Jahresarchiv 12. November 2022

VonRA Moegelin

Kündigung und Abmahnung einer Betriebsratswahlinitiatorin

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Insgesamt drei Kündigungen und eine Abmahnung einer Arbeitnehmerin die als Rental Sales Agent bei einer Autovermietung am Flughafen Düsseldorf arbeitete, erachtete das Landesarbeitsgericht Düsseldorf als unwirksam. Anlass war das Engeagement der Klägerin als Betriebsratswahlinitiatorin.

Volltext der Pressemitteilung des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 08.11.2022 – 10 Ca 4119/21:

Die Klägerin war seit Mai 2018 bei der Beklagten, einer Autovermietung, am Flughafen Düsseldorf als Rental Sales Agentin, bei der kein Betriebsrat gebildet ist, beschäftigt. Am 16.01.2021 erteilte die Beklagte der Klägerin wegen angeblichen Zuspätkommens an drei Tagen eine Abmahnung. Am 09.08.2021, 11.08.2021, 14.08.2021 und 17.08.2021 stempelte die Klägerin sich zwischen vier bis 22 Minuten zu spät ein. Gemeinsam mit zwei Kolleginnen lud die Klägerin mit Schreiben vom 20.08.2021 zu einer Versammlung zur Wahl eines Wahlvorstands für eine Betriebsratswahl ein. Mit Schreiben vom 27.08.2021 kündigte die Beklagte der Klägerin fristlos und hilfsweise fristgerecht (erste Kündigung). Sie begründet dies mit den viermaligen Verspätungen im August 2021 sowie privaten Telefonaten am Counter. Die Klägerin wendet ein, sie habe jeweils am Counter Bescheid gegeben. Es seien bei Arbeitsantritt sämtliche Rechner besetzt gewesen seien, an denen sie hätte einstempeln können. Private Telefonate habe sie nur im BackOffice geführt.

Am 21.09.2021 sollte die Betriebsversammlung in einem Raum im Flughafengebäude stattfinden. Der dafür vorgesehene Raum war wegen der Corona-Beschränkungen für den erschienen Mitarbeiterkreis zu klein. Die Beklagte bot den Wechsel in einen größeren Raum in einem nahe gelegen Hotel an. Dies wurde abgelehnt und die Wahlversammlung fand nicht statt. Die Beklagte kündigte der Klägerin darauf mit Schreiben vom 03.11.2021 erneut fristlos und hilfsweise fristgerecht (zweite Kündigung). Sie warf ihr vor, zusammen mit ihren Kolleginnen absichtlich einen zu kleinen Raum angemietet zu haben. Der Plan sei gewesen, sich selbst zum Wahlvorstand zu wählen, wenn kaum Beschäftigte der Einladung folgen. Sollte dies anders sein, hätte die Gefahr bestanden, nicht die nötige Mehrheit zu erhalten. Es sei für diesen Fall – wie geschehen – der Plan gewesen, die Veranstaltung abzusagen und sich als Wahlvorstand durch das Arbeitsgericht einsetzen zu lassen. Die Klägerin wendet ein, dass der Raum nicht durch sie, sondern den Gewerkschaftssekretär gebucht worden sei. Die Raumkapazität sei ihr und ihren beiden Kolleginnen vorher nicht bekannt gewesen.

Am 09.12.2021 betrat die Klägerin ohne vorherige Absprache mit der Beklagten zusammen mit einer Kollegin den Backoffice-Bereich der Filiale und hängte dort eine neue Einladung zu einer Wahlversammlung aus. Die Beklagte sah in dem Verhalten einen Hausfriedensbruch und kündigte der Klägerin mit Schreiben vom 22.12.2021 erneut fristlos und hilfsweise fristgerecht (dritte Kündigung). Zudem habe sie beim Durchqueren der Filiale Kunden massiv verschreckt. Dem widerspricht die Klägerin.

Die 8. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf hat ebenso wie das Arbeitsgericht alle drei Kündigungen für rechtsunwirksam erachtet. Die Berufung der Arbeitgeberin hatte keinen Erfolg.

Die erste Kündigung war als außerordentliche und ordentliche rechtsunwirksam, weil es einer erneuten Abmahnung bedurft hätte. Es war zu würdigen, dass die Klägerin auch nach der Abmahnung am 16.01.2021 in den folgenden sieben Monaten regelmäßig zu spät kam, ohne dass dies Folgen hatte. Die Warnfunktion der vorherigen Abmahnung war dadurch verbraucht. Bezogen auf die angebliche private Handynutzung am Counter fehlte es von vornherein an einer Abmahnung. Die Beklagte hatte zudem keine nennenswerten konkreten negativen Folgen des beanstandeten Fehlverhaltens aufgezeigt.

Unabhängig davon konnte die erste Kündigung als ordentliche nicht rechtswirksam sein, weil die Klägerin den Schutz als Wahlbewerberin gemäß § 15 Abs. 3a KSchG genoss. Darauf durfte sie sich berufen. Dies war nicht rechtsmissbräuchlich. Die tatsächlichen Anhaltspunkte genügten zur Überzeugung der Kammer nicht, um von dem von der Arbeitgeberin behaupteten Plan auszugehen. Aus diesem Grund war auch die zweite Kündigung mangels Vorliegen eines Kündigungsgrundes unwirksam. Der von der Arbeitgeberin behauptete Plan sei zwar als Möglichkeit denkbar. Dies genügte indes nicht, weil es ebenso möglich war, dass die Klägerin und die beiden anderen Initiatorinnen trotz des tatsächlich zu kleinen Raums den Willen hatten, ordnungsgemäß eine Wahlversammlung abzuhalten. Unabhängig davon läge selbst bei Verfolgung des behaupteten Plans keine zur Kündigung berechtigende arbeitsvertragliche Pflichtverletzung vor. Der etwaige Verstoß gegen betriebsverfassungsrechtliche Pflichten berechtigte nicht zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses.

Betreffend die dritte Kündigung liegt an sich ein Kündigungsgrund vor. Als fristlos gekündigte Mitarbeiterin durfte die Klägerin die Räumlichkeiten der Arbeitgeberin nicht mehr betreten, um dort die Einladung aufzuhängen. Sie verletzte damit deren Hausrecht. Die Interessenabwägung fiel indes zu Gunsten der Klägerin aus. Hierbei war zu würdigen, dass die Arbeitgeberin, so die Kammer in der Verhandlung, im Zusammenhang mit dem Versuch der Bildung eines Betriebsrats mit „harten Bandagen“ gespielt hatte. Blieben die Verspätungen der Klägerin sieben Monate folgenlos, erfolgte ca. eine Woche nach Einladung zur Wahlversammlung die fristlose Kündigung. Die anderen beiden Initiatorinnen wurden freigestellt und erhielten Abfindungsangebote. Die Begründung dafür, dass eine der beiden Initiatorinnen ohnehin das Haus verlassen wollte, war nicht nachvollziehbar. Sie hatte nur einen Monat zuvor ihren Vertrag verlängert. Wenn in einer solchen Situation auf Seiten der Arbeitnehmerinnen der Eindruck entstehe, dass beabsichtigt sei, einen möglichen Wahlvorstand aus dem Arbeitsverhältnis zu drängen, sei dies nachvollzieh-bar. Wenn dann die Klägerin trotz fristloser Kündigung nochmals versuche, zur Wahlversammlung einzuladen, rechtfertige dies in der Abwägung aller Umstände keine Kündigung.

Das Landesarbeitsgericht hat die Revision nicht zugelassen.

Landesarbeitsgericht Düsseldorf Urteil vom 08.11.2022 – 8 Sa 243/22

Arbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 24.02.2022 – 10 Ca 4119/21

Die 8. Kammer hat in zwei weiteren, weitgehend parallel gelagerte Berufungsverfahren betreffend die beiden anderen Wahlinitiatorinnen ebenfalls die den Kündigungsschutzklagen stattgebenden Urteile des Arbeitsgerichts bestätigt und die Berufungen zurückgewiesen (Urteil vom 08.11.2022 – 8 Sa 242/22 und Urteil vom 08.11.2022 – 8 Sa 244/22).

„Kündigungsschutzgesetz (KSchG)

§ 15 Unzulässigkeit der Kündigung

…

(3a) Die Kündigung eines Arbeitnehmers, der zu einer Betriebs-, Wahl- oder Bordversammlung nach § 17 Abs. 3, § 17a Nr. 3 Satz 2, § 115 Abs. 2 Nr. 8 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes einlädt oder die Bestellung eines Wahlvorstands nach § 16 Abs. 2 Satz 1, § 17 Abs. 4, § 17a Nr. 4, § 63 Abs. 3, § 115 Abs. 2 Nr. 8 Satz 2 oder § 116 Abs. 2 Nr. 7 Satz 5 des Betriebsverfassungsgesetzes beantragt, ist vom Zeitpunkt der Einladung oder Antragstellung an bis zur Bekanntgabe des Wahlergebnisses unzulässig, es sei denn, dass Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen; der Kündigungsschutz gilt für die ersten sechs in der Einladung oder die ersten drei in der Antragstellung aufgeführten Arbeitnehmer. Wird ein Betriebsrat, eine Jugend- und Auszubildendenvertretung, eine Bordvertretung oder ein Seebetriebsrat nicht gewählt, besteht der Kündigungsschutz nach Satz 1 vom Zeitpunkt der Einladung oder Antragstellung an drei Monate.

…“

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VonRA Moegelin

Kündigung wegen Veröffentlichung von Gerichtsschriftsätzen

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Die fristlose Kündigung wegen Veröffentlichung von Gerichtsschriftsätzen im Betrieb ist ohne vorherige Abmahnung gerechtfertigt, wenn dabei personenbezogene Daten, z.B. Gesundheitsdaten, offengelegt werden.

Volltext des Urteils des LAG Baden-Württemberg vom 25.03.2022 – 7 Sa 63/21:

Leitsätze

Die in einem gerichtlichen Verfahren von den Parteien gefertigten und zur Gerichtsakte eingereichten Schriftsätze sind zweckbestimmt. Sie sind gerichtsöffentlich, nicht aber für die Allgemeinheit oder die Betriebsöffentlichkeit bestimmt. Wer solche Schriftsätze, in denen Daten, insbesondere auch besondere Kategorien personenbezogener Daten (Gesundheitsdaten), verarbeitet werden, bewusst und gewollt der Betriebsöffentlichkeit durch die Verwendung eines durch eine E-Mail zur Verfügung gestellten Links offenlegt und darüber hinaus den Adressatenkreis auffordert, die Weiterverbreitung der verlinkten E-Mail zu veranlassen, ohne dafür einen rechtfertigenden Grund zu haben, verletzt rechtswidrig und schuldhaft Persönlichkeitsrechte der in diesen Schriftsätzen namentlich benannten Personen. Eine solche Verhaltensweise ist geeignet, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen.

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 04.08.2021 – 25 Ca 1048/19 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten zweitinstanzlich zuletzt über die Wirksamkeit einer außerordentlichen verhaltensbedingten Kündigung der Beklagten vom 18. Januar 2019 und davon abhängig über die Weiterbeschäftigung des Klägers.
2

Wegen des erstinstanzlichen unstreitigen und streitigen Vorbringens der Parteien einschließlich ihrer Rechtsansichten wird, soweit vorliegend von Interesse, auf den nicht mit einem Berichtigungsantrag angegriffenen Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Bezug genommen und verwiesen.
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Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 4. August 2021 die Klage abgewiesen. Wegen der Begründung des Arbeitsgerichts wird auf die Entscheidungsgründe unter II. 1. und 2. Bezug genommen und verwiesen.
4

Der Kläger hat gegen das ihm am 12. August 2021 zugestellte Urteil mit beim Berufungsgericht am 1. September 2021 eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und sie innerhalb der mit Verfügung vom 3. September 2021 bis zum 12. November 2021 verlängerten Begründungsfrist mit beim Landesarbeitsgericht am 12. November 2021 eingegangenem Schriftsatz ausgeführt.
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Er rügt auf der Grundlage seines Begründungsschriftsatzes vom 12. November 2021, der Gegenstand der Berufungsverhandlung war und auf den Bezug genommen und verwiesen wird, näher bestimmt fehlerhafte Rechtsanwendung des Arbeitsgerichts insbesondere insoweit, als sein Verhalten keinen kündigungsrelevanten Datenschutzverstoß beinhalte. Die Datenschutzgrundverordnung finde angesichts der Haushaltsausnahme keine Anwendung, jedenfalls fehle es an einer unrechtmäßigen Verarbeitung, insbesondere von besonderen Kategorien personenbezogener Daten, Letzteres sei jedoch auch von der Ausnahmeregelung gemäß Art. 9 Abs. 2 DSGVO getragen, zumindest sei sein Verhalten nach Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO gerechtfertigt. Außerdem handele es sich um keinen besonders schwerwiegenden Verstoß, von einem schuldhaften Verstoß könne auch nicht ausgegangen werden, da er sich in einem Rechtsirrtum befunden habe, er habe auf die Richtigkeit seines damaligen Rechtsbeistandes vertraut. Im Übrigen liege auch kein Verstoß gegen Art. 14 DSGVO vor, jedenfalls aber führe ein Verstoß hiergegen nicht zur Rechtswidrigkeit der Datenverarbeitung. Er habe auch mitnichten die allgemeinen Persönlichkeitsrechte der durch die Veröffentlichung der Schriftsätze betroffenen Personen verletzt. In diesem Kontext sei es ihm nämlich um die Verteidigung gegen die ungerechtfertigten Vorwürfe der sexuellen Belästigung gegangen und insofern könne er sich auf das Grundrecht der Meinungsfreiheit berufen. Der Vorwurf der massiven Störung des Betriebsfriedens sei bereits deswegen nicht gerechtfertigt, weil die Beklagte hierfür nichts Konkretes vorgetragen habe. Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts liege hinsichtlich der behaupteten Pflichtverstöße, die der vorliegenden Kündigung und der Kündigung vom 13. Februar 2018 zu Grunde liegen, keine Gleichartigkeit vor, so dass die unwirksame Kündigung vom 13. Februar 2018 nicht in eine Abmahnung „umgedeutet“ werden könne. Außerdem habe das Arbeitsgericht auch die Interessenabwägung rechtsfehlerhaft durchgeführt und die Ordnungsgemäßheit der Betriebsratsanhörung fehlerhaft bewertet.
6

Der Kläger beantragt zuletzt,
7

das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 04.08.2021, Az. 25 Ca 1058/19 abzuändern und

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1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die seitens der Beklagten und Berufungsbeklagten erklärte Kündigung vom 18.01.2019 nicht zum 18.01.2019 aufgelöst worden ist.

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2. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zur unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Entwicklungsingenieur weiter zu beschäftigen.
10

Die Beklagte beantragt Zurückweisung der Berufung und verteidigt das erstinstanzliche Urteil auf der Grundlage ihres Schriftsatzes vom 17. Januar 2022, auf den und auf ihren weiteren Schriftsatz vom 18. März 2022 sowie auf die Schriftsätze des Klägers vom 20. Februar 2022 und 22. März 2022 einschließlich des Sitzungsprotokolles vom 25. März 2022 Bezug genommen und verwiesen wird.

Entscheidungsgründe

I.
11

Die statthafte, frist- und formgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist mit Ablauf des 18. Januar 2019 beendet. Die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 18. Januar 2019 ist wirksam. Der Weiterbeschäftigungsantrag des Klägers ist als uneigentlicher Hilfsantrag nicht zur Entscheidung angefallen. Das hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt.

12

1. Die Berufungskammer verweist zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG vollumfänglich auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts in seinen Entscheidungsgründen unter II. 1. und 2. und macht sich diese ausdrücklich zu eigen. Das Arbeitsgericht hat seiner Beurteilung die vom Bundesarbeitsgericht entwickelten Rechtssätze zur Beurteilung der Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung zu Grunde gelegt und eine von Rechts wegen nicht zu beanstandende Subsumtion des von ihm festgestellten, vom Kläger nicht angegriffenen und damit bindenden Sachverhaltes durchgeführt.

13

2. Die Berufungsangriffe des Klägers rechtfertigen kein anderes Ergebnis. Sie wiederholen im Kern lediglich das erstinstanzliche Vorbringen, ohne neue rechtliche oder tatsächliche Gesichtspunkte aufzuzeigen. Die Berufungskammer sieht sich zu folgenden Ausführungen veranlasst.

14

a) Nach Auffassung der Berufungskammer gilt vorliegend zusammengefasst Folgendes:

15

Wer im Rahmen eines von ihm angestrengten Gerichtsverfahrens bestimmte, ausschließlich dem Verfahren gewidmete Schriftsätze der Gegenseite, in denen Daten, insbesondere auch besondere Kategorien personenbezogener Daten (Gesundheitsdaten), verarbeitet werden, bewusst und gewollt der Betriebsöffentlichkeit durch die Verwendung eines durch eine E-Mail zur Verfügung gestellten Links offenlegt und darüber hinaus den Adressatenkreis auffordert, die Weiterverbreitung der verlinkten E-Mail zu veranlassen (Bl.315 der ArbG-Akte), ohne dafür einen rechtfertigenden Grund zu haben, verletzt rechtswidrig und schuldhaft Persönlichkeitsrechte der in diesen Schriftsätzen namentlich benannten Personen mit der Folge, dass vorliegend die außerordentliche Kündigung der Beklagten interessenabgewogen wirksam ist. Die Wahrnehmung berechtigter Interessen des Klägers oder sonstiger sein Fehlverhalten rechtfertigende Umstände lagen jedenfalls insofern nicht vor, als die Entscheidungsgründe des Urteils des Arbeitsgerichts am Tage der Zurverfügungstellung des Links noch nicht vorlagen und dem Kläger auch noch die Möglichkeit offenstand, gegen das Urteil das Rechtsmittel der Berufung einzulegen, um in diesem Verfahren seinen Standpunkt darzulegen.

16

b) Soweit der Kläger versucht, die Verletzung der Persönlichkeitsrechts der in den von ihm ungeschwärzt veröffentlichten und zur Weiterverbreitung veranlassten Schriftsätzen der Beklagten namentlich benannten Personen insofern zu rechtfertigen, als es ihm vor allem um seine Verteidigung gegen die von der Beklagten erhobenen ungerechtfertigten Vorwürfe der sexuellen Belästigung im Zusammenhang mit seinem Aufenthalt im Flur vor den Umkleidekabinen gegangen sei, mithin sich seine verlinkte E-Mail vom 20. Dezember 2018 gegen die Beklagte selbst und nicht gegen Frau B. und Herrn A. gerichtet habe, folgt ihm die Berufungskammer nicht. Dagegen spricht der Umstand, dass er im Zeitpunkt der Fertigung der E-Mail am 20. Dezember 2018 die Begründung des Urteils des Arbeitsgerichts noch nicht kannte. Die Bearbeitung und Bewertung des vom Kläger in Abrede gestellten Vorwurfs durch das Arbeitsgericht war ebenso offen wie auch im Rahmen des dem Kläger zur Verfügung stehenden Rechtsmittels der Berufung. Das vollständig abgefasste Urteil wurde dem Kläger erst am 8 Mai 2019 zugestellt. Dem steht nicht entgegen, dass der Kammervorsitzende in der Verhandlung vom 14. Dezember 2018 den „Aufenthalt des Klägers nahe der Damenumkleide“ wohl nicht als geeignet ansah, einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB anzunehmen. Ob und gegebenenfalls wie und mit welchem Gewicht das Arbeitsgericht den Vorwurf im Rahmen des der außerordentlichen Kündigung zu Grunde zu legenden Programms der Prüfung der Wirksamkeit der Kündigung Relevanz beimaß, war zum damaligen Zeitpunkt nicht bekannt. Auch die Bewertung durch das Berufungsgericht war nicht vorhersehbar. Es war nicht ausgeschlossen, dass es den Vorwurf einer Beweisaufnahme zuführt und sich dadurch der Sachverhalt klärt. Ungeachtet dessen widerspricht die vom Kläger geltend gemacht „Stoßrichtung“ seinem tatsächlichen Vorgehen. Er hat unstreitig die kompletten Schriftsätze ungeschwärzt zur Verfügung gestellt. Seiner Begründung hätte es jedoch nur dann entsprochen, hätte er ausschließlich die Ausführungen zur Thematik „Umkleidekabine“ dem Verteilerkreis bekannt gemacht. Sein nicht auflösbarer Widerspruch ist ersichtlich Ausdruck einer Schutzbehauptung, die jedoch widerlegt ist.

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c) Zutreffend hat das Arbeitsgericht erkannt, dass der Kläger sein Fehlverhalten auch schuldhaft begangen hat (vgl. II. 1. c) der Entscheidungsgründe). Nach Ansicht der Berufungskammer besteht nach Durchführung und Befragung des Klägers in der mündlichen Verhandlung auch für einen Rechtsirrtum kein Anhalt. Die Kammer geht von einer vorsätzlichen Pflichtverletzung des Klägers aus. Es ist nach Überzeugung der Berufungsverhandlung nach Durchführung der Berufungsverhandlung davon auszugehen, dass der Kläger sehr wohl wusste, was er tat. Der Kläger ist seit 2006 Betriebsratsmitglied und war u.a. auch Mitglied im Personalausschuss des Betriebsrats, so dass er hinsichtlich des Umgangs mit personenbezogenen Daten geschult und vertraut war (vgl. §§ 102 Abs. 2 Satz 5, 99 Abs. 1 Satz 3 BetrVG). Diese Sonderkenntnisse werden bekräftigt durch die von ihm am 15. September 2011 als „[Name der Beklagten]-Mitarbeiter“ unterzeichnete Datenschutzerklärung. Im Übrigen wird diese Beurteilung auch insoweit belegt, als sich der Kläger in seiner Begründungsschrift vom 12. November 2021 auf Seite 23 selbst auf den Datenschutz in Bezug auf die von der Beklagten beanspruchte Preisgabe des Verteilerkreises beruft.

18

d) Soweit der Kläger die Interessenabwägung des Arbeitsgerichts kritisiert, folgt ihm die Berufungskammer nicht.

19

aa) Bei der Prüfung im Rahmen des § 626 Abs. 1 BGB, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen. Dabei lassen sich die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumindest bis zum Ende der Frist für eine ordentliche Kündigung zumutbar war oder nicht, nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf. Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind. Sie scheidet aus, wenn es ein „schonenderes“ Gestaltungsmittel – etwa Abmahnung, Versetzung, ordentliche Kündigung – gibt, das ebenfalls geeignet ist, den mit einer außerordentlichen Kündigung verfolgten Zweck – nicht die Sanktion des pflichtwidrigen Verhaltens, sondern die Vermeidung des Risikos künftiger Störungen des Arbeitsverhältnisses – zu erreichen. Beruht die Vertragspflichtverletzung auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann. Ordentliche und außerordentliche Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung setzen deshalb regelmäßig eine Abmahnung voraus. Einer solchen bedarf es nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach Abmahnung nicht zu erwarten steht, oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich – auch für den Arbeitnehmer erkennbar – ausgeschlossen ist (z.B. BAG 29. Juni 2017 – 2 AZR 302/16 – AP Nr. 261 zu § 626 BGB, zu I. 3. a) der Gründe = Rn. 26ff).

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bb) Danach ist Im Ergebnis die Interessenabwägung des Arbeitsgerichts auch unter Berücksichtigung der diesbezüglichen Berufungsangriffe von Rechts wegen nicht zu beanstanden.

21

(1) Das Arbeitsgericht hat es mit Blick auf die Schwere der von ihm festgestellten Pflichtverletzungen gleichwohl nicht entschieden, ob eine Abmahnung überhaupt erforderlich war. Es hat darauf abgestellt, dass jedenfalls die am 13. Februar 2018 ausgesprochene, wegen fehlender Abmahnung vom Landesarbeitsgericht mit rechtskräftigem Urteil vom 21. Januar 2020 für unwirksam erachtete außerordentliche Kündigung die Funktion einer Abmahnung vorliegend erfüllt. Das ist von Rechts wegen nicht zu kritisieren. Die Rüge- und insbesondere die Warnfunktion der Abmahnung ist dadurch gewahrt. Das Arbeitsgericht legt seiner Subsumtion die einschlägigen, vom Bundesarbeitsgericht generierten Rechtssätze zu Grunde (BAG 19. April 2012 – 2 AZR 323/10 – AP Nr. 236 zu § 626 BGB, zu I. 3. c) aa) der Gründe = Rn. 31). Soweit der Kläger auch zweitinstanzlich die Ansicht vertritt, es handele sich gerade nicht um Pflichtverletzungen aus demselben Bereich, weshalb auch kein innerer Zusammenhang zwischen Abmahnung und potentiellen Kündigungsgründen existiere, verkennt er, dass es nicht darauf ankommt, ob das Tatgeschehen vergleichbar ist, sondern ob die dadurch verletzten Rechtsgüter vergleichbar sind. Der rechtskräftig festgestellte Vorwurf der Bedrohung von Frau B. und Herrn A. einerseits und der vorliegend der außerordentlichen Kündigung zu Grunde liegende Vorwurf der unbefugten Veröffentlichung weiter Teile der Prozessakte in der Betriebsöffentlichkeit anderseits verletzen jeweils die Persönlichkeitsrechte der in den verbreiteten Schriftsätzen namentlich benannten Personen.

22

Nach Ansicht der Berufungskammer bedarf es vorliegend keiner vorherigen Abmahnung. Dafür spricht die Schwere der vorsätzlichen Pflichtverletzung des Klägers, die sich nicht nur in einem einmaligen Fehlverhalten zeigt, sondern vom Kläger bewusst darauf angelegt war, durch die gewollte Weiterverbreitung durch den Verteilerkreis die Verletzung des informationellen Selbstbestimmungsrechts der namentlich benannten Personen zu perpetuieren und infolgedessen zu intensivieren. Soweit der Kläger nunmehr in der Begründungsschrift sein in der E-Mail vom 20. Dezember 2018 (Bl. 315 der ArbG-Akte) an den bislang nicht offengelegten Verteilerkreis formuliertes Weiterverbreitungsverlangen versucht als „unglücklich formuliert“ zu relativieren, ist das unbehelflich. Maßgebend ist der Zeitpunkt der Abfassung der E-Mail am 20. Dezember 2018 und die darin ausdrücklich enthaltene Aufforderung, die Schriftsätze weiter zu verbreiten und daraus auch zu zitieren.

