Schlagwort-Archiv Sozialauswahl

VonRA Moegelin

Kind vergessen bei Sozialauswahl der betriebsbedingten Kündigung

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Anonymous-BabyAufgrund von Auftragsrückgängen beschloss die Geschäftsleitung des beklagten Arbeitgebers ihre Produktionskapazitäten zu verringern. Sie reduzierte unter anderem die Anzahl der Stellen für Montageschlosser um 65, von ursprünglich 237 auf 172 Stellen. Bei der sozialen Auswahl ging sie nach einem Punkteschema vor. Für jedes unterhaltsberechtigte Kind vergab sie 10 Punkte. Auf Grundlage dieses Schemas vergab sie dem Kläger -einem Montageschlosser- 10 Punkte, gemäß der einen Unterhaltsverpflichtung die auf seiner Lohnsteuerkarte ausgewiesen ist. Auf der Lohnsteuerkarte war nur ein Kinderfreibetrag von 0,5 eingetragen. Der Kläger hatte zuvor unstreitig zwei Elternzeiten bei der Beklagten beantragt. Innerhalb der Vergleichsgruppe „Montageschlosser“ erklärte die Beklagte den Arbeitnehmern, die bis einschließlich 92 Punkte erzielten, eine Beendigungskündigung. Der Kläger erzielte nach der Berechnung der Beklagten 84 Punkte und erhielt die Kündigung.

Die hiergegen gerichtete Kündigungsschutzklage hatte in beiden Instanzen Erfolg. Die Revision wurde nicht zugelassen.

Die für die Sozialauswahl einer betriebsbedingten Kündigung maßgeblichen familienrechtlichen Unterhaltspflichten lassen sich der Lohnsteuerkarte nicht zuverlässig entnehmen (Landesarbeitsgericht Mainz, Urteil vom 29. Januar 2015 – 5 Sa 390/14).

Die Beklagte hätte daher nicht auf die aus der Lohnsteuerkarte ersichtlichen Angaben vertrauen dürfen, um auf dieser Grundlage die Sozialauswahl zu treffen. § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG spricht ausschließlich von “Unterhaltspflichten”, die ausreichend zu berücksichtigen sind. Darunter sind die familienrechtlichen Unterhaltspflichten zu verstehen. Da die kinderbezogenen Eintragungen auf der Lohnsteuerkarte nur begrenzt etwas über das Bestehen dieser familienrechtlichen Verhältnisse aussagen, drängt es sich nach Ansicht des Gerichts auf, dass gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG nicht  die in die Lohnsteuerkarte eingetragenen Kinderfreibeträge maßgeblich sind, so dass es auf die tatsächlichen, nicht aber auf die in die Lohnsteuerkarte eingetragenen Daten ankommt.

Die Kündigungsschutzklage hatte damit auch in der 2. Instanz Erfolg. Obwohl das LAG Mainz einen dringenden betrieblichen Kündigungsgrund iSd. § 1 Abs. 2 KSchG als einschlägig ansah, habe der beklagte Arbeitgeber bei der Auswahl des Klägers soziale Gesichtspunkte gemäß § 1 Abs. 3 KSchG nicht ausreichend berücksichtigt. Die Beklagte habe bei der Auswahlentscheidung nach ihrem Punkteschema zu Unrecht nur Unterhaltspflichten für ein Kind berücksichtigt. Tatsächlich hat der Kläger aber zwei Kinder. Auf der Lohnsteuerkarte war nur ein Kinderfreibetrag von 0,5 eingetragen, obwohl der Beklagten aufgrund der unstreitigen zwei Elternzeiten des Klägers bekannt gewesen war, dass er zwei unterhaltsberechtigte Kinder hatte. Folglich hat der Kläger 94 statt nur 84 Sozialpunkte erzielt. Bei Berücksichtigung von den tatsächlich zwei Unterhaltspflichten hätte der Kläger in der Vergleichsgruppe „Montageschlosser“ nicht zur Kündigung angestanden, denn er hätte mit 94 Punkten einen Listenplatz erreicht, von dem ab keine Kündigungen mehr erfolgten.

