Monatsarchiv 26. Februar 2015

VonRA Moegelin

Angaben des Autoverkäufers zur Erteilung der Umweltplakette

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1342441128Dem BGH lag die Frage zur Entscheidung vor, ob beim Verkauf eines älteren Wohnmobils unter Privatleuten im Hinblick auf eine am Fahrzeug angebrachte gelbe Feinstaubplakette vom Zustandekommens einer Beschaffenheitsvereinbarung ausgegangen werden kann.

Die Klägerin kaufte von dem Beklagten am 25. Januar 2011 ein gebrauchtes Wohnmobil (Baujahr 1986) zu einem Preis von 7.500 €. Der Beklagte hatte das Fahrzeug selbst gebraucht erworben. Im Kaufvertrag heißt es unter anderem: „Für das Fahrzeug besteht keine Garantie.“  An der Windschutzscheibe des Wohnmobils befand sich eine gelbe Umweltplakette (Feinstaubplakette Schadstoffgruppe 3). Ãœber diese sprachen die Parteien bei den Kaufverhandlungen. Der Beklagte räumt ein, dass die Klägerin wegen der Plakette nachgefragt habe. Er habe gesagt, dass die Plakette bei seinem Erwerb des Fahrzeugs vorhanden gewesen sei und er deshalb nicht wisse, warum das Fahrzeug diese Plakette nicht wieder bekommen solle. Bei einem zweiten Besuch der Klägerin habe er gesagt, er gehe davon aus, dass das Fahrzeug die gelbe Plakette wiederbekomme, weil es bereits diese gelbe Plakette habe. Bei der Ummeldung des Fahrzeugs erhielt die Klägerin keine neue gelbe Plakette. Die Herstellerfirma des Wohnmobils teilte ihr auf Nachfrage mit, dass der Motor des Fahrzeugs keine Euronorm erfülle, dieses deshalb als „nicht schadstoffarm“ eingestuft werde, eine Plakette nicht zugeteilt werden könne und auch eine Umrüstung nicht möglich sei. Die Klägerin erklärte mit Schreiben vom 11. März 2011 den Rücktritt vom Kaufvertrag und forderte den Beklagten unter Fristsetzung vergeblich zur Rückabwicklung des Kaufvertrages auf.

Die Klage der Käuferin auf Rückabwicklung des Kaufvertrages hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Auch die Revision wurde vom Bundesgerichtshof zurückgewisen.

Der Käufer eines mit einer gelben Umweltplakette versehenen Gebrauchtfahrzeugs kann den privaten Verkäufer nicht auf Gewährleistung in Anspruch nehmen, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung der Plakette mangels Einstufung des Fahrzeugs als „schadstoffarm“ nicht erfüllt sind und es deshalb in Umweltzonen nicht benutzt werden kann (Bundesgerichtshof, Urteil vom 13. März 2013 – VIII ZR 186/12).

Der BGH hat offen gelassen, ob die fehlende Nutzungsmöglichkeit des Wohnmobils in Umweltzonen einen Sachmangel nach § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGB darstellt. Denn die Parteien, die beide als Verbraucher gehandelt haben, haben durch die Klausel „Für das Fahrzeug besteht keine Garantie.“ insoweit die Gewährleistung wirksam ausgeschlossen. Diese Formulierung bei verständiger Würdigung als ein solcher Gewährleistungsausschluss zu verstehen.