23

(2) Die Argumentation des Klägers, im Rahmen der Interessenabwägung sei zu seinen Gunsten zu berücksichtigen, dass die Beklagte den Kläger nicht sofort, die E-Mail des Klägers vom 20. Dezember 2018 ging nach der Feststellung des Arbeitsgerichts der Beklagten um 13:13 Uhr zu, sondern erst taggleich um 18:33 Uhr aufforderte, den Dropbox-Link zu löschen, beinhaltet eine Perversion des Rechts.

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(3) Soweit der Kläger wohl zum Ausdruck bringen will, es sei auch zu seinen Gunsten zu berücksichtigen, dass es ihm im vorherigen Kündigungsschutzverfahren verwehrt worden sei, die Vorwürfe der sexuellen Belästigung und den Sachverhalt in Bezug auf Herrn A. gegenbeweislich auszuräumen, verkennt er die Bindungswirkung des rechtskräftigen Urteils des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 21. Januar 2020 (8 Sa 30/19).

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(4) Die Kritik des Klägers, die Interessenabwägung sein insofern fehlerhaft, als das Arbeitsgericht zu seinen Lasten berücksichtigt habe, dass er die Beklagte mit der E-Mail vom 20. Dezember 2018 vor „vollendete Tatsachen“ stellte, namentlich weil er die E-Mail an einen weiteren Adressatenkreis versandt habe, den er bis heute nicht offenbart habe, obschon er hierzu aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht berechtigt sei, verkennt, dass das Arbeitsgericht damit zum Ausdruck bringt, dass sein Vorgehen inhaltlich und auch technisch dahingehend angelegt war, es unumkehrbar, ja sogar perpetuierend zu gestalten.

26

e) Soweit der Kläger die Beurteilung des Arbeitsgerichts in Bezug auf das Verfahren auf Zustimmung des Betriebsrats zur streitgegenständlichen Kündigung beanstandet, ist ihm nicht zu folgen. Rechtsfehler bestehen insoweit nicht.

27

aa) Zutreffend hat das Arbeitsgericht erkannt, dass von Rechts wegen davon auszugehen ist, dass der Betriebsrat entsprechend der Angabe im Anschreiben vom 28. Dezember 2018 die Anlagen 1 bis 12 erhalten hat. Der über der Unterschrift des Betriebsratsvorsitzenden vom 28. Dezember 2018 handschriftlich verfasste Text „Erhalt der Unterlagen bestätigt inklusive aller Anlagen“ trägt die vom Kläger nicht widerlegte Vermutung in sich, die im Anschreiben benannten Anlagen 1 bis 12 tatsächlich erhalten zu haben. Die Echtheit der Unterschrift des die Urkunde unterzeichneten Betriebsratsvorsitzenden hat der Kläger nicht nach Maßgabe des § 138 ZPO i.V.m. § 439 Abs. 1 ZPO in Abrede gestellt (vgl. §§ 416, 439 Abs. 3, 440 Abs. 2 ZPO; BGH 20. November 1990 – XI ZR 107/89NJW 1991, 487-489, zu I. 2. a) der Gründe = Rn. 13ff).

28

bb) Soweit der Kläger die Sachverhaltsdarstellung der Beklagten gegenüber dem Betriebsrat zur „Öffentlichkeit“ und „Bekanntheit“ der Informationen über Frau B. und Herrn A. bezüglich deren Aussagen und Gesundheitszustand insofern als fehlerhaft rügt, als dies bereits öffentlich und somit auch betriebsöffentlich gewesen sei, steht dem bereits die nicht vom Kläger mit einem Berichtigungsantrag angegriffene und damit für die Berufungskammer bindende Feststellung des Gegenteils durch das Arbeitsgericht entgegen. Die entsprechenden Feststellungen im Tatbestand des angegriffenen Urteils lauten:

29

„Weder in den Pressemitteilungen des Gerichts noch der der Beklagten bekannten Presseberichterstattung wurden die Namen der im Verfahren angehörten Zeugen oder sonstiger beteiligter Personen explizit genannt.

30

Diese Details wurden – insofern unstreitig – weder in den öffentlichen Gerichtsverhandlungen noch in der Presse explizit benannt.“

31

Insofern ist Sachverhaltsdarstellung der Beklagten in ihrem Schreiben an den Betriebsrat vom 28. Dezember 2018 objektiv zutreffend, sie enthält keine irreführenden Auslassungen.
II.
32

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 516 Abs. 3 Satz 2 ZPO.
33

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.

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VonRA Moegelin

Betriebsbegriff im Internationalen Luftverkehrsbetrieb

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Der Betriebsbegriff des § 24 Abs. 2 KSchG beruht auf einer gesetzlichen Fiktion und ist vom Betriebsbegriff des BetrVG entkoppelt. Es kommt auf eine tatsächliche betriebliche Einheit in Organisation und Verfolgung eines arbeitstechnischen Zwecks nicht an. Diese Fiktion hilft auch über die sonst geforderte Betriebsbelegenheit im Inland hinweg. Ein Luftverkehrsbetrieb iSd. § 24 Abs. 2 KSchG bedarf daher auch keiner akzessorischen Anbindung an einen im deutschen Inland belegenen Bodenbetrieb. Die Leitungsmacht kann auch vom Ausland ausgeübt werden. In diesem Fall unterfallen aber nur die Mitarbeiter des Luftverkehrsbetriebs dem deutschen Kündigungsschutzrecht, deren Arbeitsverhältnisse auch dem deutschen Recht unterliegen.( Leitsätze)

Volltext des Urteils des LAG Baden-Württemberg Urteil vom 10.8.2022, 2 Sa 16/21:

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 27.05.2021 (22 Ca 5112/20) teilweise abgeändert.

1. Es wird festgestellt, dass das zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1 bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung der Beklagten zu 1 vom 14.07.2020 aufgelöst wurde.

2. Im Ãœbrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

III. Von den Gerichtskosten erster Instanz hat der Kläger 70 % und die Beklagte zu 1 30 % zu tragen.

Von den (erstattungsfähigen) außergerichtlichen Kosten erster Instanz des Klägers hat die Beklagte zu 1 30 % zu tragen. Von den (erstattungsfähigen) außergerichtlichen Kosten erster Instanz der Beklagten zu 1 hat der Kläger 70 % zu tragen. Die (erstattungsfähigen) außergerichtlichen Kosten erster Instanz der Beklagten zu 2 hat der Kläger in Gänze zu tragen.

Von den Gerichtskosten der zweiten Instanz hat der Kläger 69 % und die Beklagte zu 1 31 % zu tragen. Von den außergerichtlichen Kosten zweiter Instanz des Klägers hat die Beklagte zu 1 31 % zu tragen. Von den außergerichtlichen Kosten zweiter Instanz der Beklagten zu 1 hat der Kläger 69 % zu tragen.

Die außergerichtlichen Kosten zweiter Instanz der Beklagten zu 2 hat der Kläger in Gänze zu tragen.

IV. Die Revision wird für beide Parteien zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz noch über die Wirksamkeit zweier von der Beklagten zu 1 ausgesprochenen ordentlichen Kündigungen, über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses des Klägers bei der Beklagten zu 2 wegen eines Betriebsübergangs und hilfsweise über Weiterbeschäftigung. Außerdem begehrt der Kläger Auskunft von der Beklagten zu 1 nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO, Erteilung von Kopien der verarbeiteten personenbezogenen Daten sowie Schadenersatz wegen Verstößen gegen die DSGVO.
2

Wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf den von beiden Parteien nicht beanstandeten ausführlichen Tatbestand des arbeitsgerichtlichen Urteils vom 27. Mai 2021 Bezug genommen.
3

Das angefochtene Urteil hat die Klage abgewiesen und ist der Ansicht, dass das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1 bereits durch die erste Kündigung vom 14. Juli 2020 zum 31. Oktober 2020 beendet worden sei. Der Geltungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes sei gem. § 24 Abs. 1, 2 KSchG zwar nur bei inländischen Luftverkehrsbetrieben eröffnet. Ein solcher läge angesichts der von der Beklagten zu 1 maßgeblich von Österreich ausgeübten Leitungsmacht nicht vor. Dennoch seien die Regelungen des Kündigungsschutzgesetzes auf das Arbeitsverhältnis des Klägers über eine Modifikation des kündigungsschutzrechtlichen Betriebsbegriffs in verfassungskonformer Auslegung anwendbar. Die Kündigung sei jedoch sozial gerechtfertigt wegen einer beschlossenen und durchgeführten Stilllegung der Homebase am S. Flughafen. Die Beklagte zu 2 habe zu keinem Zeitpunkt einen Betrieb an der Homebase S. übernommen. Es läge deshalb weder ein Teilbetriebsübergang noch ein Betriebsübergang des Gesamtflugbetriebs auf die Beklagte zu 2 vor. Wegen der Stilllegung sei eine Sozialauswahl entbehrlich gewesen. Die Massenentlassungsanzeige sei ordnungsgemäß erfolgt. Selbst wenn nachfolgend noch ein (Teil-)Betriebsübergang auf die Beklagte zu 2 stattgefunden haben sollte, wäre ein auf die Beklagte zu 2 übergegangenes Arbeitsverhältnis jedenfalls zum 31. Oktober 2020 mit Ablauf der Kündigungsfrist beendet worden. Eine Feststellung, dass mit der Beklagten zu 2 ein Arbeitsverhältnis bestehe, könne deshalb nicht getroffen werden. Der Auskunftsanspruch gem. Art. 15 Abs. 1 DSGVO sei mit Schreiben der R. vom 25. Januar 2021 erfüllt worden. Der Antrag auf Erteilung von Kopien über die im Beschäftigungskontext verarbeiteten Daten sei mangels Bestimmtheit unzulässig. Dem Kläger stehe kein Schadenersatzanspruch wegen eines Datenschutzverstoßes der Beklagten zu 1 zu. Mit der Übermittlung der Beschäftigtendaten des Klägers habe die Beklagte zu 1 der Beklagten zu 2 nur bei der Personalgewinnung helfen wollen. Das Verschulden sei gering. Weil der Kläger sich auf die Bewerbungsaufforderung auch tatsächlich beworben habe, würde er sich mit der Geltendmachung eines Schadenersatzanspruchs in Widerspruch zu seinem eigenen Verhalten setzen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
4

Gegen dieses dem Kläger am 10. August 2021 zugestellte Urteil richtet sich die am 30. August 2021 eingelegte und am 11. Oktober 2021 (einem Montag) ausgeführte Berufung des Klägers. Der Kläger vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen und ist weiterhin der Ansicht, dass bereits zum Zeitpunkt des Ausspruchs der ersten Kündigung vom 14. Juli 2020 und erst recht zum Zeitpunkt des Ausspruchs der zweiten Kündigung vom 10. September 2020 geplant gewesen sei, dass die Beklagte zu 2 den gesamten Flugbetrieb der Beklagten zu 1 übernehme, was diese spätestens zum 1. November 2020 auch getan habe. Zumindest bei der ersten Kündigung hätten noch die Mitarbeiter der Homebase D. in die Sozialauswahl einbezogen werden müssen. Überhaupt hätte der Kläger auch in W. oder in P. eingesetzt werden können.
5

Er rügt weiterhin die Fehlerhaftigkeit der Massenentlassungsanzeige wegen des Fehlens der Sollangaben zu Geschlecht, Alter, Beruf und Staatsangehörigkeit der zu entlassenden Personen.
6

Der Kläger meint, der DSGVO-Auskunftsanspruch sei noch nicht erfüllt. Die R., die das Schreiben vom 25. Januar 2021 verfasst habe, sei nicht die datenschutzrechtlich Verantwortliche. Der Verweis auf den beigefügten Anhang sei intransparent.
7

Als Annex zum Auskunftsanspruch stehe ihm auch ein Anspruch auf Aushändigung von Kopien zu. Eine Präzisierung ohne vorherige Auskunft sei nicht möglich.
8

Im Übrigen wird auf das zweitinstanzliche Vorbringen des Klägers in dessen Schriftsätzen vom 11. Oktober 2021, 10. Mai 2022 und 4. August 2022 Bezug genommen.
9

Der Kläger beantragt:
10

1. Das Urteil des Arbeitsgericht Stuttgart vom 27.05.2021, zugestellt am 09.08.2021, Az.: 22 Ca 5112/20 wird teilweise abgeändert.
11

2. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers zur Beklagten zu 1) weder durch die Kündigung der Beklagten zu 1) vom 14.07.2020, noch durch die weitere Kündigung vom 10.09.2020 beendet worden ist.
12

3. Es wird festgestellt, dass das zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1) bestehende Arbeitsverhältnis ab dem 01.11.2020 mit der Beklagten zu 2) zu unveränderten Arbeitsbedingungen fortbesteht.
13

4. Für den Fall des Obsiegens nach Klageantrag Ziff. 1, 2 wird die Beklagte zu 2) dazu verurteilt, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits als CoPilot (First Officer) weiter zu beschäftigen.
14

5. Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, dem Kläger Auskunft zu erteilen über die von ihr verarbeiteten personenbezogenen Daten des Klägers im Kontext des Beschäftigungsverhältnisses Hinblick auf
15

– die Zwecke der Datenverarbeitung,
16

– die Kategorien personenbezogener Daten, die verarbeitet werden,
17

– die Empfänger, gegenüber denen die personenbezogenen Daten offengelegt worden sind oder noch offengelegt werden, falls möglich die geplante Dauer, für die die personenbezogenen Daten gespeichert werden, oder, falls dies nicht möglich ist, die Kriterien für die Festlegung dieser Dauer;
18

– wenn die personenbezogenen Daten nicht bei dem Kläger selbst erhoben wurden, alle verfügbaren Informationen über die Herkunft der Daten,
19

– das Bestehen einer automatisierten Entscheidungsfindung einschließlich Profiling sowie aussagekräftige Informationen über die involvierte Logik sowie die Tragweite und die angestrebten Auswirkungen einer derartigen Verarbeitung.
20

Ferner wird die Beklagte gem. Art. 15 Abs. 3 S.1 DS-GVO dazu verurteilt dem Kläger eine Kopie der personenbezogenen Daten im Beschäftigungskontext, die Gegenstand der Verarbeitung sind, zur Verfügung zu stellen.
21

6. Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, dem Kläger Schadensersatz dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, den Betrag von 5.000,00 EUR aber nicht unterschreiten sollte, nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
22

7. Im Ãœbrigen bleibt das erstinstanzliche Urteil aufrechterhalten.
23

Die Beklagten beantragen,
24

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
25

Die Beklagten verteidigen das arbeitsgerichtliche Urteil unter Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens. Wegen des weiteren zweitinstanzlichen Vorbringens der Beklagten wird auf deren Schriftsätze vom 10. Dezember 2021, 4. Juli 2022 und 8. August 2022 verwiesen.

Entscheidungsgründe

26

Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und begründete und auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers ist nur teilweise begründet, soweit sich der Kläger gegen die Wirksamkeit der Kündigung der Beklagten zu 1 vom 14. Juli 2020 richtet. Im Übrigen ist die Berufung unbegründet. Der Streitgegenstand „DSGVO-Schadenersatz“ (Berufungsantrag zu 6) wurde durch gesonderten Beschluss vom Verfahren getrennt und ist nicht Gegenstand dieser Entscheidung.
I.
27

Das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1 ist nicht durch die Kündigung vom 14. Juli 2020 aufgelöst worden. Insoweit war das angegriffene Urteil abzuändern.
28

Die Kündigung ist nicht gem. § 1 Abs. 2 KSchG aus betriebsbedingten Gründen sozial gerechtfertigt.
29

1. Das angefochtene Urteil hat zutreffend festgestellt, dass im Verhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1 deutsches Recht anwendbar ist.
30

Die Parteien haben im „Eckpunktepapier“ gem. Art. 3 Abs. 1; 8 Abs. 1 ROM I-VO die Anwendbarkeit deutschen Rechts ab 1. Juli 2020 vereinbart. Diese Rechtswahl entspricht dem, was gem. Art. 8 Abs. 2 ROM I-VO ohnehin gegolten hätte, hätten die Parteien eine Rechtswahl nicht getroffen. Ob die vormals in Nr. 14 Abs. 6 des Arbeitsvertrages getroffene Rechtswahl österreichischen Rechts gem. Art. 8 Abs. 1 Satz 2 ROM I-VO hätte Bestand haben können, muss deshalb nicht entschieden werden.
31

2. Es sind auch die Regelungen des Ersten Abschnitts des Kündigungsschutzgesetzes auf das Arbeitsverhältnis des Klägers anwendbar.
32

a) Grundsätzlich und außerhalb der Schifffahrts- oder Luftverkehrsbetriebe werden gem. § 23 Abs. 1 KSchG vom Geltungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes nur Betriebe erfasst, die in der Bundesrepublik Deutschland liegen. Das Kündigungsschutzgesetz gilt somit nur für Inlandsbetriebe (BAG 26. März 2009 – 2 AZR 883/07 -; BAG 17. Januar 2008 – 2 AZR 902/06 -; BAG 3. Juni 2004 – 2 AZR 386/03 -).
33

§ 23 Abs. 1 KSchG enthält ebenso wie das gesamte Kündigungsschutzgesetz keine eigene Definition des Betriebsbegriffs. Es gilt daher im Wesentlichen derjenige des § 1 BetrVG. Danach ist der Betrieb die organisatorische Einheit von Arbeitsmitteln, mit deren Hilfe der Arbeitgeber allein oder in Gemeinschaft mit seinen Arbeitnehmern mit Hilfe von technischen und immateriellen Mitteln einen bestimmten arbeitstechnischen Zweck fortgesetzt verfolgt, der nicht nur in der Befriedigung von Eigenbedarf liegt. Dies setzt einen einheitlichen organisatorischen Einsatz der Sachmittel und Personalressourcen voraus. Die einen Betrieb konstituierende Leitungsmacht wird dabei dadurch bestimmt, dass der Kern der Arbeitgeberfunktionen in personellen und sozialen Angelegenheiten von derselben institutionalisierten Leitung im Wesentlichen selbstständig ausgeübt wird. Entscheidend ist, wo schwerpunktmäßig über Arbeitsbedingungen und Organisationsfragen entschieden wird und in welcher Weise Einstellungen, Entlassungen und Versetzungen vorgenommen werden (BAG 2. März 2017 – 2 AZR 427/16 -).
34

b) Für das fliegende Personal gelten über § 24 Abs. 2 KSchG Besonderheiten. Da die erkennende Kammer die Rechtsansicht der 4. Kammer des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg im Urteil vom 1. Juni 2022 (4 Sa 65/21) teilt, wird insoweit auf die zutreffenden Ausführungen im genannten Urteil verwiesen.
35

aa) Nach § 24 Abs. 2 KSchG gilt als Betrieb „im Sinne dieses Gesetzes“ u.a. die Gesamtheit der Luftfahrzeuge eines Luftverkehrsbetriebs. In Abgrenzung von den Land- und Bodenbetrieben enthält § 24 Abs. 2 KSchG insoweit einen eigenständigen Betriebsbegriff. Dieser bezieht sich ausweislich § 23 Abs. 1 Satz 1, § 24 Abs. 1 KSchG aber nur auf die Vorschriften des Ersten und Zweiten Abschnitts des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG). Für den im Dritten Abschnitt des KSchG geregelten Massenentlassungsschutz beansprucht er dagegen nach diesen Bestimmungen keine Geltung. Systematisch definiert § 23 Abs. 1 KSchG den Geltungsbereich der Vorschriften des Ersten und Zweiten Abschnitts des KSchG und enthält (nur insoweit) einen durch § 24 KSchG ausgestalteten Vorbehalt u.a. für die Luftverkehrsbetriebe BAG 13. Februar 2020 – 6 AZR 146/19 -).
36

Rechtstechnisch handelt es sich um eine gesetzliche Fiktion, die den Betriebsbegriff nur für den Ersten und Zweiten Abschnitt des Kündigungsschutzgesetzes ausgestaltet und diesen vom Betriebsbegriff des Betriebsverfassungsgesetzes entkoppelt (KR/Bader/Kreutzberg-Kowalczyk 13. Aufl. § 24 KSchG Rn. 19; APS/Moll 6. Aufl. § 24 KSchG Rn. 6,7). Daraus folgt, dass es wegen des Charakters als „mobiler Betrieb“ (HaKo-KSchR/Pfeiffer 7. Aufl. § 24 KSchG Rn. 5) nicht auf die tatsächliche betriebliche Einheit in Organisation und Verfolgung eines arbeitstechnischen Zwecks ankommt (KR/Bader/Kreutzberg-Kowalczyk 13. Aufl. § 24 KSchG Rn. 19; APS/Moll 6. Aufl. § 24 KSchG Rn. 6,7; HaKo-KSchR/Pfeiffer 7. Aufl. § 24 KSchG Rn. 5). Führt diese Fiktion aber zur Entbehrlichkeit eines tatsächlich einheitlichen arbeitstechnischen Zwecks und einer räumlich organisatorischen Einheit, so hilft sie auch über die sonst geforderte Betriebsbelegenheit im Inland hinweg (DDZ/Deinert/Callsen 11. Aufl. § 24 Rn. 3). Voraussetzung ist dann ausschließlich, dass auf die einzubeziehenden Arbeitnehmer deutsches Recht anzuwenden ist (LAG Berlin-Brandenburg 26. März 2015 – 26 Sa 1513/14 u.a. -; KR/Bader/Kreutzberg-Kowalczyk 13. Aufl. § 24 KSchG Rn. 19; HaKo-KSchR/Pfeiffer 7. Aufl. § 24 KSchG Rn. 5). Das LAG Berlin-Brandenburg leitet dies u.a. auch aus den systematischen Erwägungen des Bundesarbeitsgerichts zum Erfordernis des Inlandsbetriebs im Anwendungsbereich des § 23 Abs. 1 KSchG ab. Das BAG hat in seiner Entscheidung vom 17. Januar 2008 (2 AZR 902/06) das Erfordernis des Inlandbetriebs nämlich gerade aus der Gegenüberstellung von § 23 KSchG und § 24 KSchG abgeleitet mit dem Hinweis, dass § 24 KSchG Lebenssachverhalte erfasse, bei denen typischerweise Auslandsberührungen zu erwarten seien.
37

bb) Die 7. Kammer des LAG Baden-Württemberg (LAG Baden-Württemberg 17. September 2021 – 7 Sa 32/21 -) will dagegen (anders: HaKo-KSchR/Pfeiffer 7. Aufl. § 24 KSchG Rn. 5) auf einen inländischen Leitungsapparat nicht verzichten, ohne jedoch zu erläutern, wo dieser Leitungsapparat in dem „mobilen Betrieb“ tatsächlich ansässig sein soll. Insofern dürfte die Annahme des LAG Düsseldorf zutreffend sein, dass die 7. Kammer des LAG Baden-Württemberg wohl eine Akzessorietät des Luftbetriebs zu einem inländischen Bodenbetrieb für erforderlich hält (LAG Düsseldorf 15. Dezember 2021 – 12 Sa 349/21 -).
38

cc) In Luftfahrtbetrieben, die vom Ausland gesteuert werden, führt dies zu unterschiedlichen Konsequenzen. Während nach der unter aa) dargestellten Auffassung in Deutschland ansässige Mitarbeiter mit deutschem Vertragsstatut dem Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes unterfallen, ist dies in Anwendung der Auffassung der 7. Kammer des LAG Baden-Württemberg gerade nicht der Fall.
39

Das LAG Düsseldorf hat deshalb in einem Parallelfall eines von der Beklagten zu 1 an der Homebase D. als Kapitän beschäftigten und gekündigten Arbeitnehmers eine Entscheidung über diese Rechtsfolge dahinstehen lassen und ausgeführt, dass selbst wenn man der Annahme der 7. Kammer des LAG Baden-Württemberg folgen wollte, §§ 23, 24 KSchG verfassungskonform im Lichte des Art. 12 Abs. 1 GG so ausgelegt werden müssten, dass jedenfalls die von deutschen Homebases eingesetzten Mitarbeiter den Regelungen des Kündigungsschutzgesetzes unterfallen müssten (LAG Düsseldorf 15. Dezember 2021 – 12 Sa 349/11 -).
40

Der vom LAG Düsseldorf beschriebene Ausweg ist aber, unabhängig von der Frage, ob die verfassungskonforme Auslegung trägt, nur in Einzelfällen hilfreich, in denen es nur (noch) eine deutsche Homebase gibt. Denn auch wenn die Ausweichlösung des LAG Düsseldorf nicht an eine von deutschem Boden ausgeübte Leitungsmacht anknüpft, erfolgt bei dieser Lösung dennoch eine akzessorische Anknüpfung an deutsche Bodeneinrichtungen. Gibt es aber – wie vorliegend – mehrere Bases, stellt sich jedenfalls bei Kündigungsaussprüchen in nur einer deutschen Bodeneinrichtung die Frage, ob (trotz einheitlichem Luftbetrieb) die Sozialauswahl basebezogen oder baseübergreifend vorzunehmen ist.
41

dd) Unter Berücksichtigung all dieser Umstände folgt die Kammer der unter aa) dargestellten Auffassung.
42

Wie das BAG zutreffend ausgeführt hat, ist Sinn und Zweck des § 24 Abs. 2 KSchG, Lebenssachverhalte, die typischerweise einen Auslandsbezug haben, vom Kündigungsschutzgesetz erfassen zu können (BAG 17. Januar 2008 – 2 AZR 902/06). Der Zweck des Betriebsbegriffs – also auch des fiktiven Betriebsbegriffs – liegt darin, die Kohärenzen und Korrespondenzen des Kündigungsschutzgesetzes, insbesondere bei der Sozialauswahl, nicht zu zerreißen. Ist ein Luftfahrtunternehmen so organisiert, dass es seinen gesamten arbeitstechnischen Zweck und sein gesamtes Personal einheitlich (vom Ausland) steuert, kann § 24 KSchG nur so verstanden werden, dass dies dann auch der Luftbetrieb iSd. § 24 Abs. 2 KSchG ist, wobei die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes wegen des Territorialgrundsatzes dann aber auf diejenigen Mitarbeiter des Luftfahrtbetriebs beschränkt bleiben muss, die auch dem deutschen Vertragsstatut bzw. der deutschen Rechtsanwendung unterliegen. Der Konstruktion eines künstlichen (fiktiven) Bodenbetriebs, zu dem der Luftbetrieb akzessorisch ist, bedarf es so nicht.
43

