Schlagwort-Archiv Transparenzgebot

VonRA Moegelin

Wirksame Preisanpassungsklausel im Stromlieferungsvertrag

Share

liftarn-Light-bulb-3-300pxDer Bundesgerichtshof hat über die Frage entschieden, ob die in einem formularmäßigen Stromlieferungsvertrag mit Sonderkunden enthaltene Preisanpassungsklausel einer Klauselkontrolle nach § 307 BGB standhält.

Die Parteien stehen als Stromanbieter im Wettbewerb. Die Beklagte verwendet in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen (im Folgenden: AGB) unter der Ãœberschrift „Preise und Preisanpassung/Steuern, Abgaben und sonstige hoheitlich auferlegte Belastungen“ unter anderem folgende Regelungen, welche die Klägerin hinsichtlich der darin enthaltenen Preisanpassungsklausel für intransparent und damit zugleich wettbewerbswidrig hält:

6.1. Der Gesamtpreis setzt sich aus der Servicepauschale, dem Arbeitspreis und ggf. einem Leistungspreiszuschlag zusammen. Er enthält den Energiepreis, die Kosten für Messstellenbetrieb und Messung […] sowie für die Abrechnung, die aus dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) folgenden Belastungen, das an den Netzbestreiber abzuführende Netzzugangsentgelt […] inklusive der vom Netzbetreiber erhobenen Zuschläge nach dem Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz (KWKG) sowie die Konzessionsabgaben, die Offshore-Haftungsumlage und die § 19 Sonderkundenumlage[…].

6.6. Der Lieferant wird die auf der Grundlage dieses Vertrages zu zahlenden Preise darüber hinaus nach billigem Ermessen der Entwicklung der Kosten anpassen, die für die Preisberechnung maßgeblich sind. Eine Preiserhöhung kommt in Betracht und eine Preisermäßigung ist vorzunehmen, wenn sich z.B. die Kosten für die Beschaffung von Energie oder die Nutzung des Verteilernetzes erhöhen oder absenken oder sonstige Änderungen der energiewirtschaftlichen oder rechtlichen Rahmenbedingungen zu einer veränderten Kostensituation führen (z.B. durch die Einführung von Netzzugangsentgelten für Einspeisungen, Änderungen der Belastungen nach dem EEG oder KWKG). Steigerungen bei einer Kostenart, z.B. den Strombezugskosten, dürfen nur in dem Umfang für eine Preiserhöhung herangezogen werden, in dem kein Ausgleich durch etwaig rückläufige Kosten in anderen Bereichen, etwa bei den Netz- und Vertriebskosten, erfolgt. Bei Kostensenkungen, z.B. der Strombezugskosten, sind vom Lieferanten die Preise zu ermäßigen, soweit diese Kostensenkungen nicht durch Steigerungen in anderen Bereichen ganz oder teilweise ausgeglichen werden. Der Lieferant wird bei der Ausübung seines billigen Ermessens die jeweiligen Zeitpunkte einer Preisänderung so wählen, dass Kostensenkungen nicht nach für den Kunden ungünstigeren Maßstäben Rechnung getragen werden als Kostenerhöhungen, also Kostensenkungen mindestens in gleichem Umfang preiswirksam werden wie Kostenerhöhungen.

6.7. Änderungen der Preise nach Ziff. 6.6 sind nur zum Monatsersten möglich. Der Lieferant wird dem Kunden die Änderung spätestens 6 Wochen vor dem geplanten Wirksamwerden in Textform mitteilen. Im Fall einer Preisänderung hat der Kunde das Recht, den Vertrag ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Änderung in Textform zu kündigen. Hierauf wird der Kunde vom Lieferanten in der Preisänderungsmitteilung gesondert hingewiesen. Im Fall der Kündigung wird die Preisänderung gegenüber dem Kunden nicht wirksam. Im Übrigen bleibt § 315 BGB unberührt.

Die unter anderem auf Unterlassung der Verwendung der aus Ziffer 6.6. ersichtlichen Preisanpassungsklausel gerichtete Klage hat in der Berufungsinstanz Erfolg gehabt.

Die vom Bundesgerichtshof zugelassene Revision der Beklagten hatte Erfolg. Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat hat entschieden, dass die Preisanpassungsklausel in Ziffer 6.6. der AGB entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht schon deshalb gegen das in § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB* verankerte Transparenzgebot verstößt, weil darin nicht auf die Möglichkeit hingewiesen wird, künftige Preisanpassungen gemäß § 315 Abs. 3 BGB** gerichtlich auf ihre Billigkeit überprüfen zu lassen. Denn das Transparenzgebot gebietet es nicht, die aus dem Gesetz – hier § 315 Abs. 3 BGB – folgenden Rechte der Vertragsparteien ausdrücklich oder vollständig zu regeln oder den Vertragspartner darüber zu belehren. Ebenso wenig ist ersichtlich, dass die Beklagte durch ihre Klauselgestaltung insoweit die Gefahr von Fehlvorstellungen ihrer Kunden hervorgerufen oder verstärkt hat.

Auch sonst wird die genannte Preisanpassungsklausel den Anforderungen des Transparenzgebots gerecht. Sie stellt insbesondere den Anlass und den Modus der Entgeltänderungen so transparent dar, dass der Kunde die Änderungen anhand klarer und verständlicher Kriterien vorhersehen kann. Denn nicht nur der Anlass einer Preisanpassung, sondern auch die den Anlass prägenden Kosten werden ihrer Art nach in der Klausel selbst in ausreichender Weise konkretisiert. Ebenso enthält die Klausel die erforderlichen grundlegenden Informationen zur Berechnung künftiger Preisanpassungen. Dazu ist es nicht erforderlich, dass sie eine abschließende Aufzählung, Erläuterung und Gewichtung sämtlicher für die Preisberechnung maßgeblicher Kostenfaktoren enthält. Derart ins Einzelne gehende Angaben sind einem Versorgungsunternehmen in einer Form, welche gleichzeitig auch die für einen durchschnittlichen Kunden notwendige Verständlichkeit und Übersichtlichkeit wahren muss, weder möglich noch zumutbar und auch sonst mit dem Charakter einer nach billigem Ermessen ausgestalteten Leistungsvorbehaltsklausel nicht zu vereinbaren.

