Verwahrungsvertrag mit Schutzwirkung gegen Dritte

VonRA Moegelin

Verwahrungsvertrag mit Schutzwirkung gegen Dritte

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Bei einem Wasserschaden haftet der Eigentümer nicht aus Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter, wenn der Dritte einen Verwahrungsvertrag mit einem Mieter geschlossen hat un der Mieter wiederum in einem Mietvertragsverhältnis zum Eigentümer steht. Nach Ansicht des Landgerichts Berlin gelten hier die gleichen Grundsätze analog, die der BGH zum Untermietsverhältnis getroffen hat.

Volltext des Urteils des Landgerichts Berlin vom 17.02.2023 – 65 O 106/22:

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert wird auf 28.000,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Beklagte ist Eigentümerin des Grundstücks (….). In dem aufstehenden Gebäude vermietet sie Gewerberäume an Herrn (….), der diese Gewerberäume für die Firma (…) nutzt. In der Nacht vom 08.03.2018 zum 09.03.2018 ist in diesen Gewerberäumen eine ältere Frischwasserleitung, die sich in der Wand oberhalb der Decke befunden hat, aufgrund von Materialermüdung geborsten, wodurch ein nicht unerheblicher Wasseraustritt verursacht worden ist.
Der Kläger behauptet, zu diesem Zeitpunkt seien von ihm aufgrund eines Verwahrungsvertrages mit der Firma (…) teils wertvolle Möbel, Kunstwerke und elektronische Geräte sowie 24 Kartons mit Akten und weiteren Gegenständen in den betroffenen Gewerberäumen eingelagert gewesen, durch den Wassereintritt fast vollständig durchfeuchtet worden und dadurch wertlos geworden. Die Wiederherstellung des Akteninhalts werde nach vorläufiger Schätzung 110 Arbeitsstunden einer Büro-Fachkraft erfordern. Insgesamt sei ihm durch das Bersten des Wasserrohres ein Schaden in Höhe von mindestens 28.000 € entstanden. Er habe am 15.03.2018 an einer Begehung der Räumlichkeiten mit Herrn (…), einer Mitarbeiterin der Beklagten – Frau (…) – sowie dem Sachverständigen (…) teilgenommen. Eine Mitarbeiterin der Beklagten habe Fotos von den durchfeuchteten Gegenständen und Kartons per E-Mail zugleich an den Kläger und an die Beklagte gesandt. Im Januar 2019 habe er der Frau (…) eine auf den 15.01.2019 datierte detaillierte Schadensaufstellung über 29.460 € mit der Bitte um Veranlassung der Schadensregulierung überreicht.
Am 31.12.2021 ist beim Amtsgericht Wedding der Antrag des Klägers auf Erlass eines Mahnbescheids eingegangen. Nach mehrfachem Schriftverkehr zwischen dem Amtsgericht Wedding und dem Prozessbevollmächtigten des Klägers ist am 04.04.2021 ein Mahnbescheid über eine Hauptforderung von 28.000 € wegen „Schadenersatz aus Unfall/Vorfall gem. Aufstellung (…) , EG Wasserschaden vom 15.01.19“ gegen die Beklagte erlassen worden. Auf den Widerspruch der Beklagten hat das Amtsgericht Wedding die Sache hierher abgegeben.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 28.000 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz ab Zustellung des Mahnbescheids zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie erhebt die Einrede der Verjährung.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung des begehrten Schadensersatzes in Höhe von 28.000 €.
Dabei kommt als Anspruchsgrundlage allenfalls § 836 BGB in Betracht. Unstreitig bestehen keine vertraglichen Beziehungen zwischen den Parteien. Aus dem Mietvertrag zwischen der Beklagten und Herrn (…) ergeben sich entgegen der Auffassung des Klägers schon deshalb keine Ansprüche des Klägers, weil er grundsätzlich in den Schutzbereich des Hauptmietvertrages nicht einbezogen ist, da er grundsätzlich vertragliche Ansprüche desselben Inhalts aus dem Verwahrvertrag mit der Firma (…) geltend machen kann und damit nicht schutzbedürftig ist (vgl. zu Untermietverhältnissen BGH, Urteil vom 15. 2. 1978 – VIII ZR 47/77 -, NJW 1978, 883; BGH, Urteil vom 06.11.2012 – VI ZR 174/11 -, NJW 2013, 1002 Rn. 9; OLG Frankfurt am Main, Hinweisbeschluss vom 24.07.2018 – 10 U 8/18BeckRS 2018, 22828 Rn. 11 m.w.N.). Für einen verschuldensunabhängigen nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch analog § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB fehlt es vorliegend jedenfalls an einem von außen kommenden Eingriff der Beklagten in ein fremdes Grundstück. Eine planwidrige Lücke, die eine analoge Anwendung der Vorschrift gebieten würde, ist nicht ersichtlich (vgl. für das Verhältnis Hauptvermieter – Untermieter BGH, Urteil vom 12.12.2003 – V ZR 180/03 -, NJW 2004, 775, 776 f.).

