Die Einigung in einem Vergleich über die Erstellung einer Arbeitsbescheinigung erhöht den Vergleichsmehrwert nicht, wenn zwar vorgerichtlich zur Erstellung einer Arbeitsbescheinigung aufgefordert wurde, der Anspruch des Klägers auf Erstellung der Arbeitsbescheinigung zum Zeitpunkt der Geltendmachung aber noch nicht fällig war, es sich in der Sache um einen Hilfsantrag für den Fall des Wirksamwerdens der Kündigung handelte und die Parteien den Vergleich bereits vor dem möglichen Fälligkeitszeitpunkt geschlossen haben. Es handelt sich dann um eine typische Abwicklungsregelung. Bei unmittelbar nach Geltendmachung geführten Vergleichsgesprächen kann in dieser Konstellation dem Unterbleiben der Erstellung der Arbeitsbescheinigung bis zum Abschluss des Vergleichs nicht entnommen werden, dass der Arbeitgeber seiner Verpflichtung zur Erstellung der Arbeitsbescheinigung nicht nachkommen wollte. Zum Vergleichsmehrwert bei Erledigung von angeblichen Zahlungsverpflichtungen im Rahmen einer Ausgleichsklausel bei gleichzeitiger Erhöhung des Abfindungsbetrages.(Leitsatz)
Volltext des Beschlusses des LArG Berlin-Brandenburg vom 28.05.2020 – 26 Ta (Kost) 6014/20:
Tenor
Auf die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 3. Februar 2020 – 36 Ca 14023/19 – teilweise abgeändert und ein Vergleichsmehrwert in Höhe von 13.281,42 Euro festgesetzt. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Gründe
I.
1 Die Klägervertreter machen mit der Beschwerde die Festsetzung eines Vergleichsmehrwerts gelten. Die Parteien haben über die Wirksamkeit einer Kündigung gestritten.
2 Mit Schreiben vom 31. Oktober 2019 hat sich der Klägervertreter an die Beklagte gewandt und diese dazu aufgefordert, dem Kläger eine Arbeitsbescheinigung zu erstellen. Klage ist am 12. November 2019 erhoben worden. In dem Schreiben vom 31. Oktober 2019 ging es zudem um die Höhe des Urlaubsentgelts. Die Beklagte hatte bei der Berechnung des Urlaubsentgelts Provisionsleistungen nicht berücksichtigt. Außerdem ist in dem Schreiben ein Betrag in Höhe von 12.000 € für „nachlaufende“ Provisionsforderungen geltend gemacht worden.
3 Mit Schriftsatz vom 20. November 2019 teilte der Klägervertreter dem Gericht mit, dass die Parteien sich geeinigt hätten und bat um Feststellung des Vergleichsinhalts. Danach haben die Parteien sich auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu dem in der Kündigung vorgesehenen Beendigungszeitpunkt geeinigt. Gegenstand des Vergleichs war darüber hinaus eine Einigung über die zu zahlende Bruttovergütung in Höhe von 3.000 €. Außerdem haben die Parteien sich auf ein Zeugnis geeinigt und auf die Zahlung einer Abfindung in Höhe von 24.000 €. Weiter hat sich die Beklagte verpflichtet der Klägerin zum Beendigungstermin eine Arbeitsbescheinigung auszustellen und auszuhändigen. Schließlich sieht der Vergleich eine Ausgleichsklausel vor. Danach sollten auch „die streitigen Ansprüche auf nachlaufende Provisionszahlungen sowie auf Nachzahlung der Durchschnittsprovision für Urlaub und Krankheit“ mit erledigt sein.
4 Das Arbeitsgericht hat die Arbeitsbescheinigung und die Einigung über die nachlaufenden Provisionsbeträge sowie die Höhe des Urlaubsentgelts und die Entgeltfortzahlung im Rahmen eines Vergleichsmehrwerts nicht berücksichtigt.
5 Die Klägervertreter haben gegen den ihnen am 11. Februar 2020 zugestellten Beschluss vom 3. Februar 2020 mit einem beim Arbeitsgericht am 18. Februar 2020 eingegangenen Schriftsatz Beschwerde eingelegt und diese auf ihre schon zuvor vertretene Rechtsansicht gestützt. Nach Ansicht der Klägervertreter war die Forderung über die Arbeitsbescheinigung streitig. Sie müsse daher den Vergleichsmehrwert erhöhen. Gleiches gelte für die Einigung über die Provisionsbeträge und die Höhe des Urlaubsentgelts und der Entgeltfortzahlung. Die Klägerin habe in diesem Punkt nicht nachgegeben, wie die sehr hohe Abfindung zeige.
6 Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde aus den Gründen des Beschlusses über den Streitwert nicht abgeholfen.
II.
