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VonRA Moegelin

Hautkrebs als Berufskrankheit des Polizisten

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Die Hautkrebs-Erkrankung eines Polizisten ist keine Berufskrankheit, da schlicht nicht nachweisbar ist, dass der betroffene Beamte bei der Ausübung seiner Tätigkeit der Gefahr der Erkrankung besonders ausgesetzt ist.

Volltext der Pressemitteilung des Verwaltungsgerichts Aachen vom 15.04.2024 – 1 K 2399/23

Ein ehemaliger Polizist hat keinen Anspruch auf Anerkennung seiner Hautkrebserkrankung als Berufskrankheit infolge früher wahrgenommener Tätigkeiten u.a. im Streifendienst. Das hat das Verwaltungsgericht Aachen mit heute verkündetem Urteil entschieden.

Der Kläger begründete seine Klage damit, er sei während seiner nahezu 46-jährigen Dienstzeit zu erheblichen Teilen im Außendienst eingesetzt gewesen, ohne dass sein Dienstherr ihm Mittel zum UV-Schutz zur Verfügung gestellt oder auch nur auf die Notwendigkeit entsprechender Maßnahmen hingewiesen habe. Infolgedessen leide er unter Hautkrebs am Kopf, im Gesicht und an den Unterarmen.

Das Verwaltungsgericht hat die Ablehnung der Anerkennung als Berufskrankheit durch das LKA NRW bestätigt. Zur Begründung hat der Vizepräsident des Verwaltungsgerichts Markus Lehmler als Vorsitzender u.a. ausgeführt:

Die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Dienstunfall liegen hier nicht vor. Erforderlich ist im Fall von durch UV-Strahlung ausgelöstem Hautkrebs, dass der betroffene Beamte bei der Ausübung seiner Tätigkeit der Gefahr der Erkrankung besonders ausgesetzt ist, d.h. das Erkrankungsrisiko aufgrund der dienstlichen Tätigkeit in entscheidendem Maß höher als das der Allgemeinbevölkerung ist. Davon kann bei Polizeibeamten im Außendienst nicht die Rede sein. Polizisten bewegen sich im Außendienst in unterschiedlichen örtlichen Begebenheiten und nicht nur bei strahlendem Sonnenschein im Freien. Zudem gibt es keine Referenzfälle, obwohl das Thema Hautkrebs durch UV-Strahlung bereits seit Jahrzehnten bekannt ist.

Gegen das Urteil kann der Kläger einen Antrag auf Zulassung der Berufung stellen, über den das Oberverwaltungsgericht in Münster entscheidet.

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VonRA Moegelin

Diskriminierung Schwerbehinderter bei Nichteinstellung

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Ein an Diabetes erkrankter Schwerbehinderter erhielt eine Einstellungszusage von einem Arbeitgeber im Öffentlichen Dienst, vorbehaltlich einer noch durchzuführenden ärztlichen Untersuchung. Nach dieser Untersuchung wurde die Einstellungszusage vom Arbeitgeber widerrufen, mit der Begründung, dass der Schwerbehinderte wegen der Diabetes nicht für die Stelle geeignet sei. Da der Widerruf der unter Vorbehalt erteilten Einstellungszusage nicht diskriminierend, sondern auf sachlichen Gründen beruht, kann der schwerbehinderte Bewerber auch keine Entschädigung gemäß AGG beanspruchen kann.

Volltext der Pressmitteilung des Arbeitsgerichts Siegburg vom 26.03.2024 – 3 Ca 1654/23 :

Widerruft ein Arbeitgeber im Öffentlichen Dienst seine Einstellungszusage aufgrund eines ärztlichen Attests, ist dies keine Diskriminierung aufgrund einer Schwerbehinderung.

