Schlagwort-Archiv Integrationsamt

VonRA Moegelin

Kündigung wegen Tätlichkeit gegenüber einem Clown auf Karnevalsfeier

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clown-head-300pxDerzeit befindet sich ein Rechtsstreit vor dem LAG Düsseldorf, bei der es um die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung wegeneiner Auseinandersetzung auf einer Karnevalsfeier geht. Der schwerbehinderte Gekündigte (Kläger) trat dort als Al Capone auf. Er ist seit dem Jahr 1987 bei einem Versicherungsunternehmen (die Beklagte) als Einkaufssachbearbeiter tätig. Er erhielt die Kündigung wegen einer angeblichen Tätlichkeit auf besagter Feier.

Der Kläger nahm am Altweibertag 2015 auf dem Betriebsgelände seines Arbeitgebers an besagter Karnevalsfeier teil, für die er sich als Al Capone kostümiert hatte. Im Laufe des Festes versuchten zwei Damen mehrfach, dem Kläger die Krawatte abzuschneiden, was dieser ablehnte. Während einer Polonaise bat der Kläger erneut eine der Damen eindringlich dies zu unterlassen. Zeitlich danach kam es zu einer Auseinandersetzung zwischen dem Kläger und einem als Clown kostümierten Mitarbeiter. An deren Ende war der Clown an der Stirn verletzt. Der genaue Ablauf ist zwischen den Parteien streitig. Am 18.02.2015 nahm der Clown eine Entschuldigung des Klägers an. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis nach Zustimmung des Integrationsamtes und Anhörung des Betriebsrates am 13.03.2015 fristlos.

Die Beklagte wirft dem Kläger vor, er habe den als Clown verkleideten Mitarbeiter in den Unterleib getreten und ihn in das Gesicht geschlagen. Er habe unmittelbar danach dem Clown, einem Brillenträger, den Inhalt eines Bierglases in das Gesicht geschüttet und ihm dann das leere Bierglas mit der Vorderseite in das Gesicht gestoßen. Das Bierglas sei zersplittert. Ein Notarzt habe mehrere Glassplitter aus der Stirn entfernt. Der Kläger trägt u.a. vor, dass er zunächst von den Damen, die ihm die Krawatte abschneiden wollten, beleidigt worden sei. Von dem als Clown kostümierten Mitarbeiter sei er fortwährend und auch in der streitigen Situation u.a. mit den Worten „blöder Wichser“ bzw. „dämliches Arschloch“ beleidigt worden, weil er angeblich eine der Damen zu hart angefasst habe. Er habe den Clown zunächst von sich weggestoßen und dann nach ihm getreten, ohne ihn zu berühren. Letztlich habe er befürchtet, dass der Clown ihn angreifen werde. Danach habe er keine genaue Erinnerung mehr. Der Kläger behauptet, dass er aufgrund einer krankheitsbedingten Angststörung reagiert habe, weil er sich bedroht gefühlt habe. Er sei zum angeblichen Tatzeitpunkt schuldunfähig gewesen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers. Das Landesarbeitsgericht hat am 10.12.15 die Beweisaufnahme mit der Inaugenscheinnahme eines Videos, welches auch den Zeitraum des streitigen Vorfalls zeigt, begonnen. Die Beweisaufnahme wird am 22.12.2015 um 10.00 Uhr im Landesarbeitsgericht Düsseldorf fortgesetzt. Zu diesem Termin ist ein Zeuge geladen. Der Beklagten ist außerdem aufgegeben worden, zu klären, ob es weitere Videoaufnahmen von der Karnevalsfeier gibt.

(Landesarbeitsgericht Düsseldorf, 13 Sa 957/15; 1. Inst.: Arbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 31.07.2015 – 11 Ca 1836/15)

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VonRA Moegelin

Außerordentliche Kündigung eines Datenschutzbeauftragten

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Stainless-steel-arch-20120219Kann einem Angestellten nicht ordentlich betriebsbedingt gekündigt werden da er Sonderkündigungsschutz genießt, gibt es nur die Möglichkeit der außerordentlichen Kündigung. Die Anforderungen an so eine Kündigung sind allerdings sehr hoch.

