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VonRA Moegelin

Billiges Ermessen bei der Versetzung des Arbeitnehmers

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sad-face-wavingDie Wirksamkeit einer Versetzung des Arbeitnehmers hat ihre gesetzliche Grundlage in § 106 Satz 1 GewO, § 315 BGB. Demgemäß kann der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit keine ausdrückliche Festlegung, z.B. durch Arbeitsvertrag, vorliegt.

Eine Angestellte im Sächsischen Landesjugendamt die zuständig ist für die Erteilung von Betriebserlaubnissen für Kindertagesstätten ist der Meinung, dass ihr Arbeitgeber, der später von ihr verklagte Freistaat Sachsen, ihr gegenüber eine unwirksame Versetzung erteilt hat.

Ihre Stelle ist im Sächsischen Landesjugendamt angesiedelt. Im Einstellungsschreiben vom 10. Mai 1993 wurde der Klägerin ein Arbeitsplatz in der Zweigstelle D zugewiesen. Sie betreute bis zum 31. Juli 2008 den N-Kreis, den Kreis Bautzen und 1/3 des Stadtgebiets der Stadt D. Seit dem 1. August 2008 ist die Klägerin für den neuen Kreis B und weiterhin für einen Teil der Stadt D zuständig. Im Durchschnitt an einem Arbeitstag pro Woche prüft sie die Einrichtungen vor Ort.

Nachdem das Sächsische Landesamt für Familie und Soziales, dem die Zweigstelle D des Sächsischen Landesjugendamts zugeordnet war, aufgelöst wurde, beschloss das nunmehr zuständige Sächsische Staatsministerium für Soziales, die Verwaltung des Sächsischen Landesjugendamts in C zu konzentrieren und die Zweigstellen in D und L aufzulösen.

Demgemäß wurde die Klägerin an das Sächsische Landesjugendamt mit Dienstsitz in C versetzt. Der einfache Arbeitsweg von der Wohnung der Klägerin in D zur Arbeitsstelle in C nimmt bei Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel zwischen 1 Stunde 45 Minuten und 2 Stunden 12 Minuten in Anspruch. Ortstermine kann die Klägerin nach wie vor von D aus wahrnehmen.

Die Vorinstanzen haben der hiergegen gerichteten Klage stattgegeben. Auf die Revision des Beklagten wurde zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das LAG zurückverwiesen.

Es ist nicht grundsätzlich ausgeschlossen, dass Arbeitspflichten sich nach längerer Zeit auf bestimmte Arbeitsbedingungen konkretisieren. Die Nichtausübung des Direktionsrechts über einen längeren Zeitraum schafft regelmäßig aber keinen Vertrauenstatbestand, dass der Arbeitgeber von diesem vertraglich und/oder gesetzlich eingeräumten Recht keinen Gebrauch mehr machen will. Die Nichtausübung des Direktionsrechts hat keinen Erklärungswert. Nur beim Hinzutreten besonderer Umstände, aufgrund derer der Arbeitnehmer darauf vertrauen darf, dass er nicht in anderer Weise eingesetzt werden soll, kann es durch konkludentes Verhalten zu einer vertraglichen Beschränkung der Ausübung des Direktionsrechts kommen (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 17. August 2011 – 10 AZR 202/10).

Der Arbeitsort D ist vertraglich nicht festgelegt worden und habe sich auch nicht dadurch auf D konkretisiert, dass die Klägerin seit ihrer Einstellung bis zur Versetzung nach C über 15 Jahre dort tätig gewesen ist. Eine den Arbeitsvertrag abändernde Vereinbarung haben die Parteien nicht getroffen. Ein Vertrauenstatbestand hinsichtlich einer Konkretisierung der Arbeitspflicht auf den Arbeitsort D ist nach Ansicht des BAG nicht bewirkt worden. Eine Versetzung ist demnach möglich, hat aber ermessensfehlerfrei zu erfolgen.

Nach § 140 Abs. 4 Satz 1 SGB III (vormals § 121 Abs. 4 Satz 1 SGB III) ist einem Arbeitslosen aus personenbezogenen Gründen eine Beschäftigung nicht zumutbar, wenn die täglichen Pendelzeiten zwischen seiner Wohnung und der Arbeitsstätte im Vergleich zur Arbeitszeit unverhältnismäßig lang sind. Als unverhältnismäßig lang sind nach § 140 Abs. 4 Satz 2 SGB III im Regelfall Pendelzeiten von insgesamt mehr als zweieinhalb Stunden bei einer Arbeitszeit von mehr als sechs Stunden und Pendelzeiten von mehr als zwei Stunden bei einer Arbeitszeit von sechs Stunden und weniger anzusehen.