Der an Diabetes erkrankte, schwerbehinderte Kläger bewarb sich unter Hinweis auf seine Schwerbehinderung im Januar 2023 auf eine von der beklagten Stadt ausgeschriebene Ausbildungsstelle als Straßenwärter. Er erhielt eine Einstellungszusage vorbehaltlich einer noch durchzuführenden ärztlichen Untersuchung. Der Arzt kam zu dem Ergebnis, dass der Kläger wegen seiner Diabetes-Erkrankung nicht für die vorgesehene Ausbildungsstelle geeignet sei. Die Einstellungszusage wurde daraufhin zurückgenommen. Der Kläger erhob Klage auf Entschädigung wegen einer aus seiner Sicht erfolgten Diskriminierung als schwerbehinderter Mensch.

Mit Urteil vom 20.03.2024 wies das Arbeitsgericht Siegburg die Klage ab. Eine diskriminierende Handlung und ein Verstoß gegen das AGG waren für die 3. Kammer nicht erkennbar. Der Kläger sei von der Beklagten wegen seiner Behinderung nicht schlechter behandelt worden als vergleichbare nichtbehinderte Bewerber. Die Stadt habe bei der Entscheidung, den Kläger nicht einzustellen, nicht auf seine Behinderung abgestellt. Vielmehr habe man den Kläger ungeachtet seiner Behinderung gerade einstellen wollen und ihm demgemäß eine Einstellungszusage erteilt, diese jedoch vom Ergebnis einer gesundheitlichen Eignungsuntersuchung bzw. seiner Eignung abhängig gemacht. Diese gesundheitliche Eignung sei dann von dem von ihr beauftragten Arzt verneint worden, woraufhin die Beklagte unter Berufung auf den zum Ausdruck gekommenen Vorbehalt ihre Einstellungszusage zurückgezogen habe.

Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Gegen das Urteil kann Berufung beim Landesarbeitsgericht Köln eingelegt werden.

Arbeitsgericht Siegburg – Aktenzeichen 3 Ca 1654/23 vom 20.03.2024

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VonRA Moegelin

Betriebsratswahl bei Tesla zulässig

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Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat entschieden, dass die bereits eingeleitete Betriebsratswahl bei Tesla im März 2024 in Grünheide zulässig und daher nicht abzubrechen ist. Ein Abbruch der Betriebsratswahl im gerichtlichen Eilverfahren ist nur dann veranlasst, wenn deren Nichtigkeit absehbar ist. Zwar liegt ein Verstoß gegen die gesetzliche Fristenregelung vor. Ein Verstoß gegen die gesetzlich geregelte Fristen ist jedoch nicht so schwerwiegend, dass sie die Nichtigkeit der Betriebsratswahl zur Folge hat.

Volltext der Pressemitteilung Nr. 3/24 des  Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg – 11 TaBVGa 135/24 vom 07.03.2024:

In einem von der Gewerkschaft IG Metall eingeleiteten Eilverfahren hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg heute – anders als erstinstanzlich das Arbeitsgericht Frankfurt (Oder) – die Durchführung der Betriebsratswahl im März 2024 nicht untersagt.

In der Tesla Gigafactory in Grünheide wurde am 28.02.2022 erstmalig ein Betriebsrat gewählt, der bei damals rund 2.300 Beschäftigten aus 19 Betriebsratsmitgliedern bestand. Anfang Januar 2024 war die Zahl der Beschäftigten auf rund 12.500 angestiegen. Nach der gesetzlichen Regelung ist ein Betriebsrat vor Ablauf der regelmäßig vierjährigen Amtszeit neu zu wählen, wenn mit Ablauf von 24 Monaten ab dem Tag der Wahl die Zahl der regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erheblich – um die Hälfte, mindestens aber um 50 Personen – gestiegen oder gesunken ist (§ 13 Absatz 2 Nr. 1 Betriebsverfassungsgesetz). Der im Februar 2022 gewählte Betriebsrat bestellte Anfang Januar 2024 einen Wahlvorstand zur Vorbereitung und Durchführung der Wahl eines neuen Betriebsrats mit 39 Mitgliedern. Vom 29.01.2024 bis zum 11.02.2024 fand aufgrund von Zulieferproblemen kein Produktionsbetrieb bei Tesla statt. Der Wahlvorstand erließ am 01.02.2024 ein Wahlausschreiben, forderte die Beschäftigten zur Abgabe von Vorschlagslisten bis zum 15.02.2024 auf und lud sie zur Betriebsratswahl Mitte März (18. bis 20.03.2024) ein.

