Schlagwort-Archiv Diskriminierung

VonRA Moegelin

Rechtsanwalt beim BGH gesucht

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tilte-1Ein Rechtsanwalt fühlte sich wegen seiner abgelehnten Bewerbung auf eine Stelle als „Rechtsanwalt beim BGH“ diskriminiert. Das LAG BW hatte über seine am „Osterdienstag“ zugegangene Berufungsbegründung zu entscheiden. Der Anwalt und spätere Kläger wurde 1953 geboren. Er legte 1979 die erste juristische Staatsprüfung in Baden-Württemberg mit der Note „befriedigend“ ab. 1982 promovierte er an der Universität F. mit „cum laude“. 1983 absolvierte der Kläger die zweite juristische Staatsprüfung mit der Note „befriedigend“. Von April bis Dezember 1983 arbeitete er als Rechtsanwalt. Vom 01.01.1984 bis zum 29.02.1988 war der Kläger Assistent der Geschäftsführung und Justiziar der S. Zeitung. Seit 1988 arbeitet der Kläger als Einzelanwalt. Er ist seit April 2008 Fachanwalt für Medizinrecht.

Besagter Anwalt bewarb sich am 13.06.2013 schriftlich bei einer Rechtsanwaltskanzlei, der späteren Beklagten, mit zwei beim Bundesgerichtshof zugelassene Rechtsanwälten.

Die Stellenanzeige lautete wie folgt: „Als Rechtsanwaltskanzlei beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe beraten und vertreten wir unseren namhaften Mandanten vor dem Bundesgerichtshof in gleichermaßen rechtlich anspruchsvollen wie wirtschaftlich bedeutenden Verfahren auf allen Gebieten des Zivil- und Wirtschaftsrechts. Zur Verstärkung unseres Teams suchen wir einen Rechtsanwalt (m/w) mit erster Berufserfahrung oder auch als Berufsanfänger. Unsere Tätigkeit erfordert hervorragende Rechtskenntnisse, eine wissenschaftlich vertiefte Vorgehensweise und die Fähigkeit, die Position unserer Mandanten schriftlich prägnant und überzeugend zu vertreten. Wir bieten Ihnen die Möglichkeit, in einem angenehmen und kollegialen Betriebsklima auf höchstem Niveau an der Lösung rechtlicher Grundsatzfragen und der Fortbildung des Rechts mitzuarbeiten. Dazu stehen eine hervorragend ausgestattete Bibliothek sowie moderne IT-Arbeitsmittel zur Verfügung. Eine Fünf-Tage-Woche, die für uns seit jeher gelebte Selbstverständlichkeit ist, lässt persönliche Freiräume. Ihre Vergütung wird den gestellten hohen Anforderungen entsprechen. Bewerbungen erbeten …“

Der Kläger bewarb sich unter Beifügung diverser Bewerbungsunterlagen am selben Tag per E-Mail um die ausgeschriebene Stelle. Im Anschreiben führte er aus: „Sehr geehrte Herren Kollegen, ich bewerbe mich auf Ihre Stellenanzeige. Ich bin seit 1988 hier in R. als Rechtsanwalt tätig, jedoch im Prinzip örtlich ungebunden. Ich habe, wie aus den beigeführten Bewerbungsunterlagen ersichtlich, zwei baden-württembergische Prädikatsexamen und bin darüber hinaus promoviert, was eine wissenschaftlich vertiefte Vorgehensweise belegt. Daraus und aus meiner langjährigen beruflichen Tätigkeit als Rechtsanwalt folgen die geforderten hervorragenden Rechtskenntnisse und die gewünschte prägnante und überzeugende schriftliche Ausdrucksweise. Sehr gute Englisch- und MS-Office-Kenntnisse sind selbstverständlich. …“

Seine Bewerbung wurde abgelehnt. Er forderte daraufhin eine Entschädigung gemäß AGG in Höhe eines durchschnittlichen Jahreseinkommens von 60.000,00 €, die ebenfalls abgelehnt wurde. Mit seiner Klage beim Arbeitsgericht hat er unter anderem vorgetragen, er sei wegen seines Alters diskriminiert worden, und er habe die von der beklagten Anwaltskanzlei gewünschten Kenntnisse. Die Beklagte hält ihn für einen „AGG-Hopper“. Jedenfalls sei er nicht wegen seines Alters benachteiligt worden. Das Kriterium der „Berufserfahrung“ sei altersunabhängig und schließe auch mittelbar keine Altersgruppe aus. Es habe keinen Beleg für die vorausgesetzten hervorragenden Rechtskenntnisse gegeben habe.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung des Anwalts -die Berufungsbegründung ging am „Osterdienstag“ zu- hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen.

