Monatsarchiv 30. November 2024

VonRA Moegelin

Merkantiler Minderwert eines Unfallfahrzeugs

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Der merkantile Minderwert eines erheblich unfallbeschädigten Fahrzeugs in jedem Fall ausgehend von Netto- und nicht von Bruttoverkaufspreisen zu schätzen. Wurde der merkantile Minderwert ausgehend vom Bruttoverkaufspreis geschätzt, ist ein dem „Umsatzsteueranteil“ entsprechender Betrag vom Minderwert abzuziehen.

Volltext der Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs Nr. 159/2024 – BGH VI ZR 188/22:

Bundesgerichtshof zur Frage der Schätzung des merkantilen Minderwerts (Wertverlust trotz Instandsetzung) eines Unfallfahrzeugs

Ausgabejahr
2024
Erscheinungsdatum
07.08.2024

Nr. 159/2024

Urteil vom 16. Juli 2024 – VI ZR 188/22

Der unter anderem für Rechtsstreitigkeiten über Ansprüche aus Kfz-Unfällen zuständige VI. Zivilsenat hat entschieden, dass der merkantile Minderwert eines erheblich unfallbeschädigten Fahrzeugs in jedem Fall ausgehend von Netto- und nicht von Bruttoverkaufspreisen zu schätzen ist. Wurde der merkantile Minderwert ausgehend vom Bruttoverkaufspreis geschätzt, ist ein dem „Umsatzsteueranteil“ entsprechender Betrag vom Minderwert abzuziehen.

Sachverhalt:

Ein (geleastes) Fahrzeug wurde bei einem Verkehrsunfall erheblich beschädigt. Die volle Haftung des beklagten Haftpflichtversicherers stand außer Streit. Die Klägerin ließ das Fahrzeug reparieren und machte einen merkantilen Minderwert von 1.250 € geltend. Die Beklagte bezahlte nur 700 €. Mit der Klage verlangte die Klägerin Zahlung des restlichen Betrags an die Leasinggesellschaft. Zwischen den Parteien war streitig, ob vom merkantilen Minderwert ein „Umsatzsteueranteil“ abzuziehen ist.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Amtsgericht hat der Klage überwiegend stattgegeben. Das Landgericht hat auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Amtsgerichts in Höhe von 300 € aufrechterhalten und die Klage im Ãœbrigen ab- und die weitergehende Berufung zurückgewiesen. Es hat ein Sachverständigengutachten eingeholt und auf dieser Grundlage angenommen, dass ein merkantiler Minderwert von insgesamt 1.000 € anzusetzen sei, weshalb die Beklagte weitere 300 € zu zahlen habe. Ein „Umsatzsteueranteil“ sei vom Minderwert nicht abzuziehen. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision hat die Beklagte ihr Ziel, die Klage in Höhe des ihrer Ansicht nach vom Minderwert abzuziehenden „Umsatzsteueranteils“ abzuweisen, weiterverfolgt.

Entscheidung des Senats:

Die Revision der Beklagten hatte Erfolg. Der Bundesgerichtshof hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Beim merkantilen Minderwert handelt es sich um eine Minderung des Verkaufswerts, die trotz völliger und ordnungsgemäßer Instandsetzung eines bei einem Unfall erheblich beschädigten Kraftfahrzeugs allein deshalb verbleibt, weil Unfallfahrzeuge auf dem Gebrauchtwagenmarkt einen geringeren Preis als unfallfreie erzielen. Der Ersatz des merkantilen Minderwerts als solcher unterliegt nicht der Umsatzsteuer nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG, da es sich bei dem zu zahlenden Schadensersatz (§ 251 Abs. 1 BGB) nicht um eine Leistung gegen Entgelt handelt.

Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist vom merkantilen Minderwert für den Fall, dass er ausgehend vom Bruttoverkaufspreis geschätzt wurde, ein dem „Umsatzsteueranteil“ entsprechender Betrag abzuziehen. Ob das Berufungsgericht im Streitfall den Minderwert ausgehend von Brutto- oder Nettoverkaufspreisen geschätzt hat, stand nicht fest.