(Bundesgerichtshof, Urteil vom 25. November 2015 – VIII ZR 360/14, vgl. Pressemitteilung Nr. 193/2015)

Share
VonRA Moegelin

Transparenzgebot bei Ausschluss von Ãœberstundenabgeltung

Share

manio1-Clock-14Der Arbeitnehmer muss bereits bei Vertragsschluss erkennen können, was „auf ihn zukommt“. Ob der vertragliche Ausschluss jeder zusätzlichen Vergütung von Mehrarbeit diesem Transparenzgebot genügte, lag dem BAG zur Entscheidung vor.

Der Kläger war als Lagerleiter zu einem monatlichen Bruttoentgelt von 1.800,00 Euro bei der beklagten Spedition tätig. Im Arbeitsvertrag hatten die Parteien eine wöchentliche Arbeitszeit von 42 Stunden vereinbart. Bei betrieblichem Erfordernis sollte der Kläger ohne besondere Vergütung zu Mehrarbeit verpflichtet sein. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses verlangt der Kläger Vergütung für 968 geleistete Überstunden.

Im Arbeitsvertrag heißt es auszugsweise: „4. 3. Der Arbeitnehmer .. ist bei betrieblicher Erfordernis auch zur Mehrarbeit sowie Sonntags- und Feiertagsarbeit verpflichtet. 4. 4. Der Arbeitnehmer erhält für die Über- und Mehrarbeit keine weitergehende Vergütung. …“

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr hinsichtlich der 968 Überstunden stattgegeben. Das Bundesarbeitsgericht hat die Revision der Beklagten zurückgewiesen.

Bei Fehlen einer (wirksamen) Vergütungsregelung verpflichtet § 612 Abs. 1 BGB den Arbeitgeber, geleistete Mehrarbeit zusätzlich zu vergüten, wenn diese den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist. Eine entsprechende objektive Vergütungserwartung ist regelmäßig gegeben, wenn der Arbeitnehmer kein herausgehobenes Entgelt bezieht(Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 22. Februar 2012 – 5 AZR 765/10).

Die Beklagte schuldet dem Kläger nach § 612 Abs. 1 BGB Überstundenvergütung. Angesichts der Höhe des vereinbarten Bruttoentgelts war die Leistung von Überstunden nur gegen eine zusätzliche Vergütung zu erwarten. Der vertragliche Ausschluss jeder zusätzlichen Vergütung von Mehrarbeit war wegen Intransparenz nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam. Der Arbeitsvertrag lässt aus der Sicht eines verständigen Arbeitnehmers nicht erkennen, welche Arbeitsleistung der Kläger für das regelmäßige Bruttoentgelt schuldete. Er konnte bei Vertragsschluss nicht absehen, was auf ihn zukommen würde.

Die Parteien haben zwar in Tz. 4. 4. des Arbeitsvertrags bestimmt, dass der Kläger für Über- und Mehrarbeit keine gesonderte Vergütung erhalte. Diese Regelung ist jedoch nach Ansicht des BAG nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam, weil sie nicht klar und verständlich ist, § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.

Die Rechtsprechung hält eine die pauschale Vergütung von Ãœberstunden regelnde Klausel nur dann für klar und verständlich, wenn sich aus dem Arbeitsvertrag selbst ergibt, welche Arbeitsleistungen in welchem zeitlichen Umfang von ihr erfasst werden sollen. Der Arbeitnehmer muss bereits bei Vertragsschluss erkennen können, was gegebenenfalls „auf ihn zukommt“ und welche Leistung er für die vereinbarte Vergütung maximal erbringen muss.

Das BAG führt wie folgt aus: Die Klausel Tz. 4. 4. soll Arbeitsstunden erfassen, die die vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit von 42 Stunden überschreiten. Dabei sind bereits die Voraussetzungen, unter denen Ãœberstunden zu leisten sein sollen, nur vage umschrieben. Tz. 4. 3. des Arbeitsvertrags nennt als Bedingung „bei betrieblicher Erfordernis“, ohne diese näher zu konkretisieren. Ãœberhaupt nicht ist der mögliche Umfang der geschuldeten Ãœber- und Mehrarbeit geregelt. Damit ist die vom Kläger ohne eine weitere Vergütung zu leistende Arbeit weder bestimmt noch bestimmbar. Insbesondere lässt sich weder der Klausel selbst noch den arbeitsvertraglichen Bestimmungen im Ãœbrigen eine Begrenzung auf die gemäß § 3 ArbZG zulässige Höchstarbeitszeit entnehmen. Die Verwendung des Begriffspaares „Ãœber- und Mehrarbeit“ in Tz. 4. 4. des Arbeitsvertrags deutet im Gegenteil darauf hin, dass auch eine Ãœberschreitung der gesetzlichen Höchstarbeitszeit von der Klausel erfasst sein soll.

Volltext des Urteils des Bundesarbeitsgerichts: BAG, Urteil vom 22. Februar 2012 – 5 AZR 765/10

Share
Blogverzeichnis TopBlogs.de das Original - Blogverzeichnis | Blog Top Liste Blogverzeichnis Bloggerei.de