Schlagwort-Archiv Arbeitskampf

VonRA Moegelin

Schadensersatz drittbetroffener Luftverkehrsunternehmen wegen Fluglotsen-Streik

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felipecaparelli_PlaneEin Fall aus dem Arbeitskampfrecht lag dem BAG zur Entscheidung vor. Es ging um die Klage von vier Luftverkehrsunternehmen gegen die Gewerkschaft der Flugsicherung e.V. (GdF). Sie vertritt die berufs- und tarifpolitischen Interessen des Flugsicherungspersonals in Deutschland.

Im Frühjahr 2008 forderte die GdF den Betreiber des Verkehrsflughafens Stuttgart – die Flughafen Stuttgart GmbH – zu Tarifverhandlungen für die dort beschäftigten Arbeitnehmer der Vorfeldkontrolle/Verkehrszentrale auf. Vom 3. bis 6. März 2009 fand zunächst ein befristeter Streik dieser Beschäftigten statt, der danach auf unbestimmte Zeit verlängert wurde. Für den 6. April 2009 rief die GdF die bei ihr organisierten und bei der Deutschen Flugsicherung GmbH (DFS) angestellten Fluglotsen am Standort Stuttgart zu einem Streik in der Zeit von 16.00 bis 22.00 Uhr zur Unterstützung des Hauptarbeitskampfes der Beschäftigten der Vorfeldkontrolle/Verkehrszentrale auf. Entsprechend einer Notdienstvereinbarung mit der DFS wickelten die Fluglotsen 25 % des planmäßigen Luftverkehrs ab. Dennoch fielen zahlreiche Flüge der Klägerinnen aus, weitere hatten Verspätung oder mussten umgeleitet werden. Aufgrund einer Verbotsverfügung des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main brach die GdF den Unterstützungsstreik vorzeitig ab.

Die Vorinstanzen haben die im Wesentlichen auf die Zahlung von Schadensersatz aus unerlaubter Handlung gerichteten Klagen abgewiesen. Die Revisionen der Klägerinnen hatten vor dem Bundesarbeitsgericht keinen Erfolg.

Die von einem Streik der Fluglotsen am 6. April 2009 am Stuttgarter Flughafen betroffenen Luftverkehrsgesellschaften haben gegen die streikführende Gewerkschaft keine Schadensersatzansprüche wegen ausgefallener, verspäteter oder umgeleiteter Flüge. Die Voraussetzungen der §§ 823, 826 BGB sind nicht erfüllt.

Ein Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB wegen einer widerrechtlichen Eigentumsverletzung in Form einer erheblichen Nutzungsbeeinträchtigung an den Flugzeugen besteht demgemäß nicht. Das Recht der Klägerinnen am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb als sonstiges Recht gemäß § 823 Abs. 1 BGB ist ebenfalls nicht verletzt. Der Streik der Fluglotsen war gegen den Betrieb der DFS gerichtet. Ein Eingriff in die Gewerbebetriebe der Klägerinnen war damit nicht verbunden und ist insbesondere nicht wegen der öffentlich-rechtlichen Rahmenbedingungen für Luftverkehrsunternehmen anzunehmen. Auch die Voraussetzungen einer sittenwidrigen Schädigung der Klägerinnen iSd. § 826 BGB durch den Arbeitskampf bei der DFS liegen nicht vor.

Volltext des Urteils des Bundesarbeitsgerichts vom 25. August 2015 – BAG 1 AZR 754/13; vgl. Pressemitteilung Nr. 43/15

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VonRA Moegelin

Schadensersatz drittbetroffener Unternehmen beim Arbeitskampf

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philrich123-A380Die von einem Streik der Fluglotsen am 6. April 2009 am Stuttgarter Flughafen betroffenen Luftverkehrsgesellschaften haben gegen die streikführende Gewerkschaft keine Schadensersatzansprüche wegen ausgefallener, verspäteter oder umgeleiteter Flüge.

Die vier Klägerinnen betreiben Luftverkehrsunternehmen. Die beklagte Gewerkschaft der Flugsicherung e.V. (GdF) vertritt die berufs- und tarifpolitischen Interessen des Flugsicherungspersonals in Deutschland.

