Schlagwort-Archiv Arbeitsleistung

VonRA Moegelin

Transparenzgebot bei Ausschluss von Ãœberstundenabgeltung

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manio1-Clock-14Der Arbeitnehmer muss bereits bei Vertragsschluss erkennen können, was „auf ihn zukommt“. Ob der vertragliche Ausschluss jeder zusätzlichen Vergütung von Mehrarbeit diesem Transparenzgebot genügte, lag dem BAG zur Entscheidung vor.

Der Kläger war als Lagerleiter zu einem monatlichen Bruttoentgelt von 1.800,00 Euro bei der beklagten Spedition tätig. Im Arbeitsvertrag hatten die Parteien eine wöchentliche Arbeitszeit von 42 Stunden vereinbart. Bei betrieblichem Erfordernis sollte der Kläger ohne besondere Vergütung zu Mehrarbeit verpflichtet sein. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses verlangt der Kläger Vergütung für 968 geleistete Überstunden.

Im Arbeitsvertrag heißt es auszugsweise: „4. 3. Der Arbeitnehmer .. ist bei betrieblicher Erfordernis auch zur Mehrarbeit sowie Sonntags- und Feiertagsarbeit verpflichtet. 4. 4. Der Arbeitnehmer erhält für die Über- und Mehrarbeit keine weitergehende Vergütung. …“

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr hinsichtlich der 968 Überstunden stattgegeben. Das Bundesarbeitsgericht hat die Revision der Beklagten zurückgewiesen.

Bei Fehlen einer (wirksamen) Vergütungsregelung verpflichtet § 612 Abs. 1 BGB den Arbeitgeber, geleistete Mehrarbeit zusätzlich zu vergüten, wenn diese den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist. Eine entsprechende objektive Vergütungserwartung ist regelmäßig gegeben, wenn der Arbeitnehmer kein herausgehobenes Entgelt bezieht(Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 22. Februar 2012 – 5 AZR 765/10).

Die Beklagte schuldet dem Kläger nach § 612 Abs. 1 BGB Überstundenvergütung. Angesichts der Höhe des vereinbarten Bruttoentgelts war die Leistung von Überstunden nur gegen eine zusätzliche Vergütung zu erwarten. Der vertragliche Ausschluss jeder zusätzlichen Vergütung von Mehrarbeit war wegen Intransparenz nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam. Der Arbeitsvertrag lässt aus der Sicht eines verständigen Arbeitnehmers nicht erkennen, welche Arbeitsleistung der Kläger für das regelmäßige Bruttoentgelt schuldete. Er konnte bei Vertragsschluss nicht absehen, was auf ihn zukommen würde.

Die Parteien haben zwar in Tz. 4. 4. des Arbeitsvertrags bestimmt, dass der Kläger für Über- und Mehrarbeit keine gesonderte Vergütung erhalte. Diese Regelung ist jedoch nach Ansicht des BAG nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam, weil sie nicht klar und verständlich ist, § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.

Die Rechtsprechung hält eine die pauschale Vergütung von Ãœberstunden regelnde Klausel nur dann für klar und verständlich, wenn sich aus dem Arbeitsvertrag selbst ergibt, welche Arbeitsleistungen in welchem zeitlichen Umfang von ihr erfasst werden sollen. Der Arbeitnehmer muss bereits bei Vertragsschluss erkennen können, was gegebenenfalls „auf ihn zukommt“ und welche Leistung er für die vereinbarte Vergütung maximal erbringen muss.

Das BAG führt wie folgt aus: Die Klausel Tz. 4. 4. soll Arbeitsstunden erfassen, die die vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit von 42 Stunden überschreiten. Dabei sind bereits die Voraussetzungen, unter denen Ãœberstunden zu leisten sein sollen, nur vage umschrieben. Tz. 4. 3. des Arbeitsvertrags nennt als Bedingung „bei betrieblicher Erfordernis“, ohne diese näher zu konkretisieren. Ãœberhaupt nicht ist der mögliche Umfang der geschuldeten Ãœber- und Mehrarbeit geregelt. Damit ist die vom Kläger ohne eine weitere Vergütung zu leistende Arbeit weder bestimmt noch bestimmbar. Insbesondere lässt sich weder der Klausel selbst noch den arbeitsvertraglichen Bestimmungen im Ãœbrigen eine Begrenzung auf die gemäß § 3 ArbZG zulässige Höchstarbeitszeit entnehmen. Die Verwendung des Begriffspaares „Ãœber- und Mehrarbeit“ in Tz. 4. 4. des Arbeitsvertrags deutet im Gegenteil darauf hin, dass auch eine Ãœberschreitung der gesetzlichen Höchstarbeitszeit von der Klausel erfasst sein soll.