Entgegen der Auffasung des LAG hält das BAG die in § 140 Abs. 4 Satz 1 und Satz 2 SGB III enthaltenen Wertungen auf die Ausübung billigen Ermessens nach § 106 Satz 1 GewO, § 315 BGB nicht für übertragbar. Die wechselseitigen Interessen der Arbeitsvertragsparteien setzen eine individuelle Abwägung aller betroffenen Interessen voraus und schließe eine starre Anwendung sozialrechtlicher Zumutbarkeitsregeln aus. Unter dieser Maßgabe hat das LAG neu zu entscheiden und unter anderem festzustellen, ob es zum Zeitpunkt der Versetzung für die Klägerin alternative Beschäftigungsmöglichkeiten in D gab.

Volltext des Urteils des Bundesarbeitsgerichts: BAG, Urteil vom 17. August 2011 – 10 AZR 202/10

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VonRA Moegelin

Kein bezahler Freizeitausgleich für Bereitschaftsdienst von Ärzten – BAG 6 AZR 78/09

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124_doctorEin Assistenzarzt scheiterte mit einer Klage auf Zahlung von Lohn als Ausgleich für geleisteten Bereitschaftsdienst. Er ist der Ansicht, dass die von seinem Arbeitgeber vorgenommene Gewährung von Freizeitausgleich in der gesetzlichen Ruhezeit unzulässig ist.

Zwischen den Parteien fand kraft beiderseitiger Tarifbindung der TV-Ärzte/VKA Anwendung. Dieser Tarifvertrag verpflichtet Ärzte, Bereitschaftsdienste zu leisten. Diese Bereitschaftsdienste werden mit einem tariflich festgelegten Faktor in Arbeitszeit umgerechnet und sind mit einem ebenfalls tariflich festgelegten, von der Entgeltgruppe abhängigen Stundenlohn zu vergüten oder gemäß § 12 Abs. 4 Satz 1 TV-Ärzte/VKA durch entsprechende Freizeit abzugelten (Freizeitausgleich). Dieser Freizeitausgleich kann auch in der gesetzlichen Ruhezeit nach § 5 ArbZG erfolgen.

Der Kläger leistete außerhalb der regulären Arbeitszeit Bereitschaftsdienste mit jeweils zehn Stunden, von denen entsprechend der tariflichen Regelung 90 % und damit neun Stunden als Arbeitszeit gewertet wurden. Im Anschluss erhielt der Kläger Freizeitausgleich noch innerhalb der gesetzlichen Ruhezeit des § 5 ArbZG. Dadurch wurde er jeweils von seiner ansonsten am Folgetag bestehenden Arbeitspflicht freigestellt. Eine verbleibende aus dem Bereitschaftsdienst errechnete Stunde Arbeitszeit wurde vergütet. Auf diese Weise wurde die Regelarbeitszeit des Klägers in vollem Umfang vergütet und die gesetzliche Ruhezeit eingehalten. Der Kläger begehrt Entgelt für die von ihm zwischen dem 9. Juli 2007 bis zum 31. August 2008 geleisteten Bereitschaftsdienste, soweit ihm dafür Freizeitausgleich gewährt worden ist. Unstreitig sind dies in Arbeitszeit umgerechnet 640 Stunden.

Der Arzt hat keinen Anspruch darauf, nach Ableistung eines Bereitschaftsdienstes zunächst unbezahlte Ruhezeit und anschließend bezahlten Freizeitausgleich gewährt zu bekommen (BAG, Urteil vo​m 22. Juli 2010 – 6 AZR 78/09).

Nach Ansicht des BAG kann der Freizeitausgleich nach § 12 Abs. 4 Satz 1 TV-Ärzte/VKA auch in die gesetzliche Ruhezeit gelegt werden. § 5 ArbZG schreibt dem Krankenhaus nicht vor, durch welche arbeitsvertragliche Gestaltung es sicherstellt, dass der Arzt nach der Beendigung der täglichen Arbeitszeit mindestens während der folgenden gesetzlichen Ruhezeit nicht zur Arbeitsleistung herangezogen wird. Erfolgt der Freizeitausgleich in der gesetzlichen Ruhezeit, wird also bezahlte Freizeit unter Anrechnung auf die Sollarbeitszeit gewährt, ist der nach § 12 Abs. 2 und Abs. 3 TV-Ärzte/VKA bei Ableistung von Bereitschaftsdiensten entstehende Entgeltanspruch abgegolten.

Die Revision des Klägers wurde daher vom Bundesarbeitsgericht zurückgewiesen.

Volltext des Urteils des Bundesarbeitsgerichts: BAG, Urteil vom 22. Juli 2010 – 6 AZR 78/09

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