Im Ãœbrigen hat der BGH die Würdigung des Berufungsgerichts gebilligt, dass die Parteien eine Beschaffenheitsvereinbarung dahin, dass das Fahrzeug auch in Umweltzonen benutzte werden kann, nicht getroffen haben. Denn die Angaben des Beklagten zu der an dem Wohnmobil angebrachten Umweltplakette sind nicht mit der Zusage eines Verkäufers vergleichbar, an dem verkauften Gebrauchtfahrzeug vor der Ãœbergabe die Hauptuntersuchung nach § 29 StVZO durchführen zu lassen („TÃœV neu“, vgl. Senatsurteil vom 24. Februar 1988 – VIII ZR 145/87, BGHZ 103, 275, 280 ff.). Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat der Beklagte im Hinblick auf die an dem Fahrzeug angebrachte gelbe Umweltplakette gerade keine Zusagen gemacht, sondern die Klägerin (nur) darauf hingewiesen, dass ihm nicht bekannt sei, wann und unter welchen Umständen das Fahrzeug die Plakette erhalten habe, mit der es bei seinem eigenen Erwerb bereits versehen gewesen sei; ihm seien keine Umstände bekannt, die einer Wiedererteilung der Plakette nach der Ummeldung entgegenstehen könnten. Nach der Rechtsprechung des BGH liegt eine Beschaffenheitsvereinbarung nicht vor, wenn sich der Verkäufer im Rahmen von Verkaufsverhandlungen für eine Aussage – etwa durch den Zusatz „laut Vorbesitzer“ oder „laut Kfz-Brief“ – ausdrücklich auf eine bestimmte Quelle bezieht und so hinreichend deutlich zum Ausdruck bringt, dass es sich dabei nicht um eigenes Wissen handelt (Senatsurteil vom 12. März 2008 – VIII ZR 253/05, NJW 2008, 1517 Rn. 13). So liegt der Fall nach Ansicht des BGH auch hier.

Volltext des Urteils des Bundesgerichtshofs: BGH, Urteil vom 13. März 2013 – VIII ZR186/12

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VonRA Moegelin

Anfechtung der Eigenkündigung eines Arbeitnehmers

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White-Stupid-Cute-Cartoon-SheepEin Arbeitnehmer sollte sich gut überlegen, den Arbeitsvertrag durch eine Eigenkündigung zu beenden. Eine Anfechtung einer solchen Kündigung ist zwar grundsätzlich möglich, aber eher selten erfolgreich. So war es auch im hier vorliegenden Fall der vom Bundesarbeitsgericht entschieden wurde. Der Arbeitnehmer einer insolventen Schiffswerft hat nach einer Mitarbeiterbesprechung die Eigenkündigung erklärt und meint sie sei unwirksam. Insbesondere habe der Arbeitgeber ihn angeschrien mit den Worten die Werft sei „tot“, wodurch sich der Kläger unter Druck gesetzt fühlte.

Der Arbeitnehmer klagte daraufhin auf Feststellung, dass sein Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung aufgelöst wurde. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Und auch seine Revision hat das Bundesarbeitsgericht zurückgewiesen.

Die Androhung des Arbeitgebers, das Arbeitsverhältnis durch eine Kündigung beenden zu wollen, falls der Arbeitnehmer nicht bereit ist, das Arbeitsverhältnis selbst zu beenden, kann die Ankündigung eines zukünftigen empfindlichen Ãœbels darstellen (BAG, Urteil vom 9. Juni 2011 – 2 AZR 418/10).

An so einer konkreten Darstellung eines Übels auf das der Arbeitgeber Einfluss hätte haben können, fehlte es aber nach Ansicht des BAG

Einen Anfechtungsgrund in Form einer widerrechtlichen Drohung konnte das BAG jedoch nicht erkennen, da keine Drohung mit bestimmten konkreten arbeitsrechtlichen Schritten seitens des beklagten Arbeitgebers vorlag, sondern lediglich der allgemeine und anschauliche Hinweis auf die damals desolate wirtschaftliche Lage in ihrem Umfeld. Eine Drohung gemäß § 123 Abs. 1 BGB setzt nach der herrschenden Rechtsprechung objektiv die Ankündigung eines zukünftigen Übels voraus, dessen Zufügung in irgendeiner Weise als von der Macht des Ankündigenden abhängig hingestellt wird. Da nach Ansicht des BAG der Eigenkündigung auch keine anderweitigen Gründe wie Sittenwidrigkeit oder Treuwidrigkeit entgegenstanden, war die Revision des Klägers zurückzuweisen.

Volltext des Urteils des Bundesarbeitsgerichts: BAG, Urteil vom 9. Juni 2011 – 2 AZR 418/10

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VonRA Moegelin

Kürzung der Betriebsrente weil der Tod zu spät eintritt

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liftarn_Skull_with_bannersDas BAG hatte zu entscheiden, ob bei Betriebsrenten ein „biometrischer Faktor“ berücksichtigt werden darf. Dabei handelt es sich um die Regelung einer Kürzung für Bezieher von Betriebsrenten, die länger leben als Bezieher von Renten der gesetzlichen Rentenversicherung.