Zur Bemessung des Minderwerts wird geschätzt, um wieviel geringer der erzielbare Verkaufspreis bei einem gedachten Verkauf des beschädigten Fahrzeugs nach der Reparatur im Vergleich zum erzielbaren Verkaufspreis ohne den Unfall wäre. Diese Wertdifferenz ist unabhängig davon zu ersetzen, ob der Geschädigte das Fahrzeug nach der Reparatur verkauft oder behält. Bei der Schätzung des Minderwerts ist aus Rechtsgründen auf die jeweiligen Nettoverkaufspreise abzustellen. Denn wenn es sich bei dem der Schätzung des merkantilen Minderwerts zugrunde zu legenden hypothetischen Verkauf um eine der Umsatzsteuer unterliegende Leistung eines Unternehmers handelt, würde der Geschädigte zwar zusätzlich zum Nettoverkaufspreis die darauf entfallende Umsatzsteuer erhalten, müsste sie aber an das Finanzamt abführen. Sie wäre bei ihm nur ein durchlaufender Posten. Unterliegt der gedachte Verkauf hingegen nicht der Umsatzsteuer (beim Verkauf „von privat“), dürfte dem Käufer schon gar keine Umsatzsteuer in Rechnung gestellt werden.

Wurde der merkantile Minderwert ausgehend von Bruttoverkaufspreisen geschätzt, ist er in der Weise nach unten zu korrigieren, dass von ihm ein dem „Umsatzsteueranteil“ entsprechender Betrag abgezogen wird. Andernfalls käme es zu einer Bereicherung des Geschädigten. Eine andere – nicht rechtliche, sondern tatsächliche – Frage ist es, welche Preise eine Privatperson bei einem Verkauf erzielen würde, insbesondere, ob diese Preise, obwohl es Nettopreise sind, betragsmäßig an die von Unternehmern erzielbaren Bruttopreise heranreichen würden.

Der Senat hat am 16. Juli 2024 in drei weiteren Verfahren (Aktenzeichen VI ZR 205/23, VI ZR 239/23 und VI ZR 243/23) in dieser Frage ebenso entschieden.

Vorinstanzen:

Amtsgericht Neu-Ulm – Urteil vom 24. März 2021 – 5 C 1111/20

Landgericht Memmingen – Urteil vom 25. Mai 2022 – 13 S 691/21

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 251 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)

(1) Soweit die Herstellung nicht möglich oder zur Entschädigung des Gläubigers nicht genügend ist, hat der Ersatzpflichtige den Gläubiger in Geld zu entschädigen.

§ 1 Umsatzsteuergesetz (UStG)

(1) Der Umsatzsteuer unterliegen die folgenden Umsätze:

1. die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Die Steuerbarkeit entfällt nicht, wenn der Umsatz auf Grund gesetzlicher oder behördlicher Anordnung ausgeführt wird oder nach gesetzlicher Vorschrift als ausgeführt gilt;

Karlsruhe, den 7. August 2024

Pressestelle des Bundesgerichtshofs
76125 Karlsruhe
Telefon (0721) 159-5013
Telefax (0721) 159-5501

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VonRA Moegelin

Kündigung wegen Bedrohung von Gewerkschaftsmitgliedern

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Ein Arbeitnehmer, der über Facebook Kollegen bedroht, weil dies sich bei der Gewerkschaft ver.di engagieren, verursacht eine konkrete und nachhaltige Störung des Betriebsfriedens. Die Kündigung ist daher gerechtfertigt.