Dies lässt sich in Deckung bringen mit der Rechtsprechung des BAG zu § 23 KSchG. Das BAG (BAG 26. März 2009 – 2 AZR 883/07 -) hat im Anwendungsbereich des § 23 KSchG das Bestehen eines Gemeinschaftsbetriebs zwischen einer die Leitungsmacht ausübenden Zentrale im Ausland und einem im deutschen Inland liegenden Betrieb einer Tochtergesellschaft für möglich gehalten. Selbst in einem solchen gemeinsamen deutsch-ausländischen Betrieb würden aber nur die Arbeitnehmer dem deutschen Kündigungsschutzrecht unterfallen, die auch dem deutschen Arbeitsrecht unterfallen. Genauso muss es auch möglich sein, einen internationalen Flugbetrieb nur hinsichtlich seiner dem deutschen Recht unterfallenden Mitarbeiter dem deutschen Kündigungsschutzrecht zu unterwerfen.
44

ee) Der Kläger war unstreitig im Luftverkehrsbetrieb der Beklagten zu 1 beschäftigt. Da er dem deutschen Arbeitsrecht unterfällt, unterfällt er gemäß § 24 Abs. 1 KSchG auch dem Ersten Abschnitt des Kündigungsschutzgesetzes. Das dem Standort S. zugeordnete fliegende Personal überschritt auch deutlich die Schwelle des § 23 Abs. 1 KSchG.
45

3. Ob es wegen einer Stilllegung des Standorts S. zu einem Wegfall von Beschäftigungsmöglichkeiten für den Kläger gekommen ist, kann vorliegend (noch) dahinstehen.
46

4. Die Kündigung ist allein schon deshalb nicht sozial gerechtfertigt, weil die Sozialauswahl gem. § 1 Abs. 3 KSchG nicht ordnungsgemäß durchgeführt wurde. Der Kreis der miteinander vergleichbaren Mitarbeiter wurde von der Beklagten zu eng gezogen. Sie hätte die in der Base D. noch weiterbeschäftigten Mitarbeiter in die Sozialauswahl mit einbeziehen müssen.
47

Die Sozialauswahl ist nämlich betriebsbezogen durchzuführen (BAG 19. Dezember 2013

6 AZR 790/12 -). Die Beklagte zu 1 hatte aber nur einen Flugbetrieb.
48

Die Beklagte zu 1 beruft sich sogar selbst darauf, dass sie nur einen von Sch. bei W. (Österreich) gesteuerten Flugbetrieb hatte. Sie verweist selbst zutreffend darauf, dass eine Leitungsmacht von den Bases nicht ausgeübt wurde. Gibt es aber nur einen Flugbetrieb, sind alle diesem Betrieb zugehörigen vergleichbaren Mitarbeiter in die Sozialauswahl einzubeziehen. Wegen des internationalen Flugbetriebs beschränkt sich die Sozialauswahl jedoch auf die dem deutschen Recht unterfallenden Mitarbeiter. Auf obige Ausführungen zum Betriebsbegriff wird verwiesen.
49

Eine Einbeziehung der D. Piloten in die Sozialauswahl fand unstreitig nicht statt. Die Beklagte hat auch nicht dargetan, dass das am Standort D. beschäftigte fliegende Personal im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG sozial schutzbedürftiger gewesen ist als der Kläger.
II.
50

Das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1 ist jedoch durch die Kündigung vom 10. September 2020 zum 31.Dezember 2020 beendet worden. Diese Nachfolgekündigung ist gem. § 1 Abs. 2 KSchG aus betriebsbedingten Gründen sozial gerechtfertigt.
51

1. Die Kündigung vom 10. September 2020 ist nicht mangels Bestimmtheit unwirksam.
52

a) Auch eine Kündigung „zum nächstzulässigen Termin“ ist hinreichend bestimmt, wenn dem Erklärungsempfänger die Dauer der Kündigungsfrist bekannt oder für ihn bestimmbar ist. Sie ist typischerweise dahin zu verstehen, dass der Kündigende die Auflösung des Arbeitsverhältnisses zu dem Zeitpunkt erreichen will, der sich bei Anwendung der einschlägigen gesetzlichen, tarifvertraglichen und/oder vertraglichen Regelungen als rechtlich frühestmöglicher Beendigungstermin ergibt. Der vom Erklärenden gewollte Beendigungstermin ist damit objektiv eindeutig bestimmbar. Dies ist jedenfalls dann ausreichend, wenn die rechtlich zutreffende Frist für den Kündigungsadressaten leicht feststellbar ist und nicht umfassende tatsächliche Ermittlungen oder die Beantwortung schwieriger Rechtsfragen erfordert. Eine Kündigung ist dagegen nicht hinreichend bestimmt, wenn in der Erklärung mehrere Termine für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses genannt werden und für den Erklärungsempfänger nicht erkennbar ist, welcher Termin gelten soll (BAG 10. April 2014 – 2 AZR 647/13 -).
53

b) Die vorliegend streitige Kündigung enthält in ihrem Eingangssatz lediglich die abstrakte Kundgabe, dass die Beklagte zu 1 das Arbeitsverhältnis ordentlich und fristgerecht kündigen wolle. Der abstrakt früheste Beendigungstermin wurde mit 31. Oktober 2020 benannt. Dies beruhte erkennbar darauf, dass erst zu diesem Zeitpunkt die Base D. geschlossen werden sollte und bis dahin geflogen werden sollte. Die eigentliche Subsumtion, was für den Kläger unter Anwendung seines Arbeitsvertrages „fristgerecht“ ist, erfolgte dann aber erst im zweiten Satz. Darin ist das konkret für den Kläger zutreffende und aus dem Arbeitsvertrag ermittelte Beendigungsdatum mit 31. Dezember 2020 benannt. Es gibt entgegen der Rechtsansicht des Klägers und des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf (17. März 2022 – 13 Sa 363/21 -) also keine zwei sich widersprechende Beendigungstermine.
54

2. Es liegen dringende betriebliche Erfordernisse vor iSd. § 1 Abs. 2 KSchG, die geeignet sind, die Kündigung des Klägers zu bedingen.
55

a) Dringende betriebliche Erfordernisse, die iSv. § 1 Abs. 2 KSchG geeignet sind, eine Kündigung zu bedingen, liegen vor, wenn die Umsetzung einer unternehmerischen (Organisations-)Entscheidung spätestens mit Ablauf der Kündigungsfrist zu einem voraussichtlich dauerhaften Wegfall des Bedarfs an einer Beschäftigung des betroffenen Arbeitnehmers führt. Eine hinreichend begründete Prognose zum Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit reicht als Kündigungsgrund aus. Diese Prognose muss schon im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung objektiv berechtigt sein. Die unternehmerischen Entscheidungen des Arbeitgebers sind von den Gerichten nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung oder Zweckmäßigkeit hin zu überprüfen, sondern nur darauf, ob sie offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich sind. Ohne Einschränkung nachzuprüfen ist hingegen, ob die fragliche Entscheidung tatsächlich umgesetzt wurde und dadurch das Beschäftigungsbedürfnis für einzelne Arbeitnehmer wirklich entfallen ist. Die Stilllegung des gesamten Betriebs oder eines Betriebsteils zählt zu den dringenden betrieblichen Erfordernissen iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG. Unter einer Betriebs(teil)stilllegung ist die Auflösung der Betriebs- und Produktionsgemeinschaft zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu verstehen. Sie besteht darin, dass der Unternehmer die bisherige wirtschaftliche Betätigung in der ernstlichen Absicht einstellt, den bisherigen Betriebs(teil)zweck dauernd oder für eine ihrer Dauer nach unbestimmte, wirtschaftlich nicht unerhebliche Zeitspanne nicht weiterzuverfolgen. Der Arbeitgeber ist allerdings nicht gehalten, eine Kündigung wegen Betriebs(teil)stilllegung erst nach Durchführung der Stilllegung auszusprechen. Er kann die Kündigung auch wegen beabsichtigter Betriebs(teil)stilllegung aussprechen. Soweit eine Kündigung nicht wegen bereits erfolgter Stilllegung, sondern wegen beabsichtigter Stilllegung ausgesprochen wird, ist es allerdings erforderlich, dass der Arbeitgeber im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung den ernsthaften und endgültigen Entschluss gefasst hat, den Betrieb bzw. Betriebsteil endgültig und nicht nur vorübergehend stillzulegen. Darüber hinaus muss die künftige Entwicklung der betrieblichen Verhältnisse im Kündigungszeitpunkt bereits greifbare Formen angenommen haben. Solche greifbaren Formen liegen vor, wenn im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung aufgrund einer auf Tatsachen gestützten vernünftigen, betriebswirtschaftlichen Betrachtung davon auszugehen ist, zum Zeitpunkt des Kündigungstermins sei mit einiger Sicherheit der Eintritt des die Entlassung erforderlich machenden betrieblichen Grundes. Der Ernsthaftigkeit der Stilllegungsabsicht steht dabei nicht entgegen, wenn sich der Arbeitgeber entschlossen hat, die gekündigten Arbeitnehmer in der jeweiligen Kündigungsfrist für die Abarbeitung vorhandener Aufträge einzusetzen, statt die fraglichen Arbeiten sofort einzustellen. Der Arbeitgeber erfüllt damit gegenüber den tatsächlich eingesetzten Arbeitnehmern lediglich seine auch im gekündigten Arbeitsverhältnis bestehende Beschäftigungspflicht. Bei einem unternehmerischen Stilllegungskonzept mit der sofortigen und gleichzeitigen Kündigung aller Arbeitnehmer entfällt auch das Erfordernis einer sozialen Auswahl gemäß § 1 Abs. 3 KSchG (BAG 27. Februar 2020 – 8 AZR 215/19 -).
56

b) Vorliegend beabsichtigte die Beklagte zu 1 zumindest den Flugbetrieb in Deutschland von den Bases S. und D. mit Ablauf des Sommerflugplans gänzlich einzustellen. Dies hatte zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs auch bereits greifbare Formen angenommen.
57

aa) Für die S. Base kann Folgendes festgestellt werden:
58

(1) Bereits mit E-Mail vom 10. Juli 2020 teilte die Beklagte zu 1 der gesamten von S. eingesetzten Crew mit, dass sie die Entscheidung getroffen habe, die Base S. mit Ende der Sommersaison zum 31. Oktober 2020 zu schließen. Der Kläger bestritt die in dieser E-Mail mitgeteilte unternehmerische Entscheidung zwar mit Nichtwissen. Er bezieht sich hierbei auf die E-Mail der Beklagten zu 1 vom 3. Juli 2020. Er übersieht jedoch, dass die E-Mail vom 3. Juli 2020 nicht geeignet ist, den Vortrag der Beklagten zu 1 zu erschüttern. Der Inhalt der E-Mail vom 3. Juli 2020 bestätigt vielmehr die Behauptung der Beklagten zu 1. Schon in dieser E-Mail an die S. Crew wurde ausgeführt, dass die Beklagte zu 1 von einer Standortschließung zum 31. Oktober 2020 nur Abstand nehmen wolle, wenn die Vereinbarungen mit Ver.di und der S. Crew auf Basis des angebotenen Eckpunktepapiers zustande kommen, was bekanntlich bis zur von der Beklagten zu 1 gesetzten und später bis 9. Juli 2020 verlängerten Frist (vollständig) nicht erreicht wurde.
59

(2) Die Beklagte zu 1 hat die Pläne auch umgesetzt. Sie hat die Arbeitsverhältnisse mit allen S. Mitarbeitern gekündigt, bzw. Zustimmungsersetzungsverfahren zu Kündigungen eingeleitet und auch das Massenentlassungsanzeigeverfahren eingeleitet.
60

Die Ernsthaftigkeit dieser Entscheidung ist zudem durch die tatsächlichen Ereignisse bestätigt. Unstreitig wird von der Base S. spätestens seit 1. November 2020 nicht mehr geflogen.
61

bb) Bezogen auf die zum (deutschen) Flugbetrieb zugehörige Base D. ergibt sich nichts anderes.
62

(1) Zwar wurde mit der E-Mail vom 10. Juli 2020 an die D. Crew noch die Hoffnung zum Ausdruck gebracht, von D. aus weiterarbeiten zu können. Anders als für den S. Standort war somit jedenfalls für die D. Base eine Schließung zu diesem Zeitpunkt noch nicht angedacht, zumindest aber noch nicht beschlossen.
63

Ausweislich der E-Mail vom 28. Juli 2020 an die D. Crew änderte die Beklagte zu 1 jedoch ihre Meinung und gab nun ihre Absicht bekannt, ihren Geschäftsbetrieb in D. aufgeben zu wollen, wenn auch verbunden mit der Mitteilung, dass die Beklagte zu 2 noch vor Ende des Sommers ihren Flugbetrieb aufnehmen wolle, und verbunden mit der Aufforderung an die Mitarbeiter der D. Crew, die dem Eckpunktepapier zugestimmt haben, sich bei der Beklagten zu 2 zu bewerben.
64

Unabhängig davon, wie man diese ursprüngliche Absicht der Beklagten zu 2, (weiterhin) von D. einen Flugbetrieb aufrechterhalten zu wollen, rechtlich in Bezug auf den Fortbestand der Arbeitsverhältnisse beurteilen möchte, hat die Beklagte zu 2, und mit ihr die Beklagte zu 1, von dieser Planung wieder Abstand genommen. Spätestens am 9. September 2020 kam es zur unternehmerischen Entscheidung, den D. Standort und damit den gesamten von Deutschland ausgehenden Flugbetrieb stillzulegen. Nachdem eine Einigung über die Kosten des Ground Handlings mit dem Flughafen D. nicht erzielt werden konnte, teilte die Muttergesellschaft R. dem Flughafen D. mit Schreiben vom 9. September 2020 mit, dass die Base D. aufgegeben werde und alle Flüge ab 20. Oktober 2020 gestrichen werden. Dies war sodann auch Gegenstand von Pressemitteilungen der R. und der Beklagten zu 1 vom 10. September 2020.
65

(2) Diese Stilllegungsabsicht hatte zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs auch bereits greifbare Formen angenommen.
66

Die Beklagte zu 1 hat alle D. Mitarbeiter und hilfsweise nochmals alle S. Mitarbeiter gekündigt, bzw. Zustimmungsersetzungsverfahren zu Kündigungen eingeleitet. Auch Massenentlassungsanzeigen wurden erstattet.
67

Mit den Pressemitteilungen vom 10. September 2020 wurde diese Absicht auch nach außen verlautbart.
68

Auch die Beklagte zu 2 hat dementsprechend keinen Flugbetrieb in Deutschland aufgenommen. Trotz ursprünglicher Bewerbungsaufforderungen mit E-Mail vom 28. Juli 2020 wurden im Rahmen der Bewerbungsverfahren für Deutschland keine Mitarbeiter eingestellt, bzw. eingestellte Mitarbeiter wurden bereits vor dem vereinbarten Tätigkeitsbeginn wieder gekündigt.
69

Der weitere Verlauf hat die Ernsthaftigkeit der Entscheidung bestätigt.
70

Die letzten Flüge der Beklagten zu 1 von S., D., W. und P. erfolgten im September und Oktober 2020. Die Beklagte zu 2 hat tatsächlich keinen Flugbetrieb ab Deutschland aufgenommen.
71

Die Beklagte zu 1 hat ausweislich der Bestätigung der Austrocontrol am 16. Dezember 2020 ihr Air Operator’s Certificate (AOC) zurückgegeben.
72

Die Beklagten zu 1 und 2 halten auch keine Slots an deutschen Flughäfen mehr. Die Slots gingen hauptsächlich an die Konkurrentin E..
73

3. Der Stilllegung des deutschen Flugbetriebs steht auch keine (vom Kläger behauptete) Betriebsveräußerung an die Beklagte zu 2 entgegen.
74

a) Die Veräußerung des gesamten Betriebs oder eines Betriebsteils und die Stilllegung des gesamten Betriebs oder eines Betriebsteils schließen sich systematisch aus. Dabei kommt es auf das tatsächliche Vorliegen des Kündigungsgrundes und nicht auf die vom Arbeitgeber gegebene Begründung an. Eine vom Arbeitgeber mit einer Stilllegungsabsicht begründete Kündigung ist nur dann sozial gerechtfertigt, wenn sich die geplante Maßnahme objektiv als Betriebsstilllegung und nicht als Betriebs(teil)veräußerung darstellt, weil etwa die für die Fortführung des Betriebs wesentlichen Betriebsmittel usw. einem Dritten überlassen werden, der Veräußerer diesen Vorgang aber rechtlich unzutreffend als Betriebsstilllegung wertet (BAG 27. Februar 2020 – 8 AZR 215/19 -).
75

Bei der Bewertung, ob ein Betriebsübergang oder eine Fortführung durch einen Dritten angedacht war, ist aber zugleich § 613a Abs. 4 Satz 2 BGB zu beachten. Danach bleibt nämlich das Recht zur Kündigung aus anderen Gründen als denen des Betriebsübergangs unberührt. Dem entspricht Art. 4 Abs. 1 Satz 2 RL 2001/23 EG, wonach dem Kündigungsverbot wegen eines Betriebsübergangs etwaige Kündigungen aus wirtschaftlichen, technischen oder organisatorischen Gründen, die Änderungen im Bereich der Beschäftigung mit sich bringen, nicht entgegenstehen. Ein Arbeitgeber ist nämlich auch im Zusammenhang mit einer Veräußerung nicht gehindert, Rationalisierungen durchzuführen, und sei es auch nur zur Verbesserung der Verkaufsfähigkeit (BAG 20. September 2006 – 6 AZR 249/05 -; BAG 18. Juli 1996 – 8 AZR 127/94 -).
76

b) Legt man diese Maßstäbe zugrunde, steht selbst eine etwaige Übernahme von Teilen des Flugbetriebs der Beklagten zu 1 durch die Beklagte zu 2 der Ernsthaftigkeit der Stilllegungsentscheidungen betreffend die deutschen Bases und dem dadurch bedingten Beschäftigungswegfall nicht entgegen.
77

aa) Die deutschen Bases stellten mangels örtlicher Leitungsmacht in personellen und sozialen Angelegenheiten schon gar keine Betriebsteile und somit übergangsfähige Einheiten dar (vergleiche hierzu auch: LAG Düsseldorf 15. Dezember 2021

12 Sa 349/21 -). Aber selbst wenn man den Bases die Eigenschaft eines übergangsfähigen Betriebsteils zuerkennen wollte, wäre dieser Betriebsteil von niemandem übernommen worden, vor allem nicht durch die Beklagte zu 2. Denn von S. und von D. aus wird nicht mehr geflogen.
78

bb) Aber selbst wenn man mit dem Kläger annehmen wollte, dass die Beklagte zu 2 einen (reduzierten) internationalen Gesamtflugbetrieb der Beklagten zu 1 übernommen hätte, hätte dies der unternehmerischen Entscheidung, den (unselbstständigen) deutschen Teil dieses Flugbetriebs zu schließen, nicht entgegengestanden. Denn jedenfalls dieser deutsche Teil hat nicht Gegenstand der (behaupteten) Übernahme werden sollen. Für diesen Teil lag dann eine vom (beabsichtigten) Betriebsübergang losgelöste unternehmerische Entscheidung vor, die eigenständig eine Kündigung hätte rechtfertigen können.
79

Denn hätte die Beklagte zu 1 nur die deutschen Standorte geschlossen und ihren reduzierten Gesamtbetrieb selbst weitergeführt, wäre die durch den Beschäftigungsfortfall bedingte Kündigung ohne Zweifel gerechtfertigt gewesen. Die Beklagte zu 1 kann dann kündigungsschutzrechtlich nicht schlechter gestellt werden bei derselben Stilllegungsentscheidung, bloß, weil sie den (reduzierten) Restgesamtbetrieb nunmehr veräußert. Zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs war nicht ansatzweise erkennbar, dass die Beklagte zu 2 einen Gesamtflugbetrieb unter Einschluss eines deutschen Flugbetriebs erwerben wollte.
80

c) Aus diesem Grunde ist die Kündigung auch nicht gem. § 613 Abs. 4 Satz 1 BGB unwirksam.
81

Die Kündigung erfolgte nicht, weil die Beklagte zu 2 möglicherweise einen

(Rest-)Gesamtbetrieb mit Stationen in anderen europäischen Ländern erwerben wollte oder möglicherweise erworben hat, sondern deshalb, weil von Deutschland aus nicht mehr geflogen werden sollte. Der Kündigungsausspruch erfolgte dann nicht „wegen des Übergangs eines Betriebs“. Der tragende Grund der Beendigung war die dauerhafte Schließung der deutschen Standorte.
82

4. Die Kündigung ist verhältnismäßig. Bei der Beklagten zu 1 sind anderweitige Beschäftigungsmöglichkeiten unstreitig nicht vorhanden.
83

5. Eine Sozialauswahl gem. § 1 Abs. 3 KSchG war entbehrlich. Es wurde allen Mitarbeitern des Flugbetriebs der Beklagten zu 1 gekündigt, die dem deutschen Recht unterliegen und somit einer Sozialauswahl gemäß § 1 Abs. 3 KSchG hätten unterfallen können.
84

6. Die Kündigung ist auch nicht gem. § 17 Abs. 1, 3 KSchG iVm. § 134 BGB deshalb unwirksam, weil die Massenentlassungsanzeige fehlerhaft erstattet worden wäre.
85

a) Die Massenentlassung wurde bei der für den Flughafen S. zuständigen Agentur für Arbeit G. angezeigt.
86

aa) Die Anzeigepflichten des Arbeitgebers gem. § 17 Abs. 1, 3 KSchG knüpfen ebenso wie Art. 1 Abs. 1 Buchst. a) Unterabs. i der RL 98/59 EG, auf dessen Umsetzung § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG gerichtet ist, an den Betrieb an. Zentraler Bezugspunkt des Massenentlassungsschutzes ist damit der Betriebsbegriff (BAG 27. Februar 2020

8 AZR 215/19 -). Der Betriebsbegriff des Massenentlassungsrechts ist aber ein unionsrechtlicher. Er ist nach der Unionsrechtsordnung autonom und einheitlich allein von diesem und damit losgelöst von nationalen Begrifflichkeiten und Rechtsvorschriften auszulegen (BAG 14. Mai 2020 – 6 AZR 235/19 -). Auf den Betriebsbegriff des Kündigungsschutzgesetzes oder des Betriebsverfassungsgesetzes kann demzufolge nicht abgestellt werden (BAG 27. Februar 2020 – 8 AZR 215/19 -). Der Begriff „Betrieb“ ist dahin auszulegen, dass er nach Maßgabe der Umstände die Einheit bezeichnet, der die von der Entlassung betroffenen Arbeitnehmer zur Erfüllung ihrer Aufgabe angehören. Es muss sich um eine unterscheidbare Einheit von einer gewissen Dauerhaftigkeit und Stabilität handeln, die zur Erledigung einer oder mehrerer bestimmter Aufgaben bestimmt ist und über eine Gesamtheit von Arbeitnehmern sowie über technische Mittel und eine organisatorische Struktur zur Erfüllung dieser Aufgaben verfügt. Da die Richtlinie 98/59/EG die sozioökonomischen Auswirkungen betrifft, die Massenentlassungen in einem bestimmten örtlichen Kontext und einer bestimmten sozialen Umgebung hervorrufen können, muss die fragliche Einheit weder rechtliche noch wirtschaftliche, finanzielle, verwaltungsmäßige oder technologische Autonomie besitzen, um als „Betrieb“ iSd. Richtlinie 98/59/EG qualifiziert werden zu. Der Betrieb iSd. Richtlinie 98/59/EG muss darum auch keine Leitung haben, die selbstständig Massenentlassungen vornehmen kann. Vielmehr reicht es aus, wenn eine Leitung besteht, die die ordnungsgemäße Durchführung der Arbeit und die Kontrolle des Gesamtbetriebs der Einrichtungen der Einheit sowie die Lösung technischer Probleme im Sinne einer Aufgabenkoordinierung sicherstellt. Eine bestimmte räumliche Entfernung ist – anders als bei § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG – nach diesem Betriebsverständnis nicht erforderlich (BAG 27. Februar 2020 – 8 AZR 215/19 -). Bei Luftverkehrsunternehmen können die Heimatbases an den Flughäfen, die zwar über keine Leitungsmacht verfügen, jedoch eine Aufgabenkoordinierung sicherstellen können, als die „Betriebe“ angesehen werden, wo die sozioökonomischen Auswirkungen der Entlassungen regelmäßig eintreten, weshalb an diesen Orten die Massenentlassung anzuzeigen ist (BAG 13. Februar 2020 – 6 AZR 146/19 -).
87

bb) Da der Kläger der Heimatbase S. zugeordnet war, war die Massenentlassung bei der Agentur für Arbeit G. anzuzeigen.
88

b) Die Massenentlassungsanzeige erfolgt auch in der gem. § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG gebotenen Schriftform. Die Einreichung per Fax war ausreichend (LAG Düsseldorf 15. Dezember 2021 – 12 Sa 349/21 -; LAG Berlin-Brandenburg 6. Januar 2016

23 Sa 1347/15 -).
89

c) Auch inhaltlich erhebt der Kläger keine tragfähigen Beanstandungen.
90

aa) Es kann dahinstehen, ob die Beklagte zu 1 vor der Kündigung vom 14. Juli 2020 eine unzutreffende Anzahl zu entlassender Mitarbeiter mitgeteilt hat. Bei der hier maßgeblichen Anzeige vor der Kündigung vom 10. September 2020 war dies jedenfalls nicht der Fall.
91

bb) Ebenfalls mag dahinstehen, ob auch die Anzeige vor der Kündigung vom 10. September 2020 in Bezug auf einzelne Sollangaben gem. § 17 Abs. 3 Satz 5 KSchG nicht vollständig war. Dies wäre unschädlich (BAG 19. Mai 2022

2 AZR 467/21 -).
III.
92

Die Feststellungsklage gegen die Beklagte zu 2 gem. Antrag zu 3 ist unbegründet.
93

