Monatsarchiv 7. November 2015

VonRA Moegelin

Wahl der Aufsichtsratsmitglieder durch Leiharbeitnehmer

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1305531477Wahlberechtigte Leiharbeitnehmer auf Stammarbeitsplätzen sind für den Schwellenwert von in der Regel mehr als 8.000 Arbeitnehmern mitzuzählen, ab dessen Erreichen die Wahl der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer nach dem Mitbestimmungsgesetz (MitbestG) grundsätzlich nicht mehr als unmittelbare Wahl, sondern als Delegiertenwahl durchzuführen ist.

Nach § 9 Abs. 1 MitbestG werden die Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer eines Unternehmens mit in der Regel mehr als 8.000 Arbeitnehmern durch Delegierte gewählt, sofern nicht die wahlberechtigten Arbeitnehmer die unmittelbare Wahl beschließen. § 9 Abs. 2 MitbestG bestimmt, dass die Wahl in Unternehmen mit in der Regel nicht mehr als 8.000 Arbeitnehmern in unmittelbarer Wahl erfolgt, sofern nicht die wahlberechtigten Arbeitnehmer die Wahl durch Delegierte beschließen.

Das MitbestG definiert den Begriff „Arbeitnehmer“ nicht selbst, sondern verweist in § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 MitbestG auf den betriebsverfassungsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff des § 5 Abs. 1 BetrVG. Der Siebte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat unter Fortführung seiner neueren Rechtsprechung, nach der die Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern als Arbeitnehmer des Entleiherbetriebs insbesondere von einer normzweckorientierten Auslegung des jeweiligen gesetzlichen Schwellenwertes abhängt, entschieden, dass für die Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 und Abs. 2 MitbestG jedenfalls wahlberechtigte Leiharbeitnehmer auf Stammarbeitsplätzen mitzuzählen sind. Der Senat hatte nicht darüber zu befinden, ob Leiharbeitnehmer auch bei anderen Schwellenwerten der Unternehmensmitbestimmung in die Berechnung einbezogen werden müssen.

Wie in den Vorinstanzen blieb damit der Antrag von 14 in dem Unternehmen beschäftigten Arbeitnehmern, den Hauptwahlvorstand zu verpflichten, die Wahl als unmittelbare Wahl durchzuführen, beim Bundesarbeitsgericht erfolglos. Der Hauptwahlvorstand hatte unter Einbeziehung von 444 auf Stammarbeitsplätzen eingesetzten wahlberechtigten Leiharbeitnehmern eine Gesamtbeschäftigtenzahl in dem Unternehmen von 8.341 Personen festgestellt. Der Beschluss, die Aufsichtsratswahl als Delegiertenwahl durchzuführen, entspricht daher der vom Gesetz in § 9 Abs. 1 MitbestG vorgesehenen Regelwahlart.

(Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 4. November 2015 – 7 ABR 42/13, vgl. Pressemitteilung Nr. 52/15)

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VonRA Moegelin

Annahmeverzug bei rückwirkender Begründung eines Arbeitsverhältnisses

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penguinadminDer Anspruch auf Vergütung wegen Annahmeverzugs setzt ein erfüllbares, das heißt tatsächlich durchführbares Arbeitsverhältnis voraus. Bei rückwirkender Begründung des Arbeitsverhältnisses liegt ein solches für den vergangenen Zeitraum nicht vor. So hat das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 19.08.15 entschieden, dem folgender Sachverhalt zugrunde liegt:

Die Klägerin war bis zum 31. Dezember 1986 bei der Beklagten beschäftigt. Mit Wirkung vom 1. Januar 1987 ging ihr Arbeitsverhältnis im Wege eines Betriebsübergangs auf eine neu gegründete Gesellschaft, die C. GmbH, über. Die Beklagte garantierte ihr ein Rückkehrrecht. Über das Vermögen der C. GmbH wurde am 1. Oktober 2009 das Insolvenzverfahren eröffnet, worauf der Klägerin wegen Betriebsschließung zum 31. Januar 2010 gekündigt wurde. Die Klägerin machte ihr Rückkehrrecht gegenüber der Beklagten gerichtlich geltend. Die Beklagte lehnte den Abschluss eines Arbeitsvertrags unter Berufung auf das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 19. Oktober 2005 (- 7 AZR 32/05 -) in einem nach ihrer Auffassung vergleichbaren Fall ab. Das Landesarbeitsgericht verurteilte die Beklagte rechtskräftig dazu, das Angebot der Klägerin auf Abschluss eines Arbeitsvertrags ab dem 1. Februar 2010 anzunehmen.

Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage rückständigen Arbeitslohn für die Zeit ab 1. Februar 2010. Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Auf die Revision der Beklagten hat der Fünfte Senat des Bundesarbeitsgerichts die Klage abgewiesen. Ein Anspruch auf Vergütung wegen Annahmeverzugs besteht nicht. Dieser setzt ein tatsächlich durchführbares Arbeitsverhältnis voraus. Ein rückwirkend begründetes Arbeitsverhältnis ist für in der Vergangenheit liegende Zeiträume nicht tatsächlich durchführbar. Die Beklagte schuldet die Vergütung auch nicht nach § 326 Abs. 2 S. 1 Alt. 1 BGB, weil sie die Unmöglichkeit der Erbringung der Arbeitsleistung für die Vergangenheit nicht zu verantworten hat. Die Beklagte befand sich in einem entschuldbaren Rechtsirrtum.

Volltext des Urteils des Bundesarbeitsgerichts vom 19. August 2015 – BAG 5 AZR 975/13 (vgl. Pressemitteilung Nr. 42/15)

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VonRA Moegelin

Überbrückungsbeihilfe für militärisches Personal nach dem TV SozSich

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drunken-duck-soldier-silhouette-300pxDas BAG hat entschieden, dass nach § 2 Ziff. 1 des Tarifvertrags zur sozialen Sicherung der Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland vom 31. August 1971 (TV SozSich) ein Anspruch auf Leistungen nur wegen Personaleinschränkungen infolge militärisch begründeter Entscheidungen besteht.

In dem Fall, dem dieser Entscheidung zugrunde lag, begehrt der Kläger Überbrückungsbeihilfe nach dem TV SozSich. Er stand seit dem 1. Mai 2002 in einem Arbeitsverhältnis zu dem Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland und wurde zuletzt als Heizungsmonteur in einer Kaserne der britischen Stationierungsstreitkräfte in Deutschland beschäftigt. Zum 8. August 2011 ging das Arbeitsverhältnis gemäß § 613a BGB auf die Betriebserwerberin über, welche das Gebäudemanagement der Kaserne als Dienstleisterin übernommen hatte. Der Kläger übte auch in der Folgezeit seine Tätigkeit auf dem Gelände der Kaserne aus. Mit Schreiben vom 29. Oktober 2012 kündigte die Betriebserwerberin sein Arbeitsverhältnis im Vorfeld der Kasernenschließung betriebsbedingt zum 31. März 2013. Das Beschäftigungsbedürfnis sei wegen des Rückgangs der durch die britischen Streitkräfte erteilten Aufträge entfallen. Der Kläger sieht die Voraussetzungen für die Leistung von Überbrückungsbeihilfe nach dem TV SozSich als erfüllt an. Die Kündigung sei letztlich auf die spätere Schließung der Kaserne zurückzuführen. Sowohl die Bundesrepublik Deutschland als auch die Betriebserwerberin seien zahlungsverpflichtet.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Die Revision des Klägers hatte vor dem Sechsten Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg. Der Kläger wurde nicht wegen einer Personaleinschränkung im Sinne des § 2 Ziff. 1 TV SozSich entlassen. Der Arbeitsplatzverlust hat nicht allein militärische Ursachen, sondern ist auf eine unternehmerische Entscheidung aus wirtschaftlichen Gründen zurückzuführen. Vor deren Folgen schützt der TV SozSich nicht. Es bedurfte deshalb keiner Entscheidung, ob der TV SozSich nach einem Betriebsübergang auf einen privaten Arbeitgeber weiterhin anwendbar bleiben kann.

(Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23. Juli 2015 – 6 AZR 687/14, vgl. Pressemitteilung Nr. 38/15)

 

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VonRA Moegelin

Unvollständige Unterrichtung über einen Betriebsübergang

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004-spreadsheet-documentDas Landesarbeitsgericht Düsseldorf hat entschieden, dass die unvollständige Unterrichtung über einen Betriebsübergang dazu führt, dass die Widerspruchsfrist nicht zu laufen beginnt.

Die Klägerin war seit dem 01.09.2004 bei der Beklagten, einem Gastronomie- und Cateringunternehmen als Sachbearbeiterin Administration beschäftigt und zwar in der Gastronomie eines Konzerthauses. Mit Schreiben 12.09.2014 informierte die Beklagte die Klägerin darüber, dass ihr Arbeitsverhältnis zum 01.09.2014 auf einen neuen Betreiber übergegangen sei und wies darin auf das Recht zum Widerspruch gegen den Betriebsübergang binnen einen Monats hin. Die Klägerin widersprach zunächst nicht und setzte ihre Tätigkeit bei dem neuen Betreiber fort. Dieser schloss die Gastronomie im Konzerthaus am 31.03.2015 und kündigte das Arbeitsverhältnis der Klägerin am 06.03.2015 zum 31.05.2015. Mit Schreiben vom 24.04.2015 widersprach die Klägerin gegenüber der Beklagten dem Betriebsübergang auf den neuen Betreiber. Daraufhin kündigte die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 28.04.2015 zum nächstzulässigen Termin. In der Berufungsinstanz stritten die Parteien nur noch darüber, ob das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit der Beklagten über den 01.09.2014 fortbestand und erst zum 31.08.2015 beendet worden ist.

Mit diesem Begehren hatte die Klägerin Erfolg. Die 1. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf ist ebenso wie das Arbeitsgericht Essen davon ausgegangen, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit der Beklagten erst durch deren Kündigung zum 31.08.2015 beendet worden ist. Der nachträgliche Widerspruch gegen den Betriebsübergang war trotz Ablauf der dafür vorgesehenen Monatsfrist wirksam und führte zum Fortbestand des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten über den 01.09.2014 hinaus. Die Widerspruchsfrist hatte nicht zu laufen begonnen, weil die Unterrichtung über den Betriebsübergang unvollständig war. Obwohl der Pachtvertrag, in den der neue Betreiber eintrat, bis zum 31.12.2014 befristet war, hieß es im Widerspruchsschreiben vom 12.09.2014, dass bis auf weiteres eine unveränderte Fortführung des Betriebs in dem Konzerthaus vorgesehen war. Dadurch wurde der Eindruck einer längerfristigen Beschäftigungsmöglichkeit erweckt, die so noch nicht gesichert war. Allenfalls bestand am 12.09.2014 ein dreimonatiger Verlängerungsvertrag des Pachtvertrags oder aber – so die Klägerin im Termin – selbst dieser war noch nicht geschlossen. Von all dem war in dem Informationsschreiben nicht die Rede. Trotz des Zeitablaufs hatte die Klägerin ihr Widerspruchsrecht nicht verwirkt und dessen Ausübung war nicht treuwidrig. Auf die Kündigung des neuen Betreibers zum 31.05.2015 konnte die Beklagte sich nicht berufen.

Das Landesarbeitsgericht hat die Revision für die Beklagte zugelassen.

(LAG Düsseldorf, Urteil vom 14.10.2015 – 1 Sa 733/15)

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VonRA Moegelin

Schadensersatz wegen vorzeitig abgebrochener ebay-Auktion

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primary-auction-300pxDer Bundesgerichtshof hat eine Entscheidung dazu getroffen, unter welchen Voraussetzungen der Anbieter das Gebot eines Interessenten auf der Internetplattform eBay streichen darf, ohne sich diesem gegenüber schadenersatzpflichtig zu machen.