Im Frühjahr 2008 forderte die GdF den Betreiber des Verkehrsflughafens Stuttgart – die Flughafen Stuttgart GmbH – zu Tarifverhandlungen für die dort beschäftigten Arbeitnehmer der Vorfeldkontrolle/Verkehrszentrale auf. Vom 3. bis 6. März 2009 fand zunächst ein befristeter Streik dieser Beschäftigten statt, der danach auf unbestimmte Zeit verlängert wurde. Für den 6. April 2009 rief die GdF die bei ihr organisierten und bei der Deutschen Flugsicherung GmbH (DFS) angestellten Fluglotsen am Standort Stuttgart zu einem Streik in der Zeit von 16.00 bis 22.00 Uhr zur Unterstützung des Hauptarbeitskampfes der Beschäftigten der Vorfeldkontrolle/Verkehrszentrale auf. Entsprechend einer Notdienstvereinbarung mit der DFS wickelten die Fluglotsen 25 % des planmäßigen Luftverkehrs ab. Dennoch fielen zahlreiche Flüge der Klägerinnen aus, weitere hatten Verspätung oder mussten umgeleitet werden. Aufgrund einer Verbotsverfügung des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main brach die GdF den Unterstützungsstreik vorzeitig ab.

Die Vorinstanzen haben die im Wesentlichen auf die Zahlung von Schadensersatz aus unerlaubter Handlung gerichteten Klagen abgewiesen. Die Revisionen der Klägerinnen hatten vor dem Ersten Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg. Ein Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB wegen einer widerrechtlichen Eigentumsverletzung in Form einer erheblichen Nutzungsbeeinträchtigung an den Flugzeugen besteht nicht. Das Recht der Klägerinnen am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb als sonstiges Recht iSd. § 823 Abs. 1 BGB ist ebenfalls nicht verletzt. Der Streik der Fluglotsen war gegen den Betrieb der DFS gerichtet. Ein Eingriff in die Gewerbebetriebe der Klägerinnen war damit nicht verbunden und ist insbesondere nicht wegen der öffentlich-rechtlichen Rahmenbedingungen für Luftverkehrsunternehmen anzunehmen. Auch die Voraussetzungen einer sittenwidrigen Schädigung der Klägerinnen iSd. § 826 BGB durch den Arbeitskampf bei der DFS liegen nicht vor.

(Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25. August 2015 – 1 AZR 754/13)

(vgl. Pressemitteilung Nr. 43/15 des BAG)

 

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VonRA Moegelin

Sprungrevision zum BAG zur Frage der Wirksamkeit einer Spannensicherungsklausel

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jumpingtigerIn dem hier einschlägigen -seltenen Fall- einer Sprungrevision hatte das BAG über die Wirksamkeit einer qualifizierten tariflichen Differenzierungsklausel („Spannensicherungsklausel“) zu entscheiden.

Im Jahre 2008 hatten die Parteien des Rechtsstreits, ein Unternehmen der Hafen-Logistik und die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, einen Tarifvertrag über eine Erholungsbeihilfe von jährlich 260,- Euro geschlossen. Nach dessen Ziff. I sollte diese Erholungsbeihilfe an Mitglieder von ver.di gezahlt werden. Nach Ziff. V des Tarifvertrages sollten die ver.di-Mitglieder im Falle einer Zahlung von „entsprechenden oder sonstigen Leistungen“ des Arbeitgebers an Nichtgewerkschaftsmitglieder unmittelbar einen gleichhohen, zusätzlichen Anspruch erhalten. Der Arbeitgeber hat auf Feststellung der Unwirksamkeit sowohl der einfachen Differenzierungsklausel in Ziff. I des Tarifvertrages als auch der Spannensicherungsklausel in Ziff. V des Tarifvertrages Klage erhoben.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und die Sprungrevision gegen sein Urteil zugelassen. Das Bundesarbeitsgericht hat der Sprungrevision teilweise stattgegeben.