Unabhängig davon, auf welche maltesische Vorschrift sich der Kläger berufen möchte, aufgrund derer sein Arbeitsverhältnis auf die dem maltesischen Recht unterliegende Beklagte zu 2 übergegangen sein soll, wäre das Arbeitsverhältnis auch schon unter bloßer Zugrundelegung der Regelungen der RL 2001/23 EG nicht auf die Beklagte zu 2 übergegangen. Auf obige Ausführungen wird verwiesen.
94

Aber selbst wenn man von einem Übergang des Arbeitsverhältnisses des Klägers auf die Beklagte zu 2 spätestens zum Zeitpunkt 1. November 2020 ausgehen wollte, wäre es allenfalls im gekündigten Zustand auf diese übergegangen und hätte demnach auch bei dieser zum 31. Dezember 2020 geendet. Ein Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses kann deshalb nicht festgestellt werden.
IV.
95

Der Weiterbeschäftigungsantrag zu 4 ist mangels Bedingungseintritt nicht zur Entscheidung angefallen.
V.
96

Der Kläger hat gegen die Beklagte zu 1 keinen Anspruch mehr auf Auskunftserteilung gem. Art. 15 Abs. 1 DSGVO über die von ihr im Beschäftigungskontext verarbeiteten personenbezogenen Daten. Die Beklagte zu 1 hat den Auskunftsanspruch erfüllt.
97

1. Dass dem Kläger ein Auskunftsanspruch gemäß Art. 15 Abs. 1 DSGVO zustand, ist unstreitig.
98

2. Die Beklagte zu 1 hat den Anspruch erfüllt.
99

a) Entgegen der Auffassung des Klägers wurde die Auskunft gemäß Schreiben vom 25. Januar 2021 vom „Verantwortlichen“ erteilt. Es ist zwar zutreffend, dass Absenderin des Auskunftsschreibens nicht die Beklagte zu 1 selbst war, sondern deren bei der Konzernmutter R. ansässige Datenschutzbeauftragte Frau J. R. Gem. Art. 12 Abs. 1 DSGVO muss ein Verantwortlicher aber nur „geeignete Maßnahmen“ treffen, damit die Mitteilungspflicht gemäß Art. 15 DSGVO erfüllt wird. Die Beklagte zu 1 kann sich also zur Erfüllung ihrer Verpflichtung auch Erfüllungsgehilfen bedienen. Die Datenschutzbeauftragte ist eine geeignete Erfüllungsgehilfin.
100

b) Die Auskunftserteilung per E-Mail war ausreichend.
101

Gem. Art. 12 Abs. 1 Satz 2 DSGVO hat die Ãœbermittlung der Information schriftlich oder in anderer Form, gegebenenfalls auch elektronisch zu erfolgen. Eine Formbindung besteht somit nicht (Paal in Paal/Pauly DSGVO 3. Aufl. Art. 15 Rn. 4).
102

Angesichts dessen, dass nahezu die gesamte Korrespondenz im Arbeitsverhältnis zwischen der Beklagten zu 1 und dem Kläger auch sonst elektronisch per E-Mail erfolgte, war die Auskunftserteilung per E-Mail angemessen.
103

c) Inhaltlich waren die gem. Art. 15 Abs. 1 Buchst. a bis h DSGVO erforderlichen Auskünfte im Anhang zur E-Mail enthalten.
104

Der Kläger vermochte nicht darzustellen, welche Auskünfte er als unzureichend erachtet.
VI.
105

Der im Antrag zu 5 enthaltene Antrag auf Aushändigung von Kopien über die verarbeiteten personenbedingten Daten ist bereits unzulässig. Er ist nicht hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
106

1. Ein Klageantrag ist hinreichend bestimmt, wenn er den erhobenen Anspruch durch Bezifferung oder gegenständliche Beschreibung so konkret bezeichnet, dass der Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis (§ 308 ZPO) klar abgegrenzt ist, Inhalt und Umfang der materiellen Rechtskraft der begehrten Entscheidung (§ 322 ZPO) erkennbar sind, das Risiko des eventuell teilweisen Unterliegens des Klägers nicht durch vermeidbare Ungenauigkeit auf den Beklagten abgewälzt und eine etwaige Zwangsvollstreckung nicht mit einer Fortsetzung des Streits im Vollstreckungsverfahren belastet wird. Es genügt nicht, sich auf gesetzliche Vorschriften zu berufen, die den erhobenen Anspruch vorsehen, vielmehr müssen die sich aus den Normen ergebenden Konsequenzen im Einzelfall von der klagenden Partei bei der Formulierung ihres Klageantrags berücksichtigt werden. Danach erfüllt z.B. eine bloß abstrakte Nennung der Kategorien von E-Mails, von denen eine Kopie überlassen werden soll, nicht die Voraussetzungen eines iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO hinreichend bestimmten Klageantrags. Bei einer Verurteilung wäre unklar, auf welche E-Mails sich die Verurteilung zur Ãœberlassung einer Kopie konkret bezöge und damit, ob mit einer Ãœberlassung von in diese Kategorien fallenden E-Mails der Anspruch erfüllt wäre. Damit würde der Streit der Parteien in vermeidbarer Weise in die Vollstreckung verlagert werden. Um dies zu vermeiden ist der Kläger – soweit er selbst zu einer genaueren Bezeichnung außer Stande ist – gehalten, sein Begehren mittels einer Stufenklage (§ 254 ZPO) durchzusetzen. Diese ist zunächst auf Erteilung einer Auskunft zu richten, welche E-Mails der fraglichen Kategorien die Beklagte verarbeitet, auf der zweiten Stufe ggf. auf Versicherung an Eides statt, dass die Auskunft zutreffend und vollständig ist, und schließlich auf Ãœberlassung einer Kopie der sich aus der Auskunft ergebenden E-Mails (BAG 27. April 2021 – 2 AZR 342/20 -).
107

2. Vorliegend hat der Kläger überhaupt nicht benannt, was er konkret möchte. Außer der nichtssagenden Begrifflichkeit „personenbezogene Daten im Beschäftigungskontext“ enthält der Antrag keinerlei konkrete Angaben. Es könnte im Rahmen einer Zwangsvollstreckung nicht überprüft werden, ob die Beklagte zu 1 ihre Verpflichtung vollständig nachgekommen ist oder nicht.
VII.
108

Der Klageantrag zu 6 wurde vom Verfahren abgetrennt und ist nicht Gegenstand dieser Entscheidung.
109

VIII. Nebenentscheidungen
110

1. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 100 ZPO in Anwendung der

Baumbach‘schen Formel.
111

2. Die Revision war für den Kläger und die Beklagte zu 1 gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 und 2 ArbGG zuzulassen. Die Auslegung des Betriebsbegriffs des § 24 KSchG hat grundsätzliche Bedeutung. Im Ãœbrigen weicht die vorliegende Entscheidung beim Betriebsbegriff auch ab von der Entscheidung der 7. Kammer des LAG Baden-Württemberg (LAG Baden-Württemberg 17. September 2021 – 7 Sa 32/21 -).

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VonRA Moegelin

Rotlichtverstoß durch SUV – OLG Frankfurt

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Das OLG Frankfurt hat gemäß Beschluss vom 29. September 2022 (3 Ss-OWi 1048/22) entschieden, dass ein Rotlichtverstoß mit einem SUV allein keine erhöhte Geldbuße rechtfertigt, da bei der Bemessung einer Geldbuße von dem im Bußgeldkatalog vorgesehenen Regelfall nur abgewichen werden darf, wenn der betreffende Einzelfall deutlich vom Normalfall abweicht. Nicht ausreichend ist der pauschale Verweis, dass der Betroffene bei seinem Rotlichtverstoß einen ‚SUV‘ fuhr. Das entsprechende Urteil der vorausgegangenen Instanz wurde demgemäß aufgehoben, siehe Volltext:

Amtsgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 03.06.2022 – 974 OWi 533 Js-OWi 18474/22:

Gründe

I.

Die betroffene Person wurde am xx.xx.1982 geboren und ist deutsche Staatsangehörige. Sie lebt in geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen.

Der Auszug aus dem Fahreignungsregister vom 11.05.2022 hat folgende Eintragungen:

Am 19.02.2020 setzte die Bußgeldbehörde BG-Beh. Rhein-Sieg-Kreis in Siegburg in dem Verfahren mit dem Aktenzeichen … gegen die betroffene Person wegen einer am 26.11.2019 begangenen Verkehrsordnungswidrigkeit eine Geldbuße von 85 Euro fest wegen des folgenden Vorwurfs: Sie überschritten die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 23 km/h. Zulässige Geschwindigkeit: 80 km/h. Festgestellte Geschwindigkeit (nach Toleranzabzug): 103 km/h. Die Entscheidung ist seit dem 07.03.2020 bestandskräftig.

Am 02.03.2020 setzte die Bußgeldbehörde BG-Beh. Stadt Frankfurt am Main in dem Verfahren mit dem Aktenzeichen … gegen die betroffene Person wegen einer am 31.01.2020 begangenen Verkehrsordnungswidrigkeit eine Geldbuße von 130.0 Euro fest wegen des folgenden Vorwurfs: Sie benutzten als Führer des Kraftfahrzeuges ein elektronisches Gerät, das der Kommunikation, Information oder Organisation dient oder zu dienen bestimmt ist, in vorschriftswidriger Weise. Die Entscheidung ist seit dem 19.03.2020 bestandskräftig.

Am 08.10.2020 setzte die Bußgeldbehörde BG-Beh. Stadt Frankfurt am Main in dem Verfahren mit dem Aktenzeichen …. gegen die betroffene Person wegen einer am 03.10.2020 begangenen Verkehrsordnungswidrigkeit eine Geldbuße von 120.0 Euro und ein Fahrverbot von None Monaten fest wegen des folgenden Vorwurfs: Sie missachteten als Radfahrer/Fahrer eines Elektrokleinstfahrzeugs das Rotlicht der Lichtzeichenanlage. Die Entscheidung ist seit dem 28.10.2020 bestandskräftig.

II.

Die betroffene Person befuhr am 05.11.2021 um 12:44 Uhr als Führerin des Pkw der Marke BMW mit dem amtlichen Kennzeichen … die Örtlichkeit … Kreuzung zur … in Frankfurt am Main.

Bei dem Fahrzeug handelt es sich um ein so genanntes Sport Utility Vehicle (kurz SUV), das von seiner Bauart dadurch von normalen Kraftfahrzeugen in der Art abweicht, dass es über eine erhöhte Bodenfreiheit verfügt und das Erscheinungsbild an einen Geländewagen angelehnt ist. Aufgrund der kastenförmigen Bauweise und den höher angeordneten Frontstrukturelementen stellt dieses Fahrzeug im Falle eines Unfalls eine größere Gefährdung für andere Verkehrsteilnehmer dar.

Die betroffene Person missachtete bei Außerachtlassung der im Straßenverkehr erforderlichen Sorgfalt das Rotlicht der dortigen Lichtzeichenanlage, überfuhr die Haltelinie und fuhr in den Kreuzungsbereich ein.

Die Rotphase dauerte zu diesem Zeitpunkt 1,1 Sekunden an. Vor der Rotphase lag eine Gelbphase von 3,00 Sekunden.

Die Messung erfolgte mit dem in einer von der Hessischen Eichdirektion am 11.11.2020 geeichten (Eichende: 31.12.2022) Messsäule fest installierten und am 31.12.2021 (Eichende: 31.12.2021) geeichten Messgerät PoliScan F1 HP mit der Gerätenummer …. Nach der erfolgten Messung des Verkehrsverstoßes wurde durch das Messgerät ein Identifikationsfoto des Fahrzeugs aufgenommen, der Verkehrsverstoß wurde mit dem genannten Gerät fotografisch festgehalten und von dem hierzu am 24.01.2012 bis 26.01.2012 geschulten Messbeamten ausgewertet.

III.

Die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen beruhen auf den Angaben in der Hauptverhandlung. Die Feststellungen zu den Voreintragungen beruhen auf der Verlesung des Fahreignungsregisters der betroffenen Person vom 03.05.2022.

Die Feststellungen zu den geschilderten Feststellungen unter II. beruhen auf Folgendem:

Die betroffene Person, hat sich über seinen Verteidiger eingelassen und die Fahrereigenschaft eingeräumt.

Der Sachverhalt steht zur Ãœberzeugung des Gerichts fest aufgrund der verlesenen Urkunden und Inaugenscheinnahme der Lichtbilder laut Sitzungsprotokoll.

Die Lichtbilder des Messgerätes, auf deren Inhalt gemäß § 46 Abs. 1 OWiG i. V. m. § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO Bezug genommen wird, zeigen ausweislich der darauf befindlichen Auswertezeilen eine Gelbzeit von 3,00 Sekunden an sowie eine vorwerfbare Rotzeit von 1,1 Sekunden. Die Rotzeit wurde auf dem ersten Foto mit 1,52 Sekunden angezeigt und auf dem zweiten Bild mit 2,15 Sekunden. Das Messgerät zieht dann automatisiert eine Toleranzzeit ab, so dass eine vorzuwerfende Rotzeit von 1,1 Sekunden verbleibt.

Aus dem in der Hauptverhandlung verlesenen Messprotokoll ergibt sich, dass das Gerät gültig geeicht war und dass keine Fehler zum Zeitpunkt der Messung vorlagen. Die Eich- und Sicherungsmarken werden monatlich überprüft.

Ausweislich der in der Hauptverhandlung verlesenen Eichscheine wurde dieses Gerät am 31.12.2021 geeicht und die Eichung hatte noch eine Gültigkeit bis 31.12.2021. Das zugehörige Standortmodul wurde am 11.11.2020 geeicht und die Eichfrist endet am 31.12.2022.

An der Richtigkeit der Messung bestehen somit keine Zweifel.

Bei einer Messung mit dem Gerät handelt es sich um ein standardisiertes Messverfahren. Ein solches liegt dann vor, wenn es sich um ein durch Normen vereinheitlichtes technisches Verfahren handelt, bei dem die Bedingungen seiner Anwendbarkeit und sein Ablauf so festgelegt sind, dass unter gleichen Voraussetzungen gleiche Ergebnisse zu erwarten sind (vgl. BGH, Beschl. v. 30.10.1997 – 4 StR 24/97 -, BGHSt 43,277). Dies ist vorliegend aufgrund der PTB-Zulassung der Fall. Es gibt keine konkreten Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit der Messung begründen könnten. Das Gerät war für die Geschwindigkeits- und Rotlichtüberwachung gültig geeicht, zurzeit der Messung intakt und die Messung wurde fehlerfrei durchgeführt. Der Auswertungsbeamte war ausweislich des Schulungsnachweises für den Einsatz und die Auswertung geschult.

Die Feststellungen zur Art des Fahrzeugs ergeben sich aus den in Augenschein genommenen Lichtbild des Messgeräts, auf deren Inhalt gemäß § 46 Abs. 1 OWiG i. V. m. § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO Bezug genommen wird und der verlesenen Halterauskunft.

Nach alledem ist das Gericht davon überzeugt, dass die betroffene Person den Verkehrsverstoß wie festegestellt begangen hat.

Zugunsten wurde unterstellt, dass die betroffene Person nur aus Unachtsamkeit das Rotlicht nicht beachtete.

IV.

Damit hat sich die betroffene Person wegen der im Tenor benannten Ver-kehrsordnungswidrigkeit schuldig gemacht.

V.

1. Es war ein Bußgeld festzusetzen. Bei der Bemessung der Höhe des Bußgeldes hat sich das Gericht an den Regelsätzen des Bußgeldkataloges – hier Ziffer 132.3 in Höhe von 200 Euro – orientiert.

Bei der Bemessung hat das Gericht im Rahmen des § 3 Abs. 1 BKatV berücksichtigt, dass die betroffene Person mehrere Voreintragungen im Fahreignungsregister aufweist. Dementsprechend war die Geldbuße zu erhöhen.

Zudem wurde die erhöhte Betriebsgefahr des verwendeten Kraftfahrzeugs bei der Bemessung der Geldbuße zu Lasten der betroffenen Person berücksichtigt. Die kastenförmige Bauweise und wegen der größeren Bodenfreiheit erhöhte Frontpartie des Fahrzeugs erhöhen bei einem SUV das Verletzungsrisiko für andere Verkehrsteilnehmer. Gegenüber einem Pkw in üblicher Bauweise liegt deshalb eine erhöhte Betriebsgefahr vor (vgl. auch OLG Hamm, Urteil vom 30.09.1996 – 6 U 63/96, NZV 1997, 230).

Aufgrund der größeren abstrakten Gefährdung durch das geführte Kraftfahrzeug stellt sich der begangene Rotlichtverstoß gravierender als der Normalfall dar; insbesondere, da die Regelungen des § 37 StVO zu Wechsellichtzeichen darauf abzielen, querende Verkehrsteilnehmern im Kreuzungsbereich der Lichtzeichenanlage bei einer Kollision zu schützen. Daher weist dieser Fall eine Besonderheit auf, die ihn von gewöhnlichen Tatumständen unterscheidet, sodass die Regelbuße entsprechend zu erhöhen ist.

Vor dem Hintergrund dieser Erwägungen erachtet es das Gericht als tat- und schuldangemessen eine Geldbuße von 350 Euro festzusetzen.

2. Daneben war unter Anwendung des Bußgeldkataloges und nach § 25 Abs. 1 StVG in Verbindung mit § 4 Abs. 1 BKatV ein Fahrverbot von 1 Monat zu verhängen. Nach § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BKatV ist bei der begangenen Verkehrsordnungswidrigkeit in der Regel davon auszugehen, dass unter grober Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers gehandelt wurde. Für einen Ausnahmefall, also erhebliche Abweichungen vom Normalfall, gibt es jedoch vorliegend keine Anhaltspunkte.

Das Gericht verkennt bei der Verhänigung des Fahrverbotes nicht, dass nach § 4 Abs. 4 BKatV unter Erhöhung der Geldbuße von einer Anordnung eines Fahrverbotes hätte absehen können, hält dies jedoch nicht für geboten.

Da gegen die betroffene Person in den letzten zwei Jahren vor Begehung der hier zu beurteilenden Verkehrsordnungswidrigkeit kein Fahrverbot verhängt worden ist, war nach § 25 Abs. 2a StVG zu bestimmen, dass das Fahrverbot erst wirksam wird, wenn der Führerschein nach Rechtskraft der Entscheidung in amtliche Verwahrung gelangt, spätestens jedoch mit Ablauf von vier Monaten seit Eintritt der Rechtskraft.

VI.

Die Kosten- und Auslagenentscheidung folgt aus § 46 OWiG in Verbindung mit § 465 Abs. 1 StPO.

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VonRA Moegelin

Befristete Ãœbertragung einer Führungsposition – LAG BW 1 Sa 39/21

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Die in einem Haustarifvertrag vorgesehene befristete Übertragung von Führungspositionen unterliegt nicht der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB. Es ist lediglich zu prüfen, ob die Tarifvertragsparteien von ihrer Regelungsbefugnis unverhältnismäßig Gebrauch gemacht haben. (Leitsätze)

Volltext des Urteils des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 11.07.2022 – 1 Sa 39/21:

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 25. Oktober 2021 – 7 Ca 4137/21 – teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Es wird festgestellt, dass die zwischen den Parteien getroffene Vereinbarung, dass der Kläger pro Jahr ein Filmprojekt in der Größenordnung eines Fernsehspiels als Autor und Regisseur realisieren kann und hierfür die Beklagte einen Etat in Höhe von 1,8 Mio. Euro zur Verfügung stellt oder der Kläger alle zwei Jahre ein größeres Projekt als Autor und Regisseur realisieren kann und die Beklagte hierfür einen Etat von 3,6 Mio. Euro zur Verfügung stellt, nicht aufgrund einer Befristung mit Ablauf des 31. Juli 2019 geendet hat.

2. Im Übrigen wird die Klage, soweit die Anträge nicht abgetrennt wurden, abgewiesen.

II. Die weitergehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

III. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 25. Oktober 2021 – 7 Ca 4137/21 – wird zurückgewiesen.

IV. Die Kosten erster Instanz tragen der Kläger zu 70 % und die Beklagte zu 30 %. Die Kosten der Berufung tragen der Kläger zu 48 % und die Beklagte zu 52 %.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten im Wesentlichen darüber, ob die befristete Übertragung einer Abteilungsleiterfunktion wirksam ist und der Kläger Anspruch auf die Realisierung von größeren Filmprojekten hat.
2

Der am 00.00.1959 geborene Kläger ist seit dem 1. Dezember 1993 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin als Redakteur beschäftigt. Zuvor, ab dem 7. Januar 1986, war er als freier Mitarbeiter für die Beklagte tätig. Dem Arbeitsverhältnis liegt ein unbefristeter Arbeitsvertrag vom 13. Juli 1999 zugrunde (Anlage K 1). Hiernach wurde der Kläger ab dem 1. Oktober 1998 als Leitender Redakteur beschäftigt. Er erhielt eine monatliche Grundvergütung nach der Vergütungsgruppe 13 Stufe d. Nach § 2 des Arbeitsvertrags finden auf das Arbeitsverhältnis die für den Südwestrundfunk geltenden Tarifverträge in der jeweils gültigen Fassung Anwendung.
3

Aufgrund einer Ergänzungsvereinbarung ebenfalls vom 13. Juli 1999 (Anlage K 2) wurde der Kläger befristet vom 1. Juli 1999 bis 30. Juni 2001 als Redaktionsleiter des „Tigerenten-Mitmach-Clubs“ beschäftigt. Mit Vereinbarung vom 15. Januar 2001 (Anlage K 3) wurde diese Beschäftigung bis zum 30. Juni 2006 und im weiteren Verlauf durch Vereinbarung vom 24. März 2006 (Anlage K 4) bis zum 30. Juni 2011 verlängert.
4

Im Haus der Beklagten bestand im Zeitpunkt der Ergänzungsvereinbarungen ein „Tarifvertrag zur befristeten Ãœbertragung von Leitungsfunktionen“ vom 20. Oktober 1998 (Anlage B 1). Dieser Tarifvertrag lautet auszugsweise wie folgt:
5

„1. Leitungsfunktionen sind Funktionen, die den Vergütungsgruppen 13 und 14 der Vergütungstabelle (…) zugeordnet sind … .
6

2. Die befristete Übertragung einer Leitungsfunktion setzt voraus, dass gleichzeitig ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht oder abgeschlossen wird.
7

Das unbefristete Arbeitsverhältnis muss bei Leitungsfunktionen, die den Vergütungsgruppen 13 und 14 zugeordnet sind, mindestens in Vergütungsgruppe 12 … bestehen oder abgeschlossen werden.
8

…
9

3. Die erstmalige Befristung soll mindestens drei Jahre, die weiteren Befristungen sollen jeweils mindestens fünf Jahre betragen.
10

…
11

4. Spätestens sechs Monate vor Ablauf der Befristung findet eine Verständigung mit dem/der Arbeitnehmer(in) über die Verlängerung der Übertragung statt. Im Falle der Nichtverlängerung wird der örtlich und sachlich zuständige Personalrat informiert.
12

Protokollnotiz zu TZ 4:
13

Die unmittelbar nachgeordneten Mitarbeiter(innen) haben das Recht zur Frage der Verlängerung einen Vorschlag zu machen. In diesem Fall sind sie anzuhören. Wird dem Vorschlag nicht stattgegeben, ist dies den Mitarbeitern(innen) bekannt zu geben und zu begründen.
14

5. Bei Beendigung der befristeten Übertragung wird der/die Arbeitnehmer(in) zu den Bedingungen des unbefristeten Arbeitsvertrages auf einem angemessenen Arbeitsplatz weiterbeschäftigt. …
15

War die Leitungsfunktion mehr als zehn Jahre ausgeübt, darf die gegebenenfalls eintretende Minderung der Grundvergütung nicht mehr als 15 v.H. betragen.
16

…“
17

Der Tarifvertrag wurde am 29. September 2016 zum 31. Dezember 2016 gekündigt.
18

Die oben genannten Ergänzungsvereinbarungen wurden durch eine Änderungsvereinbarung vom 10. August 2008 (Anlage K 5) geändert. Die Änderungsvereinbarung lautet auszugsweise wie folgt:
19

„Präambel
20

Die nachstehende Vereinbarung resultiert aus dem Wunsch von Herrn [Name des Klägers] auf neue Perspektiven im SWR und geht auf Initiative des Intendanten zurück. Sie soll in Vorbereitung für künftige Aufgabenstellungen im SWR dienen und ist daher als Interimslösung zu sehen.
21

1. Die Leitungsvereinbarung vom 24.03.2006 sowie die Zusatzvereinbarung TEC vom 24. Januar 2006 ruhen mit Wirkung zum 1. November 2008. Die sich daraus ergebenden materiellen Festlegungen werden vollumfänglich für die Laufzeit der Leitungsvereinbarung bis 30. Juni 2011 weitergewährt.
22

2. Für die Zeit vom 1. November 2008 bis 30. Juni 2011 übernimmt Herr [Name des Klägers] im Rahmen seiner arbeitsvertraglichen Pflichten jeweils zur Hälfte nachfolgende Aufgaben, dabei ist er in beiden Funktionen jeweils der HA Kultur disziplinarisch und fachlich unterstellt:
23

a. Für die Filmakademie und die Akademie für Darstellende Kunst wird er im Rahmen einer Stiftungsdozentur tätig und sie erfolgt in Zusammenarbeit mit Prof. S(1). und Prof. B(1).. Die inhaltliche Ausgestaltung geschieht in enger Abstimmung mit der HA Kultur. Die Lehrtätigkeit erfolgt im Auftrag des SWR. Damit ist die Nutzung der SWR-Infrastruktur beinhaltet. Abgesehen davon sind die rechtlichen Rahmenbedingungen des SWR und der Kooperationsvereinbarungen mit den Akademien zu beachten.
24

b. Für die Kultur HA soll Herr [Name des Klägers] herausragende Sonderprojekte entwickeln und realisieren. Angedacht ist beispielsweise die Verfilmung des Dreigroschenoperstoffes. Die erforderliche Räumlichkeit und eine halbe Redaktionsassistenz wird SWR-seitig gestellt. Die Entwicklung der vereinbarten Projekte erfolgt über den SWR-Etat. Dienstort bleibt Stuttgart.“
25