Volltext des Urteils des Bundesarbeitsgerichts: BAG, Urteil vom 22. Februar 2012 – 5 AZR 765/10

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VonRA Moegelin

Krankheitsbedingte Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen

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cgbug-Halloween-Tombstone-Angry-FaceEine Hilfsgärtnerin wehrte sich gegen die außerordentliche Kündigung ihrer Arbeitgeberin die Friedhöfe betreibt. In den letzten rund 11 Jahren war die Klägerin wegen unterschiedlicher Erkrankungen wiederholt arbeitsunfähig. Sie stellte sich mehrfach beim Personalärztlichen Dienst vor, der ihr stets eine positive Prognose attestierte. Zuletzt war die Klägerin in der Zeit vom 16.11.11 bis zum 19.12.11 arbeitsunfähig erkrankt.

Mit Schreiben vom 9.12.11 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie nunmehr abschließend entschieden habe, das Arbeitsverhältnis zu kündigen. Gleichzeitig unterbreitete sie ihr ein Angebot zum Abschluss eines Aufhebungsvertrags. Dieses halte sie bis zum 06.01.12 aufrecht. Die Klägerin nahm das Angebot nicht an. Am 16.01.12 beantragte die Beklagte beim Personalrat die Zustimmung zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung unter Einhaltung einer sozialen Auslauffrist. Der Personalrat teilte mit Schreiben vom 19.01.12 mit, dass er seine Zustimmung verweigert habe. Mit Schreiben vom 02.02.12 rief die Beklagte die Einigungsstelle an. Diese ersetzte die Zustimmung am 27.03.12.

Noch am selben Tag kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien außerordentlich, hilfsweise zum nächstmöglichen Zeitpunkt. Die Vorinstanzen haben der hiergegen gerichteten Klage stattgegeben. Das BAG hat die Revision der Beklagten zurückgewiesen.

Häufige Kurzerkrankungen können ein Dauertatbestand sein, der den Lauf der Frist des § 626 Abs. 2 BGB ständig neu in Gang setzt, sobald und solange wie sie den Schluss auf eine dauerhafte Krankheitsanfälligkeit zulassen und damit eine negative Gesundheitsprognose begründen (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23. Januar 2014 – 2 AZR 582/13).

Nach der Rechtsprechung gilt bei Dauertatbeständen, die dadurch gekennzeichnet sind, dass sich der Kündigungssachverhalt und seine betrieblichen Auswirkungen fortwährend neu verwirklichen, dass sich der Fristbeginn nach § 626 Abs. 2 BGB nicht eindeutig fixieren lässt. Liegt ein solcher Tatbestand vor, reicht es zur Fristwahrung aus, dass die Umstände, auf die der Arbeitgeber die Kündigung stützt, auch noch bis mindestens zwei Wochen vor Zugang der Kündigung gegeben waren. Maßgebend ist vielmehr allein, ob der Kündigungsgrund, dh. die auf der fortbestehenden Krankheitsanfälligkeit beruhende negative Prognose sowie die sich daraus ergebende erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen, noch bis mindestens zwei Wochen vor Zugang der Kündigung fortbestanden hat. Eine Unterbrechung der Arbeitsunfähigkeit steht dem nicht zwangsläufig entgegen. Der Dauertatbestand endet erst, wenn der Kündigungsgrund als solcher entfällt.