Die Sprungrevision ist gemäß § 76 Abs. 2 ArbGG nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat und Rechtsstreitigkeiten betrifft zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen, über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk des Landesarbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfes oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt.

Die Sprungrevision ist vom Arbeitsgericht auf Antrag der Klägerin im Urteil gemäß § 76 Abs. 1 Satz 1 ArbGG  zugelassen worden. Die Klägerin hat den Antrag in der mündlichen Kammerverhandlung gestellt. In dem am gleichen Tage verkündeten Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg wurde die Sprungrevision im Tenor zugelassen. Die nach § 76 Abs. 1 Satz 1 ArbGG erforderliche Zustimmung des Gegners zur Sprungrevision ist erteilt worden. Das BAG erkannte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und dass es Rechtsstreitigkeiten zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen betrifft.

Eine tarifvertragliche Klausel, in der eine Sonderleistung für Arbeitnehmer vereinbart ist, die Mitglieder der tarifschließenden Gewerkschaft sind („einfache Differenzierungsklausel“), verstößt nach der Rechtsprechung nicht gegen höherrangiges Recht und ist wirksam.

Wird die Exklusivität dieses Anspruchs für Gewerkschaftsmitglieder tariflich durch eine sogenannte Spannensicherungsklausel oder Abstandsklausel abgesichert, wonach etwaige Kompensationsleistungen des Arbeitgebers an nicht oder anders organisierte Arbeitnehmer jeweils zwingend und unmittelbar einen entsprechenden – zusätzlichen – Zahlungsanspruch auch für Gewerkschaftsmitglieder begründen, so dass der „Vorsprung“ der Gewerkschaftsmitglieder nicht ausgleichbar ist, überschreitet diese Klausel die Tarifmacht der Koalitionen und ist unwirksam (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23. März 2011 – 4 AZR 366/09).

Anders als das Arbeitsgericht, das die Klage vollständig abgewiesen hatte, hat das BAG der Klage teilweise stattgegeben. Zwar sei die in Ziff. I des Tarifvertrages geregelte einfache Differenzierungsklausel wirksam. Der Tarifvertrag darf jedoch nicht, wie in Ziff. V vorgesehen, dem Arbeitgeber die arbeitsvertragliche Gestaltungsmöglichkeit nehmen, die nicht oder anders organisierten Arbeitnehmer mit den Gewerkschaftsmitgliedern gleichzustellen. Der Tarifvertrag darf nur den Inhalt von Arbeitsverhältnissen zwingend und unmittelbar regeln, die der Tarifmacht der Koalitionen unterworfen sind. Hierzu gehören die Arbeitsverhältnisse der nicht oder anders organisierten Arbeitnehmer nicht.

Volltext des Urteils des Bundesarbeitsgerichts: BAG, Urteil vom 23. März 2011 – 4 AZR 366/09

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VonRA Moegelin

Streikrecht erlaubt GDL Deutschland erneut in Geiselhaft zu nehmen

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Am 05.11.14 beginnt ein 5-tägiger Streik der Gewerkschaft der Lokführer GDL unter Führung seines Chefs Claus Weselsky. In den Medien wird die Frage gestellt, wer Weselsky noch aufhalten kann,  der von seinem Vorgänger Schell als „Mao“ oder „Asssad“ bezeichnet wird und einen „Heiligen Krieg“ führe. Die Deutsche Bahn-AG bezeichnet den nunmehr 6. Streik in den laufenden Tarifverhandlungen als „Schikane“. Und auch in der Bevölkerung findet sich überwiegend kein Verständnis für diesen erneuten Streik.

Zulässiger Streik trotz schwerer Beeinträchtigungen

Die Beeinträchtigungen von Millionen von Bahnkunden sind schwerwiegend und auch der volkswirtschaftliche Schaden ist nicht unerheblich. Insoweit stellt sich die Frage, ob dieser Streik rechtlich zulässig ist. Um das Ergebnis vorwegzunehmen: Der Streik der GDL ist rechtmäßig. Es handelt sich um einen zeitlich begrenzten Ausstand der als Warnstreik bezeichnet wird. Ein Warnstreik bedarf im Wesentlichen nur der rechtzeitigen Ankündigung, die erfolgt ist.  Es ist daher unwahrscheinlich, dass ein Gericht den Streik verbieten würde, falls die Deutsche Bahn-AG dagegen klagen würde. Wahrscheinlich würde die Bahn gerichtlich gegen die GDL gerichtlich vorgehen, wenn sie Chancen sehen würde, dass der Streik auf diese Weise verhindert werden könnte.