Ein abgelehnter Bewerber befindet sich mit dem nicht abgelehnten Bewerber nur dann in einer vergleichbaren Situation im Sinne des § 3 Abs. 1 AGG, wenn er für die ausgeschriebene Stelle objektiv geeignet ist. Die objektive Eignung ist nicht immer schon dann gegeben, wenn der Bewerber die einschlägige Berufsausbildung abgeschlossen hat. Es kommt vielmehr auf die wesentlichen, nicht überzogenen Anforderungen der ausgeschriebenen Stelle an. Der abgelehnte Bewerber, der einen Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot geltend macht, muss seine objektive Eignung für die ausgeschriebene Stelle darlegen. Hierzu sind zumindest Indiztatsachen vorzutragen (Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg, Urteil vom 29. August 2014 – 12 Sa 15/14).

Das Gericht konnte nicht feststellen, dass sich der Kläger ernsthaft um die von der Beklagten ausgeschriebenen Stelle beworben hat. Seine Bewerbung sei darauf ausgerichtet gewesen, abgelehnt zu werden. Denn der Kläger fügte seinem Bewerbungsschreiben bewusst nichts hinzu, was ihn für die ausgeschriebene Stelle empfahl. Zu seiner Arbeit als Rechtsanwalt „schwieg sich der Kläger … aus.“ Die anwaltliche Schweigepflicht hätte ihn nicht daran gehindert, anonymisiert über relevante Interessenvertretungen im Zivil- und Wirtschaftsrecht zu berichten. Stattdessen teilte der Kläger der Beklagten im Bewerbungsschreiben nicht einmal mit, auf welchen Rechtsgebieten er als Rechtsanwalt schwerpunktmäßig tätig war.

Nach Ansicht des Gerichts komme es aber für die Anwendung des AGG nicht darauf an, ob eine Bewerbung ernsthaft erfolgt. Der dem Kläger im Grundsatz zustehende Anspruch nach § 15 Abs. 2 AGG ist nicht einschlägig weil er von der Beklagten nicht wegen seines Alters benachteiligt wurde.

Hierzu führt das LAG wie folgt aus: Für die von der Beklagten ausgeschriebene Stelle waren alle Rechtsanwälte und Volljuristen (m/w) objektiv geeignet, die über hervorragende Rechtskenntnisse auf den Gebieten des Zivil- und Wirtschaftsrechts verfügten. Diese Anforderung ergibt sich unmittelbar aus der Stellenanzeige der Beklagten. Sie war weder überzogen, noch für die angebotene Stelle von untergeordneter Bedeutung. Die Mitarbeit bei einer Rechtsanwaltskanzlei beim Bundesgerichtshof erfordert hervorragende Rechtskenntnisse. Allein die (mögliche) Zulassung als Rechtsanwalt auf Grund zweier erfolgreich abgelegter Staatsexamina reicht hierzu nicht aus. Es geht um die Vorbereitung von Revisionsverfahren beim Bundesgerichtshof und die Zuarbeit für Rechtsanwälte, die vor dem Bundesgerichtshof auftreten. Es müssen grundsätzliche Rechtsfragen und Fragen der Rechtsfortbildung diskutiert und gelöst werden (§ 543 Abs. 2 ZPO). Die Arbeit muss auf einen hohen Qualitätsniveau geleistet werden, damit die beim Bundesgerichthof zugelassenen Rechtsanwälte in die Lage versetzt werden, die relevanten Rechtsfragen sowohl mit dem (der) hochqualifizierten Kollegen (Kollegin) auf der Gegenseite als auch mit einem fünfköpfigen Senat sozusagen auf gleicher Augenhöhe zu erörtern und den Senat vom eigenen Rechtsstandpunkt zu überzeugen. Der Passus in der Stellenanzeige „Wir bieten Ihnen die Möglichkeit … auf höchstem Niveau an der Lösung rechtlicher Grundsatzfragen und der Fortbildung des Rechts mitzuarbeiten“ stellt keine Leerfloskel dar, sondern entspricht den Gegebenheiten. Schon aus Verantwortung gegenüber ihren Mandanten konnte die Beklagte die zu besetzende Stelle nicht jedem Rechtsanwalt (Volljuristen) unabhängig von den jeweiligen Rechtskenntnissen zugänglich machen. Ihre Anforderung hervorragender Rechtskenntnisse war weder überzogen noch nebensächlich. Objektiv geeignet waren daher nur Bewerber oder Bewerberinnen, die über entsprechende Rechtskenntnisse verfügten.