Gegen die Durchführung dieser Betriebsratswahl hat sich die IG Metall als im Betrieb vertretene Gewerkschaft mit der Begründung gewandt, die Wahl sei zwingend nichtig und deshalb abzubrechen. Dies folge vor allem daraus, dass der Zeitraum von 24 Monaten ab dem vorausgegangenen Wahltag am 28.02.2022 nicht abgewartet worden sei. Der Wahlvorstand hätte aus Sicht der Gewerkschaft erst ab dem 29.02.2024 bestellt werden dürfen. Durch die verfrühte Einleitung der Wahl hätten die Beschäftigten wegen des Produktionsstopps Anfang Februar 2024 außerdem nicht ausreichend Gelegenheit zur Aufstellung von Vorschlagslisten gehabt. Der Wahlvorstand und die Tesla Manufacturing Brandenburg SE als Arbeitgeberin gehen davon aus, dass es für den gesetzlich geregelten Zeitraum von 24 Monaten darauf ankomme, dass die Wahl selbst erst danach durchgeführt werde, während Maßnahmen zur Vorbereitung der Wahl schon vor Ablauf der Frist zulässig seien. Vorschlagslisten seien ungeachtet des Produktionsstopps eingereicht worden. Ein etwaiger Verstoß gegen die gesetzliche Regelung sei jedenfalls nicht so schwerwiegend, dass eine Nichtigkeit der Wahl anzunehmen sei.

Das Arbeitsgericht Frankfurt (Oder) hatte mit Beschluss vom 13.02.2024 die weitere Durchführung der Betriebsratswahl untersagt und bestimmt, dass die Neuwahl erst ab dem 29.02.2024 eingeleitet werden dürfe. Die gesetzliche Frist von 24 Monaten müsse zwingend abgewartet werden. Ein Verstoß dagegen führe zur Nichtigkeit der Wahl mit der Folge, dass die Wahl abzubrechen sei.

Das Landesarbeitsgericht hat heute entschieden, dass die bereits eingeleitete Wahl nicht abzubrechen sei. Ein Abbruch der Wahl im gerichtlichen Eilverfahren sei nur dann veranlasst, wenn deren Nichtigkeit absehbar sei. Zwar liege ein Verstoß gegen die gesetzliche Fristenregelung vor. Dieser Verstoß und weitere gerügte Verstöße seien jedoch nicht so schwerwiegend, dass von der Nichtigkeit der Wahl auszugehen sei. Eine mögliche Anfechtbarkeit der Wahl genüge für einen Abbruch nicht. Nach Durchführung der Wahl könne deren Wirksamkeit im Einzelnen gerichtlich geprüft werden, falls ein Wahlanfechtungsverfahren eingeleitet werde. Soweit die Gewerkschaft im Beschwerdeverfahren auch Korrekturen des Wahlverfahrens durchsetzen wollte, hatte sie damit keinen Erfolg. Nach der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts ist für die Anordnung solcher Korrekturen im gerichtlichen Eilverfahren auf Wahlabbruch jedenfalls dann kein Raum, wenn durch Korrekturen bereits vorhandene Fehler des Wahlverfahrens nicht mehr beeinflusst werden könnten.

Gegen die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts im einstweiligen Rechtsschutz ist kein Rechtsmittel gegeben.

Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 06.03.2024, 11 TaBVGa 135/24

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VonRA Moegelin

Inflationsausgleichsprämie bei Altersteilzeit

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Ob einem Arbeitnehmer die Inflationsausgleichsprämie während der Passivphase seiner Altersteilzeit zusteht, wird am 05.03.2024 beim Landesarbeitsgericht Düsseldorf verhandelt. Erstinstanzlich hat das Arbeitsgericht Essen die Klage gegen den Arbeitgeber abgewiesen.

Volltext der Pressemitteilung Nr. 3/2024 des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 29.02.2024 – 14 Sa 1148/23:

Der Kläger ist Arbeitnehmer eines Unternehmens der Energiewirtschaft. Er befindet sich in der für den Zeitraum vom 01.05.2018 bis zum 30.04.2026 vereinbarten Altersteilzeit im Blockmodell. Die Passivphase begann am 01.05.2022.

Der Arbeitgeberverband energie- und wasserwirtschaftlicher Unternehmungen e.V. einigte sich mit Gewerkschaft ver.di für die Beklagte in der Tarifrunde 2023 auf eine zweistufige Gehaltserhöhung um 10,5 %, von der auch der Kläger profitierte. Die Tarifvertragsparteien schlossen zusätzlich einen Tarifvertrag über eine einmalige Sonderzahlung gemäß § 3 Nr. 11c Einkommenssteuergesetz (TV IAP). d.h. über die Zahlung einer sog. Inflationsausgleichsprämie. Diese Einmalzahlung betrug 3.000,00 Euro. Von der Zahlung waren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ausgeschlossen, die am 31.05.2023 in einem gekündigten oder ruhenden Arbeitsverhältnis standen bzw. sich zu diesem Stichtag in der Passivphase der Altersteilzeit oder im Vorruhestand befanden. Nicht ausgenommen waren Beschäftigte in Elternzeit.

Der Kläger ist der Ansicht, ihm stehe die Inflationsausgleichsprämie in Höhe von 3.000,00 Euro auch in der Passivphase der Altersteilzeit zu. Der tarifliche Ausschluss von Beschäftigten, die sich am Stichtag in der Passivphase befinden, sei rechtsunwirksam. Es liege ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG vor. Die steigenden Energie- und Lebenshaltungskosten träfen ihn genauso wie aktive Be-schäftigte. So seien Vergünstigungen durch subventionierte Kantinenpreise, kostenlose Getränke und Jobticket entfallen. Durch die erhöhte Anwesenheit in seinen Wohnräumen sei verstärkt zu heizen und es bestehe ein höherer Wasserverbrauch. Zudem liege eine unzulässige Altersdiskriminierung vor. Er werde außerdem im Verhältnis zu den außertariflichen Beschäftigten ungleich behandelt.

Die Beklagte ist der Ansicht, dem Kläger stehe aufgrund des wirksamen tariflichen Ausschlusses kein Anspruch auf die Inflationsausgleichsprämie zu. Die Herausnahme der Beschäftigten in der Passivphase sei gerechtfertigt. Die Inflationsausgleichsprämie stelle ein Instrument zur langfristigen Vermeidung einer Lohn-Preis-Spirale dar. Davon hätten die Tarifvertragsparteien Gebrauch gemacht. Sie hätten lediglich – wozu keine Verpflichtung bestanden habe – die allgemeine Tariferhöhung weitergegeben. Die erhöhten Verbraucherpreise träfen Beschäftigte in der Passivphase nicht in gleicher Härte wie aktive Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. So entfielen z.B. die Fahrten zum Arbeitsplatz.

Das Arbeitsgericht Essen hat die Klage abgewiesen. Die Stichtagsregelung, wonach am 31.05.2023 in der Passivphase befindlichen Beschäftigten kein Anspruch auf die Inflationsausgleichsprämie zusteht, sei wirksam. Dies folge bereits aus der Struktur der Altersteilzeit im Blockmodell. Es werde in der Passivphase letztlich nur das während der Aktivphase in Vollzeit erarbeitete und angesparte Arbeitsentgelt ausgezahlt. Es komme bei rechtlichem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses ohne jede Leistungsverpflichtung nur zu einer anderen Auszahlung, nämlich einer hälftigen Vergütung über den gesamten Zeitraum der Altersteilzeit. Der Kläger werde auch ausgehend vom Leistungszweck der Inflationsausgleichsprämie nicht benachteiligt, weil diese von der Erbringung der Arbeitsleistung abhängig gemacht werden dürfe. Weder eine unzulässige Altersdiskriminierung noch eine Ungleichbehandlung mit den außertariflichen Beschäftigten seien gegeben.

Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger den Anspruch auf die Inflationsausgleichsprämie weiter.

Landesarbeitsgericht Düsseldorf – 14 Sa 1148/23
Arbeitsgericht Essen, Urteil vom 23.10.2023 – 6 Ca 1687/23

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Haftung des Reiseveranstalters für verpasstes Boarding

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Einem Reiseveranstalter ist die Verzögerung bei der Sicherheitskontrolle am Flughafen nicht als Verschulden zuzurechnen. Die Personen- und Gepäckkontrolle ist keine Leistungserbringung des Reiseveranstalters oder der für ihn handelnden Fluggesellschaft. Im Rahmen des Reisevertrages handelt es sich bei der Sicherheitskontrolle gemäß Luftsicherheitsgesetz um eine hoheitliche Aufgabe des Staates. Etwaige Fehler der Planung der Luftsicherheitsbehörden bei der Sicherheitskontrolle der Passagiere muss sich der Reiseveranstalter daher nicht zurechnen lassen.

Volltext der Pressemitteilung 27 des Amtsgerichts München vom 28.08.2023 – 158 C 1985/23:

Das Amtsgericht München wies eine Klage gegen einen Reiseveranstalter auf Rückerstattung des Reisepreises für eine Pauschalreise in Höhe von 1.648 Euro ab. Die Reisenden hatten nach Verzögerungen bei der Sicherheitskontrolle das Boarding verpasst.

Der Kläger hatte bei der Beklagten für sich und seine Ehefrau im Oktober 2022 eine Pauschalreise nach Madeira gebucht. Beim Online-Check-in erhielt der Kläger die Weisung, um 12:50 Uhr am Gate zu sein. Tatsächlich erreichten der Kläger und seine Ehefrau das Gate um 13:05 Uhr. Obwohl das Flugzeug noch in Parkposition stand, verweigerte das Bodenpersonal den Reisenden den Zutritt zum Flugzeug.

Der Kläger führt aus, er habe sich am Abreisetag gemeinsam mit seiner Ehefrau um 10:15 Uhr, damit 3 Stunden und 20 Minuten vor Abflug, in die Flughafenhalle begeben. Der Schalter zur Gepäckabgabe für den gebuchten Flug sei jedoch erst um 11:00 Uhr geöffnet worden. Der Kläger und seine Ehefrau hätten ihr Gepäck abgegeben und sich im Anschluss daran gegen 11:20 Uhr direkt zur Sicherheitskontrolle begeben. Die Sicherheitskontrolle habe dann jedoch bis ca. 13:00 Uhr gedauert, da anstelle der ca. 20 Schalter der Sicherheitskontrolle für einen gesamten Abflugbereich, lediglich nur ein einziger Schalter geöffnet gewesen sei.

Nach Auffassung des Klägers habe er gegen die Beklagte einen Anspruch auf Rückerstattung des Reisepreises. Die Beklagte hätte jedenfalls wissen müssen, dass nicht hinreichend Personal in der Sicherheitskontrolle zur Verfügung stand. Entsprechend hätte die Beklagte auf eine frühere Öffnung der Gepäckabgabeschalter der Airline hinwirken müssen und die Reisenden auf überlange Wartezeiten aufmerksam machen müssen.

