willkürlich gewählt und auf ein bestimmtes Ergebnis der Sozialauswahl hin zugeschnitten. Ihre Kündigungsschutzklage wurde in allen Instanzen abgewiesen.

Nach § 1 Abs. 3 Satz 1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) muss der Arbeitgeber bei Kündigungen aus betrieblichen Gründen zwischen den von ihrer Tätigkeit her vergleichbaren Arbeitnehmern eine Auswahl nach sozialen Gesichtspunkten vornehmen. Eines der dabei zu berücksichtigenden Kriterien ist das Lebensalter. Die Regelung zielt darauf ab, ältere Arbeitnehmer bei Kündigungen zu schützen. Gemäß § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG kann die Sozialauswahl zur Sicherung einer ausgewogenen Altersstruktur auch innerhalb von Altersgruppen – etwa der der 21 bis 30 Jahre alten, der der 31 bis 40 Jahre alten Arbeitnehmer usf. – vorgenommen werden. Das Lebensalter ist dann nur im Rahmen der jeweiligen Gruppe von Bedeutung. Der Altersaufbau der Belegschaft bleibt auf diese Weise weitgehend erhalten (BAG, Urteil vom 15. Dezember 2011 – 2 AZR 42/10).

Die gesetzliche Regelung zur Sozialauswahl verstößt nach Ansicht des BAG nicht gegen das unionsrechtliche Verbot der Altersdiskriminierung. Es führe zwar zu einer unterschiedlichen Behandlung wegen des Alters. Diese sei aber durch rechtmäßige Ziele aus den Bereichen Beschäftigungspolitik und Arbeitsmarkt der Richtlinie gerechtfertigt, was das BAG wie folgt begründet: Einerseits tragen die Regelungen den mit steigendem Lebensalter regelmäßig sinkenden Chancen auf dem Arbeitsmarkt Rechnung. Andererseits wirken sie durch die Möglichkeit der Bildung von Altersgruppen der ausschließlich linearen Berücksichtigung des ansteigenden Lebensalters und einer mit ihr einhergehenden Benachteiligung jüngerer Arbeitnehmer entgegen. Das Ziel, ältere Arbeitnehmer zu schützen, und das Ziel, die berufliche Eingliederung jüngerer Arbeitnehmer sicherzustellen, werden zu einem angemessenen Ausgleich gebracht. Dies dient zugleich der sozialpolitisch erwünschten Generationengerechtigkeit und der Vielfalt im Bereich der Beschäftigung.

Eines Vorabentscheidungsersuchens an den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 AEUV bedurfte es nicht, da die unionsrechtliche Lage ist durch mehrere Entscheidungen des Gerichtshofs aus den letzten Monaten hinreichend geklärt sei.

Nach alldem war die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

Volltext des Urteils des Bundesarbeitsgerichts: BAG, Urteil vom 15. Dezember 2011 – 2 AZR 42/10

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