Der Kläger erhält seit dem 1. Juli 1998 von seiner ehemaligen Arbeitgeberin ein Ruhegeld nach der Leistungsordnung „A“ des Essener Verbandes. Das Ruhegeld wurde aufgrund von Anpassungsbeschlüssen des Essener Verbandes regelmäßig, zuletzt jeweils zum 1. Januar eines jeden Kalenderjahres angehoben. Zum 1. Januar 2008 erfolge eine Anhebung um 1,4 %, zum 1. Januar 2009 um 2,5 %. Zu beiden Anpassungsstichtagen brachte der Essener Verband einen biometrischen Faktor in Höhe von 0,765 % mindernd in Ansatz.

§ 1 der Leistungsordnung regelt, dass Leistungen im Sinne dieser Leistungsordnung insbesondere Ruhegeld und Hinterbliebenenbezüge sind.

Der Kläger wurde von der Anpassung schriftlich wie folgt informiert: „Sehr geehrter Herr Dr. F, gemäß Vorstandsbeschluss vom 13. 08. 2008 werden die laufenden Leistungen mit Wirkung vom 01. 01. 2009 um 2, 50 v. H. erhöht. …Bei der Anpassung zum 01. 01. 2009 wurde einerseits die erhöhte Inflation berücksichtigt, aber auch der gleiche biometrische Faktor wie im Vorjahr angewandt. Durch den Faktor wird die mit der erhöhten Lebenserwartung verbundene zusätzliche Belastung der Arbeitgeber – so auch beim Essener Verband – bei der gebotenen Interessenabwägung im Rahmen billigen Ermessens über die Rentenbezugsdauer verteilt. …“

Der Kläger hat mit seiner Klage eine Anhebung seines monatlichen Ruhegeldes zum 1. Januar 2008 und 1. Januar 2009 um jeweils 0,765 % begehrt.

Das Landesarbeitsgericht hat der Klage überwiegend stattgegeben. Die hiergegen von der Beklagten eingelegte Revision blieb vor dem Bundesarbeitsgericht erfolglos; der Kläger hatte mit seiner Anschlussrevision Erfolg.

Nach § 9 Abs. 2 der Leistungsordnung „A“ des Essener Verbandes hat der Essener Verband die von seinen Mitgliedsunternehmen gewährten Betriebsrenten regelmäßig zu überprüfen und ggf. den veränderten Verhältnissen anzupassen. Dabei muss seine Entscheidung billigem Ermessen (§ 315 Abs. 1 BGB) entsprechen. Dies ist nicht der Fall, wenn der Essener Verband den von ihm ermittelten

Anpassungsbedarf der Betriebsrentner um einen sogenannten biometrischen Faktor mindert, mit dem

die höheren Belastungen der Mitgliedsunternehmen ausgeglichen werden sollen, die dadurch entstehen, dass die Betriebsrentner des Essener Verbandes länger leben als die Bezieher von Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung (BAG, Urteil vom 30. September 2014 – 3 AZR 402/12).

Das Bundesarbeitsgericht gab der Klage in vollem Umfang statt. Die zum 1. Januar 2008 und 1. Januar 2009 vom Essener Verband getroffenen Anpassungsbeschlüsse entsprachen wegen der Berücksichtigung des biometrischen Faktors nicht dem billigen Ermessen. Daher war das monatliche Ruhegeld des Klägers zu beiden Anpassungsstichtagen um jeweils weitere 0,765 % anzuheben.