Der darlegungspflichtige Kläger hat nach den richterlichen Feststellungen zu den von ihm behaupteten hervorragenden Rechtskenntnissen keine Tatsachen, auch keine Indiztatsachen vorgetragen. Weder seinen Bewerbungsunterlagen noch seinem Vortrag lässt sich hierzu etwas Konkretes entnehmen. Seine Examensergebnisse und die Promotion zum Zeitpunkt der Bewerbung lagen rund 30 Jahre zurück, so dass ihnen deshalb in Bezug auf die aktuellen Rechtskenntnisse kein Aussagewert zukam. Darüber hinaus hat er jedoch nichts zu seinen Rechtskenntnissen mitgeteilt. Es kann daher nicht festgestellt werden, dass der Kläger für die ausgeschriebene Stelle objektiv geeignet war.

Die Revision wurde zugelassen. Die Frage, ob es im Rahmen der objektiven Eignung auf den erfolgreichen Abschluss der geforderten Berufsausbildung oder auf wesentliche zusätzliche Qualifikationen ankommt, erachtet das Gericht ebenso von grundsätzlicher Bedeutung wie die Frage der Verteilung der Darlegungslast bei Feststellung der objektiven Eignung.

Volltext des Urteils des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg: LAG BW, Urteil vom 29. August 2014 – 12 Sa 15/14

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VonRA Moegelin

Mittelbare Diskriminierung einer eingetragenen Lebenspartnerschaft

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Penguin-Couple-2-by-Merlin2525Eine Lehrerin die im öffentlichen Dienst beschäftigt ist, verlangt von ihren Arbeitgeber den kinderbezogenen Bestandteils des Ortszuschlags und zwar mit Wirkung des Beginns ihrer eingetragenen Lebenspartnerschaft. Im gemeinsamen Haushalt wohnen auch die beiden leiblichen Kinder der Lebenspartnerin der Klägerin. Im Vergütungssystem des damals gültigen BAT waren kinderbezogene Entgeltbestandteile vorgesehen. Der BAT wurde übergeleitet in den nunmehr gültigen Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L). Voraussetzung für den Anspruch darauf war ein Anspruch auf Kindergeld. Für diesen werden auch vom Berechtigten in seinen Haushalt aufgenommene Kinder seines Ehegatten berücksichtigt. Die eingetragene Lebenspartnerschaft ist allerdings keine Ehe. Darum stand nach dem Tarifrecht Angestellten des öffentlichen Dienstes, die Kinder ihres eingetragenen Lebenspartners in ihren Haushalt aufnahmen, kein Anspruch auf den kinderbezogenen Bestandteil im Ortszuschlag zu.

Das Arbeitsgericht hat der Klage der Klage der Lehrerin auf Zahlung des kinderbezogenen Bestandteils im Ortszuschlag stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Berufung hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Auch die Revision war ohne Erfolg.

Die Versagung des kinderbezogenen Bestandteils im Ortszuschlag bei eingetragener Lebenspartnerschaft ist gleichheitswidrig und benachteiligt eingetragene Lebenspartner gegenüber Ehepartnern und ist deshalb gemäß Art. 3 Abs. 1 GG unwirksam (BAG, Urteil vom 18. März 29010 – 6 AZR 156/09).

