Schlagwort-Archiv Betriebsrat

VonRA Moegelin

Konsultationsverfahren mit dem Betriebsrat bei Massenentlassungen

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1305531477Schon ab einer Zahl von mehr als 5 Arbeitnehmern die der Arbeitgeber innerhalb eines zusammenhängenden Zeitraums kündigen will, kann formal eine Massenentlassung vorliegen, die der Arbeitsagentur gemäß § 17 Abs. 1 KSchG anzuzeigen ist. Besteht ein Betriebsrat, hat der Arbeitgeber diesen gemäß § 17 Abs. 2 KSchG rechtzeitig Auskünfte zu erteilen und ihn schriftlich zu unterrichten.

Ein Arbeitgeber darf das Konsultationsverfahren nach § 17 Abs. 2 KSchG als beendet ansehen, wenn der Betriebsrat keine weitere Verhandlungsbereitschaft über Maßnahmen zur Vermeidung oder Einschränkung von Massenentlassungen erkennen lässt.

Die Beklagte erbrachte Passagedienstleistungen an Flughäfen. Ihre einzige Auftraggeberin kündigte sämtliche Aufträge zu Ende März 2015. Nach dem Scheitern eines Interessenausgleichs im Dezember 2014 leitete die Beklagte ein Konsultationsverfahren nach § 17 Abs. 2 KSchG ein und entschied Ende Januar 2015, ihren Betrieb zum 31. März 2015 stillzulegen. Nach Erstattung einer Massenentlassungsanzeige (§ 17 Abs. 1 iVm. Abs. 3 KSchG) kündigte sie alle Arbeitsverhältnisse. Die Beklagte entschloss sich, erneut Kündigungen zu erklären, nachdem einige Kündigungsschutzklagen wegen vermeintlicher Mängel im Verfahren nach § 17 KSchG erstinstanzlich erfolgreich gewesen waren. Sie leitete im Juni 2015 ein weiteres Konsultationsverfahren ein und beriet mit dem Betriebsrat über eine mögliche „Wiedereröffnung“ des Betriebs. Eine solche kam für sie allenfalls bei einer Absenkung der bisherigen Vergütungen in Betracht. Der Betriebsrat ließ keine Bereitschaft erkennen, an entsprechenden Maßnahmen mitzuwirken. Daraufhin kündigte die Beklagte – nach einer erneuten Massenentlassungsanzeige – die verbliebenen Arbeitsverhältnisse vorsorglich ein zweites Mal. Die Klägerin hat sich fristgerecht gegen beide Kündigungen gewandt und hilfsweise einen Nachteilsausgleich (§ 113 Abs. 3 iVm. Abs. 1 BetrVG) verlangt. Das Landesarbeitsgericht hat beide Kündigungen für unwirksam erachtet.

Die Revision der Beklagten hatte vor dem Zweiten Senat des Bundesarbeitsgerichts nur teilweise Erfolg. Die erste Kündigung ist gemäß § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG iVm. § 134 BGB nichtig. Die Beklagte hat in der diesbezüglichen Massenentlassungsanzeige den Stand der Beratungen mit dem Betriebsrat nicht korrekt dargelegt. Hingegen ist die zweite Kündigung wirksam. Die Beklagte hat das erforderliche Konsultationsverfahren auch unter Beachtung der unionsrechtlichen Vorgaben ordnungsgemäß durchgeführt. Sie hat dem Betriebsrat alle erforderlichen Auskünfte erteilt, um auf ihren Entschluss, an der Betriebsstilllegung festzuhalten, einwirken zu können. Die Beklagte durfte die Verhandlungen als gescheitert ansehen. Da sie seit April 2015 keinen Betrieb mehr unterhielt, hat sie die zweite Massenentlassungsanzeige zu Recht bei der für den Unternehmenssitz zuständigen Agentur für Arbeit erstattet. Die zweite Kündigung war auch nicht aus anderen Gründen unwirksam. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Nachteilsausgleich. Die Beklagte hat den Betriebsrat ordnungsgemäß über die beabsichtigte Betriebsstilllegung unterrichtet und nach dem Scheitern ihrer Verhandlungen die Einigungsstelle angerufen.

(Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 22. September 2016 – BAG 2 AZR 276/16; Pressemitteilung Nr. 52/16)

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VonRA Moegelin

Einsicht in die Personalakten unter Hinzuziehung eines Rechtsanwalts

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tomas_arad_folderDer Arbeitnehmer hat das Recht, in die über ihn geführten Personalakten Einsicht zu nehmen und hierzu ein Mitglied des Betriebsrats hinzuzuziehen (§ 83 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BetrVG). Das BAG hatte zu entscheiden, ob die Regelung begründet auch einen Anspruch des Arbeitnehmers auf Einsichtnahme unter Hinzuziehung eines Rechtsanwalts begründet.

Der Kläger ist nach einem Betriebsübergang bei der Beklagten als Lagerist beschäftigt. Die bisherige Arbeitgeberin des Klägers hatte diesem eine Ermahnung erteilt und seinen Antrag, unter Hinzuziehung einer Rechtsanwältin Einsicht in seine Personalakten zu nehmen, unter Hinweis auf ihr Hausrecht abgelehnt. Allerdings hatte sie dem Kläger gestattet, Kopien von den Schriftstücken in seinen Personalakten zu fertigen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und angenommen, das Einsichtsrecht des Arbeitnehmers in seine Personalakten sei in § 83 BetrVG ausschließlich und abschließend geregelt.

Die Revision des Klägers hatte vor dem Neunten Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg.

Die bisherige Arbeitgeberin hat dem Kläger gestattet, für sich Kopien der in seinen Personalakten befindlichen Dokumente anzufertigen. An diese Erlaubnis ist die Beklagte gebunden (§ 613a Abs. 1 Satz 1 BGB). Der Kläger hat damit ausreichend Gelegenheit, anhand der gefertigten Kopien den Inhalt der Personalakten mit seiner Rechtsanwältin zu erörtern.

§ 83 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BetrVG begründet damit keinen Anspruch des Arbeitnehmers auf Einsichtnahme unter Hinzuziehung eines Rechtsanwalts. Ein solcher Anspruch des Arbeitnehmers folgt jedenfalls dann weder aus der Rücksichtspflicht des Arbeitgebers (§ 241 Abs. 2 BGB) noch aus dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG), wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer erlaubt, für sich Kopien von den Schriftstücken in seinen Personalakten zu fertigen. In diesem Fall ist dem einem Beseitigungs- oder Korrekturanspruch vorgelagerten Transparenzschutz genügt, dem das Einsichtsrecht des Arbeitnehmers in die Personalakten dient.

(Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 12. Juli 2016 – BAG 9 AZR 791/14; Pressemitteilung Nr. 36/16)

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Zugang zum Internet und Telefonanschluss für den Betriebsrat

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generic-office-desktopMöchte der Betriebsrat ins Internet oder telefonieren, so muss er das vom Arbeitgeber bereitgestellte System nutzen. Der Arbeitgeber ist grundsätzlich weder dazu verpflichtet, dem Betriebsrat unabhängig von seinem Netzwerk einen Zugang zum Internet zur Verfügung zu stellen, noch muss er für den Betriebsrat einen von seiner Telefonanlage unabhängigen Telefonanschluss einrichten.