Die Mitteilung der Beklagten, sie „habe nunmehr abschließend entschieden“, das Arbeitsverhältnis zu kündigen, ändere nichts daran, dass sich auch dann der Kündigungsgrund, sollte er bestehen, fortlaufend neu verwirklicht. Daraus ließe sich nicht entnehmen, die Beklagte werde nach Ablauf weiterer zwei Wochen aus den krankheitsbedingten Fehlzeiten der Klägerin keine arbeitsrechtlichen Konsequenzen mehr ziehen. Aus dem gleichzeitig unterbreiteten und bis zum 6. Januar 2012 aufrecht erhaltenen Auflösungsangebot konnte die Klägerin ersehen, dass die Beklagte vor diesem Zeitpunkt eine Kündigung nicht erklären würde. Da die Beklagte den Personalrat bereits am 16. Januar 2012 um Zustimmung zur nunmehr beabsichtigten Kündigung ersucht hat, durfte die Klägerin auch nach dem Ablauf der Frist zur Annahme des Angebots am 6. Januar nicht darauf vertrauen, die Beklagte werde von einer Kündigung Abstand nehmen. Nach alldem ist der Kündigungsgrund nicht entfallen, so dass die Beklagte die Frist des § 626 Abs. 2 BGB eingehalten hat.

Es fehlt nach Ansicht des BAG aber an einer negativen Gesundheitsprognose. Der Verlauf der krankheitsbedingten Fehlzeiten rechtfertige nicht die Prognose, die Klägerin werde künftig im gleichen Maße fehlen wie in den vergangenen mehr als zehn Jahren. Ebenso erscheint die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht unzumutbar. Die künftig zu erwartenden Fehlzeiten der Klägerin führen auch dann nicht zu einer unzumutbaren wirtschaftlichen Belastung der Beklagten, wenn diese für sämtliche Krankheitszeiten das Entgelt fortzahlen müsste. Der Jahreslohnsumme auf Seiten der Beklagten stehe nach wie vor eine nennenswerte Arbeitsleistung auf Seiten der Klägerin gegenüber.

Volltext des Urteils des Bundesarbeitsgerichts:  BAG, Urteil vom 23. Januar 2014 – 2 AZR 582/13

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VonRA Moegelin

Anrechnung von Arbeitslosengeld auf Karenzentschädigung

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CoD-fsfe-Sign-iconOb der Anspruch auf Karenzentschädigung aus einem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot auf das Arbeitslosengeld angerechnet werden kann, hatte das Bundesarbeitsgericht auf die Klage eines gekündigten Außendienstmitarbeiters zu entscheiden.

Er hatte mit seinem damaligen Arbeitgeber eine Wettbewerbsvereinbarung geschlossen, die auszusweise wie folgt regelt:

„Der Arbeitnehmer verpflichtet sich, während der Dauer von einem Jahr nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht … für ein Unternehmen tätig zu werden, welches mit dem Arbeitgeber in …Wettbewerb steht …Der Arbeitgeber zahlt dem Arbeitnehmer für die Dauer des Wettbewerbsverbots eine Entschädigung in Höhe von 50 % der zuletzt von ihm bezogenen Leistungen…Auf die Entschädigung ist anderweitiger Erwerb sowie böswillig unterlassener Erwerb nach Maßgabe des HGB anzurechnen. …“

Der Kläger erhielt nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses Arbeitslosengeld iHv. monatlich rund 1.500 €. Die Beklagte rechnete auf die Karenzentschädigung das um fiktive Lohnsteuer, Solidaritätszuschlag und Arbeitnehmeranteil zur Sozialversicherung erhöhte Arbeitslosengeld des Klägers an, soweit es zusammen mit der Hälfte der letzten Bruttovergütung den Betrag von 3. 536, 50 Euro (110 % der letzten Bruttovergütung) überstieg. Sie brachte für zehn Monate insgesamt 1.106 € in Abzug.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm stehe die volle Karenzentschädigung zu und hat diesen Betrag gerichtlich geltend gemacht. Er hat in allen Instanzen Recht bekommen. Die Revison seines ehemaligen Arbeitgebers hat das Bundesarbeitsgericht zurückgewiesen.