Am 1. August 2011 übernahm der Kläger die Funktion des Abteilungsleiters der Abteilung „Sonderprojekte, Musik und Theater“. In einer Notiz vom 1. Juli 2011 bestätigte der Hauptabteilungsleiter Personal der Beklagten, Herr S(2)., dass der Kläger ab dem 1. August 2011 die neu geschaffene Abteilung übernehme und auf der Planstelle als Abteilungsleiter geführt werde. Mit Schreiben vom 22. Juli 2011 an den Personalrat bestätigte Herr S(2). diese Vereinbarung. Der Kläger erhielt ab dem 1. August 2011 eine Grundvergütung nach der Vergütungsgruppe 14 Stufe h.
26

Erst unter dem Datum des 3. Januar 2012 erstellte die Beklagte zu dieser neuen Funktion eine Vereinbarung zum Arbeitsvertrag vom 13. Juli 1999 (Anlage K 6). Diese Vereinbarung hat auszugsweise folgenden Wortlaut:
„I.
27

Herr [Name des Klägers] wird für die Dauer von drei Jahren, beginnend am 1. August 2011, zum Abteilungsleiter „Sonderprojekte, Musik und Theater“ in Stuttgart bestellt. Soweit nachstehend nichts anderes bestimmt ist, ergeben sich Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsvertrag vom 13. Juli 1999.
II.
28

Herr [Name des Klägers] erhält für die Zeit seiner Tätigkeit als Abteilungsleiter eine monatliche Grundvergütung von derzeit EUR 7.736,00 brutto (Vergütungsgruppe 14 Stufe h).
29

Darüber hinaus erhält Herr [Name des Klägers] eine Dienstaufwandsentschädigung von monatlich EUR 51,30 (i.W: //einundfünfzig 30/100// Euro), die steuerfrei ausgezahlt wird, solange die Voraussetzungen dafür gegeben sind.
30

…
IV.
31

Diese Vereinbarung endet, ohne dass es einer Kündigung bedarf, am 31. Juli 2014. Sie kann aus wichtigem Grund jederzeit vorher aufgelöst werden. Die Partner der Vereinbarung werden sich bis zu Beginn des letzten Halbjahres der Laufzeit über eine mögliche Verlängerung verständigen.
32

Bei Beendigung dieser Vereinbarung gelten für das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien die Vorschriften aus dem Arbeitsvertrag vom 13. Juli 1999 mit der Maßgabe, dass Herr [Name des Klägers] Anspruch auf eine angemessene Beschäftigung als Leitender Redakteur hat.“
33

Der Kläger unterzeichnete diese Vereinbarung (wohl) am 16. August 2012.
34

Unter dem Datum des 9. Juli 2012 sandte Herr S(2). an den Kläger eine Mail, die auszugsweise folgenden Wortlaut hat (Anlage K 12):
35

„Lieber Herr [Name des Klägers],
36

ich komme auf Ihr E-Mail-Schreiben vom 23. Mai zurück und kann Ihnen nach Rücksprache mit Herrn B(2). und den kommenden Fernsehdirektor, Herrn Dr. H(1)., folgendes bestätigen:
37

Sie halten die verbindliche Zusage, pro Jahr ein Filmprojekt in der Größenordnung eines Fernsehspiels als Autor und Regisseur zu realisieren. Da eher größere Projekte (vergleichbar George) realisiert werden sollen, kann der Etat verdoppelt werden, um dann im zweiten Jahr ein Projekt in der entsprechenden Größenordnung zu realisieren.
38

…
39

Die Höherstufung in die VG 14i kann ich Ihnen rückwirkend zum 01.01.2012 anbieten. Sie hatten mir ja mitgeteilt, dass Sie die Tätigkeiten für die mit Höhergruppierung in die VG 14 entfallene Zulage (Regieleistungen) nach wie vor ausüben.“
40

Am 26. Mai 2014 schlossen die Parteien eine weitere Vereinbarung zum Arbeitsvertrag vom 13. Juli 1999 (Anlage K 7). Hierin vereinbarten die Parteien, dass der Kläger für die Dauer von weiteren fünf Jahren, beginnend am 1. August 2014, zum Abteilungsleiter „Sonderprojekte, Musik und Theater“ bestellt werde. Der Kläger erhielt für die Zeit seiner Tätigkeit eine monatliche Grundvergütung nach der Vergütungsgruppe 14 Stufe i. Im Ãœbrigen ist die Vereinbarung mit der Vereinbarung vom 03. Januar 2012 im Wortlaut identisch.
41

Während seiner Tätigkeit als Abteilungsleiter realisierte der Kläger im Jahr 2013 das Filmprojekt „George“ und im Jahr 2018 das Filmprojekt „Mackie Messer – Brechts Dreigroschenfilm“. Für die Filmprojekte erhielt der Kläger mehrere Preise. Der Kläger realisierte die Filmprojekte mit externen Produktionsfirmen. Für die Fertigung des Drehbuchs und die Ausübung der Regie wurde er jeweils unbezahlt von der Arbeitsleistung freigestellt.
42

Im Jahr 2015 kam es zur Erörterungen über die Einhaltung der Zusage vom 9. Juli 2012. Herr S(2). fertigte am 13. August 2015 einen Vermerk über ein Gespräch mit verschiedenen Beteiligten, darunter dem Kläger, an (Anlage K 15). Die Beteiligten erzielten Einvernehmen, dass an der am 09. Juli 2012 geschlossenen Vereinbarung festgehalten werden solle
43

Nach dem zweiten Filmprojekt kam es zu einer internen Revision wegen eines angeblichen Complianceverstoßes. Gegenstand war der Umstand, dass die stellvertretende Abteilungsleiterin S. D. die Leistungen des Klägers abnahm, die dieser als freier Autor und Regisseur für die externen Produktionsfirmen erbracht hatte. Frau D. war der Abteilung des Klägers seit dem 1. Januar 2017 zugeordnet worden. Ihre Aufgabe bestand u.a. darin, die ordnungsgemäße Durchführung der Filmprojekte zu prüfen. […]
44

Am 30. November 2018 fand auf Einladung des Intendanten ein Gespräch statt, an dem u.a. der Intendant, der Justiziar des SWR Dr. E., Herr S(2)., der Kläger und dessen damaliger Rechtsbeistand teilnahmen. Über das Gespräch wurde ein Protokoll angefertigt (Anlage K 9). Zu diesem Protokoll nahm der Kläger verschiedene Ergänzungen vor, die er mit blauer Schrift vermerkte. Auszugsweise heißt es zu Beginn des Protokolls wie folgt:
45

o Keine Bestrebungen des SWR, den bestehenden Vertrag mit Herrn [Name des Klägers] zu ändern
46

o Arbeit von Herrn [Name des Klägers] erfordert gute Rahmenbedingungen
47

o hohes Interesse des SWR an ausgezeichneten Filmen von Herrn [Name des Klägers]
48

o Mit „Brechts Dreigroschenfilm“ Realisation des wichtigsten und größten Filmprojekts des SWR der letzten 20 Jahre durch Herrn [Name des Klägers]. Herr B(2). hält das für ein großes Privileg
49

Das Protokoll befasst sich im Weiteren mit der Drehbuch- und Regietätigkeit des Klägers, der Funktionstrennung zwischen den Tätigkeiten des Klägers, der arbeitsorganisatorischen Einbindung von Frau D. und den weiteren Filmprojekten „Theresienstadt“ und „Goebbels“. Der Intendant fasste das Gespräch dahingehend zusammen, dass man auf die Endfassung des Revisionsberichts warte und dann die gegebenenfalls notwendigen organisatorischen Änderungen vornehmen werde. Das Filmprojekt „Goebbels“ solle wie vereinbart weitergehen, während beim Filmprojekt „Theresienstadt“ eine Prüfung der Realisierungsmöglichkeiten erforderlich sei.
50

Unter dem Datum des 4. Februar 2019 (Anlage K 10) wandte sich der Intendant an den nunmehr beauftragten Rechtsbeistand des Klägers. In diesem Schreiben befasste er sich sowohl mit Sachverhalten, die den Kläger betrafen, als auch mit solchen, die Frau D. angingen. Am Ende des Schreibens führte der Intendant aus:
51

„Damit ist die Basis für die weitere erfolgreiche Arbeit in der Abteilung Sonderprojekte, Musik und Theater geschaffen. Eine andere sehe ich nicht. Professor [Name des Klägers] und Frau D. mögen sich bitte nunmehr endgültig darauf einlassen, zumal Produktionen wie „Führer und Verführer“ (Goebbels) ja vorangetrieben werden.“
52

Am 27. März 2019 fand eine Sitzung in der Programmdirektion Kultur mit dem Programmdirektor Herrn H(2)., den Hauptabteilungsleiter Dr. G., Frau D. und dem Kläger statt. Gegenstand der Sitzung war die Planung der Abteilung „Sonderprojekte, Musik und Theater“. Anlässlich dieser Sitzung wurde nicht angesprochen, dass die Funktion des Klägers als Abteilungsleiter mit Ablauf des 31. Juli 2019 enden werde.
53

Mit Schreiben vom 9. April 2019 (Anlage B 7) teilte Herr Dr. G. dem Gesamtpersonalrat mit, dass er eine Umstrukturierung in seiner Hauptabteilung erwäge. Im Mittelpunkt der Ãœberlegungen stehe hierbei die Abteilung „Sonderprojekte, Musik und Theater“. Mit Mail vom 11. April 2019 (Anlage B 5) teilte Herr S(2). dem Personalrat mit, dass der am 31. Juli 2019 auslaufende Leitungsvertrag des Klägers nach Rücksprache mit dem zuständigen Bereich nicht verlängert werde. Mit Schreiben vom 12. April 2019 (Anlage K 11) übersandte Herr S(2). dem Kläger folgendes Schreiben:
54

„Lieber Herr Professor [Name des Klägers],
55

hiermit teile ich Ihnen mit, dass Ihr am 31.07.2019 endender Leitungsvertrag als Abteilungsleiter Sonderprojekte, Musik und Theater nach Rücksprache mit der Direktion PDK nicht verlängert wird. Sie haben im Anschluss Anspruch auf Weiterbeschäftigung als Redakteur in der Vergütungsgruppe 12.
56

Mit freundlichen Grüßen“
57

Am 01. Juli 2019 richtete Herr S(2). eine Mail (Anlage K 16) an den Kläger, in der es auszugsweise wie folgt heißt:
58

„Wie Ihnen Herr G. am 26. Juni erklärte, wird die Abteilung Sonderprojekte Musik und Theater aus organisatorischen Gründen, insbesondere aus Gründen der besseren multimedialen Aufstellung, zum 1. August aufgelöst und die einzelnen Bereiche anders zugeordnet. Mit Ablauf des 31. Juli 2019 endet damit ihr befristeter Leitungsvertrag. Damit endet auch die dazu getroffene Nebenabrede vom 12. Juli 2012, nach der Sie pro Jahr ein filmisches Sonderprojekt in der Größenordnung eines Fernsehspiels realisieren können.
59

…
60

Ihnen wird ohne Anerkennung einer Rechtspflicht künftig das Gehalt in der VG 13, statt eigentlich in der VG 12 zugesichert. “
61

Mit Mail vom 9. Juli 2019 (Anlage B 6) unterrichtete Herr S(2). den Gesamtpersonalrat über eine arbeitsorganisatorische Änderung der Hauptabteilung „Kultur, Wissen, SWR 2“. Hierin teilte er mit, dass es in der Hauptabteilung bis heute Doppelstrukturen gebe. Die Abteilung „Sonderprojekte, Musik und Theater“ solle nach Auslaufen des Leitungsvertrags mit dem Kläger aufgelöst werden. Die Mitarbeiter würden teils der Abteilung Musik und teils der Abteilung Aktuelle Kultur zugeordnet. Die Sonderprojekte und die Aktivitäten für die Filmakademie Ludwigsburg verblieben beim Kläger. Mit Schreiben vom 18. Juli 2019 (Anlage B 8) teilte der Gesamtpersonalrat Herrn S(2). mit, dass der Gesamtpersonalrat grundsätzlich keine Einwände gegen die geplante Organisationsänderung habe. Er weise allerdings darauf hin, dass die bestehenden Verträge, besonders mit Herrn [Name des Klägers] und Frau D., eingehalten werden müssten.
62

Im weiteren Verlauf kam es zu einem Schriftwechsel zwischen den damaligen Rechtsbeiständen des Klägers und dem späteren Prozessbevollmächtigten der Beklagten. Darin tauschten beteiligten Rechtsanwälte auch über eine mögliche Einigung Vorschläge aus (Anlage K 18 und K 19).
63

Der nach Anhörung des Klägers und Frau D. überarbeitete Revisionsbericht (Anlage B 11) wurde am 14. November 2019 vorgelegt. Unter der Ziffer 4.3.1 kam die Revisorin zu dem Ergebnis, es gebe keine konkreten Hinweise darauf, dass der Kläger während seiner Arbeitszeit als Abteilungsleiter „Brechts Dreigroschenfilm“ vorbereitet habe. Es bleibe aber ein Compliance-Problem, wenn die stellvertretende Abteilungsleiterin die Leistungen ihres Abteilungsleiters als freier Autor und Regisseur abnehme (wobei Frau D. bereits seit Frühjahr 2019 direkt dem Hauptabteilungsleiter unterstellt worden war, vgl. das Protokoll vom 30. November 2018 Seite 2). Im Herbst 2019 beauftragte der Verwaltungsrat der Beklagten die Firma D. GmbH, einen Abschlussbericht zu den Vorgängen zu erstellen (vgl. K 29).
64

Mit seiner am 21. August 2019 eingegangenen Klage begehrte der Kläger zunächst im Wesentlichen die Feststellung, dass zwischen den Parteien ein unbefristetes Arbeitsverhältnis als Abteilungsleiter bestehe und der Kläger Anspruch auf die Realisierung von Filmprojekten habe. Mit Schriftsatz vom 10. Juli 2020 erweiterte der Kläger die Klage um weitere Anträge. Mit Zustimmung der Parteien verwies das Arbeitsgericht den Rechtsstreit mit Beschluss vom 8. September 2020 (Abl. 169) an die zuständige Güterichterin. Diese teilte im weiteren Verlauf mit Verfügung vom 29. Dezember 2020 mit, dass die Fortführung des Güterichterverfahrens mangels eines fortbestehenden Einverständnisses des Klägers nicht in Betracht komme.
65

Der Kläger trug vor, die befristete Übertragung der Abteilungsleiterfunktion sei unwirksam. Sie verstoße gegen den in der Ziffer 512.1 des Manteltarifvertrags geregelten Grundsatz der Tarifautomatik. Außerdem müsse nach der Ziffer 241.2 des Manteltarifvertrags im Arbeitsvertrag der maßgebliche Befristungsgrund angegeben werden; entsprechendes gelte bei der Befristung einzelner Vertragsbestandteile. Am 1. Juli 2011 habe ihm Herr S(2). mitgeteilt, dass er auf der Stelle des Abteilungsleiters geführt werde. Ihm sei kein Fall bekannt, dass nach jahrelanger befristeter Übertragung die Leitungsfunktion gegen den Willen des Mitarbeiters entzogen worden sei.
66

Er habe aufgrund einer entsprechenden Zusage jedenfalls Anspruch auf Abschluss eines unbefristeten Änderungsvertrags als Abteilungsleiter. Die Zusage ergebe sich aus dem Gespräch mit dem Intendanten am 30. November 2018 und aus dem Schreiben des Intendanten vom 4. Februar 2019. Anlässlich der Sitzung der Programmdirektion Kultur am 27. März 2019 sei mit keinem Wort erwähnt worden, dass die Abteilung aufgelöst werde. Mit Mail vom 18. April 2019 habe der Personalratsvorsitzende gerügt, dass der Personalrat erst nach Ablauf der Sechs-Monatsfrist unterrichtet worden sei.
67

Die Vereinbarung über die Realisierung von Filmprojekten bestehe unverändert fort. Mit Mail vom 9. Juli 2012 habe er die Zusage erhalten, pro Jahr ein Filmprojekt in der Größenordnung eines Fernsehspiels als Autor und Regisseur zu realisieren. Mittlerweile sei von einem Etat i.H.v. 1,8 Millionen EUR für ein Fernsehspiel auszugehen. Die Verbindlichkeit der Vereinbarung habe der Justiziar Dr. E. in einem Schreiben vom 5. Juni 2015 an die damalige Hauptabteilungsleiterin Z. bestätigt. Außerdem sei im Gespräch vom 13. August 2015 festgehalten worden, dass die Vereinbarung nach wie vor verbindlich sei. Zu keinem Zeitpunkt hätten die Parteien eine Befristung der Vereinbarung vorgesehen; die Vereinbarung sei keine Nebenabrede zum Leitungsvertrag.
68

Er habe mit Schreiben seines früheren Prozessbevollmächtigten vom 28. August 2019 den Auskunftsanspruch nach Art. 15 DS-GVO geltend gemacht. Bislang sei die Auskunft aber nicht erteilt worden.
69

Der Kläger beantragte:
70

1. Es wird festgestellt, dass die zwischen den Parteien am 26. Mai 2014 (Anlage K 7) abgeschlossene „Vereinbarung zum Arbeitsvertrag vom 13. Juli 1999“ und die darin vereinbarte Position und Tätigkeit des Klägers als Abteilungsleiter „Sonderprojekte, Musik und Theater“ in Stuttgart mit den Tätigkeiten der Vergütungsgruppe 14 Stufe „i“ des Vergütungstarifvertrages für den Südwestrundfunk auch über den 31. Juli 2019 hinaus Inhalt des zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsverhältnisses ist und nicht aufgrund Befristung mit Ablauf des 31. Juli 2019 endete.
71

2. Hilfsweise zu Klageantrag Ziff. 1:
72

Die Beklagte wird verurteilt, das Angebot des Klägers auf Abschluss eines (unbefristeten) Änderungsvertrags als Abteilungsleiter „Sonderprojekte, Musik und Theater“ in Stuttgart mit Tätigkeiten und monatlicher Grundvergütung der Vergütungsgruppe 14 Stufe „i“ des Vergütungstarifvertrages für den Südwestrundfunk und mit im Ãœbrigen gleichen Inhalten mit Wirkung ab dem 01. August 2019 anzunehmen, wie die von den Parteien in der Vergangenheit am 26. Mai 2014 abgeschlossene „Vereinbarung zum Arbeitsvertrag vom 13. Juli 1999.
73

Hilfsweise:
74

Die Beklagte wird verurteilt, das Angebot des Klägers auf Abschluss eines (unbefristeten) Änderungsvertrags als Abteilungsleiter mit Tätigkeiten und monatlicher Grundvergütung der Vergütungsgruppe 14 Stufe „i“ des Vergütungstarifvertrages für den Südwestrundfunk und mit im Ãœbrigen gleichen Inhalten mit Wirkung ab dem 01. August 2019 anzunehmen, wie die von den Parteien in der Vergangenheit am 26. Mai 2014 abgeschlossene „Vereinbarung zum Arbeitsvertrag vom 13. Juli 1999“.
75

3. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger neben seiner vereinbarten Tätigkeit von 50 % der Vollzeittätigkeit als Dozent an der Filmakademie Baden-Württemberg GmbH als Abteilungsleiter „Sonderprojekte, Musik und Theater“ in Stuttgart mit Tätigkeiten gemäß der Tätigkeitsbeschreibung zu beschäftigen, wie sie in der Vergütungsgruppe 14 Stufe „i“ des Vergütungstarifvertrages des Südwestrundfunks bezeichnet sind.
76

Hilfsweise:
77

Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger neben seiner vereinbarten Tätigkeit von 50 % der Vollzeittätigkeit als Dozent an der Filmakademie Baden-Württemberg GmbH als Abteilungsleiter in Stuttgart mit Tätigkeiten gemäß der Tätigkeitsbeschreibung zu beschäftigen, wie sie in der Vergütungsgruppe 14 Stufe „i“ des Vergütungstarifvertrages des Südwestrundfunks bezeichnet sind.
78

4. Es wird festgestellt, dass die zwischen den Parteien getroffene Vereinbarung, dass der Kläger pro Jahr ein Filmprojekt in der Größenordnung eines Fernsehspiels als Autor und Regisseur realisiert und dafür seitens der Beklagten ein Etat in Höhe von 1,8 Millionen EUR gestellt wird oder der Kläger alle zwei Jahre ein größeres Projekt als Autor und Regisseur realisiert, bei entsprechend durch die Beklagte zur Verfügung gestelltem Etat von 3,6 Millionen EUR, nicht aufgrund einer Befristung zum 31. Juli 2019 beendet worden ist, sondern als unbefristete Vereinbarung zwischen den Parteien hinaus fortbesteht.
79

Hilfsweise:
80

Es wird festgestellt, dass die zwischen den Parteien getroffene Vereinbarung, dass der Kläger pro Jahr ein Filmprojekt in der Größenordnung eines Fernsehspiels als Autor und Regisseur realisiert und dafür seitens der Beklagten ein Etat in Höhe von 1,3 Millionen EUR gestellt wird oder der Kläger alle zwei Jahre ein größeres Projekt als Autor und Regisseur realisiert, bei entsprechend durch die Beklagte zur Verfügung gestellten Etat von 2,6 Millionen EUR, nicht aufgrund einer Befristung zum 31. Juli 2019 beendet ist, sondern als unbefristete Vereinbarung zwischen den Parteien hinaus fortbesteht.
81

5. Hilfsweise zu Klageantrag Ziff. 4:
82

Es wird festgestellt, dass der Kläger gegenüber der Beklagten einen Anspruch darauf hat, als Autor und Regisseur wahlweise pro Jahr ein Filmprojekt in der Größenordnung eines Fernsehspiels zu realisieren und die Beklagte ihm dafür einen Etat in Höhe von 1,8 Millionen EUR zur Verfügung stellt oder alle zwei Jahre ein größeres Projekt als Autor und Regisseur zu realisieren und die Beklagte ihm hierfür einen Etat von 3,6 Millionen EUR zur Verfügung stellt.
83

Hilfsweise:
84

Es wird festgestellt, dass der Kläger gegenüber der Beklagten einen Anspruch darauf hat, als Autor und Regisseur wahlweise pro Jahr ein Filmprojekt in der Größenordnung eines Fernsehspiels zu realisieren und die Beklagte ihm dafür einen Etat in Höhe von 1,3 Millionen EUR zur Verfügung stellt oder alle zwei Jahre ein größeres Projekt als Autor und Regisseur zu realisieren und die Beklagte ihm hierfür einen Etat von 2,6 Millionen EUR zur Verfügung stellt.
85

6. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Auskunft über die von ihm verarbeiteten personenbezogenen Leistungs- und Verhaltensdaten einschließlich E-Mail, Vermerke und sonstige Dokumente ab dem Jahr 2007 betreffend
86

o des Arbeitsverhältnisses und der im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Sachverhalte einschließlich sämtlicher Daten zur Begründung, Änderung und Ergänzung sämtlicher Vertragsinhalte;
87

o die Umsetzung der Zusage der Beklagten gegenüber dem Kläger, pro Jahr ein Filmprojekt in der Größenordnung eines Fernsehspiels als Autor und Regisseur zu realisieren bzw. alle zwei Jahre in größeres Projekt vergleichbar „George“ entsprechend der E-Mail des Personalleiters vom 09. Juli 2012 und dessen Nichteinhaltung;
88

o der Erstellung des Revisionsberichtes sowie den gesamten Schriftwechsel im Zusammenhang mit dem Revisionsbericht;
89

o der Nichtverlängerung des Vertrages des Klägers als Abteilungsleiter;
90

o die Auflösung der Abteilung „Sonderprojekte, Musik und Theater“;
91

o alle Dokumente betreffend der Konzeptionierung und Verwirklichung des Projektes „Mackie Messer“ vormals „Drei-Groschen Film“;
92

o das Filmvorhaben „Führer und Verführer“ (vormals „Goebbels“) inklusive dem Schriftwechsel zu den Vergütungsregelungen für den Kläger sowie sonstiger Aussagen mit der Firma Z. F. GmbH & Co KG;
93

o das Filmprojekt „Theresienstadt“;
94

o das Filmprojekt „Cranko“
95

o die Bewerbung und das Marketing des Films „Mackie Messer“ durch die Beklagte, insbesondere auch im Zusammenhang mit der geplanten Präsentation im Landtag Rheinland-Pfalz und
96

o die Genehmigung und die Nichtgenehmigung von Nebentätigkeiten seit dem 01. Januar 2019 sowie die Festlegung der Arbeitsplanung des Klägers im Voraus an den Hauptabteilungsleiter,
97

im Hinblick auf die Zwecke der Datenverarbeitung im Hinblick auf den konkreten Inhalt sowie auf nachstehende Aspekte zu erteilen:
98

o Welche Kategorien personenbezogener Daten des Klägers vereinbart wurden oder werden;
99

o die Zwecke der Datenverarbeitung;
100

o die Empfänger oder Kategorien von Empfängern gegenüber denen die Beklagte die personenbezogenen Daten des Klägers offengelegt hat oder noch offenlegen wird;
101

o welche Personen Zugang zu den personenbezogenen Daten des Klägers haben;
102

o die Speicherdauer oder, falls dies nicht möglich ist, für die Kriterien für die Festlegung der Speicherdauer;
103

o die Herkunft der personenbezogenen Daten des Klägers, soweit die Beklagte diese nicht bei dem Kläger selbst erhoben hat.
104

7. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger eine Kopie der personenbezogenen Leistungs- und Verhaltensdaten, die Gegenstand der von der Beklagten vorgenommenen Verarbeitung sind, zur Verfügung zu stellen.
105

8. Die Beklagte wird verurteilt, die Vollständigkeit der dem Kläger unter Ziff. 7 zur Verfügung gestellten Kopien an Eides statt zu versichern.
106

9. Die Beklagte wird verurteilt, für den Monat September 2019 an den Kläger 51,30 EUR Dienstaufwandsentschädigung (steuerfrei) nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 01. Oktober 2019 zu zahlen.
107

10. Die Beklagte wird verurteilt, für den Monat Oktober 2019 an den Kläger 51,30 EUR Dienstaufwandsentschädigung (steuerfrei) nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 01. November 2019 zu zahlen.
108

11. Die Beklagte wird verurteilt, für den Monat November 2019 an den Kläger 51,30 EUR Dienstaufwandsentschädigung (steuerfrei) nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 01. Dezember 2019 zu zahlen.
109