Nach Sichtweise der Beklagten, hätten weder die Beklagte noch deren Leistungserbringer die Vertragsdurchführung vereitelt. Eine zu langsame Sicherheitskontrolle am Flughafen sei der Beklagten nicht zuzurechnen. Es handele sich bei den Sicherheitsbehörden nicht um Erfüllungsgehilfen der Beklagten oder deren Leistungsträger. Die Durchführung von Sicherheitskontrollen sei keine vertragliche Obliegenheit der Beklagten, sondern eine hoheitlich staatliche Aufgabe, deren Durchführung und Organisation von der Beklagten nicht beeinflusst werden könne. Die Beklagte sei auch nicht gehalten gewesen, Schalter mehr als 2,5 Stunden vor geplantem Abflug zu öffnen. Die Beklagte könne sich grundsätzlich darauf verlassen, dass die Luftsicherheitsbehörde den Ablauf der Sicherheitskontrollen so gestalte, dass die Sicherheitskontrolle vor Abflug unproblematisch erfolgen könne.

Das Amtsgericht München wies die Klage auf Rückerstattung des Reisepreises gegen den Reiseveranstalter ab und führte in den Entscheidungsgründen wie folgt aus:

„Die streitgegenständliche Pauschalreise leidet nicht an einem Mangel. Vielmehr befand sich der Kläger mit dem Antritt der Reise in Annahmeverzug, indem er das Abflug-Gate des gebuchten Fluges erst nach dessen Schließung um 13:05 Uhr anstatt um 12:50 Uhr erreichte. Nachdem das Gate geschlossen war, bestand kein Anspruch des Klägers mehr auf Zutritt zum Flugzeug und damit auf Beförderung durch die Leistungserbringer der Beklagten.

Die Beklagte muss sich eine etwaige Verzögerung bei der sog. „Sicherheitskontrolle“ am Flughafen auch nicht zurechnen lassen. Die Personen- und Gepäckkontrolle ist keine Leistungserbringung der Beklagten oder ihrer Leistungsträger im Rahmen des Reisevertrages, sondern es handelt sich hierbei gemäß Luftsicherheitsgesetz, insbesondere § 5 LuftSiG, um eine hoheitliche Aufgabe des Staates, die durch die zuständige Luftsicherheitsbehörde regelmäßig unter Beauftragung der Bundespolizei ausgeführt wird. Etwaige Fehler der Planung der Luftsicherheitsbehörden bei der Sicherheitskontrolle der Passagiere muss sich die Beklagte nicht zurechnen lassen. (…)

Die Beklagte war auch nicht gehalten, den Gepäckabgabeschalter mehr als zweieinhalb Stunden vor Abflug zu öffnen, sondern durfte sich darauf verlassen, dass die Sicherheitskontrolle so organisiert ist, dass ein Erreichen des Gates bis zur angegebenen Boardingzeit problemlos innerhalb der zur Verfügung stehenden Zeitspanne möglich ist. Auch eines Hinweises auf eine etwaige längere Dauer der Sicherheitskontrolle durch die Beklagte bedurfte es nicht; der Hinweis auf die Boardingszeit beim Check-In war ausreichend. Es wäre vielmehr an dem Kläger gewesen, für ein rechtzeitiges Passieren der Sicherheitskontrolle, gegebenenfalls durch ein Herantreten an andere Reisende mit der Bitte um bevorzugte Abfertigung unter Hinweis auf die gesetzte Boardingzeit, Sorge zu tragen. Der Vortrag des Klägers erscheint auch unplausibel vor dem Hintergrund, dass andere Reisende das Flugzeug offenbar trotz der vorgetragenen Verzögerungen in der Sicherheitskontrolle rechtzeitig erreicht haben – es ist nach der Lebenserfahrung davon auszugehen, dass das Flugzeug nicht ohne Passagiere und Gepäck nach Madeira geflogen ist. Ein zur Minderung des Reisepreises (gar auf Null) berechtigender Reisemangel ist nach alledem nicht erkennbar. Der Kläger hat es zudem verabsäumt, etwaige Mängel der Reiseleistung gegenüber der Beklagten anzuzeigen und diese zur Abhilfe aufzufordern.“