Der kinderbezogene Bestandteil im Ortszuschlag wurde nach Ansicht des BAG im Hinblick auf die aus der Erziehung und Betreuung von Kindern folgende finanzielle Belastung auch für in den Haushalt aufgenommene Kinder des Ehegatten gewährt, weil mit dieser Aufnahme ein familiäres Betreuungs- und Erziehungsverhältnis begründet wurde. Ausgehend von diesem Zweck gäbe es keine sachlichen Gründe, die es rechtfertigten, den kinderbezogenen Bestandteil im Ortszuschlag für in den Haushalt aufgenommene Kinder der eingetragenen Lebenspartnerin zu versagen.

Die hiergegen gerichtete Revision des beklagten Landes war daher zurückzuweisen.

Volltext des Urteils des Bundesarbeitsgerichts: BAG, Urteil vom 18. März 2010 – 6 AZR 156/09

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VonRA Moegelin

Entschädigung wegen diskriminierender Kündigung

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No-discrimination-20110805Eine Vertriebsmitarbeiterin -geschieden mit zwei Kindern- wurde erneut schwanger. Am 4. Juli 2011 bescheinigte ihr Gynäkologe ein sofortiges, generelles Beschäftigungsverbot iSd. § 3 MuSchG. Ihr Arbeitgeber soll verärgert reagiert haben und sie gedrängt haben, weiter zu arbeiten, was sie aber ablehnte. Bei einer späteren Untersuchung wurde festgestellt, dass die Leibesfrucht abgestorben war. Für den damit notwendigen Eingriff wurde die Klägerin für den 15. Juli 2011 ins Krankenhaus einbestellt. Darüber informierte die Klägerin noch am 14. Juli 2011 ihren Arbeitgeber und teilte mit, dass sie nach dem Eingriff wieder zur Verfügung stehe. Dieser verfasste noch am 14. Juli 2011 eine ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 15. August 2011 „aus betriebsbedingten Gründen“ und ließ diese am Abend desselben Tages in den Briefkasten der Klägerin einwerfen.

Ihre hiergegen gerichtete Kündigungsschutzklage war erfolgreich. Für die Revision noch von Bedeutung war ihr Verlangen nach einer angemessenen Entschädigung gemäß § 15 AGG für die Kündigung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wurde, jedoch den Betrag von 3.000,00 Euro nicht unterschreiten darf.

§ 15 AGG regelt wie folgt: (1) Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ist der Arbeitgeber verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitgeber die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. (2) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der oder die Beschäftigte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen.

Bei diskriminierenden Kündigungen ist unbeschadet des § 2 Abs. 4 AGG ein Anspruch auf den Ersatz immaterieller Schäden nach § 15 Abs. 2 AGG grundsätzlich möglich. Die merkmalsbezogene Belastung in Zusammenhang mit dem Ausspruch einer Kündigung führt jedenfalls dann zu einem Entschädigungsanspruch, wenn sie über das Normalmaß hinausgeht (BAG, Urteil vom 12. Dezember 2013 – 8 AZR 838/12).

Der Klägerin steht Schadensersatz wegen Diskriminierung nach § 15 Abs. 2 AGG in Höhe von 3.000,00 € zu. Die Kündigung war nach Ansicht des BAG rechtswidrig, da betriebsbedingte Gründe ersichtlich nur vorgeschoben waren und sie tatsächlich jedoch wegen der Schwangerschaft erfolgte.

Nach den Feststellungen des Gerichts war ihr Arbeitgeber verärgert über das Beschäftigungsverbot wegen der Schwangerschaft und drängte die Klägerin zur Weiterarbeit. Damit ist der Kausalzusammenhang zwischen benachteiligender Behandlung und dem Merkmal „Schwangerschaft/Geschlecht“ des AGG gegeben, da die Benachteiligung an die Schwangerschaft anknüpft bzw. durch diese motiviert ist. Ausreichend ist für einen Ersatzanspruch nach dem AGG ist bereits die Vermutung der Benachteiligung. Besteht eine derartige Vermutung für die Benachteiligung wegen eines Grundes baruhend auf einer diskriminieren Benachteiligung, trägt nach die andere Partei (hier: der Arbeitgeber) die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat. Dieser Beweislast konnte der Arbeitgeber nicht nachkommen.

