Videoaufzeichnung öffentlichen Straßenraums mit Überwachungskamera

VonRA Moegelin

Videoaufzeichnung öffentlichen Straßenraums mit Überwachungskamera

Share

extraterristrial-eye-plantHerr Ryneš und seine Familie aus der Tschechischen Republik waren wiederholt Ziel von Angriffen eines Unbekannten, und die Fenster ihres Hauses wurden mehrfach eingeschlagen. Als Reaktion auf diese Angriffe brachte Herr Ryneš an dem Haus seiner Familie eine Überwachungskamera an, die den Eingang des Hauses, den öffentlichen Straßenraum sowie den Eingang des gegenüberliegenden Hauses aufzeichnete.

Diese Vorgehensweise ist auch in Deutschland verbreitet.  Hierzulande gibt es derzeit nach Expertenschätzung bis zu einer Million Überwachungskameras.

In der Nacht vom 6. auf den 7. Oktober 2007 wurde eine Fensterscheibe seines Hauses mittels einer Schleuder beschossen und zerstört. Die der Polizei übergebenen Aufzeichnungen der Überwachungskamera ermöglichten die Identifizierung von zwei Verdächtigen, gegen die Strafverfahren eingeleitet wurden. Einer der Verdächtigen beanstandete jedoch beim tschechischen Amt für den Schutz personenbezogener Daten die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung der von der Überwachungskamera von Herrn Ryneš aufgezeichneten Daten. Das Amt stellte fest, dass Herr Ryneš tatsächlich gegen die Vorschriften zum Schutz personenbezogener Daten verstoßen habe, und verhängte eine Geldbuße gegen ihn. Das Amt führte hierzu unter anderem aus, dass die Daten des Verdächtigen ohne seine Einwilligung aufgezeichnet worden seien, obwohl er sich im öffentlichen Straßenraum aufgehalten habe, d. h. auf dem Teil der Straße, der sich vor dem Haus von Herrn Ryneš befinde.

Der in der Kassationsbeschwerdeinstanz mit dem Rechtsstreit zwischen Herrn Ryneš und dem Amt befasste Nejvyšší správní soud (Oberstes Verwaltungsgericht, Tschechische Republik) möchte vom Gerichtshof wissen, ob die Aufzeichnung, die Herr Ryneš vorgenommen hat, um sein Leben, seine Gesundheit und sein Eigentum zu schützen (d. h. die Aufzeichnung personenbezogener Daten von Personen, die sein Haus vom öffentlichen Straßenraum aus angegriffen haben), eine Datenverarbeitung darstellt, die nicht von der Richtlinie erfasst wird, weil die Aufzeichnung von einer natürlichen Person zur Ausübung ausschließlich persönlicher oder familiärer Tätigkeiten vorgenommen wurde.

Die Richtlinie zum Schutz personenbezogener Daten ist auf die Videoaufzeichnung mit einer Ãœberwachungskamera anwendbar, die von einer Person an ihrem Einfamilienhaus angebracht wurde und auf den öffentlichen Straßenraum gerichtet ist (EuGH, Urteil vom vom 11. Dezember 2014 – C –212/13).

Die Richtlinie ermöglicht jedoch nach Ansicht des EuGH die Würdigung des berechtigten Interesses dieser Person, das Eigentum, die Gesundheit und das Leben seiner selbst und seiner Familie zu schützen. Nach der Richtlinie zum Schutz personenbezogener Daten ist die Verarbeitung solcher Daten grundsätzlich nur erlaubt, wenn die betroffene Person ihre Einwilligung gegeben hat. Die Richtlinie findet jedoch keine Anwendung auf die Datenverarbeitung, die von einer natürlichen Person zur Ausübung ausschließlich persönlicher oder familiärer Tätigkeiten vorgenommen wird.

Der Begriff der personenbezogenen Daten im Sinne dieser Richtlinie beziehe sich auf alle Informationen über eine bestimmte oder bestimmbare natürliche Person. Als bestimmbar werde eine Person angesehen, die durch Zuordnung zu einem oder mehreren spezifischen Elementen, die Ausdruck ihrer physischen Identität sind, direkt oder indirekt identifiziert werden könne. Das von einer Kamera aufgezeichnete Bild einer Person falle somit unter den Begriff der personenbezogenen Daten, da es die Identifikation der betroffenen Person ermögliche.

Ebenso falle die Videoüberwachung, bei der personenbezogene Daten aufgezeichnet und gespeichert werden, in den Anwendungsbereich der Richtlinie, da sie eine automatisierte Verarbeitung dieser Daten darstelle.

Eine Ausnahme sei nach dem EuGH grundsätzlich möglich, wobei die Richtlinie die für die Datenverarbeitung eng auszulegen sei. Das gelte auch für die von einer natürlichen Person zur Ausübung ausschließlich persönlicher oder familiärer Tätigkeiten vorgenommene Datenverarbeitung. Daher könne eine Videoüberwachung, die sich auf den öffentlichen Raum erstreckt und dadurch auf einen Bereich außerhalb der Privatsphäre desjenigen gerichtet ist, der die Daten verarbeitet, nicht als eine „ausschließlich persönliche oder familiäre Tätigkeit“ angesehen werden.

Zugleich müsse das nationale Gericht bei der Anwendung der Richtlinie berücksichtigen, dass ihre Bestimmungen die Möglichkeit eröffnen, das berechtigte Interesse des für die Datenverarbeitung Verantwortlichen, das Eigentum, die Gesundheit und das Leben seiner selbst und seiner Familie zu schützen, zu würdigen.

Insbesondere dürfe erstens die Verarbeitung personenbezogener Daten unter anderem dann ohne die Einwilligung der betroffenen Person erfolgen, wenn sie zur Verwirklichung des berechtigten Interesses des für die Verarbeitung Verantwortlichen erforderlich ist. Zweitens müsse eine Person nicht über die Verarbeitung ihrer Daten informiert werden, wenn dies unmöglich ist oder unverhältnismäßigen Aufwand erfordert. Drittens können die Mitgliedstaaten die in der Richtlinie vorgesehenen Pflichten und Rechte beschränken, sofern eine solche Beschränkung für die Verhütung, Ermittlung, Feststellung und Verfolgung von Straftaten oder für den Schutz der Rechte und Freiheiten anderer Personen notwendig ist.

Volltext des Urteils des Europäischen Gerichtshofs: EuGH, Urteil vom 11. Dezember 2014 – C-212/13

Share

Ãœber den Autor

RA Moegelin administrator

Blogverzeichnis TopBlogs.de das Original - Blogverzeichnis | Blog Top Liste Blogverzeichnis Bloggerei.de