Volltext der Pressemitteilung Nr. 21/24 des Arbeitsgerichts Berlin 59 Ca 8733/24 und 59 Ca 11420/24vom 31.10.2024:

Das Arbeitsgericht Berlin hat die ordentliche Kündigung eines Straßenbahnfahrers, der in einer privaten Facebook-Gruppe einen von ihm verfassten Beitrag mit einer Fotomontage versehen hatte, für wirksam angesehen, weil in dieser eine Bedrohung von Kollegen, die sich bei der Gewerkschaft ver.di engagieren, und zugleich eine konkrete und nachhaltige Störung des Betriebsfriedens liege. Bei der öffentlich-rechtlichen Arbeitgeberin handelt es sich um den bundesweit größten Betreiber Öffentlichen Personennahverkehrs.

Der Straßenbahnfahrer ist Administrator einer privaten Facebook-Gruppe, die sich nach ihrer Bezeichnung an Fahrpersonal der Arbeitgeberin richtet und circa 1000 Mitglieder umfasst. Im Mai 2024 verfasste er dort einen an die Mitglieder der ver.di-Tarifkommission gerichteten Kommentar zum Ergebnis einer ver.di-Mitgliederbefragung und schloss diesen mit einer Fotomontage ab. Auf dieser ist ein auf dem Boden kniender Mann abgebildet, auf dessen Kopf der Lauf einer Pistole gerichtet ist. Neben ihm befindet sich der Schriftzug von ver.di. Die Fotomontage trägt den Titel „VER.DI HÖRT DEN WARNSCHUSS NICHT!“ Sie weist auch das Logo der Arbeitgeberin aus. Über diesen Beitrag beschwerten sich sieben Beschäftigte der Arbeitgeberin, die zugleich Gewerkschaftsfunktionäre sind und sich durch den Beitrag bedroht fühlten.

Nach Anhörung des Fahrers und des Personalrats sprach die Arbeitgeberin eine fristlose und eine ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus.

Das Arbeitsgericht hat die hilfsweise fristgemäße Kündigung für wirksam erachtet. Der Straßenbahnfahrer habe mit der Fotomontage Beschäftigte konkret bedroht. Darin liege zugleich eine erhebliche Störung des Betriebsfriedens. Die Chatgruppe sei zwar privat, richte sich jedoch ausdrücklich an Fahrpersonal der Arbeitgeberin und verfüge mit rund 1000 Mitgliedern nicht mehr über einen überschaubaren Adressatenkreis. Der Beitrag sei auch auf eine Außenwirkung angelegt gewesen. Die Fotomontage sei als Drohung an Beschäftigte, die sich für ver.di aktiv einsetzten, zu verstehen und, wie sich an den Beschwerden zeige, auch verstanden worden. Dies ergebe sich vor allem aus der Zielrichtung des Pistolenlaufs auf den Kopf des abgebildeten Mannes. Eine solche konkrete Bedrohung sei von der Meinungsfreiheit nicht gedeckt. Auch liege hierin eine arbeitsvertragliche Nebenpflichtverletzung, von der klar erkennbar sei, dass sie von der Arbeitgeberin nicht hingenommen werde. Daher sei eine Abmahnung nicht erforderlich gewesen.

Im Rahmen der Interessenabwägung hat das Arbeitsgericht angenommen, eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist sei der Arbeitgeberin noch zuzumuten. Der gekündigte Arbeitnehmer hingegen benötige als alleinerziehender Vater dreier Kinder einen größeren zeitlichen Vorlauf, um eine neue hiermit vereinbare Stelle zu finden. Dieser Umstand wie auch die 15jährige Betriebszugehörigkeit überwögen bezogen auf die ordentliche Kündigung hingegen nicht die Interessen der Arbeitgeberin. Diese müsse für den Schutz ihrer Beschäftigten sowohl bei der Ausübung deren arbeitsvertraglich geschuldeter Tätigkeiten wie auch bei der Wahrnehmung ihrer Rechte aus Artikel 9 Grundgesetz sorgen.

Gegen das Urteil können beide Parteien Berufung beim Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg einlegen.

Arbeitsgericht Berlin, Urteil vom 7. Oktober 2024, Aktenzeichen 59 Ca 8733/24 + 59 Ca 11420/24

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