Darüber hinaus ist die Kündigung „zur Unzeit“ erklärt worden. Die Art der Treuwidrigkeit ist wiederum geschlechtsspezifisch diskriminierend. Der Arbeitgeber hätte Rücksicht nehmen müssen und ihr die Kündigung noch vor dem ihm bekannten Krankenhausaufenthalt zukommen lassen müssen.

Volltext des Urteils des Bundesarbeitsgerichts BAG, Urteil vom 12. Dezember 2013 – 8 AZR 838/12

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VonRA Moegelin

Falsche Beantwortung der Frage nach einer Schwerbehinderung

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LibertyBudget_com-Install-Computer-Software-CDDie Wirksamkeit der Anfechtung und der außerordentlichen Kündigung eines Sofwareunternehmens wegen der Falschbeantwortung einer Arbeitnehmerin zur Frage der Schwerbehinderung lagen dem BAG zur Entscheidung vor. Zudem ging es um den Anspruch auf Entschädigung nach AGG wegen des angeblich diskriminierenden Charakters der Kündigung.

Vor Unterzeichnung des Arbeitsvertrags hatte der beklagte Arbeitgeber, ein Softwareunternehmen, der Klägerin einen Personalfragebogen vorgelegt. Die Frage, ob sie anerkannte Schwerbehinderte oder Gleichgestellte sei, hatte die Klägerin verneint. Die Klägerin war aber tatsächlich als Schwerbehinderte mit einem Grad der Behinderung von 50 anerkannt. Nach Abschluss des Vertrages informierte die Klägerin die Beklagte von der Schwerbehinderung. Daraufhin erklärte die Beklagte die Anfechtung des Arbeitsvertrags wegen arglistiger Täuschung. Zudem kündigte die Beklagte wenig später das Arbeitsverhältnis nach Zustimmung des Integrationsamts mit außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich zum nächstmöglichen Termin.

Das beklagte Softwareunternehmen hat in allen Instanzen verloren, soweit es um die Anfechtung und Kündigung ging. Ihrerseits unterlag auch die Klägerin in allen Instanzen hinsichtlich ihres Zahlungsanspruchs. Die Revisionen hatten daher keinen Erfolg.

Die falsche Beantwortung einer dem Arbeitnehmer bei der Einstellung zulässigerweise gestellten Frage kann den Arbeitgeber dazu berechtigen, den Arbeitsvertrag wegen arglistiger Täuschung anzufechten. Das setzt voraus, dass die Täuschung für den Abschluss des Arbeitsvertrags ursächlich war. Wirkt sich die Täuschung im Arbeitsverhältnis weiterhin aus, kann zudem eine Kündigung gerechtfertigt sein (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 7. Juli 2011 – 2 AZR 396/10).

Auf dieser Grundlage hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass die Anfechtung und Kündigung des Arbeitsvertrags der Klägerin unwirksam sind. Die Klägerin hatte bei der Einstellung die Frage nach dem Bestehen einer Schwerbehinderung unbestritten unzutreffend verneint.

Es bedurte keiner Entscheidung darüber, ob sich der Arbeitgeber nach einer Schwerbehinderung auch dann erkundigen darf, wenn die Behinderung für die Ausübung der vorgesehenen Tätigkeit  – wie hier – ohne Bedeutung ist. Denn die Täuschung hielt das BAG  jedoch nicht ursächlich für den Abschluss des Arbeitsvertrags. Die Beklagte habe ausdrücklich erklärt, sie hätte die Klägerin auch dann eingestellt, wenn diese die Frage wahrheitsgemäß beantwortet hätte. Damit war der durch die Täuschung erregte Irrtum für den Abschluss des Arbeitsvertrags auf Seiten der Beklagten nicht ursächlich gewesen.