Ein Unternehmen der Stahlindustrie kündigte erklärte gegenüber einem schwerbehinderten Arbeitnehmer der als Datenschutzbeauftragter nicht ordentlich kündbar ist, daher die außerordentliche Kündigung. Infolge eines Betriebsübergangs sei sein Arbeitsplatz entfallen. Zuvor hatte das Integrationsamt mit Bescheid (nur) die beantragte Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung erteilt. Der Arbeitgeber hatte den späteren Kläger im Zeitpunkt der Kündigung als Datenschutzbeauftragten bereits abberufen.

Die Vorinstanzen haben der hiergegen gerichteten Kündigungsschutzklage stattgegeben. Die Revision des beklagten Arbeitgebers wurde vom Bundesarbeitsgericht zurückgewiesen.

Es kann dem Arbeitgeber unzumutbar sein, ein sinnentleertes Arbeitsverhältnis über solche Zeiträume hinweg allein durch Gehaltszahlungen fortzusetzen, ohne eine adäquate Gegenleistung zu erhalten. Allerdings ist der Arbeitgeber wegen des Ausschlusses der ordentlichen Kündigung in einem besonderen Maß verpflichtet zu versuchen, die Kündigung durch geeignete andere Maßnahmen zu vermeiden. Besteht irgendeine Möglichkeit, das Arbeitsverhältnis sinnvoll fortzusetzen, wird er den Arbeitnehmer in der Regel entsprechend einzusetzen haben. Erst wenn alle denkbaren Alternativen ausscheiden, kann ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung vorliegen (BAG, Urteil vom 23. Januar 2014 – 2 AZR 372/13).

Zugunsten der Beklagten hat das BAG angenommen, dass das Arbeitsverhältnis nach § 4f Abs. 3 Satz 6 BDSG ordentlich nicht kündbar und der Arbeitsplatz des Klägers bei ihr infolge des Betriebsübergangs entfallen war. Grundsätzlich besteht trotz dieses Sonderkündigungsschutzes keine über Jahre laufende Verpflichtung zur Vergütungszahlung ohne eine entsprechende Gegenleistung, so dass eine außerordentliche Kündigung in Betracht kommt.

Nach Ansicht des BAG fehlt es aber am wichtigen Grund einer außerordentlichen Kündigung, da der Sonderkündigungsschutz in Kürze ausgelaufen wäre und es dem Arbeitgeber zumutbar ist so lange abzuwarten und – bei Vorliegen eines Kündigungsgrundes – wieder ordentlich zu kündigen. Es fehlt auch an der erforderlichen Darlegung, dass es an jeglicher Beschäftigungsmöglichkeit fehlte. Bei einer außerordentlichen Kündigung aus betriebsbedingten Gründen wird vom Arbeitgeber erwartet, dass er alle Anstrengungen unternommen hat, um einen weiteren Einsatz des Arbeitnehmers zu ermöglichen.

Eine Umdeutung der außerordentlichen Kündigung in eine ordentliche Kündigung kommt nach Ansicht des BAG schon deswegen nicht in Betracht, da es an der nach § 85 SGB IX erforderlichen Zustimmung des Integrationsamts fehlte.

Volltext des Urteils des Bundesarbeitsgerichts: BAG, Urteil vom 23. Januar 2013 – 2 AZR 372/13

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VonRA Moegelin

Falsche Beantwortung der Frage nach einer Schwerbehinderung

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LibertyBudget_com-Install-Computer-Software-CDDie Wirksamkeit der Anfechtung und der außerordentlichen Kündigung eines Sofwareunternehmens wegen der Falschbeantwortung einer Arbeitnehmerin zur Frage der Schwerbehinderung lagen dem BAG zur Entscheidung vor. Zudem ging es um den Anspruch auf Entschädigung nach AGG wegen des angeblich diskriminierenden Charakters der Kündigung.