Der Beklagte bot auf der Internetplattform eBay einen Jugendstil-Gussheizkörper zu einem Startpreis von 1 € an. In den zu dieser Zeit maßgeblichen Allgemeinen Geschäftsbedingungen von eBay heißt es auszugsweise:

§ 9 Nr. 11: Anbieter, die ein verbindliches Angebot auf der eBay-Website einstellen, dürfen nur dann Gebote streichen und das Angebot zurückziehen, wenn sie gesetzlich dazu berechtigt sind. Weitere Informationen. […]“

Der Beklagte beendete drei Tage nach Beginn der Auktion diese unter Streichung aller Angebote vorzeitig. Zu diesem Zeitpunkt war der Kläger mit einem Gebot von – wie er vorgetragen hat – 112 € der Höchstbietende. Der Kläger behauptet, er hätte den Heizköper zum Verkehrswert von 4.000 € verkaufen können und verlangt mit seiner Klage diesen Betrag abzüglich der von ihm gebotenen 112 € (3.888 €).

Der Beklagte verweigerte die Ãœbergabe des Heizkörpers an den Kläger und begründete dies ihm gegenüber mit der – bestrittenen – Behauptung, er habe die Auktion deswegen abbrechen müssen, weil der Heizkörper nach Auktionsbeginn zerstört worden sei. Später hat der Beklagte geltend gemacht, er habe inzwischen erfahren, dass der Kläger zusammen mit seinem Bruder in letzter Zeit 370 auf eBay abgegebene Kaufgebote zurückgenommen habe. In Anbetracht dieses Verhaltens sei er zur Streichung des Gebots des Klägers berechtigt gewesen.

Die Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Das Landgericht hat gemeint, dass wegen der zahlreichen Angebotsrücknahmen objektive Anhaltspunkte für eine „Unseriösität“ des Klägers bestünden. Der Beklagte habe deshalb das Angebot des Klägers streichen dürfen, so dass ein Vertrag zwischen den Parteien nicht zustande gekommen sei. Es reiche aus, dass ein Grund für die Streichung des Angebots vorhanden gewesen sei; der Verkäufer müsse den Grund für die Streichung weder mitteilen noch müsse dieser überhaupt ursächlich für die Streichung geworden sein.

Die Revision des Käufers hatte Erfolg und führte zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landgericht.

Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass das Angebot eines eBay-Anbieters dahin auszulegen ist, dass es (auch) unter dem Vorbehalt steht, unter bestimmten Voraussetzungen ein einzelnes Gebot eines potentiellen Käufers zu streichen und so einen Vertragsschluss mit diesem Interessenten zu verhindern. Das kommt – neben den in den Auktionsbedingungen ausdrücklich genannten Beispielen – auch dann in Betracht, wenn gewichtige Umstände vorliegen, die einem gesetzlichen Grund für die Lösung vom Vertrag (etwa Anfechtung oder Rücktritt) entsprechen.

Derartige Gründe hat das Landgericht aber nicht festgestellt. Soweit es darauf abstellt, dass der Kläger und sein Bruder innerhalb von sechs Monaten 370 Kaufgebote zurückgenommen hätten, mag das ein Indiz dafür sein, dass nicht in allen Fällen ein berechtigter Grund für die Rücknahme bestand. Die Schlussfolgerung, dass es sich bei dem Kläger um einen unseriösen Käufer handelt, der seinen vertraglichen Pflichten – also vor allem seiner Verpflichtung zur Zahlung des Kaufpreises im Fall einer erfolgreichen Ersteigerung – nicht nachkommen würde, ergibt sich daraus jedoch nicht, zumal der Verkäufer bei einer eBay Auktion bei der Lieferung des Kaufgegenstandes nicht vorleistungspflichtig ist, sondern regelmäßig entweder gegen Vorkasse oder Zug-um-Zug bei Abholung der Ware geliefert wird.