Nach § 40 Abs. 2 BetrVG hat der Arbeitgeber dem Betriebsrat in erforderlichem Umfang ua. Informations- und Kommunikationstechnik zur Verfügung zu stellen. Der Betriebsrat kann einen Telefonanschluss und, sofern berechtigte Belange des Arbeitgebers nicht entgegenstehen, die Eröffnung eines Internetzugangs und die Einrichtung eigener E-Mail-Adressen verlangen, ohne deren Erforderlichkeit zur Wahrnehmung konkret anstehender betriebsverfassungsrechtlicher Aufgaben darlegen zu müssen. Diese Ansprüche kann der Arbeitgeber dadurch erfüllen, dass er dem Betriebsrat im Rahmen des im Betrieb bestehenden Informations- und Kommunikationssystems einen Telefonanschluss zur Verfügung stellt sowie einen Internetzugang und E-Mail-Verkehr über ein Netzwerk vermittelt, das für alle Arbeitsplätze des Unternehmens einheitlich genutzt wird. Allein wegen der abstrakten Gefahr einer missbräuchlichen Ausnutzung der technischen Kontrollmöglichkeiten durch den Arbeitgeber darf der Betriebsrat einen separaten Telefonanschluss sowie Internetzugang nicht für erforderlich halten.

Wie in den Vorinstanzen blieben die Anträge des Betriebsrats auf Einrichtung eines vom Proxy-Server des Arbeitgebers unabhängigen Internetzugangs sowie auf einen von seiner Telefonanlage unabhängigen Telefonanschluss beim Siebten Senat des Bundesarbeitsgerichts erfolglos.

(Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 20. April 2016 – BAG 7 ABR 50/14; Pressemitteilung Nr. 18/16)

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VonRA Moegelin

Mitbestimmung bei der Organisation des betrieblichen Arbeitsschutzes

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Leomarc-safety-signsDie Arbeitgeberin in dem hier zugrunde liegenden Fall betreibt ein Unternehmen, das sich unter anderem mit der Installation und der Wartung von Aufzügen befasst. Mit Schreiben vom 16. September 2010 übertrug sie in ihrem Hamburger Betrieb ihr obliegende Pflichten des Arbeitsschutzes für die gewerblichen Arbeitnehmer auf die dort beschäftigten Meister. Zugleich gab sie diesen auf, die entsprechenden Aufgaben und Verantwortlichkeiten auf die ihnen unterstellten Mitarbeiter mit Vorgesetztenstellung zu delegieren. Den Betriebsrat beteiligte sie hierbei nicht. Dieser hat geltend gemacht, er habe bei der Schaffung einer Organisation zum betrieblichen Arbeitsschutz mitzubestimmen.

Das Landesarbeitsgericht hat dem Feststellungsantrag des Betriebsrats entsprochen. Die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin hatte vor dem Ersten Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg.

Beabsichtigt der Arbeitgeber zur Planung und Durchführung erforderlicher Maßnahmen des Arbeitsschutzes nach § 3 Abs. 2 ArbSchG eine geeignete Organisation aufzubauen und ausgewählten Arbeitnehmern hierbei näher bezeichnete Aufgaben zu übertragen, hat der Betriebsrat nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG mitzubestimmen.

Nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG hat der Betriebsrat bei betrieblichen Regelungen über den Gesundheitsschutz mitzubestimmen, wenn der Arbeitgeber diese aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Rahmenvorschrift zu treffen hat und ihm bei der Gestaltung Handlungsspielräume verbleiben. Mit dem Schreiben vom 16. September 2010 hat die Arbeitgeberin eine zur Durchführung des betrieblichen Arbeitsschutzes geeignete Organisation mit näher bezeichneten Aufgaben und Verantwortlichkeiten geschaffen. Hierfür schreibt das Arbeitsschutzgesetz dem Arbeitgeber kein bestimmtes Modell vor. Es bestimmt lediglich einen Rahmen für die Entwicklung einer an den betrieblichen Gegebenheiten ausgerichteten Organisation. Die hierdurch eröffneten Gestaltungsmöglichkeiten unterliegen der Mitbestimmung des Betriebsrats.

(Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 18. März 2014 – 1 ABR 73/12; vgl. Pressemitteilung Nr. 11/14)

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Pflicht zum Tragen einer dienstlichen Krawatte bei hohen Temperaturen

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father-day01-300pxFür die Mitarbeiter einiger Filialen der Postbank soll laut einer Betriebsvereinbarung bei über 30 Grad Raumtemperatur keine Pflicht zum Tragen von Krawatten bestehen. Das LAG Stuttgart hatte nun zu entscheiden, ob hier der Gesamtbetriebsrat regelungszuständig war, was die Unwirksamkeit der Betirebsvereinbarung zur Folge hätte.

Die Postbank Filialvertrieb AG und die Postbank Filial GmbH (Arbeitgeberin) führen für den Bereich Stuttgart mit insgesamt 86 Filialen, der sich räumlich über Teile von Baden-Württemberg und Bayern erstreckt, einen Gemeinschaftsbetrieb, in welchem ein örtlicher Betriebsrat gebildet ist. Zum Thema Gesundheitsschutz/Raumklima bildeten die Betriebspartner eine Einigungsstelle. Diese Einigungsstelle entschied, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei Kältebelastungen in den Arbeitsräumen von unter 17 Grad berechtigt sind, an die Dienstkleidung angepasste Pullover oder Westen zu tragen. Bei Raumtemperaturen über 30 Grad sollen die Mitarbeiter berechtigt sein, auf das Tragen von Krawatten zu verzichten.

Unternehmensweit besteht zwischen der Arbeitgeberin und dem Gesamtbetriebsrat eine Gesamtbetriebsvereinbarung zur Unternehmensbekleidung, die die Mitarbeiter zum Tragen im Einzelnen vorgeschriebener Unternehmensbekleidung verpflichtet. Zu einer kompletten Unternehmensbekleidung gehört mindestens Hemd/Bluse sowie Hose/Rock und Krawatte.

Die Arbeitgeberin focht den Spruch der Einigungsstelle beim Arbeitsgericht an. Sie begehrte die Feststellung, dass die oben benannte Regelung zur Berechtigung zum Tragen von Pullovern und das Lockern der Krawatten unwirksam sei. Sie meinte, der Betriebsrat habe auch im Rahmen des Gesundheitsschutzes keine Regelungszuständigkeit über Unternehmensbekleidung. Diese stehe ausschließlich dem Gesamtbetriebsrat zu.

Das Arbeitsgericht entsprach dem Antrag der Arbeitgeberin mit Beschluss vom 28.05.2015. Hiergegen legte der Betriebsrat Beschwerde beim Landesarbeitsgericht ein. Der Gesamtbetriebsrat wurde am Verfahren beteiligt.

Die 4. Kammer des Landesarbeitsgerichts hat mit Beschluss vom 21.10.2015 die Entscheidung des Arbeitsgerichts abgeändert und die Anträge der Arbeitgeberin zurückgewiesen.

Das Landesarbeitsgericht geht davon aus, dass der Gesamtbetriebsrat regelungszuständig war für die Frage einer einheitlichen Unternehmensbekleidung gem. § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. Auch ist das Landesarbeitsgericht der Auffassung, dass dem örtlichen Betriebsrat eine Regelungszuständigkeit für Fragen des Gesundheitsschutzes bei hohen oder niedrigen Raumtemperaturen zustand gem. § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG.

Das Landesarbeitsgericht kann jedoch anders als das Arbeitsgericht und entgegen der Rechtsauffassung der Arbeitgeberin vorliegend keinen Anwendungsfall des sog. Grundsatzes der Zuständigkeitstrennung erkennen, welcher besagt, dass innerhalb eines Mitbestimmungstatbestandes des Betriebsverfassungsgesetzes nur ein Gremium regelungszuständig sein kann. Vielmehr handelt sich um zwei verschiedene Mitbestimmungstatbestände, die lediglich in einem kleinen Teilbereich der Arbeitsbekleidung Überschneidungen haben. Diese überschneidende Zuständigkeit des Betriebsrats ist hinzunehmen, zumal die einheitliche Bekleidungsordnung als solche vom Betriebsrat nicht in Frage gestellt wird.

