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VonRA Moegelin

Probezeit im Berufsausbildungsverhältnis

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colorful-business-3d-graphEin Azubi zog bis zum Bundesarbeitsgericht, in der Hoffnung, dass sein vorausgegangenes Praktikum auf die Probezeit im Berufsausbildungsverhältnis angerechnet wird. Dann wäre die Kündigung die er erhielt unwirksam gewesen.

§ 20 Satz 1 BBiG ordnet zwingend an, dass das Berufsausbildungsverhältnis mit einer Probezeit beginnt. Beide Vertragspartner sollen damit ausreichend Gelegenheit haben, die für die Ausbildung im konkreten Ausbildungsberuf wesentlichen Umstände eingehend zu prüfen. Dies ist nur unter den Bedingungen des Berufsausbildungsverhältnisses mit seinen spezifischen Pflichten möglich. Die Dauer eines vorausgegangenen Praktikums ist deshalb nicht auf die Probezeit in einem folgenden Berufsausbildungsverhältnis anzurechnen. Auf den Inhalt und die Zielsetzung des Praktikums kommt es nicht an.

Der Kläger bewarb sich im Frühjahr 2013 bei der Beklagten um eine Ausbildung zum Kaufmann im Einzelhandel. Die Beklagte versprach ihm die Aufnahme der Ausbildung zum 1. August 2013. Zur Überbrückung schlossen die Parteien einen „Praktikantenvertrag“ mit einer Laufzeit bis zum 31. Juli 2013. Nach dem gesonderten Berufsausbildungsvertrag begann anschließend die Ausbildung mit einer Probezeit von drei Monaten. Mit Schreiben vom 29. Oktober 2013, welches dem Kläger am gleichen Tag zuging, kündigte die Beklagte das Berufsausbildungsverhältnis zum 29. Oktober 2013. Der Kläger hält die Kündigung für unwirksam. Sie sei erst nach Ablauf der Probezeit erklärt worden. Das dem Berufsausbildungsverhältnis vorausgegangene Praktikum sei auf die Probezeit anzurechnen. Die Beklagte habe sich bereits während des Praktikums ein vollständiges Bild über ihn machen können.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Die Revision hatte vor dem Sechsten Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg. Das Berufsausbildungsverhältnis konnte während der Probezeit gemäß § 22 Abs. 1 BBiG ohne Einhalten einer Kündigungsfrist gekündigt werden. Die Tätigkeit des Klägers vor dem 1. August 2013 ist nicht zu berücksichtigen. Dasselbe würde auch dann gelten, wenn es sich hierbei nicht um ein Praktikum, sondern um ein Arbeitsverhältnis gehandelt hätte (vgl. BAG 16. Dezember 2004 – 6 AZR 127/04 -).

(Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19. November 2015 – BAG 6 AZR 844/14, vgl. Pressemitteilung Nr. 59/15)

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VonRA Moegelin

Nichtiges „Anlernverhältnis“ ist als faktischer Arbeitsvertrag zu behandeln mit der Pflicht zur Zahlung der üblichen Vergütung

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Dem Bundesarbeitsgericht lag ein Fall zugrunde, in dem ein so genannter „Anlernvertrag“ geschlossen wurde. Der beklagte Malermeister hatte mit seiner Auszubildenen, nachdem es nicht zum Abschluss eines Berufsausbildungsverhältnisses gekommen war, den so bezeichneten „Anlernvertrag“ im Beruf „Maler- und Lackierer“ geschlossen und eine Vergütung vereinbart, die deutlich hinter der für Arbeitnehmer üblichen Mindestvergütung zurückblieb. Hiergegen wendet sich die (nunmehr ehemalige) Auszubildene mit ihrer Klage auf Zahlung der üblichen Vergütung.

Nach § 4 Abs. 2 Berufsbildungsgesetz ist die Ausbildung für einen anerkannten Ausbildungsberuf nur nach der Ausbildungsordnung zulässig. Die Ausbildung hat grundsätzlich in einem Berufsausbildungsverhältnis stattzufinden. Soll ein solches nicht vereinbart werden, kann statt dessen auch ein Arbeitsverhältnis begründet werden. Es ist jedoch unzulässig, die Ausbildung in einem anderen Vertragsverhältnis nach § 26 Berufsbildungsgesetz, etwa einem „Anlernverhältnis“, durchzuführen. Derartige Verträge sind wegen des Gesetzesverstoßes insgesamt nach § 134 BGB nichtig. Trotzdem eingegangene „Anlernverhältnisse“ sind für den Zeitraum ihrer Durchführung entsprechend den Regeln über das Arbeitsverhältnis auf fehlerhafter Vertragsgrundlage (sog. faktisches Arbeitsverhältnis) wie ein Arbeitsverhältnis zu behandeln. Zu zahlen ist die im Sinne von § 612 Abs. 2 BGB für Arbeitsverhältnisse übliche Vergütung (BAG, Urteil vom 27. Juli 2010 – 3 AZR 317/08).

Ob sich der Arbeitgeber ohne Weiteres vorzeitig aus dem Rechtsverhältnis lösen kann oder ob dies wegen des Schutzzwecks des Berufsbildungsgesetzes nicht möglich ist, wofür nach Ansicht des BAG einiges spricht, lag nicht zur Entscheidung vor.

Im Wesentlichen erfolglos war damit die Revision des beklagten Malermeisters, der nun die übliche Entlohnung zu zahlen hat.

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