12. Die Beklagte wird verurteilt, für den Monat Dezember 2019 an den Kläger 51,30 EUR Dienstaufwandsentschädigung (steuerfrei) nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 01. Januar 2020 zu zahlen.
110

13. Die Beklagte wird verurteilt, für den Monat Januar 2020 an den Kläger 51,30 EUR Dienstaufwandsentschädigung (steuerfrei) nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 01. Februar 2020 zu zahlen.
111

14. Die Beklagte wird verurteilt, für den Monat Februar 2020 an den Kläger 51,30 EUR Dienstaufwandsentschädigung (steuerfrei) nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 01. März 2020 zu zahlen.
112

15. Die Beklagte wird verurteilt, für den Monat März 2020 an den Kläger 51,30 EUR Dienstaufwandsentschädigung (steuerfrei) nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 01. April 2020 zu zahlen.
113

16. Die Beklagte wird verurteilt, für den Monat April 2020 an den Kläger 51,30 EUR Dienstaufwandsentschädigung (steuerfrei) nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 01. Mai 2020 zu zahlen.
114

17. Die Beklagte wird verurteilt, für den Monat Mai 2020 an den Kläger 51,30 EUR Dienstaufwandsentschädigung (steuerfrei) nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 01. Juni 2020 zu zahlen.
115

18. Die Beklagte wird verurteilt, für den Monat Juni 2020 an den Kläger 51,30 EUR Dienstaufwandsentschädigung (steuerfrei) nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 01. Juli 2020 zu zahlen.
116

19. Es wird festgestellt, dass die Beklagte auch über den 01. Juli 2020 hinaus verpflichtet ist, dem Kläger monatlich eine Dienstaufwandsentschädigung (steuerfrei) in Höhe von 51,30 EUR auszuzahlen.
117

20. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Auskunft über die im Zusammenhang mit der Erstellung der Abschlussprüfung der D. GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft zum Revisionsbericht der Beklagten „Prüfung der Beauftragung von Auftrags- und Koproduktionen in der HA Film und Doku“ (vom 14. November 2017) über die Person des Klägers verarbeiteten personenbezogenen Leistungs- und Verhaltensdaten zu erteilen, insbesondere soweit sie in und/oder aus E-Mails, Vermerken, sonstigen Dokumenten sowie dem gesamten Schriftwechsel gespeichert wurden.
118

21. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 9.500,00 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p.a. seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
119

Die Beklagte beantragte,
120

die Klage abzuweisen.
121

Sie trug vor, nach Ziffer 211.3 des Manteltarifvertrags bedürften Ergänzungen und Änderungen des Arbeitsvertrags zu ihrer Gültigkeit der Schriftform. Durch Vereinbarung vom 3. Januar 2012 sei dem Kläger erstmals die Leitungsfunktion als Abteilungsleiter übertragen worden. Die Ãœbertragung sei auf der Grundlage des Tarifvertrags zur befristeten Ãœbertragung von Leitungsfunktionen vom 20. Oktober 1998 erfolgt. Die Voraussetzungen für die Ãœbertragung seien dort im Einzelnen geregelt. Im Rahmen der damaligen Ãœbertragung sei eine Konkretisierung der Tätigkeit der „Sonderprojekte“ mit einer E-Mail des Personalleiters vom 9. Juli 2012 erfolgt.
122

Die Abteilung des Klägers sei mit Wirkung vom 1. August 2019 aufgelöst worden. Bereits mit dem multimedialen Direktionsumbau seien inhaltlich zusammengehörende Bereiche in den Direktionen PDI und PDK zusammengelegt worden. In der Hauptabteilung Kultur und Wissen SWR2 habe es allerdings Doppelstrukturen gegeben. Diese Strukturen seien durch die Auflösung der Abteilung „Sonderprojekte, Musik und Theater“ beseitigt worden. Der Personalrat sei hierzu ordnungsgemäß beteiligt worden. Nach Ende der befristeten Ãœbertragung der Abteilungsleiterfunktion werde der Kläger als Leitender Redakteur, unverändert vergütet nach der Vergütungsgruppe 14 Stufe i, weiterbeschäftigt. In der Planung seien große filmische Projekte wie „Führer und Verführer“ und „Cranko“. Die Realisierung solcher Projekte hänge von zahlreichen Faktoren ab; die Budgets hierfür seien unterschiedlich hoch.
123

Entgegen der Auffassung des Klägers sei am 30. November 2018 keine Vereinbarung über eine Verlängerung der Leitungsfunktion getroffen worden. Aus dem Protokoll ergebe sich ein Angebot der Verlängerung nicht. Themen des Gesprächs seien Problemstellungen im Arbeitsverhältnis, insbesondere im Zusammenhang mit dem Revisionsbericht, Maßnahmen zur Verhinderung von Interessenkonflikten und Filmprojekte gewesen. Auch aus dem Schreiben des Intendanten vom 4. Februar 2019 lasse sich kein Anspruch auf Verlängerung ableiten.
124

Bei verständiger Auslegung sei die Mitteilung vom 12. Juli 2012 eine Abrede, die im Zusammenhang mit der befristeten Übertragung der Abteilungsleiterfunktion getroffen worden sei. In der Sache habe die Mail den Bedeutungsgehalt, dass der SWR die Realisierung von Projekten nach Kräften unterstütze. Sie beinhalte jedoch keine rechtsgeschäftliche Verpflichtung. Hätte die Zusage einen rechtsgeschäftlichen Gehalt, so sei sie mangels Vertretungsmacht unwirksam. Der Kläger habe nicht davon ausgehen dürfen, dass der Personalleiter Verpflichtungen zu Lasten des SWR habe eingehen wollen, die über seine Vertretungsbefugnis hinausgingen.
125

Die Anträge auf Auskunftserteilung seien nicht hinreichend bestimmt und auch nicht aus sich selbst heraus verständlich. Die Anträge seien darüber hinaus quantitativ exzessiv.
126

Der Kläger erwiderte, tarifvertragliche Gestaltungsmittel dürften nicht funktionswidrig verwendet werden. Die befristete Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit sei nur dann wirksam, wenn es hierfür einen sachlichen Grund gebe und die befristete Übertragung billigem Ermessen entspreche. Im vorliegenden Fall habe ihm die Beklagte die Stelle des Abteilungsleiters dauerhaft übertragen. Einen Bedarf für eine vorübergehende Übertragung habe es nicht gegeben. Eine Schließung der Abteilung sei im Zeitpunkt der Vereinbarungen nicht absehbar gewesen.
127

Anlässlich der Besprechung vom 30. November 2018 habe der Intendant zum Ausdruck gebracht, dass das Vertragsverhältnis der Parteien unverändert fortgeführt werde. Dies habe der Intendant auch in seinem Schreiben vom 4. Februar 2019 bestätigt. In der Besprechung vom 27. März 2019 sei festgehalten worden, dass Frau D. künftig unmittelbar dem Hauptabteilungsleiter bezüglich der Sonderprojekte zugeordnet werde. Es sei vorausgesetzt worden, dass ihm die Abteilungsleitung über den 31. Juli 2019 hinaus übertragen werde.
128

Was die Befristung der Zusage zur Realisierung von Filmprojekten angehe, so habe der Programmdirektor H(2). Frau D. und ihm noch am 3. April 2019 zugesagt, dass für das Filmwerk „Theresienstadt“ ein Etat i.H.v. 2,6 Mio. EUR zur Verfügung gestellt werde. Wäre die Vereinbarung vom 9. Juli 2012 befristet gewesen, so hätte Herr H(2). diese Zusage niemals machen können. Der von der Beklagten vorgetragene multimediale Umbau sei bereits zum 1. Januar 2017 erfolgt. Ein „Complianceproblem“, das die Auflösung der Abteilung rechtfertige, habe es nicht gegeben. Gegen seinen Willen sei Frau D. in seine Abteilung versetzt worden. Mit der direkten Unterstellung von Frau D. unter den Hauptabteilungsleiter sei das Complianceproblem gelöst.
129

Die Beklagte erwiderte, der multimediale Umbau sei im Jahre 2017 nicht abgeschlossen gewesen. Die Abteilung des Klägers sei kein Paradebeispiel für einen gelungenen multimedialen Umbau gewesen.
130

Mit Urteil vom 25. Oktober 2021 gab das Arbeitsgericht der Klage nur im Hinblick auf die Zusage zur Realisierung von Filmprojekten statt. Im Übrigen wies das Arbeitsgericht die Klage ab. Zur Begründung führte das Arbeitsgericht aus, der Antrag auf Auskunft sei bereits mangels hinreichender Bestimmtheit unzulässig. Die befristete Übertragung der Abteilungsleiterposition sei wirksam. Im vorliegenden Fall beruhe die befristete Übertragung auf einer tarifvertraglichen Grundlage. Dies schließe eine Vertragsinhaltskontrolle nach den §§ 305 ff BGB aus. Der Tarifvertrag treffe eigenständige Regelungen bezüglich der befristeten Übertragung von Leitungsfunktionen.
131

Die Parteien hätten vereinbart, dass der Kläger pro Jahr ein Filmprojekt in der Größenordnung eines Fernsehspiels als Autor und Regisseur realisiere und hierfür ein Etat i.H.v. 1,3 Mio. EUR bereitgestellt werde. Eine Befristung hätten die Parteien in diesem Zusammenhang nicht vereinbart. Der finanzielle Rahmen ergebe sich aus der Gesprächsnotiz des Personalleiters vom 13. August 2015. Für einen höheren Budgetrahmen gebe es keine ausreichenden Anhaltspunkte. Die Vereinbarung verstoße nicht gegen die arbeitsvertragliche Schriftformklausel.
132

Gegen das beiden Parteien am 4. November 2021 zugestellte Urteil haben der Kläger am 2. Dezember 2021 und die Beklagte am 6. Dezember 2021 (Montag) Berufung eingelegt und diese jeweils nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist am 4. Februar 2022 begründet.
133

Der Kläger trägt vor, das Arbeitsgericht habe rechtsfehlerhaft angenommen, dass die Befristung der Abteilungsleiterfunktion tarifvertraglich gerechtfertigt sei. Tarifvertragliche Gestaltungsmittel dürften nicht funktionswidrig verwendet werden. Eine höherwertige Tätigkeit dürfe nur dann übertragen werden, wenn es hierfür einen sachlichen, mindestens aber hinreichenden Grund gebe. Voraussetzung für die befristete Ãœbertragung sei, dass im Zeitpunkt der Ãœbertragung feststehe, die wahrzunehmende Tätigkeit werde in absehbarer Zeit wieder wegfallen. Das Arbeitsgericht habe verkannt, dass diese Wirksamkeitsvoraussetzungen nicht vorgelegen hätten. Ihm sei mit Wirkung vom 01.08.2011 dauerhaft die Leitung der Abteilung „Sonderprojekte, Musik und Theater“ übertragen worden. Eine nachträgliche Befristung sei ausgeschlossen.
134

Das Arbeitsgericht habe zudem verkannt, dass die Parteien die Größenordnung des Etats für zu realisierende Filmprojekte nicht für alle Zeit festgeschrieben hätten. Seit dem Jahr 2019 habe die Beklagte die Etats für ein Fernsehspiel erhöht und zwar auf 1,8 Mio. EUR bzw. 3,6 Mio. EUR für einen verdoppelten Etat. Die Beklagte sei verpflichtet, ihm einen bedarfsgerechten Etat für seine Filmprojekte zur Verfügung zu stellen.
135

Schließlich sei das Arbeitsgericht rechtsfehlerhaft zur Auffassung gelangt, dass die Ansprüche auf Auskunft und Schadenersatz nach der DSGVO unbegründet seien. Hilfsweise stelle er den Antrag, die Beklagte zu verurteilen, ihm über die von der Beklagten verarbeiteten und ihn betreffenden personenbezogenen Daten Auskunft zu erteilen.
136

Der Kläger beantragt:
137

1. Das Urteil des Arbeitsgerichtes Stuttgart vom 25. Oktober 2021, Aktenzeichen 7 Ca 4137/21, wird teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
138

1. Es wird festgestellt, dass die zwischen den Parteien am 26. Mai 2014 (Anlage K 7) abgeschlossene „Vereinbarung zum Arbeitsvertrag vom 13. Juli 1999“ und die darin vereinbarte Position und Tätigkeit des Klägers als Abteilungsleiter „Sonderprojekte, Musik und Theater“ in Stuttgart mit den Tätigkeiten der Vergütungsgruppe 14 Stufe „i“ des Vergütungstarifvertrages für den Südwestrundfunk auch über den 31. Juli 2019 hinaus Inhalt des zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsverhältnisses ist und nicht aufgrund Befristung mit Ablauf des 31. Juli 2019 endete.
139

2. Hilfsweise zu Klageantrag Ziff. 1:
140

Die Beklagte wird verurteilt, das Angebot des Klägers auf Abschluss eines (unbefristeten) Änderungsvertrags als Abteilungsleiter „Sonderprojekte, Musik und Theater“ in Stuttgart mit Tätigkeiten und monatlicher Grundvergütung der Vergütungsgruppe 14 Stufe „i“ des Vergütungstarifvertrages für den Südwestrundfunk und mit im Ãœbrigen gleichen Inhalten mit Wirkung ab dem 01. August 2019 anzunehmen, wie die von den Parteien in der Vergangenheit am 26. Mai 2014 abgeschlossene „Vereinbarung zum Arbeitsvertrag vom 13. Juli 1999“.
141

Hilfsweise:
142

Die Beklagte wird verurteilt, das Angebot des Klägers auf Abschluss eines (unbefristeten) Änderungsvertrags als Abteilungsleiter mit Tätigkeiten und monatlicher Grundvergütung der Vergütungsgruppe 14 Stufe „i“ des Vergütungstarifvertrages für den Südwestrundfunk und mit im Ãœbrigen gleichen Inhalten mit Wirkung ab dem 01. August 2019 anzunehmen, wie die von den Parteien in der Vergangenheit am 26. Mai 2014 abgeschlossene „Vereinbarung zum Arbeitsvertrag vom 13. Juli 1999“.
143

3. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger neben seiner vereinbarten Tätigkeit von 50 % der Vollzeittätigkeit als Dozent an der Filmakademie Baden-Württemberg GmbH als Abteilungsleiter „Sonderprojekte, Musik und Theater“ in Stuttgart mit Tätigkeiten gemäß der Tätigkeitsbeschreibung zu beschäftigen, wie sie in der Vergütungsgruppe 14 Stufe „i“ des Vergütungstarifvertrages des Südwestrundfunks bezeichnet sind.
144

Hilfsweise:
145

Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger neben seiner vereinbarten Tätigkeit von 50 % der Vollzeittätigkeit als Dozent an der Filmakademie Baden-Württemberg GmbH als Abteilungsleiter in Stuttgart mit Tätigkeiten gemäß der Tätigkeitsbeschreibung zu beschäftigen, wie sie in der Vergütungsgruppe 14 Stufe „i“ des Vergütungstarifvertrages des Südwestrundfunks bezeichnet sind.
146

4. Es wird festgestellt, dass die zwischen den Parteien getroffene Vereinbarung, dass der Kläger pro Jahr ein Filmprojekt in der Größenordnung eines Fernsehspiels als Autor und Regisseur realisiert und dafür seitens der Beklagten ein Etat in Höhe von 1,8 Millionen EUR gestellt wird oder der Kläger alle zwei Jahre ein größeres Projekt als Autor und Regisseur realisiert, bei entsprechend durch die Beklagte zur Verfügung gestelltem Etat von 3,6 Millionen EUR, nicht aufgrund einer Befristung zum 31. Juli 2019 beendet worden ist, sondern als unbefristete Vereinbarung zwischen den Parteien hinaus fortbesteht.
147

Hilfsweise:
148

Es wird festgestellt, dass die zwischen den Parteien getroffene Vereinbarung, dass der Kläger pro Jahr ein Filmprojekt in der Größenordnung eines Fernsehspiels als Autor und Regisseur realisiert und dafür seitens der Beklagten ein Etat in Höhe von 1,3 Millionen EUR gestellt wird oder der Kläger alle zwei Jahre ein größeres Projekt als Autor und Regisseur realisiert, bei entsprechend durch die Beklagte zur Verfügung gestelltem Etat von 2,6 Millionen EUR, nicht aufgrund einer Befristung zum 31. Juli 2019 beendet worden ist, sondern als unbefristete Vereinbarung zwischen den Parteien hinaus fortbesteht.
149

5. Hilfsweise zu Klageantrag Ziff. 4
150

Es wird festgestellt, dass der Kläger einen Anspruch darauf hat, als Autor und Regisseur wahlweise pro Jahr ein Filmprojekt in der Größenordnung eines Fernsehspiels zu realisieren und die Beklagte ihm dafür einen Etat in Höhe von 1,8 Millionen EUR zur Verfügung stellt oder alle zwei Jahre ein größeres Projekt als Autor und Regisseur zu realisieren und die Beklagte ihm hierfür einen Etat von 3,6 Millionen EUR zur Verfügung stellt.
151

Hilfsweise:
152

Es wird festgestellt, dass der Kläger einen Anspruch darauf hat, als Autor und Regisseur wahlweise pro Jahr ein Filmprojekt in der Größenordnung eines Fernsehspiels zu realisieren und die Beklagte ihm dafür einen Etat in Höhe von 1,3 Millionen EUR zur Verfügung stellt oder alle zwei Jahre ein größeres Projekt als Autor und Regisseur zu realisieren und die Beklagte ihm hierfür einen Etat von 2,6 Millionen EUR zur Verfügung stellt.
153

6. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Auskunft über die von ihr verarbeiteten personenbezogenen Leistungs- und Verhaltensdaten einschließlich E-Mail, Vermerke und sonstige Dokumente ab dem Jahr 2007 betreffend
154

o des Arbeitsverhältnisses und der im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Sachverhalte einschließlich sämtlicher Daten zur Begründung, Änderung und Ergänzung sämtlicher Vertragsinhalte;
155

o die Umsetzung der Zusage der Beklagten gegenüber dem Kläger, pro Jahr ein Filmprojekt in der Größenordnung eines Fernsehspiels als Autor und Regisseur zu realisieren bzw. alle zwei Jahre ein größeres Projekt vergleichbar „George“ entsprechend der E-Mail des Personalleiters vom 09. Juli 2012 und dessen Nichteinhaltung;
156

o der Erstellung des Revisionsberichtes sowie den gesamten Schriftwechsel im Zusammenhang mit dem Revisionsbericht;
157

o der Nichtverlängerung des Vertrages des Klägers als Abteilungsleiter;
158

o die Auflösung der Abteilung „Sonderprojekte, Musik und Theater“;
159

o alle Dokumente betreffend der Konzeptionierung und Verwirklichung des Projektes „Mackie Messer“ vormals „Drei-Groschen Film“;
160

o das Filmvorhaben „Führer und Verführer“ (vormals „Goebbels“) inklusive dem Schriftwechsel zu den Vergütungsregelungen für den Kläger sowie sonstiger Aussagen mit der Firma Z. F. GmbH & Co KG;
161

o das Filmprojekt „Theresienstadt“;
162

o das Filmprojekt „Cranko“
163

o die Bewerbung und das Marketing des Films „Mackie Messer“ durch die Beklagte, insbesondere auch im Zusammenhang mit der geplanten Präsentation im Landtag Rheinland-Pfalz und
164

o die Genehmigung und die Nichtgenehmigung von Nebentätigkeiten seit dem 01. Januar 2019 sowie die Festlegung der Arbeitsplanung des Klägers im Voraus an den Hauptabteilungsleiter,
165

im Hinblick auf die Zwecke der Datenverarbeitung im Hinblick auf den konkreten Inhalt sowie auf nachstehende Aspekte zu erteilen:
166

o Welche Kategorien personenbezogener Daten des Klägers vereinbart wurden oder werden;
167

o die Zwecke der Datenverarbeitung;
168

o die Empfänger oder Kategorien von Empfängern gegenüber denen die Beklagte die personenbezogenen Daten des Klägers offengelegt hat oder noch offenlegen wird;
169

o welche Personen Zugang zu den personenbezogenen Daten des Klägers haben;
170

o die Speicherdauer oder, falls dies nicht möglich ist, für die Kriterien für die Festlegung der Speicherdauer;
171

o die Herkunft der personenbezogenen Daten des Klägers, soweit die Beklagte diese nicht bei dem Kläger selbst erhoben hat.
172

Hilfsweise:
173

Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger über die von der Beklagten verarbeiteten und den Kläger betreffenden personenbezogenen Daten Auskunft zu erteilen.
174

7. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger eine Kopie der personenbezogenen Leistungs- und Verhaltensdaten, die Gegenstand der von der Beklagten vorgenommenen Verarbeitung sind, zur Verfügung zu stellen.
175

8. Die Beklagte wird verurteilt, die Vollständigkeit der dem Kläger unter Ziff. 7 zur Verfügung gestellten Kopien an Eides statt zu versichern.
176

9. Die Beklagte wird verurteilt, für den Monat September 2019 an den Kläger 51,30 EUR Dienstaufwandsentschädigung (steuerfrei) nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 01. Oktober 2019 zu zahlen.
177

10. Die Beklagte wird verurteilt, für den Monat Oktober 2019 an den Kläger 51,30 EUR Dienstaufwandsentschädigung (steuerfrei) nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 01. November 2019 zu zahlen.
178

11. Die Beklagte wird verurteilt, für den Monat November 2019 an den Kläger 51,30 EUR Dienstaufwandsentschädigung (steuerfrei) nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 01. Dezember 2019 zu zahlen.
179

12. Die Beklagte wird verurteilt, für den Monat Dezember 2019 an den Kläger 51,30 EUR Dienstaufwandsentschädigung (steuerfrei) nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 01. Januar 2020 zu zahlen.
180

13. Die Beklagte wird verurteilt, für den Monat Januar 2020 an den Kläger 51,30 EUR Dienstaufwandsentschädigung (steuerfrei) nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 01. Februar 2020 zu zahlen.
181

14. Die Beklagte wird verurteilt, für den Monat Februar 2020 an den Kläger 51,30 EUR Dienstaufwandsentschädigung (steuerfrei) nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 01. März 2020 zu zahlen.
182

15. Die Beklagte wird verurteilt, für den Monat März 2020 an den Kläger 51,30 EUR Dienstaufwandsentschädigung (steuerfrei) nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 01. April 2020 zu zahlen.
183

16. Die Beklagte wird verurteilt, für den Monat April 2020 an den Kläger 51,30 EUR Dienstaufwandsentschädigung (steuerfrei) nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 01. Mai 2020 zu zahlen.
184

17. Die Beklagte wird verurteilt, für den Monat Mai 2020 an den Kläger 51,30 EUR Dienstaufwandsentschädigung (steuerfrei) nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 01. Juni 2020 zu zahlen.
185

18. Die Beklagte wird verurteilt, für den Monat Juni 2020 an den Kläger 51,30 EUR Dienstaufwandsentschädigung (steuerfrei) nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 01. Juli 2020 zu zahlen.
186

19. Es wird festgestellt, dass die Beklagte auch über den 01. Juli 2020 hinaus verpflichtet ist, dem Kläger monatlich eine Dienstaufwandsentschädigung (steuerfrei) in Höhe von 51,30 EUR auszuzahlen.
187

20. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Auskunft über die im Zusammenhang mit der Erstellung der Abschlussprüfung der D. GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft zum Revisionsbericht der Beklagten „Prüfung der Beauftragung von Auftrags- und Koproduktionen in der HA Film und Doku“ (vom 14. November 2017) über die Person des Klägers verarbeiteten personenbezogenen Leistungs- und Verhaltensdaten zu erteilen, insbesondere soweit sie in und/oder aus E-Mails, Vermerken, sonstigen Dokumenten sowie dem gesamten Schriftwechsel gespeichert wurden.
188

21. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 9.500,00 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p.a. seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
189

2. Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
190

Die Beklagte beantragt:
191

1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 25. Oktober 2021, 7 Ca 4137/21, wird wie folgt abgeändert und den Kostenpunkt aufgehoben.
192

2. Die Klage wird abgewiesen.
193

3. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits
194

4. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 25.10.2021 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
195

Die Beklagte trägt vor, zu Unrecht habe das Arbeitsgericht der Klage hinsichtlich des Antrags, Filmprojekte zu realisieren, stattgegeben. Die E-Mail des Personalleiters vom 9. Juli 2012 sei in einem zeitlichen Zusammenhang mit der Übertragung der Abteilungsleiterfunktion erfolgt. Der Kläger habe den Leitungsvertrag erst im August 2012 zurückgereicht. Die Mail nehme inhaltlich auf die Abteilungsleiterfunktion Bezug. Im Rahmen seiner Tätigkeit als Abteilungsleiter entwickle der Kläger Ideen für die Filmprojekte, sogenannte Treatments.
196

Der gestellte Feststellungsantrag sei bereits unzulässig. Er sei aber jedenfalls unbegründet, weil das Arbeitsgericht zu Unrecht das Zustandekommen einer Vereinbarung angenommen habe. Das Arbeitsgericht habe die Rechtsnorm des § 151 BGB verletzt. Es habe auch die tarifvertragliche Schriftformklausel missachtet. Auch die Ausführungen des Arbeitsgerichts zur Dienstanweisung betreffend die rechtsgeschäftliche Vertretung des SWR seien unzutreffend.
197

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird gemäß § 64 Abs. 6 ArbGG, § 313 Abs. 2 S. 2 ZPO auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Protokolle über die mündlichen Verhandlungen verwiesen. Mit Beschluss vom 11. Juli 2022 hat die Kammer den Rechtsstreit hinsichtlich der Anträge zu 6 bis 8, 20 und 21 abgetrennt.

Entscheidungsgründe

I.

198

Die beiderseitigen Berufungen der Parteien sind gemäß § 64 Abs. 2 Buchst. b ArbGG statthaft. Sie sind auch gemäß §§ 519, 520 ZPO, § 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden. Gegenstand der beiderseitigen Berufungen sind in vollem Umfang die erstinstanzlichen Streitgegenstände. Im Wege der Klageerweiterung hat der Kläger zusätzlich einen umfassenden Auskunftsantrag nach Art. 15 Abs. 1 DS-GVO gestellt (Berufungsbegründung S. 61 <Abl. 162 der zweitinstanzlichen Akte>).

II.