Erwerb aus der Verwertung der Arbeitskraft sind alle geldwerten Leistungen zur Abgeltung der Arbeitsleistung. Anzurechnen sind damit grundsätzlich Arbeitsentgelt und Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit. In beiden Fällen handelt es sich um den Ertrag aus persönlichem Arbeitseinsatz, der erst durch die Beendigung des vorherigen Arbeitsverhältnisses möglich geworden ist. Der Bezug von Arbeitslosengeld nach § 117 ff. SGB III beruht nicht auf der Verwertung der Arbeitskraft. Arbeitslosengeld ist ein Lohnersatz und wird von der Solidargemeinschaft der Versicherten und der Wirtschaft als Sozialleistung aufgebracht; diese ist nicht Gegenleistung verwerteter, also tatsächlich erbrachter Arbeit (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 14. September 2011 – 10 AZR 198/10).

Die Beklagte war somit nicht berechtigt, das vom Kläger bezogene Arbeitslosengeld nach § 74c Abs. 1 Satz 1 HGB auf die vertraglich vereinbarte Karenzentschädigung anzurechnen.

Das BAG hat offen gelassen, ob eine Anrechnung, unteren durch analoge Anwendung von § 74c Abs. 1 Satz 1 HGB dennoch in Betracht kommt. Die Einkünfte des Klägers aus Karenzentschädigung und ausgezahltem Arbeitslosengeld erreichen die Anrechnungsgrenze des § 74c Abs. 1 Satz 1 HGB (mehr als ein Zehntel der zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen) nicht.

Volltext des Urteils des Bundesarbeitsgerichts: BAG, Urteil vom 14. September 2011 – 10 AZR 198/10

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VonRA Moegelin

Verpflichtung des Arbeitnehmers zur Nutzung einer elektronischen Signaturkarte

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red-palmprintDas BAG hatte zu entscheiden, ob ein Angestellter des Bundes unter dem Aspekt des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung, seine im Personalausweis enthaltenen Daten zur Identitätsfeststellung für die Verwendung einer elektronischen Signaturkarte mitzuteilen hat.

Die Klägerin ist als Verwaltungsangestellte in einem Wasser- und Schifffahrtsamt beschäftigt. Zu ihren Aufgaben gehört die Veröffentlichung von Ausschreibungen bei Vergabeverfahren. Seitdem diese Veröffentlichungen nur noch in elektronischer Form auf der Vergabeplattform des Bundes erfolgen,  wird zur Nutzung eine qualifizierte elektronische Signatur benötigt, die nach den Bestimmungen des Signaturgesetzes (SigG) nur natürlichen Personen erteilt wird. Die Beklagte wies daraufhin die Klägerin an, eine solche qualifizierte Signatur bei einer vom SigG vorgesehenen Zertifizierungsstelle, einem Tochterunternehmen der Deutschen Telekom AG, zu beantragen. Dazu müssen die im Personalausweis enthaltenen Daten zur Identitätsfeststellung an die Zertifizierungsstelle übermittelt werden. Die Kosten für die Beantragung trägt die Arbeitgeberin.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, der Arbeitgeber könne sie nicht verpflichten, ihre persönlichen Daten an Dritte zu übermitteln; dies verstoße gegen ihr Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Auch sei nicht sichergestellt, dass mit ihren Daten kein Missbrauch getrieben werde.

Alle Instanzen haben die Klage abgewiesen. Auch die Revision der Klägerin blieb daher vor dem Bundesarbeitsgericht erfolglos.

Ein Arbeitgeber kann von seinem Arbeitnehmer die Beantragung einer qualifizierten elektronischen Signatur und die Nutzung einer elektronischen Signaturkarte verlangen, wenn dies für die Erbringung der Arbeitsleistung erforderlich und dem Arbeitnehmer zumutbar ist (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25. September 2013 – 10 AZR 270/12).

Die Beklagte hat von ihrem arbeitsvertraglichen Weisungsrecht gemäß § 106 GewO angemessen Gebrauch gemacht. Der mit der Verpflichtung zur Nutzung einer elektronischen Signaturkarte verbundene Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist der Klägerin nach Ansicht des BAG zumutbar. Die Übermittlung der Personalausweisdaten betrifft demgemäß nur den äußeren Bereich der Privatsphäre; besonders sensible Daten sind nicht betroffen. Der Schutz dieser Daten wird durch die Vorschriften des SigG sichergestellt; sie werden nur durch die Zertifizierungsstelle genutzt. Auch durch den Einsatz der Signaturkarte entstehen für die Klägerin keine besonderen Risiken. So enthält die mit dem Personalrat abgeschlossene Dienstvereinbarung ausdrücklich eine Haftungsfreistellung; die gewonnenen Daten dürfen nicht zur Leistungs- und Verhaltenskontrolle durch den Arbeitgeber verwendet werden.