Dazu führt das BGA wie folgt aus: Mit der Zusage laufender Versorgungsleistungen nach § 1 der Leistungsordnung „A“ des Essener Verbandes bringt der Arbeitgeber zum Ausdruck, dass er das Langlebigkeitsrisiko mit allen für die Arbeitnehmer und ihn damit verbundenen Vor- und Nachteilen tragen will. Diese Risikoübernahme ist der Versorgungszusage immanent. Deshalb kann der Arbeitgeber das Langlebigkeitsrisiko nicht einseitig, auch nicht im Rahmen einer nach billigem Ermessen zu treffenden Entscheidung über die Anpassung der laufenden Leistungen der betrieblichen Altersversorgung, auf die Betriebsrentner verlagern. Zwar bleibt es der Beklagten unbenommen, unter den Voraussetzungen des § 313 BGB wegen einer seit Erteilung der Versorgungszusagen erheblich gestiegenen Lebenserwartung der Versorgungsempfänger und einer damit einhergehenden beträchtlichen Ausweitung des ursprünglich zugrunde gelegten Dotierungsrahmens eine Anpassung der Versorgungszusagen nach den Regeln über die Störung der Geschäftsgrundlage zu verlangen; im Rahmen der dem Werterhalt der zugesagten Versorgung dienenden Entscheidung über die Anpassung der Versorgungsleistungen kann eine längere Lebensdauer der Versorgungsempfänger hingegen nicht als Belang berücksichtigt werden, der eine Reduzierung des Anpassungsbedarfs rechtfertigt.

Volltext des Urteils des Bundesarbeitsgerichts: BAG, Urteil vom 30. September 2014 – 3 AZR 402/12

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VonRA Moegelin

BGH zum Recht der Republik Argentinien auf Staats-Insolvenz

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Anonymous-flag-of-ArgentinaIn zwei gleichgelagerten Verfahren hatte der Bundesgerichtshof zu entscheiden, ob die Republik Argentinien die Erfüllung von Zahlungsansprüchen privater Gläubiger aus von ihr begebenen Inhaberschuldverschreibungen unter Berufung auf den von ihr wegen Zahlungsunfähigkeit erklärten Staatsnotstand oder wegen der mit der Mehrheit der Gläubiger freiwillig zustande gekommenen Umschuldung verweigern kann.

In den beiden Verfahren macht der jeweilige Kläger Ansprüche aus Inhaberschuldverschreibungen geltend, die von dem beklagten Staat im Jahr 1997 (Sache XI ZR 193/14) bzw. im Jahr 1996 (Sache XI ZR 47/14) ausgegeben wurden. Der Kläger in der Sache XI ZR 193/14 begehrt die Rückzahlung des Nominalbetrags des von ihm erworbenen Miteigentumsanteils an den Ende Oktober 2009 fällig gewordenen Schuldverschreibungen nebst den am 30. Oktober 2008 und 30. Oktober 2009 fällig gewordenen Zinsen. Der Kläger in der Sache XI ZR 47/14 begehrt die Zahlung der aus den Schuldverschreibungen am 13. November 2005 fällig gewordenen Zinsen für das Jahr 2005 nebst einem nach seiner Behauptung wegen der Nichtzahlung dieser Zinsen entgangenen Gewinn.

Die Beklagte sieht sich seit 1999 mit erheblichen volkswirtschaftlichen Problemen konfrontiert, die sich zumindest zeitweise bis zu einer Finanzkrise des Staates ausgeweitet hatten. Mit Gesetz Nr. 25.561 über den öffentlichen Notstand und die Reform des Wechselkurssystems vom 6. Januar 2002 wurde der „öffentliche Notstand auf sozialem, wirtschaftlichem, administrativem, finanziellem und währungspolitischem Gebiet“ erklärt. Auf der Grundlage der daraufhin erlassenen Verordnung 256/2002 vom 6. Februar 2002 zur Umstrukturierung der Verbindlichkeiten und Schuldenzahlungen der argentinischen Regierung wurde der Auslandsschuldendienst durch die Beklagte ausgesetzt, um ihn neu zu ordnen. Das Gesetz über den öffentlichen Notstand wurde immer wieder – zuletzt ein weiteres Mal bis zum 31. Dezember 2015 – verlängert. Aufgrund dessen fielen auch die beiden Kläger mit den von ihnen nunmehr im Klagewege geltend gemachten Ansprüchen aus.

Das Amtsgericht hat den beiden Klagen im Wesentlichen stattgegeben. Das Landgericht hat die dagegen gerichteten Berufungen der Beklagten vollständig (Sache XI ZR 193/14) bzw. ganz überwiegend (Sache XI ZR 47/14) zurückgewiesen. Es hat dabei unter anderem die Ansicht der Beklagten abgelehnt, dass einem Schuldnerstaat, der sich in einer Finanzkrise befunden und mit einer Mehrheit seiner Gläubiger eine Umstrukturierung seiner Schulden vereinbart habe, ein völkerrechtlich begründetes Leistungsverweigerungsrecht gegenüber sogenannten Holdout-Gläubigern auch dann zukommen solle, wenn die Bedingungen der zugrunde liegenden Schuldverschreibung entsprechende (Umschuldungs-)Klauseln („Collective Action Clauses“) nicht enthalten haben.