199

Die Berufung des Klägers ist teilweise begründet. Zutreffend hat das Arbeitsgericht entschieden, dass die Vereinbarung der Parteien vom 26. Mai 2014 betreffend die Ãœbertragung der Leitung der Abteilung „Sonderprojekte, Musik und Theater“ mit Ablauf des 31. Juli 2019 geendet hat (dazu 1.). Der Kläger hat auch keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte mit ihm eine weitere Vereinbarung betreffend die Ãœbertragung der Abteilungsleiterfunktion abschließt (dazu 2.). Infolgedessen kann der Kläger von der Beklagten nicht verlangen, als Abteilungsleiter beschäftigt zu werden und die für die Abteilungsleiterfunktion vereinbarte Dienstaufwandsentschädigung zu erhalten (dazu 3.). Das Arbeitsgericht hat zutreffend entschieden, dass die Vereinbarung der Parteien betreffend die Realisierung von Filmprojekten fortbesteht; allerdings hat die Beklagte hierfür nicht nur einen Etat von 1,3 Mio. EUR jährlich bzw. 2,6 Mio. EUR zweijährlich, sondern einen solchen von 1,8 Mio. EUR jährlich bzw. 3,6 Mio. EUR zweijährlich bereitzustellen (dazu 4.).
200

1. Die zwischen den Parteien am 26. Mai 2014 getroffene Vereinbarung, wonach dem Kläger die Leitung der Abteilung „Sonderprojekte, Musik und Theater“ befristet bis zum 31. Juli 2019 übertragen wird, war wirksam (Antrag zu 1).
201

a) Die vom Kläger erhobene Feststellungsklage ist zulässig. Es handelt sich nicht um eine Befristungskontrollklage nach § 17 Satz 1 TzBfG, sondern um eine allgemeine Feststellungsklage im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO. Der Kläger macht geltend, dass ihm eine einzelne Vertragsbedingung, hier die Übertragung der Abteilungsleiterfunktion, zu Unrecht befristet übertragen wurde. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. zuletzt BAG 25. April 2018 – 7 AZR 520/16 – Rn 15) ist die Unwirksamkeit der Befristung einzelner Arbeitsvertragsbedingungen mit einer Klage nach § 256 Abs. 1 ZPO geltend zu machen.
202

b) Die Feststellungsklage ist jedoch unbegründet. Die befristete Übertragung der Abteilungsleiterfunktion war aufgrund des (Haus-)Tarifvertrags zur befristeten Übertragung von Leitungsfunktionen vom 20. Oktober 1998 (Anlage B 1) zulässig.

203

aa) Gegenstand der Befristungskontrolle ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bei mehreren aufeinanderfolgenden befristeten Arbeitsverträgen grundsätzlich die Befristung des letzten Arbeitsvertrags (vgl. nur BAG 12. April 2017 – 7 AZR 436/15 – Rn 13). Zu überprüfen ist daher ist die zweite Vereinbarung der Parteien vom 26. Mai 2014 betreffend die befristete Ãœbertragung der Leitung der Abteilung „Sonderprojekte, Musik und Theater“ (Anlage K 7). Unter Ziff. IV der Vereinbarung haben die Parteien festgehalten, dass diese Vereinbarung mit Ablauf des 31. Juli 2019 endet.

204

bb) Die Beklagte konnte die befristete Übertragung der Leitungsfunktion auf den Tarifvertrag zur befristeten Übertragung von Leitungsfunktionen vom 20. Oktober 1998 stützen. Der Tarifvertrag wurde zwar zum Ablauf des 31. Dezember 2016 gekündigt, war aber im Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch in Kraft und gilt – soweit bekannt – weiterhin im Wege der Nachwirkung.

205

(1) Die Übertragung von Führungspositionen auf Zeit ist grundsätzlich von der Regelungskompetenz der Tarifvertragsparteien gedeckt. Was die Befristung von Arbeitsverträgen als solchen angeht, so hat der Gesetzgeber in § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG für die sachgrundlose Befristung eine Tariföffnungsklausel geschaffen. Der Grund hierfür ergibt sich zwar aus den Gesetzgebungsmaterialien (Bundestags-Drucksache 14/4374 S. 20) nicht ausdrücklich. Ersichtlich ging der Gesetzgeber davon aus, dass die Tarifvertragsparteien aufgrund ihrer Sachnähe besser als der Gesetzgeber in der Lage sind, für die jeweilige Branche passgenaue Regelungen zu vereinbaren.

206

Diese Erwägung lässt sich im Wege eines „Erst recht-Schlusses“ ohne weiteres auf die befristete Ãœbertragung von Führungspositionen auf Zeit übertragen. Wenn die Tarifvertragsparteien bereits die sachgrundlose Befristung von Arbeitsverträgen als solchen regeln dürfen, so gilt dies erst recht für die Befristung von einzelnen Vertragsbedingungen. So haben etwa auch die Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes in § 32 TVöD bzw. TV-L vereinbart, dass Führungspositionen bis zur Dauer von vier Jahren (mit Verlängerungsmöglichkeiten) befristet übertragen werden können. In seinen Urteilen vom 16. Juli 2020 (6 AZR 287/19) und 28. Oktober 2021 (6 AZR 9/21) hat das Bundesarbeitsgericht hiergegen keine Bedenken geäußert.

207

(2) Die tariflichen Voraussetzungen für die befristete Übertragung der Leitungsfunktion als Abteilungsleiter lagen im Streitfall vor. Dem Kläger wurde eine Leitungsfunktion in der Vergütungsgruppe 14 des Vergütungstarifvertrags übertragen. Es bestand bereits zuvor ein unbefristetes Arbeitsverhältnis in der Funktion eines Leitenden Redakteurs; diese Funktion war nach der Vergütungsgruppe 13 bewertet. Die erstmalige Befristung war für die Dauer von drei Jahren vereinbart worden und die zweite Befristung für die Dauer von fünf Jahren. Damit lagen sämtliche in den Ziffer 1 und 3 genannten Voraussetzungen für die befristete Übertragung einer Leitungsfunktion vor.

208

(3) Weitere Voraussetzungen sieht der Tarifvertrag nicht vor. Insbesondere verlangt er nicht, dass für die befristete Übertragung ein sachlicher Grund im Sinne des § 14 Abs. 1 TzBfG vorliegen muss. Die Tarifvertragsparteien haben auch keine Maßgaben dazu vereinbart, ob die in der Ziffer 1 des Tarifvertrags genannten Leitungsfunktionen stets befristet übertragen werden oder ob dem Arbeitgeber insoweit ein Ermessen zusteht. Ersichtlich wollten die Tarifvertragsparteien mit dem Tarifvertrag dem Arbeitgeber ein Instrument in die Hand geben, um den Personaleinsatz im Führungskräftebereich effektiver steuern zu können. Dieser Zwecksetzung würde entgegenstehen, die befristete Übertragung an billiges Ermessen zu binden (so zu § 32 TVöD, BAG 16. Juli 2020 – 6 AZR 287/19 – Rn 27; BAG 28. Oktober 2021 – 6 AZR 9/21 – Rn 16).

209

Aus diesem Grund kommt es auf die zwischen den Parteien streitige Frage nicht an, ob die Beklagte sämtliche Leitungsfunktionen in den einschlägigen Vergütungsgruppen in der Vergangenheit befristet übertragen hat (so die Beklagte) oder nicht. Ebenso wenig kommt es darauf an, ob der Kläger das Vorbringen der Beklagten insoweit mit Nichtwissen bestreiten durfte. Selbst wenn die Beklagte einzelne Führungsfunktionen in den genannten Vergütungsgruppen unbefristet übertragen hätte, könnte ihre Entscheidung allenfalls auf Willkür überprüft werden. Hierfür gibt es jedoch keine Anhaltspunkte.

210

Für die vom Kläger geforderte Billigkeitskontrolle gibt es keine rechtliche Grundlage. Anders als die individualrechtliche Befristung einzelner Arbeitsvertragsbedingungen unterliegt die vorliegende tarifliche Regelung nach § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB nicht der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB. Die vom Bundesarbeitsgericht entwickelten Grundsätze zur Inhaltskontrolle bei der Befristung einzelner Vertragsbedingungen (zuletzt BAG 25. April 2018 – 7 AZR 520/16 – Rn 34 ff.) finden somit im vorliegenden Fall keine Anwendung. Auf die vom Kläger formulierten Anforderungen an einen sachlichen Grund für die befristete Übertragung kommt es nicht an.

211

(4) Zutreffend ist aber, dass die Gestaltungsfreiheit der Tarifvertragsparteien nicht unbegrenzt ist. Zwar besitzen die Tarifvertragsparteien einen weiten Spielraum hinsichtlich der inhaltlichen Gestaltung von tariflichen Regelungen. Sie sind nicht verpflichtet, die jeweils zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung zu wählen. Es genügt, wenn für die getroffene Regelung ein sachlich vertretbarer Grund besteht (ständige Rechtsprechung, vgl. nur BAG 29. September 2020 – 9 AZR 364/19 – Rn 47). Im Streitfall ist der sachlich vertretbare Grund darin zu sehen, dass die Tarifvertragsparteien dem Arbeitgeber ein Instrument zur bessren Personalentwicklung an die Hand geben wollten.

212

Dies bedeutet aber nicht, dass die Regelungsbefugnis der Tarifvertragsparteien unbegrenzt wäre. So hat das Bundesarbeitsgericht zur Tariföffnungsklausel nach § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG entschieden, dass sich bei der sachgrundlosen Befristung von Arbeitsverträgen als solchen Vorgaben aus den unionsrechtlichen Regelungen der Richtlinie 1999/70/EG und dem Institut des Rechtsmissbrauchs herleiten lassen. So ist eine tarifliche Bestimmung, die eine sechsjährige sachgrundlose Befristung bei neunmaliger Verlängerungsmöglichkeit erlaubt, noch von der Regelungsbefugnis der Tarifvertragsparteien gedeckt (BAG 26. Oktober 2016 – 7 AZR 140/15), während dies bei einer tariflichen Regelung, die eine sachgrundlose Befristung bis zu einer Gesamtdauer von sieben Jahren eröffnet, nicht mehr der Fall ist (BAG 17. April 2019 – 7 AZR 410/17).

213

(5) Mit insgesamt acht Jahren überschreitet die vorliegende befristete Übertragung der Abteilungsleitertätigkeit zwar die in den genannten Entscheidungsfällen aufgezeigten Grenzen. Es sind aber die folgenden Besonderheiten zu beachten:

214

(a) Zum einen bezieht sich die dargestellte Rechtsprechung auf die sachgrundlose Befristung von Arbeitsverträgen als solchen, während es im vorliegenden Fall „nur“ um die befristete Ãœbertragung einer Leitungsfunktion geht. Anders als bei der insgesamten Befristung des Arbeitsvertrags ist bei einer befristeten Ãœbertragung einer Leitungsfunktion nicht die Existenzgrundlage des Arbeitnehmers betroffen. Vielmehr fällt der Arbeitnehmer in die Auffangposition der früheren Tätigkeit zurück. Die Kammer verkennt nicht, dass es bei der Wahrnehmung von Führungsfunktionen nicht allein um den finanziellen Aspekt, sondern auch um die Ãœbertragung einer herausgehobenen Verantwortung, also die hierarchische Einordnung des Arbeitnehmers im Unternehmen bzw. in der Verwaltung geht. Gleichwohl hat die befristete Ãœbertragung von Führungspositionen weit weniger Auswirkungen auf die soziale Lage des Arbeitnehmers als die Befristung des Arbeitsvertrags insgesamt. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Arbeitnehmer aus einer mit rd. 9.900,00 Euro brutto vergüteten Leitungsposition lediglich um eine Vergütungsgruppe „zurückfällt“. Denn in diesem Fall wird der Lebensstandard des Arbeitnehmers durch den Verlust der höherwertigen Position nicht entscheidend beeinträchtigt.

215

(b) Im Streitfall kommt hinzu, dass dem verfassungsrechtlichen Schutz der Rundfunkfreiheit im Rahmen der Abwägung, ob die Tarifvertragsparteien ihren Gestaltungsspielraum überschritten haben, ein maßgebliches Gewicht einzuräumen ist. Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG schützt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (grundlegend BVerfG 13. Januar 1982 – 1 BvR 848/77 u.a. – Rn 54 ff) und des Bundesarbeitsgerichts (zuletzt BAG 17. April 2013 – 10 AZR 272/12 – Rn 16; BAG 13. Dezember 2017 – 7 AZR 69/16 – Rn. 11 ff; BAG 25. August 2020 – 9 AZR 373/19 – Rn. 22 ff) das Recht der Rundfunkanstalten, frei von fremder Einflussnahme über die Auswahl, Einstellung und Beschäftigung von programmgestaltenden Mitarbeitern zu bestimmen. Als programmgestaltend sind diejenigen Rundfunkmitarbeiter anzusehen, die an Hörfunk- und Fernsehsendungen inhaltlich gestaltend mitwirken. Hierzu gehören etwa diejenigen Mitarbeiter, die ihre individuelle künstlerische Befähigung und Aussagekraft in eine Sendung einbringen, was beim Kläger zweifellos der Fall ist. Die den Rundfunkanstalten aufgetragene Vielfalt des Programms erfordert es, ihnen bei der Auswahl, Einstellung und Beschäftigung von programmgestaltenden Mitarbeitern einen größeren Spielraum einzuräumen als bei nichtprogrammgestaltenden Mitarbeitern.

216

(c) Unter diesen Umständen ist eine jedenfalls achtjährige Befristung bei einem programmgestaltenden Mitarbeiter wie dem Kläger rechtlich nicht zu beanstanden. Eine achtjährige Befristung überschreitet die vom Bundesarbeitsgericht für die sachgrundlose Befristung von Arbeitsverträgen vorgesehene Grenze von sechs Jahren nur maßvoll. Für die Zulässigkeit einer achtjährigen Befristungsdauer spricht außerdem, dass der Kläger in seiner Abteilung Themen zu verantworten hatte, die für die Rundfunkfreiheit von erheblicher Bedeutung waren. Als Rundfunkanstalt muss die Beklagte immer wieder auf die sich ändernden medialen Rahmenbedingungen eingehen, was etwa beim trimedialen Umbau im Jahre 2017 unstreitig geschehen ist. Bei einer derartigen Umgestaltung kann sich ergeben, dass der bisherige Zuschnitt der Abteilungen nicht mehr den neuen Rahmenbedingungen Rechnung trägt. Es wäre mit der verfassungsrechtlich gewährleisteten Rundfunkfreiheit nicht vereinbar, wenn die Beklagte Strukturen aufrechterhalten müsste, die mit der aktuellen Medienlandschaft nicht mehr im Einklang stehen.

217

(6) Entgegen der Auffassung des Klägers können in die dargestellte eingeschränkte Befristungskontrolle nicht alle Führungspositionen des Klägers, sondern lediglich diejenige als Abteilungsleiter einfließen. Zwar trifft es zu, dass der Kläger bereits ab dem 1. Juli 1998 befristet zum Redaktionsleiter des „Tigerenten-Mitmach-Clubs“ bestellt wurde. Im vorliegenden Fall ist aber die Ãœbertragung der Abteilungsleiterfunktion ab dem 1. August 2011 von maßgeblicher Bedeutung, weil erst diese Funktion den Kläger aus dem Kreis der anderen Leitenden Redakteure heraushob und mit einer Höhergruppierung in die Vergütungsgruppe 14 verbunden war. Daher verbietet sich eine Gesamtbetrachtung aller befristeten Ãœbertragungen von Leitungsfunktionen.

218

Entgegen der Auffassung des Klägers ist es auch rechtlich unerheblich, dass ihm die Funktion des Abteilungsleiters nach seinem – bestrittenen – Vorbringen zum 1. August 2011 unbefristet übertragen wurde. Geht man hiervon aus, sind die Parteien rechtlich nicht daran gehindert, nachträglich auf der Grundlage des Tarifvertrags vom 20. Oktober 1998 die nachträgliche Befristung der Leitungsposition zu vereinbaren.

219

(7) Die vom Kläger erhobenen sonstigen Einwendungen gegen die befristete Übertragung der Leitungsfunktion sind nicht begründet:

220

(a) Aus dem Grundsatz der Tarifautomatik lässt sich die Unwirksamkeit der Befristungsabrede nicht herleiten. Der Grundsatz der Tarifautomatik besagt, dass mit der nicht nur vorübergehenden Zuweisung einer Tätigkeit die Ein- oder Höhergruppierung als bloßer Akt der Rechtsanwendung unmittelbar verbunden ist. Aus der Erfüllung der tariflichen Tätigkeitsmerkmale folgt unmittelbar ein entsprechender tariflicher Vergütungsanspruch, ohne dass es einer weiteren Maßnahme des Arbeitgebers bedarf (st. Rspr., vgl. nur BAG 2. Juni 2021 – 4 AZR 387/20 – Rn. 12). Da dem Kläger die Abteilungsleiterfunktion nur befristet übertragen wurde, hat der Grundsatz der Tarifautomatik im vorliegenden Zusammenhang keine rechtliche Bedeutung.

221

(b) Das Zitiergebot der Ziff. 241.2 des Manteltarifvertrags ist auf die Befristung einer Führungsposition nicht anzuwenden, weil es sich lediglich auf die Befristung des Arbeitsvertrags als solchen bezieht. Dies folgt aus dem Zusammenhang der Regelung. Die Ziffern 240 ff des Manteltarifvertrags regeln im Einzelnen die Modalitäten der Sachgrundbefristung im Sinne des § 14 Abs. 1 TzBfG.

222

(c) Darauf, ob die Beklagte beim Auslaufen der Befristung zum 31. August 2019 die – unklar formulierten – Regelungen der Ziff. 4 des Tarifvertrags beachtet hat, kommt es nicht an. Im Tarifvertrag findet sich keine Regelung darüber, ob eine Nichteinhaltung dieser Bestimmungen Auswirkungen auf die Wirksamkeit der Befristung hat. Anders als etwa im Bühnenarbeitsrecht haben die hiesigen Tarifvertragsparteien die Nichtverlängerung von Leitungsfunktionen nur verhältnismäßig wenig formalisiert. Sie haben weder eine Nichtverlängerungsmitteilung noch die Angabe von Gründen für die beabsichtigte Nichtverlängerung vorgesehen. Erst recht haben sie darauf verzichtet, für die Verletzung der formalen Anforderungen eine Unwirksamkeit der Nichtverlängerung bzw. der gesamten Befristung anzuordnen. Damit unterscheidet sich die vorliegende Tarifregelung entscheidend von denjenigen Tarifregelungen, die eine weitaus stärkere Formalisierung des Nichtverlängerungsverfahrens vorsehen (vgl. BAG 28. September 2016 – 7 AZR 128/14 – Rn 55; BAG 15. Mai 2013 – 7 AZR 665/11 – Rn 22 ff. betr. Tarifregelungen des Bühnenarbeitsrechts).

223

Im Ergebnis würde somit die vom Kläger behauptete Nichteinhaltung der vorgesehenen Formalien weder zu einer Verlängerung der befristeten Übertragung noch zu einer Unwirksamkeit der Befristung insgesamt führen. Es handelt sich um Ordnungsvorschriften, deren Beachtung der Arbeitnehmer und der Personalrat ggf. auf dem Rechtsweg geltend machen können, deren Nichtbeachtung aber auf die Wirksamkeit der Befristung keinen Einfluss hat.
224

2. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte sein Angebot auf Abschluss eines unbefristeten Änderungsvertrags als Leiter der Abteilung „Sonderprojekte, Musik und Theater“, hilfsweise als Abteilungsleiter mit Tätigkeiten der Vergütungsgruppe 14 Stufe i annimmt (Antrag zu 2). Die Beklagte hat zwar beim Kläger ein Vertrauen hervorgerufen, dass seine Abteilungsleiterfunktion über den 31. Juli 2019 hinaus fortgesetzt werde. Die vom Kläger aufgezeigten Umstände lassen aber nicht den Schluss zu, dass ihm die Beklagte die weitere Beschäftigung in der Abteilungsleiterfunktion zugesagt hat.
225

a) Die Klage auf Abgabe einer Willenserklärung ist zulässig.
226

Der gestellte Antrag ist hinreichend bestimmt im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Geht es um den Abschluss eines Arbeitsvertrags, muss die nach § 894 Satz 1 ZPO als abgegeben geltende Willenserklärung den für einen solchen Vertrag notwendigen Mindestinhalt umfassen (st. Rspr., vgl. nur BAG 15. Oktober 2013 – 9 AZR 572/12 – Rn. 18). Diesen Anforderungen genügt der gestellte Antrag. Er zeigt auf, welche Arbeitsbedingungen das Angebot des Klägers umfasst, was Tätigkeit und Vergütung angeht. Die Bezugnahme auf die Vereinbarung vom 26. Mai 2014 ist hierbei eher irreführend, weil diese Vereinbarung eine befristete Übertragung regelt. Der Inhalt des abzuschließenden Vertrags lässt sich aber ohne Weiteres feststellen.
227

b) Die Klage ist sowohl mit dem Haupt- als auch mit dem Hilfsantrag unbegründet.

228

aa) Nach der früheren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG 20. Januar 1999 – 7 AZR 93/98 – Rn 17; BAG 26. April 1995 – 7 AZR 936/94 – Rn 24) konnte ein Arbeitnehmer einen Anspruch auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses im Anschluss an die Laufzeit eines wirksam befristeten Arbeitsvertrages darauf stützen, dass der Arbeitgeber durch sein Verhalten beim Vertragsschluss oder während der Vertragslaufzeit einen Vertrauenstatbestand geschaffen habe, aufgrund dessen der Arbeitnehmer berechtigterweise erwarten durfte, nach dem Ende der Vertragslaufzeit weiterbeschäftigt zu werden. Das Bundesarbeitsgericht vertrat die Auffassung, der Arbeitgeber sei unter diesen Umständen durch Verschulden beim Vertragsschluss zum Schadenersatz und damit zum Abschluss eines weiteren Arbeitsvertrags verpflichtet.

229

Im weiteren Verlauf hat das Bundesarbeitsgericht seine Rechtsprechung aber dahingehend präzisiert, dass allein aus in Anspruch genommenem Vertrauen kein Anspruch auf Wiedereinstellung hergeleitet werden könne. Zu Unrecht enttäuschtes Vertrauen verpflichte lediglich zum Ersatz des Vertrauensschadens, begründe aber keinen Erfüllungsanspruch. Ein vertraglicher Anspruch des Arbeitnehmers auf Abschluss eines weiteren Arbeitsvertrages bestehe nur dann, wenn die Erklärungen oder Verhaltensweisen des Arbeitgebers als Zusage auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auszulegen seien (BAG 26. April 2006 – 7 AZR 190/05 – Rn 17; BAG 13. August 2008 – 7 AZR 513/07 – Rn 18; BAG 21. September 2011 – 7 AZR 150/10 – Rn 21).

230

Diese auf die Fortsetzung von befristeten Arbeitsverhältnissen bezogene Rechtsprechung lässt sich ohne Weiteres auf die Befristung von einzelnen Arbeitsbedingungen, somit auch auf die befristete Übertragung von Führungspositionen übertragen. Auch bei der Befristung von Führungspositionen kann enttäuschtes Vertrauen allein noch keinen Anspruch des Arbeitnehmers dahingehend begründen, die Vereinbarung über die befristete Übertragung einer Führungsposition fortzusetzen. Der Arbeitgeber ist im Falle einer Befristung in seiner Entscheidung darin frei, ob er die wirksam befristet übertragene Führungsposition auch künftig übertragen möchte. Enttäuschtes Vertrauen allein kann lediglich zum Ersatz des sogenannten Vertrauensschadens, nicht aber zur Erfüllung, also zur Verpflichtung der künftigen Übertragung führen.

231

bb) Misst man die vom Kläger vorgetragenen Umstände an diesen rechtlichen Maßstäben, so hat zwar die Beklagte das berechtigte Vertrauen des Klägers enttäuscht, ihm aber keine Zusage gegeben, ihn künftig in der Abteilungsleiterfunktion zu beschäftigen.

232

(1) Zur Begründung seines Anspruchs hat sich der Kläger maßgeblich auf das Protokoll des Gesprächs mit dem Intendanten vom 30. November 2018 berufen. Dort heißt es zu Beginn:

233

▪ Keine Bestrebungen des SWR, den bestehenden Vertrag mit Herrn [Name des Klägers] zu ändern

234

▪ Arbeit von Herrn [Name des Klägers] erfordert gute Rahmenbedingungen

235

▪ Hohes Interesse des SWR an ausgezeichneten Filmen von Herrn [Name des Klägers]

236

Auch wenn in der erstgenannten Notiz von dem „bestehenden“ Vertrag, also von dem noch bis zum 31. Juli 2019 laufenden Vertrag, die Rede ist, kann nicht in Abrede gestellt werden, dass eine solche Formulierung beim Arbeitnehmer den Eindruck hervorrufen wird, das Arbeitsverhältnis werde in der bisherigen Form fortgesetzt. Dieser Eindruck verstärkt sich durch die beiden folgenden Notizen, die für sich genommen wenig Aussagegehalt betreffend die Rechtsgrundlagen des Arbeitsverhältnisses haben, jedoch beim Arbeitnehmer den Eindruck hervorrufen, unter „guten Rahmenbedingungen“ bei der Produktion von ausgezeichneten Filmen sei das Arbeitsverhältnis in seiner bisherigen Ausgestaltung gemeint.

237

Beim Verständnis der genannten Notizen ist aber zu beachten, dass das Gespräch vom 30. November 2018 nicht den Schwerpunkt hatte, die künftigen arbeitsvertraglichen Beziehungen der Parteien zu regeln. Vielmehr ging es in dem Gespräch vorrangig um den Entwurf des Revisionsberichts und die daraus folgenden Maßnahmen, um das vom Kläger geplante Filmprojekt „Theresienstadt“ und um die künftigen Produktionen. Der Intendant fasste das Gesprächsergebnis demzufolge auch dahingehend zusammen, dass man auf die Endfassung des Revisionsberichts warten und dann die ggf. notwendigen organisatorischen Änderungen vornehmen werde, das Filmprojekt „Goebbels“ wie vereinbart weitergehen könne und hinsichtlich des Filmprojekts „Theresienstadt“ die Realisierungsmöglichkeiten geprüft werden mögen.