Rechtsgrundlagen des Warnstreiks

Das Streikrecht hat Verfassungsrang gemäß Artikel 9 des Grundgesetzes.

In einer Grundsatzentscheidung hat der Große Senat des Bundesarbeitsgerichts entschieden, dass Arbeitskämpfe nur insoweit eingeleitet und durchgeführt werden dürfen, als sie zur Erreichung rechtmäßiger Kampfziele und des nachfolgenden Arbeitsfriedens geeignet und sachlich erforderlich sind. Jede Arbeitskampfmaßnahme – sei es Streik, sei es Aussperrung – darf ferner nur nach Ausschöpfung aller Verständigungsmöglichkeiten ergriffen werden; der Arbeitskampf muß also das letzte mögliche Mittel (ultima ratio) sein.

Für den Warnstreik -wie jetzt z.B. von der GDL durchgeführt wird- hat die Rechtsprechung folgende Grundsätze aufgestellt:

Das ultima-ratio-Prinzip erfordert keine offizielle Erklärung des Scheiterns der Tarifvertragsverhandlungen als Voraussetzung für die Einleitung von Arbeitskampfmaßnahmen jeder Art. In der Einleitung von Arbeitskampfmaßnahmen liegt vielmehr die freie und nicht nachprüfbare und daher allein maßgebende Erklärung der Tarifvertragspartei, dass sie die Verständigungsmöglichkeiten ohne Ausübung von Druck als ausgeschöpft ansieht. Es gibt damit auch keinen weiteren maßgebenden späteren Zeitpunkt, von dem ab erst andere Arbeitskampfmaßnahmen als Warnstreiks, auch solche des anderen Tarifpartners, zulässig sind. Von diesem (einheitlichen) Zeitpunkt an ist ein Warnstreik, wie jede andere Arbeitskampfmaßnahme, auch während laufender Tarifvertragsverhandlungen nicht ausgeschlossen.

Warnstreik erfordert nur „fehlende Verständigungsmöglichkeiten“

Die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze liegen vor: Der Streik darf während laufender Tarifvertragsverhandlungen erfolgen. Es bedarf keiner Erklärung des Scheiterns von Tarifvertragsverhandlungen. Ausreichend ist allein die -vom Gericht nicht nachprüfbare- Erklärung einer Tarifvertragspartei (eben der GDL), dass sie (derzeit) die Verständigungsmöglichkeiten ohne Ausübung von Druck als ausgeschöpft ansieht. Allein dass ein Warnstreik ausgerufen wird, impliziert bereits die Erklärung des Schreiterns.

Der Machtkampf zwischen GDL und der mit ihr konkurrierenden Gewerkschaft EVG kann an diesem Ergebnis nichts ändern. Die beiden Gewerkschaften streiten darum, wer für welche Mitarbeitergruppe (Lokführer und Zugbegleiter) die Verhandlungen führen darf.

Nach der Rechtsprechung ist es ausreichend, dass zumindest auch tariflich regelbare Ziel wie Lohnerhöhung und Herabsetzung der Arbeitszeit erkämpft werden sollen. Wenn es erkennbar als einziges Ziel nur darum ginge, mit dem Streik die Konkurrenz-Gewerkschaft auszuschalten, würde der Streik gerichtlich verboten werden können. Das ist aber nicht das einzige Ziel der GDL. Es liegt daher -juristisch betrachtet- kein Missbrauch des Streikrechts seitens der GDL vor.

Ob die GDL mit ihrer Vorgehensweise richtig fährt, ist fraglich. Möglicherweise wird sie durch ein geplantes Gesetz zur Tarifeinheit gestoppt werden

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