Die Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht wurde zugelassen.

(Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 21.10.2015 – 4 TaBV 2/15, vgl. Pressemitteilung vom 21.10.2015)

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Massenentlassung von Arbeitnehmern

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New-Year-Sports-1-2015010741Massenentlassungen sorgen oft für großes Aufsehen in den Medien, wie z.B. im Fall von Schlecker. Der Insolvenzverwalter erklärte die Kündigung für rund 10.000 Mitarbeiter. Der Arbeitgeber hat im Fall von Massenentlassungen die Verfahrensvorschriften gemäß §§ 17 ff. KSchG zu beachten. Der Begriff „Entlassung“ in § 17 Abs. 1 KSchG bedeutet „Kündigung“ oder „Ausspruch der Kündigung“ (BAG, Urteil vom 23. März 2006 – 2 AZR 343/05 – Rn. 18).

Schon ab 5 zu entlassenden Arbeitnehmern kommt eine „Massen“-Entlassung per Gesetz in Betracht. Vor der geplanten Entlassung muss der Arbeitgeber der Agentur für Arbeit hierüber Anzeige erstatten, bevor er z.B. in Betrieben mit in der Regel mehr als 20 und weniger als 60 Arbeitnehmern mehr als 5 Arbeitnehmer, innerhalb von 30 Kalendertagen entläßt. In § 17 Abs. KSchG finden sich weitere Staffelungen.

Massenentlassungen erfolgen üblicherweise in großen Betrieben, die meist auch einen Betriebsrat haben. In diesem Fall hat der Arbeitgeber dem Betriebsrat rechtzeitig die zweckdienlichen Auskünfte zu erteilen und ihn schriftlich insbesondere zu unterrichten über die Gründe für die geplanten Entlassungen, die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenden und der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer, den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen, die vorgesehenen Kriterien für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer und die für die Berechnung etwaiger Abfindungen vorgesehenen Kriterien. Mitbestimmen kann der Betriebsrat jedoch nicht.

Soweit die Entlassungen nicht innerhalb von 90 Tagen nach dem Zeitpunkt, zu dem sie nach den Absätzen 1 und 2 zulässig sind, durchgeführt werden, bedarf es unter den Voraussetzungen des § 17 Abs. 1 einer erneuten Anzeige.

Eine „erneute Anzeige“ im Sinne von § 18 Abs. 4 KSchG ist nicht erforderlich, wenn Kündigungen nach einer ersten Anzeige vor Ablauf der Freifrist ausgesprochen werden, die Arbeitsverhältnisse wegen langer Kündigungsfristen aber erst nach Ablauf der Freifrist enden (BAG, Urteil vom 23. Februar 2010 – 2 AZR 268/08).

Das BAG führt in besagter Entscheidung aus, dass es einer erneuten Anzeige nach § 18 Abs. 4 KSchG schon deshalb nicht bedarf, da sie nur „unter den Voraussetzungen des § 17 Abs. 1 KSchG“ notwendig ist. Hierzu gehört, dass der Arbeitgeber den Ausspruch einer Massenkündigung beabsichtigt. Nur wenn er entsprechende Willenserklärungen abgeben will, bedarf es der Anzeige nach § 17 Abs. 1 KSchG. Daran fehlt es, wenn der Arbeitgeber nach Ablauf der sogenannten Freifrist nicht mehr den Ausspruch von Kündigungen beabsichtigte. Dafür besteht kein Anlass, wenn er bereits gekündigt hatte. Ein anderes Verständnis der gesetzlichen Anordnung in § 18 Abs. 4 KSchG würde den Arbeitgeber zum erneuten Ausspruch einer Kündigung zwingen, was die Bestimmung erkennbar nicht beabsichtigt. Es käme ansonsten bei Kündigungsfristen, die länger als die Freifrist sind, zu einer unendlichen Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses.

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