Anders als das Landgericht hat der Bundesgerichtshof ferner entschieden, dass ein Grund für das Streichen eines Angebots während der laufenden Auktion nicht nur vorliegen, sondern hierfür auch ursächlich geworden sein muss. Hieran fehlte es aber, weil nach dem Vortrag des Beklagten für die Streichung des Gebots nicht ein Verhalten des Klägers, sondern die (bestrittene) Zerstörung der Ware ausschlaggebend gewesen war.

Bei der erneuten Verhandlung der Sache wird das Landgericht deshalb der Frage nachzugehen haben, ob der Heizkörper innerhalb der Auktionsfrist unverschuldet zerstört wurde und der Beklagte deshalb zur Streichung seines Angebots berechtigt war.

(Bundesgerichtshof, Urteil vom 23. September 2015 – BGH VIII ZR 284/14, vgl. Pressemitteilung Nr. 162/2015)

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VonRA Moegelin

Hohe Kreditaufnahme in der Wohnungseigentümergemeinschaft

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HOME-SWEET-HOME-2Auch die Aufnahme eines langfristigen, hohen Kredits durch die Wohnungseigentümergemeinschaft kann ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen, wie der BGH mit Urteil vom 25.09.15 entschieden hat.

Dem lag Fall von Mitgliedern einer aus 201 Einheiten bestehenden Wohnungseigentümergemeinschaft zugrunde. In der Eigentümerversammlung vom 14. August 2013 beschlossen die Wohnungseigentümer die Durchführung einer Fassadensanierung mit förderfähiger Wärmedämmung. Um die mit ca. 2.000.000 € veranschlagten Kosten zu finanzieren, beschlossen sie zudem die Aufnahme eines KfW-Förderkredits, dessen Zinssatz sich zum damaligen Zeitpunkt auf 0% belief, in Höhe von ca. 1.320.000 € mit einer Laufzeit von 10 Jahren sowie die Finanzierung des restlichen Betrages von ca. 900.000 € durch Rückgriff auf die Instandhaltungsrücklage.

Das Amtsgericht hat die gegen den Beschluss über die Darlehensaufnahme gerichtete Anfechtungsklage der Klägerin abgewiesen. Das Landgericht hat den Beschluss hingegen für ungültig erklärt. Die dagegen gerichtete Revision einer Wohnungseigentümerin hatte keinen Erfolg.

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass auch die Aufnahme eines langfristigen, hohen Kredits durch die Wohnungseigentümergemeinschaft ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen kann. Ob dies der Fall ist, kann allerdings nicht generell, sondern nur anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls unter Abwägung der allseitigen Interessen bestimmt werden. Im konkreten Fall hat der Senat die Ordnungsmäßigkeit des Beschlusses über die Kreditaufnahme verneint.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zugrunde:

Das Wohnungseigentumsgesetz enthält keine Anhaltspunkte, dass den Wohnungseigentümern die Möglichkeit einer Kreditaufnahme durch die Wohnungseigentümergemeinschaft nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen zu Gebote stehen soll. Allerdings muss das besondere Haftungsrisiko berücksichtigt werden. Gibt es Zahlungsausfälle bei Wohnungseigentümern, müssen die daraus resultierenden Fehlbeträge durch entsprechend höhere Beiträge der übrigen Wohnungseigentümer oder durch eine Sonderumlage ausgeglichen werden. Eine solche Nachschusspflicht kann zwar auch entstehen, wenn ein Vorhaben durch eine Sonderumlage finanziert wird und sich diese bei einzelnen Wohnungseigentümern als uneinbringlich erweist. Da eine Sonderumlage von den aktuellen Wohnungseigentümern aufzubringen ist, wird aber meist hinreichend sicher bekannt sein, ob mit einem Zahlungsausfall zu rechnen ist; auch kann jedenfalls die Durchführung von Maßnahmen, die Aufschub dulden, davon abhängig gemacht werden, dass die beschlossene Sonderumlage von allen Wohnungseigentümern gezahlt wird. Bei einem Darlehen lässt sich das Risiko des Ausfalls einzelner Wohnungseigentümer dagegen nur sehr begrenzt abschätzen. Zuverlässige Prognosen über die Bonität der Wohnungseigentümer sind schon wegen der meist langen Laufzeit des Darlehens nicht möglich; darüber hinaus muss stets damit gerechnet werden, dass es zu Eigentümerwechseln in dieser Zeit kommt, sich also die Zusammensetzung der Gemeinschaft verändert. Angesichts dieses Haftungsrisikos ist bei der Entscheidung über die Finanzierung einer Maßnahme durch ein hohes langfristiges Darlehen Zurückhaltung geboten. Ob sie ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht, lässt sich nur nach sorgfältiger Abwägung aller relevanten Umstände des Einzelfalls und unter Berücksichtigung der allseitigen Interessen der betroffenen Wohnungseigentümer feststellen.