238

Hätte es sich bei dem Gespräch um ein Verständigungsgespräch hinsichtlich der künftigen Arbeitsbedingungen gehandelt, so wäre zu erwarten gewesen, dass der Intendant am Ende des Gesprächs eine klare Aussage dazu trifft, wie er sich die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger vorstellt. Hierzu verhält sich das Protokoll in keiner Weise und auch die vom Kläger in blauer Schrift hinzugefügten Bemerkungen lassen nicht erkennen, dass für den Kläger die Frage der künftigen Abteilungsleiterfunktion im Mittelpunkt des Gesprächs stand.

239

(2) Auch aus dem Schreiben des Intendanten vom 4. Februar 2019 lässt sich nicht herleiten, dass die Beklagte dem Kläger eine Zusage auf Fortsetzung der Abteilungsleitertätigkeit gegeben hat. Das – sehr lange – Schreiben befasst sich auf den Seiten 2 und 3 mit Sachverhalten betreffend Frau D.. Ab der Seite 4 nimmt der Intendant auf das Gespräch vom 30. November 2018 Bezug, indem er den Revisionsbericht, die Frage der Freistellung, das Filmprojekt „Theresienstadt“ und andere Themen anspricht. Auch in diesem Schreiben bildet die Fortsetzung der Abteilungsleiterfunktion keinen Schwerpunkt. Sie wird vielmehr nur am Ende auf der Seite 6 angesprochen, wenn es dort heißt: „Damit ist die Basis für die weitere erfolgreiche Arbeit in der Abteilung Sonderprojekte, Musik und Theater geschaffen.“ Dem Kläger ist einzuräumen, dass er angesichts der Zukunftsbezogenheit des Schreibens daraus folgern durfte, er könne seine Arbeit als Abteilungsleiter über den 31. Juli 2019 hinaus fortsetzen, zumal die befristete Ãœbertragung knapp sechs Monate später auslaufen sollte. Einen rechtsgeschäftlichen Bindungswillen enthält das Schreiben des Intendanten gleichwohl nicht; es erschöpft sich in der Darstellung von Absichten.

240

(3) Schließlich lässt sich für eine Fortsetzung der Abteilungsleitertätigkeit auch nichts daraus herleiten, dass in der Sitzung der Programmdirektion Kultur am 27. März 2019 kein Wort darüber gesprochen wurde, dass die befristete Übertragung der Abteilungsleiterfunktion mit Ablauf des 31. Juli 2019 enden werde. Aus einem bloßen Schweigen lässt sich nur dann eine Zusage ableiten, wenn die sonstigen Umstände des Falles für einen Rechtsbindungswillen sprächen (sog. beredtes Schweigen). Dies trifft aber im Streitfall nicht zu.

241

(4) Unter den gegebenen Umständen stellt es eine überraschende Wendung dar, dass der Leiter der Hauptabteilung Kultur, Wissen, SWR 2 den Gesamtpersonalrat nur wenig später, am 9. April 2019 (Anlage B 7), darüber unterrichtete, dass er eine Umstrukturierung seiner Hauptabteilung beabsichtige. Es gebe bis heute Doppelstrukturen, die er zueinander führen wolle. Im Mittelpunkt seiner Ãœberlegungen stehe die Abteilung „Sonderprojekte, Musik und Theater“. Im weiteren Verlauf unterrichtete Herr S(2). den Gesamtpersonalrat mit Mail vom 9. Juli 2019 (Anlage B 6) über den geplanten multimedialen Umbau. Aus der Mail ging hervor, dass die Abteilung „Sonderprojekte, Musik und Theater“ mit dem Auslaufen des Leitungsvertrags mit dem Kläger aufgelöst werden solle. Mit Mail vom 18. Juli 2019 (Anlage B 8) antwortete der Gesamtpersonalrat, dass das Gremium grundsätzlich keine Einwände gegen die geplante Organisationsänderung habe. Die bestehenden Verträge, insbesondere mit dem Kläger und Frau D., müssten allerdings eingehalten werden.

242

Unter diesen Umständen sind die Zweifel des Klägers, dass es nach der „großen Umstrukturierung“ zu Beginn des Jahres 2017 Mitte des Jahres 2019 keine weitere Umgestaltung gegeben habe, nicht berechtigt. Die Abteilung „Sonderprojekte, Musik und Theater“ wurde zum 1. August 2019 aufgelöst. Die in der Abteilung tätigen Mitarbeiter wurden anderen Organisationseinheiten zugeordnet. Im Verantwortungsbereich des Klägers blieben die Sonderprojekte und die Aktivitäten für die Filmakademie Ludwigsburg.

243

Die Beklagte musste die Organisationsänderung auch nicht deswegen unterlassen, um die Vereinbarung über die befristete Übertragung der Führungsposition mit dem Kläger fortsetzen zu können. Es liegt in der Organisationsgewalt des Arbeitgebers, den Betrieb nach seinem Ermessen zu gestalten. Dem Arbeitgeber steht auch die Entscheidung darüber zu, in welchem Umfang er Führungspositionen vorhält (vgl. nur BAG 3. Dezember 2019 – 9 AZR 78/19 – Rn 26). Die unternehmerische Entscheidung könnte allenfalls auf Willkür und offenbare Unrichtigkeiten hin gerichtlich überprüft werden (vgl. nur BAG 2. März 2017 – 2 AZR 546/16 – Rn 23).

244

Für eine willkürliche oder vorgeschobene unternehmerische Entscheidung gibt es aber keine Anhaltspunkte. Die Beklagte hat im Einzelnen dargelegt, aus welchen Gründen die Auflösung der Abteilung „Sonderprojekte, Musik und Theater“ erfolgte. Der maßgebliche Grund war, die Doppelstrukturen in der Hauptabteilung aufzulösen. Gegen diese Zweckbestimmung hat der Kläger lediglich seine eigene Einschätzung gesetzt, dass die bisherige Struktur sachgerecht gewesen sei und es keinen Grund für eine Veränderung gegeben habe. Damit lässt sich jedoch eine Willkür oder Sachwidrigkeit der unternehmerischen Entscheidung nicht begründen.
245

3. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, den Kläger als Leiter der Abteilung „Sonderprojekte, Musik und Theater“ bzw. als Abteilungsleiter in der Vergütungsgruppe 14 Stufe i zu beschäftigten (Haupt- und Hilfsantrag zu 3). Sie ist auch nicht verpflichtet, dem Kläger eine monatliche Dienstaufwandsentschädigung in Höhe von 51,30 EUR zu bezahlen (Anträge zu 9 bis 19).
246

a) Es kann dahingestellt bleiben, ob die Klage auf Beschäftigung als Klage auf zukünftige Leistung nach § 259 ZPO zulässig ist, wenn – wie im vorliegenden Fall – zu erwarten ist, dass ein Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes auch einem Feststellungsurteil Folge leisten würde. Die Klage ist jedenfalls unbegründet, weil die befristete Übertragung der Abteilungsleiterfunktion wirksam war und der Kläger auch keinen Anspruch auf eine unbefristete Übertragung der Funktion hat. Die Beklagte ist daher nicht zu einer entsprechenden Beschäftigung verpflichtet.
247

b) Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung einer Dienstaufwandsentschädigung, weil diese nach der Vereinbarung vom 26. Mai 2014 an die Wahrnehmung der Abteilungsleiterfunktion geknüpft war.
248

4. Das Arbeitsgericht hat zutreffend entschieden, dass der Kläger einen Anspruch darauf hat, dass ihm die Beklagte die Realisierung von Filmprojekten unter Bereitstellung eines Etats in einer angemessenen Höhe ermöglicht (Antrag zu 4). Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts ist die Klage aber nicht nur mit dem Hilfsantrag, sondern auch mit dem Hauptantrag begründet. Die Hilfsanträge zu 5 sind damit nicht mehr zur Entscheidung angefallen.
249

a) Die Klage ist zulässig. Sie ist bei der gebotenen Auslegung insbesondere hinreichend bestimmt im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
250

Der Kläger begehrt die Feststellung, dass eine zwischen den Parteien getroffene Vereinbarung, wonach er pro Jahr ein Filmprojekt in der Größenordnung eines Fernsehspiels als Autor und Regisseur „realisiert“ und die Beklagte hierfür einen Etat in einer bestimmten Höhe bereitstellt, nicht aufgrund einer Befristung zum 31. Juli 2019 beendet worden ist, sondern als unbefristete Vereinbarung zwischen den Parteien fortbesteht. Da die Beklagte keinen Einfluss darauf hat, ob der Kläger jährlich ein Filmprojekt in der Größenordnung eines Fernsehspiels bzw. alle zwei Jahre ein größeres Projekt „realisiert“, kann der Antrag nur dahingehend verstanden werden, dass die Beklagte dem Kläger ermöglicht, derartige Projekte zu realisieren. Daher war das Wort „realisiert“ im Tenor durch die Worte „realisieren kann“ zu ersetzen. Außerdem stellt der Halbsatz „sondern als unbefristete Vereinbarung zwischen den Parteien hinaus fortbesteht“ nur eine Beschreibung der Rechtsfolge dar, die sich aus einer nicht bestehenden Befristung zum 31. Juli 2019 ergeben würde. Der Halbsatz ist überflüssig und war im Tenor entbehrlich.
251

b) Die Klage ist auch mit dem Hauptantrag begründet, weil der Kläger aufgrund der Mail des Personalleiters vom 9. Juli 2012 (Anlage K 12) eine Vereinbarung über die Realisierung von Filmprojekten abgeschlossen hat (dazu aa) und diese Vereinbarung zeitlich nicht an die Wahrnehmung seiner Abteilungsleiterfunktion geknüpft war (dazu bb).

252

aa) Entgegen der Auffassung der Beklagten beinhaltet die Mail vom 9. Juli 2012 nicht nur eine Absichtserklärung, sondern hat rechtsgeschäftlichen Gehalt.

253

(1) Mit Mail vom 9. Juli 2012 (Anlage K 12) teilte der Personalleiter dem Kläger mit, er könne ihm nach Rücksprache mit dem Intendanten und dem kommenden Fernsehdirektor Folgendes bestätigen:

254

„Sie erhalten die verbindliche Zusage, pro Jahr ein Filmprojekt in der Größenordnung eines Fernsehspiels als Autor und Regisseur zu realisieren. Da eher größere Projekte (vergleichbar George) realisiert werden sollen, kann der Etat verdoppelt werden, um dann im zweiten Jahr ein Projekt in der entsprechenden Größenordnung zu realisieren.“

255

Für die Auslegung, dass es sich hierbei nicht nur um eine Absichtserklärung, sondern um eine Zusage mit rechtsgeschäftlichem Gehalt gehandelt hat, sprechen nicht nur der Wortlaut („verbindliche Zusage“), sondern auch die Gesamtumstände. Die Zusage erfolgte mit der „Rückendeckung“ des Intendanten und des kommenden Fernsehdirektors. In der Folgezeit bekräftigte der Personalleiter seine Zusage, so nach dem unbestrittenen Vorbringen des Klägers in einer Mail an die damalige Hauptabteilungsleiterin des Klägers vom 2. April 2015 und in einer Mail des Justitiars an die Hauptabteilungsleiterin vom 5. Juni 2015 (Berufungsbeantwortung des Klägers Seite 3 und 4 <Abl. 246 f >).

256

Zudem fand am 13. August 2015 ein Gespräch zwischen dem Kläger, dem Personalleiter und dem damaligen Fernsehdirektor statt. Im Protokoll (Anlage K 15) versicherte der Fernsehdirektor, dass die Vereinbarung vom 9. Juli 2012 gelte und die Fernsehdirektion sich an diese halten werde.

257

Es mag ungewöhnlich sein, dass der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer die Zusicherung gibt, Projekte mit einem bestimmten Budget verwirklichen zu können. Im vorliegenden Fall ist aber der Hintergrund zu beachten, dass der Kläger die Ideen für die Filmprojekte in seiner Eigenschaft als Arbeitnehmer ausarbeitete, die konkrete Umsetzung mit ausdrücklicher Unterstützung durch die Beklagte aber als freier Autor und Regisseur für externe Produktionsfirmen vornahm. Vor diesem Hintergrund ist es nachvollziehbar, dass der Kläger auf eine verbindliche Zusage der Beklagten Wert legte, die Filmprojekte tatsächlich realisieren zu können.

258

(2) Die Einwendungen der Beklagten gegen die vorgenommene Auslegung sind unbegründet. Die Annahme der Beklagten, der Kläger habe entgegen der Regelung in § 151 BGB seinen Annahmewillen nicht betätigt, trifft nicht zu. Die Betätigung des Annahmewillens ist im Streitfall unschwer darin zu sehen, dass der Kläger die Realisierung von Filmprojekten nach Zugang der Mail vom 9. Juli 2012 fortsetzte. Die Vereinbarung war auch nicht mangels Einhaltung der tariflichen Schriftformklausel (Ziffer 211.3 des Manteltarifvertrags) unwirksam. Der Arbeitgeber kann sich nicht auf die Einhaltung der Schriftform berufen, wenn er eine Zusage jahrelang praktisch durchgeführt hat. Eine solche Rüge verstößt gegen den Grundsatz des Verbots widersprüchlichen Verhaltens (vgl. nur BAG 10. September 2020 – 6 AZR 94/19 (A) – Rn 23).

259

Schließlich kann sich die Beklagte auch nicht darauf berufen, der Personalleiter habe mit seiner Mail die ihm aufgrund der Dienstanweisung über die rechtsgeschäftliche Vertretung des SWR (Anlage B 2) zustehenden Kompetenzen überschritten. Zwar trifft es zu, dass die Dienstanweisung für rechtsgeschäftliche Verpflichtungen abhängig von der hierarchischen Einordnung bestimmte betragsmäßige Grenzen vorsieht. Nach Ziff. 2.2.2 der Dienstanweisung zeichnet der Intendant aber über alle Geschäftsbereiche hinweg ohne wertmäßige Grenzen allein. Da der Intendant ausweislich der Mail vom 9. Juli 2012 die verbindliche Zusage an den Kläger ausdrücklich mitgetragen hat, kann sich die Beklagte nicht darauf berufen, die Zusage überschreite die angegebenen betragsmäßigen Grenzen der Vorgesetzten des Klägers.

260

bb) Die Zusage vom 9. Juli 2012 war auch nicht an die Wahrnehmung der Abteilungsleitertätigkeit gekoppelt.

261

(1) Bereits der Wortlaut der Mail spricht gegen eine derartige Verknüpfung. So fehlt etwa die Angabe „während der Zeit Ihrer Abteilungsleitung“ oder ähnliches. Eine gewisse Verknüpfung mit der Abteilungsleiterfunktion wird lediglich im vierten Absatz der Mail hergestellt, weil sich hierin der Personalleiter mit der Höherstufung des Klägers befasste. Hintergrund hierfür war die Diskussion der Parteien über die Frage, in welche Stufe der Kläger eingruppiert werde. Ausweislich der Vereinbarung vom 3. Januar 2012 hatte die Beklagte dem Kläger eine Vergütung nach der Stufe h angeboten. Nunmehr bot der Personalleiter dem Kläger eine Vergütung nach der Stufe i an. Daraufhin unterzeichnete der Kläger im August 2012 die Vereinbarung vom 3. Januar 2012.

262

Aus den Gesamtumständen ergibt sich aber, dass die Höherstufung nur zufällig mit der Vereinbarung über die Realisierung von Sonderprojekten zusammenfiel. Denn bereits am 10. Oktober 2008 (Anlage K 5) hatten die Parteien eine Vereinbarung darüber geschlossen, dass der Kläger künftig herausragende filmische Sonderprojekte entwickeln und realisieren solle. Auf diese Vereinbarung nahm die Mail des Personalleiters vom 9. Juli 2012 ersichtlich Bezug.

263

Der Wegfall der Abteilungsleiterfunktion hatte zudem keine Auswirkungen auf die Aufgabe des Klägers, auch weiterhin Sonderprojekte zu verwirklichen. Unstreitig zählt es auch nach dem Wegfall der Abteilungsleiterfunktion zu den Aufgaben des Klägers, herausragende Filmprojekte zu realisieren. In der Mail des Personalleiters vom 9. Juli 2019 an den Gesamtpersonalrat (Anlage B 6) wird ausdrücklich erwähnt, dass die Sonderprojekte und die Aktivitäten für die Filmakademie Ludwigsburg (beim Kläger) verblieben. Damit nahm der Personalleiter ersichtlich auf die Vereinbarung vom 10. Oktober 2008 Bezug. Entgegen der vom Personalleiter in der Mail vom 1. Juli 2019 (Anlage K 16) vertretenen Auffassung handelte es sich bei der Zusage vom 9. Juli 2012 somit nicht um eine Nebenabrede zur Vereinbarung über die befristete Übertragung der Abteilungsleiterfunktion.

264

(2) Dafür, dass die Zusage vom 9. Juli 2012 nicht an die befristete Ãœbertragung der Abteilungsleiterfunktion geknüpft war, spricht schließlich der – komplexe – Zusammenhang der Tätigkeit des Klägers als Abteilungsleiter einerseits und als freier Drehbuchautor und Regisseur andererseits. Ãœber die Trennung der beiden Funktionen waren die Parteien geraume Zeit im Gespräch, zuletzt während des Gesprächs mit dem Intendanten am 30. November 2018. Diskutiert wurde eine sogenannte Beistellungslösung, wonach die vom Kläger übernommene Drehbuchfertigung und Regieleistung dem jeweiligen Filmproduzenten vom Sender „beigestellt“ werden sollte. Letztlich entschied man sich aber für die bereits praktizierte Freistellungslösung, wonach beide Funktionen getrennt waren und der Kläger für die Drehbuchfertigung und die Regie unbezahlt von seiner Arbeit freigestellt wurde.

265

Im Ergebnis führt die Freistellung dazu, dass der Kläger die Ideen und Konzepte für die späteren Filmprojekte in seiner Eigenschaft als Arbeitnehmer der Beklagten entwickelt, die Fertigung des Drehbuchs und die Regie jedoch sodann im Rahmen einer freien Tätigkeit für den jeweiligen Filmproduzenten übernimmt. Da die Ausführung von Sonderprojekten auch nach dem 31. Juli 2019 unstreitig zu dem Aufgabengebiet des Klägers gehört, liegt bei dieser rechtlichen Konstruktion die Annahme fern, die Zusage der Beklagten vom 9. Juli 2012 sei an die Funktion als Abteilungsleiter geknüpft. Der Kläger sollte auch nach dem 31. Juli 2019 herausragende Filmprojekte realisieren und sollte auch nach diesem Zeitpunkt für die Anfertigung des Drehbuchs und die Regie freigestellt werden. Diese Absprache wird durch den Vergleichsvorschlag der Beklagten, den der Beklagtenvertreter mit Schreiben vom 24. Dezember 2019 übersandte, unter der Ziffer 7 lediglich bestätigt.

266

cc) Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts beträgt das pro Filmprojekt bereitzustellende Budget nicht 1,6 Mio. EUR jährlich bzw. 2,6 Mio. EUR zweijährlich, sondern jeweils 1,8 bzw. 3,6 Mio. EUR. In seiner Mail vom 9. Juli 2012 beschrieb der Personalleiter das Budget der Filmprojekte nur allgemein dahingehend, dass es sich um ein Filmprojekt in der Größenordnung eines Fernsehspiels handele. Bei größeren Projekten könne der Etat verdoppelt werden. In der Folgezeit bezifferten die Beteiligten das Budget für ein Fernsehspiel ausweislich der Gesprächsnotiz vom 13. August 2015 (Anlage K 15) mit jährlich 1,3 Mio.
267

Damit wollten die Beteiligten aber nicht das Budget statisch betragsmäßig „einfrieren“. Vielmehr wollten sie sich an der „Größenordnung eines Fernsehspiels“ und daher dynamisch an den künftigen Etats von Fernsehspielen orientieren. Hierzu hat der Kläger vorgetragen, dass das Budget für einen Tatort mittlerweile 1,6 Mio. EUR betrage und für einen Donnerstags-Krimi 1,8 Mio. EUR (Anlagen K 41 und K 42). Im Vergleichsvorschlag der Beklagten vom 24. Dezember 2019 (Anlage K 14) wird ebenso ein Budget in Höhe von 1,8 Mio. EUR erwähnt. Auch wenn sich die Budgets für jede einzelne Produktion flexibel gestalten, hat die Beklagte keine nachvollziehbaren Argumente dafür vorgetragen, weshalb im Falle des Klägers von den üblichen Größenordnungen abgewichen werden sollte.

III.

268

Die Berufung der Beklagten ist unbegründet. Der Kläger hat, wie unter II.4. ausgeführt, Anspruch darauf, herausgehobene Filmprojekte realisieren zu können und hierfür einen Etat in bestimmter Höhe zu erhalten. Der Feststellungsantrag zu 4 ist mit dem Hauptantrag begründet. Demzufolge war die Berufung der Beklagten, mit der sie sich gegen die Verurteilung mit dem Hilfsantrag wendet, als unbegründet zurückzuweisen.

IV.

269

Die Kosten beider Instanzen waren gemäß § 92 Abs. 1 ZPO verhältnismäßig zu teilen. Hierbei ist die Kammer davon ausgegangen, dass der Antrag zu 1 mit einem Vierteljahresverdienst von 29.700,00 EUR zu bewerten ist. Der Wert der Anträge zu 2 und 3 ist wegen wirtschaftlicher Identität nicht zu addieren. Der Wert des Antrags zu 4 ist ebenfalls mit einem Vierteljahresverdienst zu bemessen; der Wert des Antrags zu 5 ist hiermit wirtschaftlich identisch. Der Wert der Anträge zu 6 bis 8 und 20 (Auskunft) ist mit einem Bruttomonatsgehalt zu bemessen, weil der Auskunftsanspruch für den Kläger vor allem angesichts der Auseinandersetzungen über den Revisionsbericht und den Abschlussbericht der Fa. D. von erheblicher Bedeutung ist. Der Wert der Anträge zu 9 bis 19 ist nach § 42 Abs. 1 Satz 1 GKG mit dem dreifachen Jahresbetrag (1.846,80 EUR) zu bemessen. Der Wert des Antrags zu 21 beläuft sich entsprechend der Bezifferung auf 9.500,00 EUR.
270

Für die Zulassung der Revision bestand kein Anlass, weil nicht ersichtlich ist, dass die entscheidungserhebliche Rechtsfrage, ob die Beklagte von der tarifvertraglich vorgesehenen befristeten Übertragung von Führungspositionen funktionswidrig Gebrauch gemacht hat, von allgemeiner Bedeutung ist. Es ist nicht ersichtlich, dass die aufgeworfene Rechtsfrage sich in einer unbestimmten Vielzahl weiterer Fälle stellen könnte.

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VonRA Moegelin

Kündigung wegen Fälschung des Impfnachweises zum Corona Virus

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Der Kläger war seit dem 01.09.1990 bei der Beklagten tätig. Mit In-Kraft-Treten des § 28b Abs. 1 Infektionsschutzgesetz (IfSG) in der Fassung ab dem 24.11.2021 galt bei der Beklagten die 3G-Regelung. Es durften nur Personen den Arbeitsplatz betreten, die geimpft, getestet oder genesen waren. Die Beklagte bat um Vorlage eines entsprechenden Beleges.

Mit Datum vom 25.11.2021 legte der Kläger ein digitales EU-Impfzertifikat vor, welches einen vollständigen Impfschutz ab dem 13.09.2021 auswies. Der Impfpass selbst wies jeweils eine Impfung vom 12.08.2021, sowie vom 13.09.2021 mit den Impfchargen COMIRNATY CH.-BSCRW2 und –BSCVY8 auf, welche in der Praxis einer Berliner Ärztin durchgeführt worden sein sollen.

An beiden Impfterminen war der Kläger arbeitsunfähig erkrankt. Gegen die Berliner Ärztin liefen diverse Strafverfahren wegen des Verdachts auf illegalem Handel mit gefälschten Impfausweisen. Der Kläger wurde am 03.01.2022 durch die Beklagte im Beisein des Betriebsrats mit dem Vorwurf der Vorlage eines gefälschten Impfnachweises konfrontiert. Mit Schreiben vom 07.01.2022 erfolgte nach Anhörung des Betriebsrats die fristlose, hilfsweise die fristgerechte Kündigung.

Das Arbeitsgericht hat der Kündigungsschutzklage stattgegeben. Die Vorlage eines gefälschten Impfpasseses stelle zwar einen wichtigen Grund i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB zur fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses dar. Auf der Grundlage der durchgeführten Beweisaufnahme kam das Gericht jedoch zu dem Ergebnis, dass die Beklagte nicht nachweisen konnte, dass der Kläger einen gefälschten Impfpass vorgelegt hatte. Die Voraussetzungen für eine Verdachtskündigung seien ebenfalls nicht gegeben, da hierzu der Betriebsrat nicht angehört worden war.

Die 8.Kammer des Landesarbeitsgerichts hat in der mündlichen Verhandlung deutlich gemacht, dass eine Impfpassfälschung die außerordentliche Kündigung rechtfertigen würde. Zur streitigen Frage des tatsächlichen Vorliegens einer Fälschung ist eine Beweisaufnahme erforderlich.

Die Verhandlung wird fortgesetzt.

Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Beweisbeschluss vom 04.10.2022 – 8 Sa 326/22

Arbeitsgericht Duisburg, Urteil vom 25.03.2022 – 5 Ca 45/22

 

In einem weiteren Verfahren vor der 3. Kammer des Landesarbeitsgerichtes hat diese am heutigen Tage in der mündlichen Verhandlung ebenfalls zum Ausdruck gebracht, dass eine Impfpassfälschung grundsätzlich einen Kündigungsgrund darstellt.

Die außerordentliche Kündigung scheiterte hier an der Interessenabwägung aufgrund der 19-jährigen Betriebszugehörigkeit des Klägers, der Tatsache, dass die Fälschung auf Vorhalt sofort zugestanden wurde und dem Umstand, dass auch die Arbeitgeberin sich einen Verstoß gegen § 28b IFSG vorhalten lassen musste. Die ordentliche Kündigung scheiterte an einer fehlerhaften Betriebsratsanhörung und damit aus formalen Gründen.

Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 04.10.2022 – 3 Sa 374/22
Arbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 08.04.2022 – 5 Ca 1575/21
vgl. Pressemitteilung vom 06.10.2022

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