Vor Unterzeichnung des Arbeitsvertrags hatte der beklagte Arbeitgeber, ein Softwareunternehmen, der Klägerin einen Personalfragebogen vorgelegt. Die Frage, ob sie anerkannte Schwerbehinderte oder Gleichgestellte sei, hatte die Klägerin verneint. Die Klägerin war aber tatsächlich als Schwerbehinderte mit einem Grad der Behinderung von 50 anerkannt. Nach Abschluss des Vertrages informierte die Klägerin die Beklagte von der Schwerbehinderung. Daraufhin erklärte die Beklagte die Anfechtung des Arbeitsvertrags wegen arglistiger Täuschung. Zudem kündigte die Beklagte wenig später das Arbeitsverhältnis nach Zustimmung des Integrationsamts mit außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich zum nächstmöglichen Termin.

Das beklagte Softwareunternehmen hat in allen Instanzen verloren, soweit es um die Anfechtung und Kündigung ging. Ihrerseits unterlag auch die Klägerin in allen Instanzen hinsichtlich ihres Zahlungsanspruchs. Die Revisionen hatten daher keinen Erfolg.

Die falsche Beantwortung einer dem Arbeitnehmer bei der Einstellung zulässigerweise gestellten Frage kann den Arbeitgeber dazu berechtigen, den Arbeitsvertrag wegen arglistiger Täuschung anzufechten. Das setzt voraus, dass die Täuschung für den Abschluss des Arbeitsvertrags ursächlich war. Wirkt sich die Täuschung im Arbeitsverhältnis weiterhin aus, kann zudem eine Kündigung gerechtfertigt sein (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 7. Juli 2011 – 2 AZR 396/10).

Auf dieser Grundlage hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass die Anfechtung und Kündigung des Arbeitsvertrags der Klägerin unwirksam sind. Die Klägerin hatte bei der Einstellung die Frage nach dem Bestehen einer Schwerbehinderung unbestritten unzutreffend verneint.

Es bedurte keiner Entscheidung darüber, ob sich der Arbeitgeber nach einer Schwerbehinderung auch dann erkundigen darf, wenn die Behinderung für die Ausübung der vorgesehenen Tätigkeit  – wie hier – ohne Bedeutung ist. Denn die Täuschung hielt das BAG  jedoch nicht ursächlich für den Abschluss des Arbeitsvertrags. Die Beklagte habe ausdrücklich erklärt, sie hätte die Klägerin auch dann eingestellt, wenn diese die Frage wahrheitsgemäß beantwortet hätte. Damit war der durch die Täuschung erregte Irrtum für den Abschluss des Arbeitsvertrags auf Seiten der Beklagten nicht ursächlich gewesen.

Die Beklagte vermochte Anfechtung und Kündigung auch nicht darauf zu stützen, dass die Klägerin sie zugleich über ihre Ehrlichkeit getäuscht habe. Die Annahme der Beklagten, die Klägerin sei ehrlich, beruhte nicht auf deren falscher Antwort. Auf die Frage, ob sich der Arbeitgeber vor der Einstellung nach dem Bestehen einer Schwerbehinderung erkundigen darf, kam es nicht an.

Die Klägerin ihrerseits hat keinen Anspruch auf Entschädigung wegen einer Diskriminierung. Es gab keine ausreichenden Indiztatsachen dafür, dass sie von der Beklagten wegen ihrer Behinderung benachteiligt wurde. Das BAG hat nicht entschieden, ob § 15 AGG bei unzulässig diskriminierenden Kündigungen überhaupt anwendbar ist.

Volltext des Urteils des Bundesarbeitsgerichts: BAG, Urteil vom 7. Juli 2011 – 2 AZR 396/10

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