Dabei sind insbesondere folgende Gesichtspunkte von Bedeutung: Es kommt wesentlich auf den Zweck des Darlehens an, wobei in erster Linie an Instandhaltungs- bzw. Modernisierungsmaßnahmen zu denken ist; je dringlicher eine Maßnahme ist desto eher treten andere Nachteile einer Finanzierung durch Darlehen bei der Abwägung zurück. Von Bedeutung ist ferner die Möglichkeit, die notwendigen Mittel durch Rückgriff auf die Instandhaltungsrücklage und Erhebung einer Sonderumlage aufzubringen. In diesem Zusammenhang sind den mit einer Darlehensaufnahme einhergehenden Belastungen und Risiken die Vor- und Nachteile einer Finanzierung der Maßnahme mittels Sonderumlage gegenüber zu stellen; eine Darlehensfinanzierung wird insbesondere in Betracht kommen, wenn die Erhebung einer Sonderumlage die einzelnen Wohnungseigentümer finanziell stark belastete oder gar die Leistungsfähigkeit einkommensschwächerer Wohnungseigentümer überforderte. Relevant sind zudem die Höhe des Darlehensbetrages im Verhältnis zu der Anzahl der Wohnungseigentümer, die Kreditkonditionen, die Laufzeit des Darlehens und die Rückzahlungsbedingungen. Entgegen der Ansicht des Landgerichts muss eine mehrheitlich beschlossene Kreditaufnahme nicht zwingend eine Option für die Eigentümer enthalten, die Finanzierung selbst zu übernehmen und den auf sie entfallenden Kreditanteil als Sonderumlage zur Reduzierung des Darlehensbetrages einzuzahlen.

Auch die Beschlussfassung über die Aufnahme eines Darlehens muss gewissen Anforderungen genügen. Der Beschluss muss Angaben über die zu finanzierende Maßnahme, die Höhe des Darlehens, dessen Laufzeit, die Höhe des Zinssatzes bzw. des nicht zu überschreitenden Zinssatzes enthalten und erkennen lassen, ob die Tilgungsraten so angelegt sind, dass der Kredit am Ende der Laufzeit getilgt ist. Ferner muss vor der Beschlussfassung wegen des in die Zukunft verlagerten Risikos der Zahlungsunfähigkeit einzelner Wohnungseigentümer die im Innenverhältnis bestehende Nachschusspflicht der Wohnungseigentümer Gegenstand der Erörterung in der Wohnungseigentümerversammlung gewesen sein. Dies ist in dem Protokoll der Eigentümerversammlung zu dokumentieren.

In diesem Punkt entspricht der angegriffene Beschluss nicht ordnungsmäßiger Verwaltung. Dem Protokoll der Eigentümerversammlung lässt sich nicht entnehmen, dass über das Risiko einer Nachschusspflicht unterrichtet worden ist.

(Bundesgerichtshof, Urteil vom 25. September 2015 – V ZR 244/14, vgl. Pressemitteilung Nr. 164/2015)

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