Mit der vom Landgericht jeweils zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihre Klagabweisungsbegehren weiter. Die Revisionen der Beklagten hatten keinen Erfolg.

Nach den Worten des Kläger-Anwalts haben die Urteile Signalwirkung für mehrere Hundert ähnlich gelagerte Fälle in Deutschland.

Es gibt keine allgemeine Regel des Völkerrechts, die einen Staat gegenüber Privatpersonen berechtigt, die Erfüllung fälliger privatrechtlicher Zahlungsansprüche unter Berufung auf den wegen Zahlungsunfähigkeit erklärten Staatsnotstand oder wegen einer mit der Mehrheit der Gläubiger freiwillig zustande gekommenen Umschuldung zeitweise zu verweigern (Bundesgerichtshof, Urteile vom 24. Februar 2015 – XI ZR 47/14  und XI ZR 193/14).

Nach der Rechtsprechung besteht im Zusammenhang mit anderen Staatsanleihen der Beklagten aufgrund Völkerrechts weder ein einheitliches noch ein kodifiziertes Konkursrecht der Staaten (BVerfGE 118, 124). Diese Feststellungen des Bundesverfassungsgerichts erachtet der BGH nach wie vor als gültig. Entgegen der Auffassung der Revision habe sich insbesondere nicht als Folge der Weltfinanzmarktkrise in den Jahren 2008 und 2009 und der sogenannten Euro-Rettungsmaßnahmen für Griechenland und Zypern eine allgemeine Regel des Völkerrechts im Sinne des Art. 25 GG mit dem Inhalt herausgebildet, dass sich sämtliche privaten Gläubiger eines Staates im Falle eines wirtschaftlichen und finanziellen Staatsnotstands an einer Umstrukturierung der Schulden beteiligen müssen und dem notleidend gewordenen Staat bis zu einer entsprechenden Vereinbarung ein Leistungsverweigerungsrecht hinsichtlich fälliger Zahlungsansprüche aus Privatrechtsverhältnissen zustehe. Denn in der Sache besagt dieser Ansatz nichts anderes, als dass dadurch das völkergewohnheitsrechtliche Institut des Notstands für den Sonderfall der Zahlungsunfähigkeit in Voraussetzungen und Rechtsfolgen konkretisiert wird. Im Kern beinhaltet er damit die Behauptung eines von der Staatengemeinschaft anerkannten Insolvenzrechts der Staaten. Ein solches bestehe indes unzweifelhaft nicht, so dass es auch einer Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 2 i.V.m. Art. 25 GG nicht bedurfte.

Volltext des Urteils des Bundesgerichtshofs: BGH, Urteil vom 24. Februar 2015 –  XI ZR 47/14

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VonRA Moegelin

Anwendbarkeit des Kreditwesengesetzes auf Verbindlichkeiten aus Winzergeldern

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tomas-arad-grappeDer BGH hatte in einem Fall aus dem „Weinrecht“ über die Erlaubnispflicht für überjährige Zinsgeschäfte der Winzergenossenschaften mit sogenannten Winzergeldern nach dem Kreditwesengesetz (KWG) zu entscheiden.

Der Kläger, ein in der Pfalz ansässiger Winzer, nimmt die Beklagten als ehemalige Geschäftsführer der Komplementär-GmbH der zwischenzeitlich insolventen L. GmbH & Co. KG wegen des von ihm über mehrere Jahre bei der Schuldnerin belassenen und aufgrund der Insolvenz nicht zurückerhaltenen „Winzergelds“ auf Schadensersatz in Anspruch. Bei der Schuldnerin war es bereits seit den 1970er Jahren ständige Geschäftspraxis, dass eine Vielzahl von Erzeugern aus der Winzergemeinschaft (im Durchschnitt 160 bis 300 Winzer) jeweils einen Teil des Entgelts für die Ablieferung ihrer Trauben als jederzeit abrufbare „Einlage“ gegen Verzinsung stehen ließen, damit die Schuldnerin mit dem Kapital wirtschaften konnte. Im Jahre 2007 hatten mindestens 50 Erzeuger „Winzergelder“ in Höhe von insgesamt etwa 2.500.000 € ohne bankübliche Sicherheiten bei der Schuldnerin einbezahlt. Eine Erlaubnis nach dem Kreditwesengesetz besaßen die Schuldnerin beziehungsweise ihre Komplementär-GmbH nicht.