Volltext des Urteils des Landesarbeitsgerichts Mainz: LAG Mainz, Urteil vom 29.Januar 2015 – 5 Sa 390/14

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VonRA Moegelin

Sozialauswahl bei betriebsbedingter Kündigung eines Leiharbeitnehmers

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eco-green-machine-iconBei einer betriebsbedingten Kündigung trägt der Arbeitnehmer die Darlegungs-und Beweislast für die Ordnungsgemäßheit der Sozialauswahl. Diesbezüglich hatte das BAG die Besonderheiten der Leiharbeitnehmerschaft eines Arbeitnehmers zu berücksichtigen, der sich gerichtlich gegen die Ordnungsgemäßheit einer Sozialasuwahl wendete.

Betreffender Arbeitnehmer war bei der Beklagten, einer Firma für gewerbliche Arbeitnehmerüberlassung, angestellt. Sie verlieh den Kläger an die K-GmbH, wo er als Flugzeugreiniger arbeitete. Es gab eine Vereinbarung mit der L-AG über den Austausch von Mitarbeitern bei entsprechendem Arbeitsbedarf. Nachdem die K-GmbH keinen Bedarf mehr an der Arbeit des Klägers hatte, erhielt er von seinem Arbeitgeber -der Leiharbeitsfirma- die Kündigung.

Seine Kündigungsschutzklage war in allen Instanzen erfolgreich. Die Revision des beklagten Arbeitgebers hat das Bundesarbeitsgericht zurückgewiesen.

Einer Einbeziehung von Arbeitnehmern in die Sozialauswahl steht nicht entgegen, dass sie nicht demselben Betrieb angehören. Unabhängig davon, ob überlassene Leiharbeitnehmer im Entleiherbetrieb bei der Berechnung der Betriebsgröße zu berücksichtigen sein können, bleiben sie während der Zeit ihrer Arbeitsleistung beim Entleiher jedenfalls auch Angehörige des Betriebs des Verleihers. Für die betriebsverfassungsrechtliche Zuordnung stellt § 14 Abs. 1 AÜG dies klar. Für die Sozialauswahl gilt nichts anderes (BAG, Urteil vom 20. Juni 2013 – 2 AZR 271/12).

Das BAG sah die vom Kläger zu tragende Darlegungs-und Beweislast für die Ordnungsgemäßheit der Sozialauswahl als erüllt an. Demgemäß hat er hat geltend gemacht, die Beklagte habe eine Sozialauswahl zumindest unter Einbeziehung der von ihr benannten neun weiterhin bei der K GmbH eingesetzten Arbeitnehmer durchführen müssen. Die Beklagte hat soziale Gesichtspunkte (Alter, Unterhaltsverpflichtung, Beschäftigungsdauer) nicht ausreichend berücksichtigt, weil sie zumindest drei der mit dem Kläger vergleichbaren und im Verhältnis zu ihm – im Kündigungszeitpunkt – sozial deutlich weniger schutzwürdigen Arbeitnehmer nicht gekündigt hat.

Einer Einbeziehung dieser Arbeitnehmer in die Sozialauswahl stand demnach nicht entgegen, dass sie nicht demselben Betrieb angehört hätten wie der Kläger. Nach dem BAG ist es für die Einbeziehung in die Sozialauswahl nicht von Bedeutung, dass die K-GmbH kein Interesse an der Arbeitskraft des Klägers hatte. Die Beklagte war dadurch nicht gehindert, den Kläger gegen einen der übrigen überlassenen, sozial weniger schutzwürdigen Arbeitnehmer auszutauschen. Ihr Recht zum Austausch war weder durch ihren Vertrag mit der K GmbH, noch nach Treu und Glauben ausgeschlossen. Grund für die „Abmeldung“ war danach lediglich, dass es für ihn keinen Beschäftigungsbedarf mehr gab. Daraus lässt sich nicht schließen, die K GmbH habe sich gegen einen weiteren Einsatz des Klägers als Person ausgesprochen. Die Beklagte hat nicht dargelegt, dass ein Auftragsverlust gedroht habe, wenn sie anstelle des Klägers einen der sozial weniger schutzwürdigen Arbeitnehmer bei der K GmbH abgezogen hätte. Aus der fehlerhaften Sozialauswahl folgt im Ergebnis die Unwirksamkeit der Kündigung.

Volltext des Urteils des Bundesarbeitsgerichts: BAG, Urteil vom 20. Juni 2013 – 2 AZR 271/12

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