Die Beklagte vermochte Anfechtung und Kündigung auch nicht darauf zu stützen, dass die Klägerin sie zugleich über ihre Ehrlichkeit getäuscht habe. Die Annahme der Beklagten, die Klägerin sei ehrlich, beruhte nicht auf deren falscher Antwort. Auf die Frage, ob sich der Arbeitgeber vor der Einstellung nach dem Bestehen einer Schwerbehinderung erkundigen darf, kam es nicht an.

Die Klägerin ihrerseits hat keinen Anspruch auf Entschädigung wegen einer Diskriminierung. Es gab keine ausreichenden Indiztatsachen dafür, dass sie von der Beklagten wegen ihrer Behinderung benachteiligt wurde. Das BAG hat nicht entschieden, ob § 15 AGG bei unzulässig diskriminierenden Kündigungen überhaupt anwendbar ist.

Volltext des Urteils des Bundesarbeitsgerichts: BAG, Urteil vom 7. Juli 2011 – 2 AZR 396/10

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VonRA Moegelin

Keine Entschädigung nach AGG für erfolglose Bewerbung

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applications-officeDas AGG gewährt einem diskriminierten Arbeitnehmer in gewissen Fall-Konstellationen auch in analoger Gesetzesanwendung Entschädigung. Das setzt eine sogenannte planwidrige Regelungslücke voraus. Dieser Problematik lag folgender Fall zugrunde, den das LAG Berlin-Brb. zu entscheiden hatte.

Es ging um die Frage, ob ein Anzeigenleiter nach § 15 AGG analog eine Entschädigung zusteht, weil nach seiner Ansicht sein damaliger Arbeitgeber ihm die Suche nach einem neuen Job erschwert hat.

Betreffender Anzeigenleiter und spätere Kläger war bei der Beklagten bis zum 30. September 2012 als Anzeigenleiter beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete zu diesem Termin nach einer arbeitgeberseitigen Kündigung infolge eines arbeitsgerichtlichen Vergleiches vom 14. Mai 2012. In diesem Vergleich vereinbarten die Parteien unter anderem, dass die Beklagte den Kläger bis zum 30. September 2012 im Impressum der gedruckten und der Online-Ausgaben der Zeitschriften als Anzeigenleiter benennt. Die Beklagte hat diese Vereinbarung unstreitig nicht erfüllt.

In besagtem Zeitraum von rund 5 Monaten (Mai 2012 – September 2012) konnte der Kläger kein neues Arbeitsverhältnis begründen, was er darauf zurückführt, dass sein damaliger Arbeitgeber ihn im Impressum von je zwei gedruckten, bzw. Onlineausgaben von Zeitschriften nicht als Anzeigenleiter benannt hat. Der Kläger führt die Nichtberücksichtigung bei insgesamt 47 Bewerbungen auf die fehlende Nennung im Impressum der beiden Zeitschriften zurück. Es sei gegenüber den potentiellen neuen Arbeitgebern unglaubwürdig, wenn er sich unter Hinweis auf das bis zum 30. September 2012 bestehende Arbeitsverhältnis um ein Arbeitsverhältnis als Anzeigenleiter bei Konkurrenzpublikationen bewerbe und die Publikationen der Beklagten etwas anderes ausweisen würden.

Auch wenn der beklagte Arbeitgeber seinem klagenden Noch-Arbeitnehmer die Möglichkeit erschwert haben sollte, sich auf einen anderen Arbeitsplatz zu bewerben, kommt ein Schadensersatzanspruch gemäß § 15 AGG nicht in Betracht, da kein Merkmal der Diskriminierung gemäß § 1 AGG (Rasse, Geschlecht, Alter etc.) einschlägig war (LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 31. Januar 2014 – 10 Sa 1748/13).

Auch ein Schadensersatzanspruch gemäß § 15 AGG analog scheitert mangels planwidriger Regelungslücke. Hier regelt sich aber der Anspruch des Klägers nach § 280 BGB, wonach der Beklagte bei Vorliegen einer „normalen“ Pflichtverletzung Schadensersatz zu leisten hat, wobei es nicht auf einen diskriminierenden Tatbestand ankommt. Hierzu fehlte es jedoch am ausreichenden Tatsachenvortrag durch den Kläger. Folgerichtig war seine Berufung zurückzuweisen.