Die Winzergemeinschaft, der auch der Kläger angehört, verpflichtete sich mit Liefer- und Abnahmevertrag vom 1. September 1983 zur Lieferung von Weintrauben an die Schuldnerin. Der Vertrag wurde mit Vereinbarung vom 6. Oktober 1989 unter anderem um die Regelung ergänzt, dass für den Fall, dass ein Mitglied der Winzergemeinschaft (Erzeuger) einen Teil oder den Gesamterlös seiner Ernte bei der Schuldnerin stehen lässt, dieser Betrag mit 5 % verzinst wird und der Zinssatz mit steigendem und fallendem Kreditzins gleitend sein soll. Nachdem der Kläger auf seine ursprünglich getätigten Einzahlungen in Höhe von zuletzt 81.447,67 € nach der Insolvenz der Schuldnerin teilweise Entschädigungsleistungen von dritter Seite erhalten hat, verlangte er von den Beklagten Ersatz des Restbetrags Zug um Zug gegen Abtretung seiner im Insolvenzverfahren der Schuldnerin festgestellten Ansprüche.

In diesem Umfang hatte die Klage in den Vorinstanzen Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Beklagten ihren Klagabweisungsantrag weiter.

Auch nach Auffassung des Bundesgerichtshofs handelt es sich bei den vom Kläger eingezahlten Geldern um Einlagen im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG, so dass die Beklagten durch die Annahme der Gelder ohne die dafür erforderliche Erlaubnis gegen § 32 Abs. 1 Satz 1, § 54 Abs. 1 Nr. 2 Fall 1, Abs. 2 KWG verstoßen haben und dem Kläger deswegen deliktisch zum Schadensersatz verpflichtet sind.

Die geschäftsmäßige Begründung von Verbindlichkeiten aus geschuldeten Winzergeldern, die über die Endabrechnung eines Jahrgangs hinaus vom Winzer bei der Winzergenossenschaft oder einem vergleichbaren Betrieb gegen Zahlung von Zinsen belassen werden, fällt als Einlagengeschäft im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Fall 1 KWG unter die Erlaubnispflicht des § 32 KWG (BGH, Urteil vom 19. 3. 2013 – VI ZR 56/12).

Seine Entscheidung führt der Bundesgerichtshof wie folgt aus: Die Geschäftspraxis der Schuldnerin erfüllte alle Merkmale eines Einlagengeschäfts im Sinne des Kreditwesengesetzes. Ein solches setzt voraus, dass fremde Gelder von Unternehmen von mehreren Geldgebern, die keine Kreditinstitute im Sinne des § 1 Abs. 1 KWG sind, zur unregelmäßigen Verwahrung, als Darlehen oder in ähnlicher Weise ohne Bestellung banküblicher Sicherheiten und ohne schriftliche Vereinbarung im Einzelfall laufend zur Finanzierung eines auf Gewinnerzielung gerichteten Aktivgeschäfts entgegengenommen werden. Die Schuldnerin nahm Gelder von einer Vielzahl von Winzern mit einer Rückzahlungsverpflichtung und ohne bankübliche Besicherung laufend entgegen, um damit in ihrem Aktivgeschäft zu wirtschaften. Indem die Beklagten als Organe der Komplementär-GmbH der Schuldnerin Einlagengeschäfte und damit Bankgeschäfte ohne aufsichtsbehördliche Erlaubnis führten, verstießen sie gegen das Kreditwesengesetz. Sie handelten dabei jedenfalls fahrlässig, denn sie hätten sich über etwaige Erlaubniserfordernisse unterrichten müssen. Bereits im Jahr 1974 hatte das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen in einem amtlichen Schreiben zum Einlagenbegriff im Zusammenhang mit „Winzergeldern“ Stellung genommen. Danach stellen die im Verlauf einer Abrechnungsperiode geleisteten Zahlungen oder erteilten Zwischenabrechnungen der Winzergenossenschaften bis zur endgültigen Jahrgangsabrechnung nur Vorschüsse auf den endgültigen Weintraubenpreis dar. Mit der Endabrechnung wird die Traubengeldverpflichtung fällig. Wenn ein Winzer gemäß den Zwischenabrechnungen keine Vorauszahlung verlangt, können die nicht in Anspruch genommenen Beträge bis zur Endabrechnung verzinst werden, ohne dass es sich bei den derart entstandenen „Guthaben“ der Winzer um Einlagen im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG handelt. Werden die mit der Endabrechnung fällig gewordenen Beträge einschließlich der hinsichtlich des jeweiligen Jahrgangs nicht in Anspruch genommenen Vorschüsse nicht unverzüglich an die Mitglieder ausgezahlt, ist die Verbindlichkeit einer Winzergenossenschaft gegenüber ihren Mitgliedern insoweit als Einlage anzusehen.