Volltext des Urteils des Bundesarbeitsgerichts: BAG, Urteil vom 25. September 2013 -10 AZR 270/12

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VonRA Moegelin

Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen im Leiharbeitsverhältnis

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FunDraw-dot-com-WelderBei einer Klage auf Entschädigung wegen Benachteiligung eines Arbeitnehmers aufgrund seiner ethnischen Herkunft auf Zahlung einer Entschädigung gemäß AGG hatte das BAG vorab über die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Gerichten für Arbeitssachen zu entscheiden.

Der Kläger war im Rahmen einer Arbeitnehmerüberlassung durch seine Vertragsarbeitgeberin als Schweißer für den beklagten Entleiher-Betrieb tätig. Der Kläger behauptet, im Betrieb der Beklagten durch seine dortigen Vorgesetzten wegen seiner ethnischen Herkunft benachteiligt worden zu sein. Die Beklagte rügt die Zulässigkeit des vom Kläger beschrittenen Rechtswegs zu den Gerichten für Arbeitssachen. Zwischen Leiharbeitnehmer und Entleiher bestehe kein Arbeitsverhältnis. Arbeitgeber des Klägers sei allein der Verleiher. Zuständig seien deshalb die ordentlichen Gerichte.

Für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen einem Leiharbeitnehmer und einem Entleiher aus dem Leiharbeitsverhältnis oder aus unerlaubten Handlungen, soweit sie mit dem Leiharbeitsverhältnis im Zusammenhang stehen, ist nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a, d ArbGG der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen eröffnet (Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 15. März 2011 – 10 AZB 49/10).

Es kommt nach Ansicht des BAG nicht darauf an, dass bei einer – wie hier – legalen Arbeitnehmerüberlassung der Verleiher Arbeitgeber des Leiharbeitnehmers ist. Er wird in die Betriebsorganisation des Entleihers eingegliedert. Dieser übt das Direktionsrecht aus und entscheidet über die Zuweisung des konkreten Arbeitsplatzes und die Art und Weise der Erbringung der Arbeitsleistungen. Der Leiharbeitnehmer ist verpflichtet, die ihm aus dem Arbeitsvertrag mit dem Verleiher obliegende Arbeitspflicht gegenüber dem Entleiher zu erbringen. Tatsächlich entstehen somit auch zum Entleiher rechtliche Beziehungen mit arbeitsrechtlichem Charakter.

Im Fall von Streitigkeiten zwischen dem Leiharbeitnehmer und dem Entleiher, die ihren Ursprung in der Arbeitnehmerüberlassung haben, muss seiner Arbeitgeberstellung bei der Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen Rechnung getragen werden, wennn ihm wesentliche Arbeitgeberfunktionen vom Verleiher übertragen sind.  Die Klage auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2, § 7 Abs. 1 AGG hat ihren Ursprung in der Überlassung des Klägers an die Beklagte, nach § 6 Abs. 2 Satz 2 AGG gilt diese insoweit als Arbeitgeberin. Im Fall einer unerlaubte Handlung  gemäß AGG steht diese im Zusammenhang mit dem Leiharbeitsverhältnis, so dass der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen eröffnet ist.

Volltext der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts: BAG, Beschluss vom 15. März 2011 – 10 AZB 49/10

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VonRA Moegelin

Urlaubsansprüche ohne Arbeitsleistung und deren Verfall

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beach-sceneDas BAG hatte über die Klage wegen Urlaubsansprüchen einer schwerbehinderten Angestellten in einer Rehabilitationsklinik zu entscheiden. Im Jahr 2004 erkrankte die Klägerin arbeitsunfähig. Ab dem 20. Dezember 2004 bezog sie eine befristete Rente wegen Erwerbsminderung. Mit ihrer der Beklagten am 8. April 2009 zugestellten Klage hat die Klägerin die Abgeltung von 149 Urlaubstagen und zwar des gesetzlichen Erholungsurlaubs und des Schwerbehindertenzusatzurlaubs aus den Jahren 2005 bis 2009 verlangt.

