3 Jahre Stillstand beim Arbeitsgericht – Verwirkung des Kündigungsschutzrechts

VonRA Moegelin

3 Jahre Stillstand beim Arbeitsgericht – Verwirkung des Kündigungsschutzrechts

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Gerald_G_Cartoon_Cat_Sleeping_2Der Streit über die Wirksamkeit einer fristlosen, hilfsweise ordentlichen Kündigung und zweier Abmahnungen lag dem BAG zur Entscheidung vor, die ein Leiter für Rechnungswesen von seinem Arbeitgeber erhielt.

Vorausgegangen war eine Kündigung, der der Arbeitgeber zurücknahm und sie „verbindlich für gegenstandlos“ erklärte. Und er forderte den Leiter für Rechnungswesen und späteren  Kläger auf, die Arbeit bei ihm wieder aufzunehmen. Dieser erklärte jedoch, die einseitige „Zurücknahme“ der Kündigung sei nicht möglich. Ihm sei eine Ãœberlegungsfrist von einer Woche einzuräumen, binnen derer er sich erklären werde. Eine Arbeitsaufnahme scheide aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen aus. In Erfüllung seiner Verpflichtung aus § 11 KSchG (Anrechnung auf entgangenen Zwischenverdienst) habe er zwischenzeitlich – unstreitig – ein anderweitiges Arbeitsverhältnis begründet.

Diese erste Kündigung war Streitgegenstand beim Arbeitsgericht.

Wegen seiner Verweigerung der Arbeitsaufnahme erteilte der Arbeitgeber zwischenzeitlich zwei Abmahnungen und zuletzt die fristlose, hilfsweise fristgerechte -und damit zweite- Kündigung.

Daraufhin erfolgte der Gütetermin im März 2003 beim Arbeitsgericht. Es erging folgender Beschluss: „Neuer Termin wird auf Antrag einer Partei bestimmt„.

Noch am selben Tag, ging beim Arbeitsgericht ein rückdatierter Schriftsatz des Klägers ein, mit dem dieser sich gegen die 2. Kündigung und die beiden Abmahnungen wandte. Er bat um „förmliche Zustellung dieser Klageerweiterung“ und kündigte an, „im Termin der mündlichen Verhandlung“ die im Schriftsatz enthaltenen Anträge zu stellen. Der Schriftsatz wurde der Beklagten zugestellt. Einen Termin hat das Arbeitsgericht nicht bestimmt. Die Beklagte regte an, beim Kläger anzufragen, ob er die Klage aufrecht erhalte. Das vom Arbeitsgericht entsandte formlose Schreiben an den Kläger blieb unbeantwortet.

Erst im März 2006 (drei Jahre nach dem Gütetermin) später beantragte der Kläger die Fortsetzung des Verfahrens und Termin zur Kammerverhandlung anzuberaumen. Im Kammertermin erklärte der Beklagte die erste Kündigung erneut „für gegenstandslos„. Der Kläger erklärte seine dagegen gerichtete Kündigungsschutzklage daraufhin „für erledigt„. Die Klage gegen die zweite Kündigung hielt er aufrecht und machte geltend, die Kündigung sei rechtsunwirksam.

Seine hiergegen gerichteten Kündigungsschutzklage hat das Landesarbeitsgericht abgewiesen, da er sein Kündigungsrecht verwirkt habe.

Das Bundesarbeitsgericht hat der Revision des Klägers stattgegeben.

Das BAG stellte klar, dass die Verwirkung sich nicht auf materiell-rechtliche Rechtspositionen des Berechtigten beschränkt. Auch die Möglichkeit zur gerichtlichen Klärung einer Rechtsposition ist eine eigenständige Befugnis, die verwirken kann Das gilt auch für die Befugnis zur Fortsetzung eines bereits rechtshängigen Verfahrens, das längere Zeit nicht betrieben wurde. In der Klageerhebung allein erschöpft sich das Recht zur gerichtlichen Geltendmachung der Unwirksamkeit einer Kündigung nicht.

Der Kläger habe sein Klagerecht nicht durch Untätigkeit im Kündigungsschutzprozess verloren, auch wenn das erforderliche Zeitmoment erfüllt ist. Der Kläger hat seine Klageerweiterung unmittelbar im Anschluss an den Termin im März 2003 und im Bewusstsein der dortigen gerichtlichen Anordnungen eingereicht. Unter diesen Umständen musste sein Begehren dahin verstanden werden, dass die Terminlosstellung des Verfahrens – nach Zustellung – auf die mit der Klageerweiterung verfolgten Anträge ausgedehnt werden sollte. Jedenfalls musste der Kläger erkennen, dass das Arbeitsgericht sein Anliegen in diesem Sinn verstanden habe. Er habe folglich auch selbst das Verfahren drei Jahre nicht betrieben.

Nach Ansicht des BAG fehlt es jedoch an dem weiteren für die Verwikung erforderlichen Umstandsmoment. Die Untätigkeit des Klägers war demnach nicht geeignet, beim beklagten Arbeitgeber ein schutzwürdiges Vertrauen dahingehend zu begründen, er werde seine Kündigungsschutzklage nicht mehr verfolgen und habe sich mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses endgültig abgefunden.

Selbst bei langjährigem Verfahrensstillstand hat der Arbeitgeber grundsätzlich keinen Anlass darauf zu vertrauen, nicht mehr gerichtlich auf die Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung in Anspruch genommen zu werden. Für eine Prozessverwirkung ist allenfalls in engen Grenzen Raum (BAG, Urteil vom 25. November 2010 – 2 AZR 323/09). Daran fehlt es.

Als maßgeblich erachtet das BAG, dass der Kläger nicht bereit war, sich mit seinem Ausscheiden aufgrund arbeitgeberseitiger Kündigung abzufinden, weder hinsichtlich der ersten noch der zweiten Kündigung. Auch einem mehrjährigen Schweigen und Nichtbetreiben eines Kündigungsschutzprozesses könne nicht entnommen werden, die Kündigung(en) zu akzeptieren.

Die Sache war an das LAG zurückzuverweisen zur Feststellung, ob ein wichtiger Grund für die Kündigung gemäß § 626 BGB vorliegt oder ob sie nach § 1 KSchG sozial gerechtfertigt ist.

Volltext des Urteils des Bundesarbeitsgerichts: BAG, Urteil vom 25. November 2010 – 2 AZR 323/09

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