Volltext des Urteil des Bundesgerichtshofs: BGH, Urteil vom 19. März 2013 – VI ZR 56/12

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Abfindung aufrgund Sozialplan bei Masseunzulänglichkeit

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Vulture_Ein Anspruch auf Abfindung kann durch die Insolvenz des Arbeitgebers verloren gehen oder zumindest Probleme bei der Durchsetzbarkeit zur Folge haben. So ist es einer Arbeitnehmerin ergangen, die einen unstreitigen Anspruch auf Zahlung von mehr als 6.000 € aufgrund eines Sozialplans hat. Der Sozialplan wurde nur wenige Tage nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit dem Insolvenzverwalter und späteren Beklagten geschlossen. Zuvor hatte er die Masseunzulänglichkeit beim Insolvenzgericht angezeigt.

Die betreffende Arbeitnehmerin erhob Klage auf Zahlung der Sozialplanabfindung gegen den Insolvenzverwalter. Sie meint,  es sei dem Insolvenzverwalter unbenommen gewesen, einen Sozialplan ohne Abfindungen abzuschließen, Die Klage wurde in allen Instanzen abgewiesen. Das Bundesarbeitsgericht hat also die Revision zurückgewiesen. Die Klage gegen den Insolvenzverwalter hat das Bundesarbeitsgericht als unzulässig erachtet.

Ein Leistungstitel ist dauerhaft keine Vollstreckungsgrundlage, auch wenn der darauf beruhende Sozialplan nach Anzeige der Masseunzulässigkeit vereinbart wird. Im Fall einer Masseunzulässigkeit regelt § 123 Abs. 3 Satz 2 InsO ein Vollstreckungsverbot (BAG, Urteil vom 22. Juli 2010 – 6 AZR 249/09).

Das Argument der Klägerin, dem Beklagten wäre es unbenommen gewesen, einen Sozialplan ohne Abfindungen abzuschließen, erachtete das BAG als unbeachtlich. Denn der Beklagte habe den Sozialplan nicht allein aufstellen können, sondern es habe dazu einer Einigung mit dem Gesamtbetriebsrat bedurft, was aus § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG folge. Im Ãœbrigen seien Sozialplanansprüche aus einem nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit vereinbarten Sozialplan trotz der Regelung in § 123 Abs. 2 Satz 2 und 3 InsO nicht von vornherein wirtschaftlich wertlos, was aus BAG, Urteil vom 21. Januar 2010 – 6 AZR 785/08 folge.

Wenig hilfreich für die klagende Arbeitnehmerin dürfte die Feststellung des BAG sein, dass ihr Anspruch nicht von vornherein wirtschaftlich wertlos sei, da sich sich die Grundlagen der Prognose des Insolvenzverwalters noch ändern könne, z.B. bei unverhoffter Verwertung von Vermögensgegenständen. Denn hierbei handelt es sich um hypothetische Erwägungen. In der Praxis gegen Gläubiger – eben auch Arbeitnehmer – im Insolvenzverfahren, teilweise oder auch ganz leer aus.

Volltext des Urteils des Bundesarbeitsgerichts:  BAG, Urteil vom 22. Juli 2010 – 6 AZR 249/09

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