Die Beklagte meint, während des Bezugs der Erwerbsminderungsrente auf Zeit habe das Arbeitsverhältnis geruht. Währenddessen seien Urlaubsansprüche nicht entstanden, so dass kein Urlaubsabgeltungsanspruch bestehe. Jedenfalls habe die Klägerin nicht über mehrere Jahre hinweg Urlaubsansprüche ansammeln können. Dem stünden auch die allgemeinen Verjährungsregeln und die tariflichen Ausschlussfristen entgegen.

Die Revision des beklagten Arbeitgebers war teilweise erfolgreich.

Ein Anspruch der Klägerin auf Abgeltung des Erholungsurlaubs aus den Jahren 2005 bis 2007 folge entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts nicht aus § 7 Abs. 4 BUrlG. Urlaubsansprüche der Klägerin aus diesen Jahren haben bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31. März 2009 nicht mehr bestanden. Entgegen der Ansicht der Beklagten habe der Bezug der befristeten Rente wegen Erwerbsminderung allerdings nicht das Entstehen von Urlaubsansprüchen der Klägerin in diesen Jahren gehindert.

Der gesetzliche Erholungsurlaub und der schwerbehinderten Menschen zustehende Zusatzurlaub setzen keine Arbeitsleistung des Arbeitnehmers im Urlaubsjahr voraus. Gesetzliche Urlaubsansprüche entstehen auch dann, wenn der Arbeitnehmer eine befristete Rente wegen Erwerbsminderung bezieht und eine tarifliche Regelung das Ruhen des Arbeitsverhältnisses an den Bezug dieser Rente knüpft (BAG, Urteil vom 7. August 2012 – 9 AZR 353/10).

Die in den Jahren 2005 bis 2007 entstandenen Urlaubsansprüche der Klägerin sind jedoch nach Ansicht des BAG 15 Monate nach Ablauf des jeweiligen Kalenderjahres und damit am 31. März des zweiten auf das jeweilige Urlaubsjahr folgenden Jahres gemäß § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG verfallen, so dass diese Urlaubsansprüche bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31. März 2009 nicht gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG abzugelten waren.

§ 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG (Verfall der Urlaubsansprüche nach 3 Monaten des Folgejahres) ist unionsrechtskonform so auszulegen, dass gesetzliche Urlaubsansprüche vor Ablauf eines Zeitraums von 15 Monaten nach dem Ende des Urlaubsjahres nicht erlöschen, wenn der Arbeitnehmer aus gesundheitlichen Gründen an seiner Arbeitsleistung gehindert war. Sie gehen jedoch mit Ablauf des 31. März des zweiten Folgejahres unter. Dies gilt auch -wie hier- bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit.

Für die Leistung der Urlaubsabgeltung ist, anders als beim regelmäßigen Arbeitslohn, gemäß § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB keine Zeit nach dem Kalender bestimmt, so dass der Arbeitgeber grundsätzlich noch nicht mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, sondern erst durch Mahnung in Verzug kommt.

Bei Anwendung dieser Grundsätze ist der im Jahr 2005 –2007 entstandene Urlaub verfallen. Die am 8. April 2009 zugestellte Klage konnte die Frist nicht wahren. Eine Mahnung erfolgte zuvor nicht. Der Urlaub aus diesen Jahren ist wegen seines Verfalls nach § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG nicht gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG abzugelten.

Der im Jahr 2008 und 2009 erworbene gesetzliche Urlaubsanspruch von insgesamt 25 Urlaubstagen verfiel nicht mit Ablauf des 31. März 2009. Dies folgt schon aus § 26 Abs. 2 Buchst. a Satz 2 TVöD, wonach der Urlaub, der wegen Arbeitsunfähigkeit nicht bis zum 31. März angetreten werden kann, bis zum 31. Mai anzutreten ist. Diese zugunsten der Beschäftigten von § 7 Abs. 3 BUrlG abweichende Regelung.

Volltext des Urteils des Bundesarbeitsgerichts: BAG, Urteil vom 7. August 2012 –  9 AZR 353/10

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