Dies kann jedoch dahinstehen, da jedenfalls die dreijährige Regelverjährung gemäß § 195 BGB einschlägig und der geltend gemachte Anspruch damit mit Ablauf des Jahres 2021 verjährt ist. Insbesondere ist die Verjährung durch den Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids vom 31.12.2021 gemäß §§ 204 Abs. 1 Nr. 3,167 ZPO nicht gehemmt worden. Denn es fehlt insoweit an der Individualisierung des geltend gemachten Anspruchs. Nur bei hinreichender Individualisierung des geltend gemachten Anspruchs wird die Verjährung gehemmt. Dazu ist erforderlich, dass der Anspruch durch seine Kennzeichnung von anderen Ansprüchen so unterschieden und abgegrenzt wird, dass er Grundlage eines der materiellen Rechtskraft fähigen Vollstreckungstitels sein kann und dem Schuldner nach den Umständen des Einzelfalls die Beurteilung ermöglicht, ob er sich gegen den Anspruch zur Wehr setzen will (vgl. BGH, Versäumnisurteil vom 14.07.2010 – VIII ZR 229/09 -, NJW-RR 2010, 1455 Rn. 11 m.w.N.). Diese Voraussetzung ist vorliegend nicht gegeben. Die Individualisierung ergibt sich vorliegend nicht durch die Bezugnahme auf eine Aufstellung vom 15.01.2019. Zwar kann im Mahnbescheid zur Bezeichnung des geltend gemachten Anspruchs auf Rechnungen oder andere Unterlagen Bezug genommen werden; ein solches Schriftstück braucht dem Mahnbescheid auch nicht beigefügt zu werden, wenn es dem Antragsgegner bereits bekannt ist (BGH, a.a.O.). Insoweit ist der Kläger jedoch vorliegend beweisfällig geblieben. Die Beklagte hat bestritten, vom Kläger eine solche Aufstellung erhalten oder sonst davon Kenntnis erlangt zu haben. Der Kläger hat als Beweismittel die Vorlage der Aufstellung bei Bestreiten sowie seine Parteivernehmung angeboten, jedoch trotz des wiederholten Bestreitens die Aufstellung weder im schriftlichen Vorverfahren noch im Termin vorgelegt. Einer Parteivernehmung hat die Beklagte nicht gemäß § 447 ZPO zugestimmt, für eine Vernehmung von Amts wegen fehlt es an dem nach § 448 ZPO erforderlichen Anbeweis. Für den Zugang der Aufstellung bei der Beklagten hat der Kläger keinen weiteren Beweis angeboten. Er hat in seiner Anhörung im Termin zur mündlichen Verhandlung zwar (erstmals) erwähnt, dass er die Aufstellung per Boten an die Beklagte gesandt habe. Er hat aber weder einen Beleg dafür vorgelegt, noch den Boten als Zeugen benannt. Entgegen der Auffassung des Klägers ergibt sich die Individualisierung auch nicht schon daraus, dass im Mahnbescheid die Anschrift des Grundstücks (…) und der Begriff „Wasserschaden“ genannt sind. Da die Parteien in keiner vertraglichen Beziehung zueinander standen und sich jedenfalls vor dem schädigenden Ereignis nicht kannten, reichen diese Stichworte weder zur Abgrenzung des Anspruchs von anderen möglichen Ansprüchen noch dazu aus, der Beklagten die Beurteilung zu ermöglichen, ob sie sich gegen den Anspruch zur Wehr setzen will. Denn selbst wenn man den von der Beklagten bestrittenen Vortrag des Klägers unterstellt, dass er bei einer Begehung der vom Wasserschaden betroffenen Räumlichkeiten dabei gewesen sei und die Beklagte und er Adressaten einer E-Mail von der Firma (…) mit Fotos seiner durchfeuchteten Gegenstände gewesen seien, lässt sich der mit dem Mahnbescheid geltend gemachte Schadensersatzanspruch dadurch nicht in einer Weise von anderen Ansprüchen unterscheiden und abgrenzen, die der Beklagten die Möglichkeit eröffnet hätte, zu beurteilen, ob sie sich dagegen zu Wehr setzen will. Die Beklagte wusste unstreitig nichts darüber, ob und welche Gegenstände er auf welcher Rechtsgrundlage in den von der Firma (…) gemieteten Räumlichkeiten eingelagert hatte. Insofern fehlt ein erheblicher Teil des Lebenssachverhalts. Danach konnte die Beklagte auch nicht einschätzen, ob und welche seiner Gegenstände durch den Wasserschaden beschädigt worden sein könnten und ob ihm dadurch ein Schaden in der Größenordnung von 28.000 € entstanden sein könnte. Schließlich wäre eine nachträgliche Indiviualisierung zwar möglich, sie könnte die hemmende Wirkung jedoch erst ex nunc herbeiführen (vgl. Meller-Hannich, in: Gsell/Krüger/Lorenz/Reymann (Hrsg.), BeckOGK, § 204 BGB Rn. 147 m.w.N.).

Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO und auf § 709 Sätze 1 und 2 ZPO.

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