7 Die zulässige Beschwerde ist teilweise begründet.
8 1) Die anwaltliche Einigungsgebühr entsteht für die Mitwirkung beim Abschluss eines Vertrags, durch den der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird, es sei denn, der Vertrag beschränkt sich ausschließlich auf ein Anerkenntnis oder einen Verzicht (Nr. 1000 Abs. 1 der Anlage 1 zum RVG). In den Wert eines Vergleichs sind daher die Werte aller rechtshängigen oder nichtrechtshängigen Ansprüche einzubeziehen, die zwischen den Parteien streitig oder ungewiss waren und die mit dem Vergleich geregelt wurden. Demgegenüber ist die bloße Begründung einer Leistungspflicht in dem Vergleich für den Vergleichsmehrwert ohne Bedeutung; denn es kommt für die Wertfestsetzung darauf an, worüber – und nicht worauf – die Parteien sich geeinigt haben. Auch genügt es für die Festsetzung eines Vergleichsmehrwertes nicht, dass durch den Vergleich ein Streit vermieden wurde. Ein Titulierungsinteresse kann nur dann berücksichtigt werden, wenn der geregelte Anspruch zwar unstreitig und gewiss, seine Durchsetzung aber ungewiss war (vgl. LAG Berlin-Brandenburg 8. März 2017 – 17 Ta (Kost) 6013/17, Rn. 2).
9 Die Festsetzung eines Vergleichsmehrwerts ist danach nicht bereits dann gerechtfertigt, wenn die Parteien während ihrer Vergleichsverhandlungen über die gerichtlich anhängigen Gegenstände weitere Ansprüche ansprechen und auch sie eine Regelung in dem Vergleich erfahren. Zwar wird eine Einigung der Parteien häufig nur zu erreichen sein, wenn derartige Vereinbarungen getroffen werden; denn die Parteien sind nicht selten nur dann zum Abschluss eines Vergleichs bereit, wenn weitere Fragen geregelt werden und ein diesbezüglicher zukünftiger Streit vermieden wird. Die Tätigkeit des Rechtsanwalts, die zum Abschluss eines Vergleichs führt, ist jedoch mit der Einigungsgebühr als solcher abgegolten. Für die Festsetzung eines Vergleichsmehrwerts und die damit verbundene Gebührenerhöhung muss darüber hinaus festgestellt werden, dass die geregelten Gegenstände vor Abschluss des Vergleichs streitig oder ungewiss waren. Hierzu genügen weder die Vergleichsverhandlungen als solche noch Regelungen, durch die Leistungspflichten erstmals begründet oder beseitigt werden, die Rechtsverhältnisse lediglich klarstellen oder auf sonstige Weise ausschließlich einen künftigen Streit der Parteien vermeiden. Auch genügt es für die Festsetzung eines Vergleichsmehrwertes nicht, dass eine der Parteien in den Vergleichsverhandlungen Forderungen aufstellt, um dann im Wege des Nachgebens einen Vergleich zu erreichen; für einen Vergleichsmehrwert muss vielmehr der potentielle Streitgegenstand eines künftigen Verfahrens eine Regelung erfahren (vgl. LAG Berlin-Brandenburg 8. März 2017 – 17 Ta (Kost) 6013/17, Rn. 3).
10 2) Danach lagen hier die Voraussetzungen für einen Vergleichsmehrwert nur in Höhe des im Tenor festgesetzten Betrages vor.
11 a) Die im Rahmen der Ausgleichsklausel formulierte Einigung, wonach auch der Anspruch auf Nachzahlung der Durchschnittsprovision für Urlaub und Krankheit und die nachlaufenden Provisionsansprüche mit abgegolten sein sollten, haben zu einer Erhöhung des Vergleichsmehrwerts um 13.281,42 Euro geführt. Nach dem Inhalt des im Beschwerdeverfahren vorgelegten Schreibens vom 31. Oktober 2019 haben die Klägervertreter entsprechende Forderungen erhoben, deren Grundlage der Arbeitsvertrag der Klägerin sein sollte. Die Klägervertreter haben zudem anwaltlich versichert, dass diese Forderungen am 7. November 2019 durch die Beklagte bestritten worden sei. Die Forderung soll im Rahmen des Vergleichs auch ihren Niederschlag gefunden haben. In diesem Zusammenhang verweisen die Klägervertreter auf den besonders hohen Vergleichsbetrag.
12 b) Die Einigung über die Arbeitsbescheinigung hat den Vergleichsmehrwert hingegen nicht erhöht. Die Klägervertreter haben die Beklagte zwar zur Erstellung einer Arbeitsbescheinigung aufgefordert. Der Vergleich enthält hierzu auch eine Regelung. Die Aufforderung zur Erstellung der Arbeitsbescheinigung kann insoweit allerdings nur als ein Erinnerungsposten angesehen werden. Der Anspruch des Klägers auf Erstellung der Arbeitsbescheinigung war zum Zeitpunkt der Geltendmachung durch die Klägervertreter noch nicht fällig. In der Sache handelte es sich um einen Hilfsantrag für den Fall des Wirksamwerdens der Kündigung. Die Parteien haben den Vergleich bereits vor dem möglichen Fälligkeitszeitpunkt geschlossen. Es handelt sich um eine typische Abwicklungsregelung. Angesichts der unmittelbar nach Geltendmachung geführten Vergleichsgespräche kann in dieser Konstellation dem Unterbleiben der Erstellung der Arbeitsbescheinigung bis zum Abschluss des Vergleichs nicht entnommen werden, dass die Beklagte ihrer dahingehenden Verpflichtung nicht nachkommen wollte.
III.
13 Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, § 33 Abs. 9 RVG. Eine Gebühr ist nicht angefallen.
IV.
14 Die Entscheidung ist unanfechtbar.
Ãœber den Autor