Urteil des Amtsgerichts München vom 12.07.2023
Aktenzeichen: 158 C 1985/23

München, 28.08.2023
Pressestelle Amtsgericht München

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VonRA Moegelin

Versicherungspflicht der weiteren geringfügigen Tätigkeit

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Die (richtige) sozialversicherungsrechtliche Meldung von Beschäftigten liegt grundsätzlich im Verantwortungsbereich des Arbeitgebers. Etwaige Fehlbeurteilungen bzw. Irrtümer seien auf den Eintritt der gesetzlich angeordneten Versicherungs- und Beitragspflichten ohne Einfluss. Die rechtlich fehlerhafte Beurteilung des ihm bekannten Sachverhalts ist einer dem Arbeitgeber unverschuldeten, schutzwürdigen Unkenntnis einer bereits ausgeübten geringfügigen Nebenbeschäftigung nicht gleichzusetzen. Das gilt damit im hier einschlägigen Fall, wonach es keine Ausnahme vom Zusammenrechnungsgebot gibt, wenn ein Beschäftigter neben seiner versicherungspflichtigen Hauptbeschäftigung mehrere geringfügige Nebenbeschäftigungen ausübt.

Volltext der Pressemitteilung des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 02.02.2024 – L 8 BA 194/21:

Die Klägerin betreibt eine hausärztliche Gemeinschaftspraxis. Die Beigeladene war von April bis Oktober 2023 bei ihr als medizinische Fachangestellte beschäftigt (Ø 2 Std./Wo., rund 80 €/Mon.). Nach dem Arbeitsvertrag übte sie bei Aufnahme ihrer Beschäftigung bei der Klägerin bereits zwei sozialversicherungspflichtige Hauptbeschäftigungen und eine weitere geringfügige Beschäftigung aus. Im streitigen Zeitraum entrichtete die Klägerin für die Beigeladene Pauschalbeiträge zur Kranken- und Rentenversicherung. Nach einer Betriebsprüfung erhob die beklagte Deutsche Rentenversicherung Westfalen Beiträge zur Sozialversicherung nach (gut 900 €). Pauschalbeiträge seien nur für die erste geringfügige Beschäftigung zu entrichten. Die hier zu beurteilende zweite sei in vollem Umfang versicherungspflichtig. Dagegen wehrte sich die Klägerin vergeblich vor dem SG Dortmund.

Dessen Urteil hat das LSG nun bestätigt und die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Wenn ein Beschäftigter neben seiner versicherungspflichtigen Hauptbeschäftigung mehrere geringfügige Nebenbeschäftigungen ausübe, sei nach § 8 Abs. 2 S. 1 SGB IV nur eine (einzige) dieser Tätigkeiten vom Zusammenrechnungsgebot ausgenommen. Als diese eine zusammenrechnungsfreie Tätigkeit habe die Beklagte zutreffend diejenige angesehen, die zeitlich vor der streitigen Tätigkeit bei der Klägerin begonnen worden sei. Die rechtlich fehlerhafte Beurteilung des ihm bekannten Sachverhalts sei einer dem Arbeitgeber unverschuldeten, schutzwürdigen Unkenntnis einer bereits ausgeübten geringfügigen Nebenbeschäftigung nicht gleichzusetzen. Die (richtige) sozialversicherungsrechtliche Meldung von Beschäftigten liege grundsätzlich im Verantwortungsbereich des Arbeitgebers. Etwaige Fehlbeurteilungen bzw. Irrtümer seien auf den Eintritt der gesetzlich angeordneten Versicherungs- und Beitragspflichten ohne Einfluss. Schwierigkeiten bei der (rechtlich) zutreffenden Meldung sei durch die Einholung von Informationen bei sachkundigen Personen und Stellen zu begegnen. Nahe liege es hier insbesondere, eine förmliche Entscheidung der Einzugsstelle (§ 28i S. 5 SGB IV) zu beantragen.

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