Volltext des Urteils des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg: LAG Berlin-Brb, Urteil vom 31. Januar 2014 – 10 Sa 1748/13

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VonRA Moegelin

Kündigung wegen symtomloser HIV-Infektion

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AIDSDas Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) untersagt Diskriminierungen unter anderem. wegen einer Behinderung. Das Bundesarbeitsgericht hatte zu klären, ob eine (bislang) symptomlose HIV-Infektion als Behinderung anzusehen ist, mit der Folge, dass Schadensersatzansprüche nach dem AGG einschlägig sein können.

Der an einer solchen symptomlosen HIV-Infektion erkrankte Kläger wurde vom Arbeitgeber und späteren Beklagten, die intravenös verabreichte Arzneimittel zur Krebsbehandlung herstellt, als Chemisch-Technischer Assistent für eine Tätigkeit im sogenannten Reinraum eingestellt. Anlässlich seiner Einstellungsuntersuchung wenige Tage nach Beginn des Arbeitsverhältnisses wies der Kläger den Betriebsarzt auf seine Infektion hin. Der Arzt äußerte Bedenken gegen einen Einsatz des Klägers im Reinraumbereich und teilte der Beklagten nach Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht die HIV-Infektion des Klägers mit. Noch am selben Tag kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich. Wegen seiner ansteckenden Krankheit könne sie den Kläger nach ihrem internen Regelwerk nicht einsetzen. Der Kläger hat geltend gemacht, er sei behindert. Die Kündigung sei unwirksam, weil sie ihn wegen seiner Behinderung diskriminiere. Er hat außerdem eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG von drei Monatsgehältern wegen seines immateriellen Schadens verlangt.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Auf die Revision des Klägers hat das BAG das Urteil aufgehoben und die Sache zur weiteren Aufklärung an das LAG zurückverwiesen.

Eine Behinderung liegt vor, wenn die körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit eines Menschen langfristig eingeschränkt ist und dadurch – in Wechselwirkung mit verschiedenen sozialen Kontextfaktoren (Barrieren) – seine Teilhabe an der Gesellschaft, wozu auch die Teilhabe am Berufsleben gehört, beeinträchtigt sein kann. Ein Arbeitnehmer, der an einer symptomlosen HIV-Infektion erkrankt ist, ist in diesem Sinn behindert. Auch chronische Erkrankungen können zu einer Behinderung führen. Die gesellschaftliche Teilhabe von HIV-Infizierten ist typischerweise durch Stigmatisierung und soziales Vermeidungsverhalten beeinträchtigt, die auf die Furcht vor einer Infektion zurückzuführen sind. Kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis eines solchen Arbeitnehmers in der gesetzlichen Wartezeit des § 1 KSchG wegen der HIV-Infektion, ist die Kündigung im Regelfall diskriminierend und damit unwirksam, wenn der Arbeitgeber durch angemessene Vorkehrungen den Einsatz des Arbeitnehmers trotz seiner Behinderung ermöglichen kann (BAG, Urteil vom 19. Dezember 2013 – 6 AZR 190/12).

Die Kündigung benachteiligt den Kläger unmittelbar iSd. § 3 Abs. 1 AGG, weil sie Ansicht des BAG in untrennbarem Zusammenhang mit seiner Behinderung steht.

Ob die Kündigung gleichwohl gerechtfertigt ist, steht noch nicht fest. Das Landesarbeitsgericht muss noch aufklären, ob die Beklagte durch angemessene Vorkehrungen den Einsatz des Klägers im Reinraum hätte ermöglichen können. Ist das nicht der Fall, ist die Kündigung wirksam. Ob dem Kläger eine Entschädigung zusteht, hängt davon ab, ob die Kündigung wirksam ist.

Volltext des Urteils des Bundesarbeitsgerichts: BAG, Urteil vom 19. Dezember 2013 – 6 AZR 190/12

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