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VonRA Moegelin

Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch das Gericht wegen leichtfertiger Verdächtigungen

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warning-14Das Arbeitsgericht kann auf Antrag des Arbeitnehmers das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung auflösen, was in diesem Fall durch unglückliches Agieren des Arbeitgeber-Anwalts erfolgte.  Eine Voraussetzung der Abfindung ist die Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses. Inwieweit leichtfertige Verdächtigungen durch den Arbeitgebers hinsichtlich angeblicher Straftaten durch den Arbeitnehmer die Unzumutbarkeit begründen, hatte das Landesarbeitsgericht Mainz zu entscheiden.

Ein seit rund 6 Jahren als Lkw-Fahrer und Monteur beschäftigter Arbeitnehmer erhielt eine Kündigung, aus betriebsbedingten Gründen. Im Kündigungsschutzverfahren erklärte der beklagte Arbeitgeber schriftsätzlich, die Kündigung zurückzunehmen.

Zum Prozesskostenhilfeantrag des Klägers nahm die Beklagte unter anderem wie folgt Stellung: „Der Kläger neigt zu wahrheitswidrigen betrügerischen Angaben. Anlässlich einer Arbeitsunfähigkeit im Herbst hat er bei der Beklagten angegeben, ihm sei der  Küchenschrank auf den Brustkorb gefallen. Tatsächlich wurde der Kläger bei seiner Nebentätigkeit als Türsteher von einem Dritten verletzt. Ihm ist offensichtlich „ein ganz anderer Schrank“ auf den Brustkorb gefallen. Der Kläger hat sich damit seine Lohnfortzahlung erschlichen. Durch seine unwahren Angaben hat der Kläger der Beklagten die Möglichkeit des Forderungsübergangs betreffend der Dritthaftung gemäß § 6 Entgeltfortzahlungsgesetz genommen. Die Beklagte wird einen Regress gegenüber diesem Schädiger geltend machen.“

Im Kammertermin wurde wie folgt zu Protokoll gegeben: „Der Beklagtenvertreter erklärt, die Beklagte habe ihm gestern in einem Gespräch noch einmal ausdrücklich erklärt, er möge darauf hinweisen, dass die Information über die Nebentätigkeit des Klägers als Türsteher und dessen Gewerbeanmeldung von ihr, der Beklagten, stamme, die schriftsätzlich vorgetragene Neigung des Klägers zu wahrheitswidrigen betrügerischen Angaben hingegen nicht, sondern es sich dabei um eine rechtliche Wertung der Prozessbevollmächtigten der Beklagten handele. Auch der Vorwurf des Erschleichens der Lohnfortzahlung stamme nicht von der Beklagten, sondern stelle ebenfalls eine rechtliche Wertung von ihren Prozessbevollmächtigten dar.“

Die Beklagte weist darauf hin, dass keinerlei Sanktionen gegenüber dem Kläger eingeleitet worden seien.

Das Arbeitsgericht Trier hat festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung aufgelöst wurde, aber durch Antrag des Klägers gemäß § 9 KSchG aufgelöst wurde. Und es hat die Beklagte verurteilt, an den Kläger eine Abfindung in Höhe von 9.000,00 € brutto zu zahlen. Die hiergegen gerichtete Berufung hat das LAG Mainz zurückgewiesen.

Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 KSchG hat das Arbeitsgericht auf Antrag des Arbeitnehmers dann, wenn es festgestellt hat, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung des Arbeitgebers nicht aufgelöst, die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses dem Arbeitnehmer jedoch nicht zuzumuten ist, das Arbeitsverhältnis aufzulösen und den Arbeitgeber zur Zahlung einer angemessenen Abfindung zu verurteilen.

Als Auflösungsgründe kommen nur solche Umstände in Betracht, die in einem inneren Zusammenhang mit der vom Arbeitgeber erklärten sozialwidrigen Kündigung stehen oder die im Laufe des Kündigungsschutzrechtsstreits, z.B. wenn der Arbeitgeber leichtfertig und ohne Vorhandensein objektiver Tatsachen einen Arbeitnehmer verdächtigt, eine Straftat begangen zu haben.

Die Beklagte hat mit oben zitiertem Schriftsatz Vorwürfe erhoben, die das Gericht als ehrverletzend und durch keinerlei tatsächliche Umstände näher substantiiert einstuft, so dass Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses vorliegt und eine Abfindung von 9.000,00 € rechtfertigt.

Die Erklärung des Prozessvertreters, infolge einer verstimmten Rückmeldung seiner Mandantschaft, habe er ausdrücklich zu Protokoll erklärt, bei den Äußerungen der Erschleichung der Lohnfortzahlung und der Neigung zu wahrheitswidrigen betrügerischen Angaben handele es sich nicht um Äußerungen der Beklagten, sondern lediglich und ausschließlich um Äußerungen der prozessbevollmächtigten Rechtsanwältin, ändert daran nichts, wie das Gericht ausführt: Denn zum einen hat die Prozessbevollmächtigte die vorgenannten Äußerungen im Rahmen eines für die Beklagte verfassten und abgegebenen Schriftsatzes getätigt. Sie sind der von ihr vertretenen Partei, also der Beklagten, nach § 85 ZPO zuzurechnen. Hinzu kommt entscheidend, dass die Beklagte diese Äußerung über Monate hinweg hat im Raum stehen lassen, also ohne weiteres auch gebilligt hat. Diese Vorwürfe, ob sie nun, im Betrieb der Beklagten Allgemeingut geworden sind oder nicht, genügen vollauf, um eine Vertrauensbasis für eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses als nicht gegeben anzusehen und den Auflösungsantrag für begründet zu erachten. Dabei ist insbesondere auch zu berücksichtigen, dass es sich um Ausführungen der Beklagten im Rahmen einer betriebsbedingten Arbeitgeberkündigung (!) handelt, noch dazu im Rahmen eines die Beklagte unmittelbar rechtlich gar nicht betreffenden Nebenverfahren, nämlich dem Prozesskostenhilfebewilligungsverfahren. Wie vor diesem Hintergrund eine gedeihliche Zusammenarbeit vorstellbar sein soll, erschließt sich nicht.

Soweit die Beklagte darauf hinweist, es seien keinerlei Sanktionen gegenüber dem Kläger eingeleitet worden, sei die Herabwürdigung eines Arbeitnehmers gegenüber dem Gericht ausreichend, um von der Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auszugehen.

Aus der protokollierten Erklärung des Beklagtenvertreters im Kammertermin geht nach Ansicht des Gerichts hervor, dass er sich nicht nachvollziehbar von seinen Äußerungen distanziert habe, auch wenn starke, eindringliche Ausdrücke und sinnfällige Schlagworte benutzt werden können, um die eigene Rechtsposition zu unterstreichen, aber eben nur in den Grenzen der Wahrheitspflicht. Insbesondere dürfen nicht leichtfertig Tatsachenbehauptungen aufgestellt werden, deren Unhaltbarkeit -wie hier- ohne weiteres auf der Hand liegt.

Volltext des Urteils des Landesarbeitsgerichts Mainz: LAG Mainz, Urteil vom 11. Dezember 2014 – 3 Sa 556/14

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